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Freitag, 28. März 2025

Kötztinger Häuserchronik alte Hausnummer 92 das Torwärterhaus

Das "alte Kötzting" bei der Uraufnahme bei der beginnenden Landvermessung hatte 159 Anwesen. Der Geschichte dieser Bürgerhäuser und ihrer Bewohner nachzuspüren und sie zu dokumentieren, ist das Ziel dieser Häuserchronik.

Die Anfänge und die Entwicklung unserer Heimatstadt können von der Teilung der Urhöfe bis hin zur Auswahl als Landgerichtsort in einem einleitenden Blog nachgelesen werden.


Alte Hausnummer 92
beim Apotheker

Sammlung Arbeitskreis:  Rechts am Hauseingang der "Adler" für die Adlerapotheke


Vermessungsamt Cham: 5168-2100-LiquiP_Bad_Koetzting_1831_Beilage_M2500_1_1-01


Mathias Mack und Anna Maria Kellner

Am 12.2.1765 hatte der Landauer Bäckerssohn Matthias Mack Anna Maria Kellner, die Witwe des Kötztinger Gerichtsboten Judas Thaddeus Kellner geheiratet. Anna Maria Kellner war eine geborene Auzinger, die Tochter des Kötztinger Hammerschmieds Kaspar Auzinger.
Mathias Mack hatte wohl mit seiner junge Ehefrau auch das Gewerbe des Gerichtsbotens mit erheiratet und konnte vermutlich gleich in ihr Haus einziehen.
Es ist sehr wenig bekannt über die Anfänge des Hauses. Da es jedoch aktenkundig ist, dass dieses Haus Ende des 18. Jahrhundert als das Gerichtsbotenshaus bezeichnet wird und es sogar ausdrücklich heißt, dass dies früher die Torwärterswohnung und anschließend einem Jäger zur Wohnung gedient hatte, sollte das "Gebäude" - es hieß, dass es früher keinen Ofen (Herd) hatte - im Zuge eines Ausbaus des kurfürstlichen/Herzoglichen Schlosses errichtet worden sein.
Es gibt zwei umfangreiche Darstellungen über dieses Haus im Zusammenhang mit einem Zuständigkeitsstreit.
Zum ersten wird es vom Kötztinger Kammerer Wolfgang Samuel Luckner erwähnt, der von einem verheerenden Brand, der in diesem Hause ausgebrochen ist berichtet, und, dass es nur den von ihm kurz zuvor angeschafften modernen Feuerspritzen zu verdanken sei, dass nichts Schlimmeres passiert ist. 
Dies ist zumindest insofern richtig, da in den Jahren nach Luckners Amtseinführung systematisch die Ausrüstung der Kötztinger Feuerwehr erneuert worden war. 1762 wurde eine Handfeuerspritze erworben; 1763 folgte dann eine weitere hölzerne Handfeuerspritze zusammen mit einer Tragfeuerspritze mit „ainem Messing Werk und dazue gehörigem Schlauch“. In den darauf folgenden Jahren wurden immer wieder auch die ledernen Löscheimer erneuert. Trotz alledem hatte es bis dahin in Kötzting immer  noch keine wirklich kräftige Feuerspritze gegeben. Nach den Erfahrungen einiger miterlebter und erlittener Feuersbrände, wollte Luckner diesen Missstand nicht weiter bestehen lassen und erwarb um 700 Gulden zwei mechanische Spritzen. Um sich Gewissheit zu verschaffen und sich die verschiedenen Modelle vorführen zu lassen, musste er aber zuerst eine Reise nach Regensburg zum Hersteller machen. Auch diese Geschäftsreise hatte er, so findet er es erwähnenswert, aus eigenen Mitteln bestritten. Dies ist sicher einer der Bereiche, in denen er ähnlich einem modernen Manager handelte, der einen Missstand erkennt und danach trachtet ihn schnell, effektiv und preiswert abzustellen, ebenso wie im anschließenden Fall.
Zunächst aber noch zur Brandbekämpfung; deutlich stellte er in der Marktrechnung von 1780 heraus, dass am 15. September in der „Wohnung des hiesigen Gerichtsbotens, heute das Gebäude der Schmidtbank, ein Feuer ausgekommen, weillen von der Pottin ein noch nicht völlig ausgekühlte Aschen auf dem Hauspoden nebst anderen leichtfeuerfangenden Materien, als Werch und dergleichen, ausgeschidet worden ist“. Das Feuer war so stark, dass sowohl die Kirche als auch das churfürstliche Schloss und der sich anschließende Markt in höchster Gefahr gewesen wären,“ wenn nicht mit Beistand des Höchsten und mit der zum erstenmahl gebrauchten Feyersprizen die Flammen gedämpft worden wären“.
Das abgebrannte Botenhaus - Luckner führte ausdrücklich an, dass es früher eine reine unheizbare Torwarts- und Jägerswohnung gewesen war - wurde, ungeachtet des Protestes des Marktmagistrats, vom Pfleggericht wieder aufgebaut, obwohl der "kurfürstliche Oberbeamte während der Brunst selbst so geäussert. (Wohl die Gefahr für Markt und Schloss eingesehen hat)
In der Marktkammerrechnung von 1781 findet sich in der Inventurliste der  märktischen Gerätschaften nun eine „Feuerspritzen mit einem doppelten Geschöpf von Kupfer und ainem Schlauch zusammen mit einer hölzernen Feuerspritzen mit einem hölzernen Rohr“ und es ist weiter zu ersehen, dass für die Feuerspritze und für alle anderen Gerätschaften nun im Rathaus ein Feuerrequisitenbehältnis gebaut worden war

Einschub
Bei solchen fast reflexartig begonnenen Rechtshändeln  - wie beim Wiederaufbau des Botenhauses -ging es nur vordergründig um Kleinigkeiten: In Wirklichkeit versuchten alle Rechtsträger ihre Zuständigkeiten auf Kosten des/der anderen auszuweiten. Ein vom Pfleggericht auf dem Grund des Pflegerschlosses erbautes Haus bedeutete meistens eine Einschränkung der Wirkungsreichweite des Kötztinger Magistrats. Würde der Bote im Markt wohnen, fiele er unter die märktische Rechtssprechung, im bzw. am Pflegerschloss war aber wieder das Pfleggericht zuständig. Solche Prozesse um Zuständigkeiten konnten sich nachweislich manchmal länger als 100 Jahre hinziehen und schliefen nur zwischendrin ein. Bescheide aus München wurden nie als endgültig betrachtet, sondern nur auf einen besonderen Einzelfall hin akzeptiert. Trat ein auch nur ein wenig anders gearteter Fall auf, ging sofort der Schriftwechsel und der Gerichtsstreit von Neuem los.
Einschub Ende


Der zweite Eintrag für dieses Haus bestätigt im Wesentlichen das oben gesagte.
Es ist das Jahr 1799 und die verwitwete Gerichtsbotin Maria Anna Mack - oder der Dienstnachfolger im Amt, Martin Riedl, so ganz genau wussten es die Kötztinger nicht, wie sie im Schreiben einräumten, -  hatte für sich eine Schupfe auf märktischen Grund und Boden gebaut. 
Im einzelnen heißt es:
"Am 26. September abhin wurde die befragliche Holzschupfe, vielmehr das Zimmerwerk desselben unterhalb der Gerichtsbothensbehausung von außen der Schloßgartenmauer, sohin unmittelbar auf Märktischen Grund ohne die geringste Rückfrage ganz eigenmächtig aufgestellt.  
Der Markt ließ den sofort Bau einstellen und protestierte schriftlich beim Landrichter, der aber bereits einen Tag drauf zurückmeldete, dass seiner Meinung nach diese Schupfe keinesfalls auf märktischen, sondern auf pfleggerichtischem Grunde erbaut worden war. Es folgte ein weiteres Protestschreiben des Magistrates und zurück kam nur eine erneute Bestätigung des Landrichters, dass seine Ansicht die richtige wäre. Dem Magistrat blieb nun gar nichts anderes übrig, als sein Recht bei der Regierung zu suchen, um "nicht zu einer Handlung zu schweigen, die in mehrfacher Hinsicht die Wohlfahrt der hiesigen Marktgemeinde kränket.
Und dann beschreibt der Magistrat den  genauen Umfang des Grundbesitzes des Pflegers in Kötzting:
a: das churfrtl. Pflegschloß hat mit Graben und Mauer seine rechtliche Eingränzung
b: das Gerichtsboten Haus am Platze der in den Urzeiten da bestandenen Thorwarths, und nachmalig Jäger Wohnung, lieget im Gezirke dieser Eingränzung.
c: Die Churfürstliche Schloßgarten Mauer die am Unterm Orte mehr als 15 Schuech hoch ist, muß unmittelbar die bestimmte Gränzlinie sein.
d. Eben diese Mauer hat an der herobern Ecke einen eingemauerten Stain mit der damals gezählten Jahreszahl 1620 als einen ünertrüglichen Markstein.
e: Sehr nahe an dieser Mauer läuft die Commercial Strasse auf Viechtach, deren wandelbare Herhaltung uns obliegt.
f: Die ganze Viechherde des Markts muß da alle Tag 2 mal die Trift passirn und
g: Nie ward uns da, und am Platz der dermaligen Schupfe selbst über das Eigenthum eine Hündernüß in Weege gelegt.
Am Ende der mehrseitigen Argumentation über die Unrechtmäßigkeit dieses "Schwarzbaus", hängt der Magistrat am Ende noch seine ganze Empörung über diesen fall an:
"können wir - als einen von vier zusätzlichen Punkten - unmöglich glauben, daß Euer churfrt. Drtl. die commodität eines minderen Gerichtsbediensteten, eines eigensinnigen Weibes /:durch deren fahrläßigkeit vor etlich 20 Jahren das Bothenhaus abgebrannt, und nebst dem chfrtl. Plfgeschloss, die Kirche und der ganze Markt in die größte Gefahr gesetzet worden ist :/ mehrers interressirn sollte, als das vorträglich eine getreue Bürgersgemeinde ....   mit vollem Recht fordern kann. "

HStA München GL Fasc. 1818-22 Anna Maria Mack Gerichtsbotin wg verbotenem Schupfenbau 1799
Die Unterschriftenliste: Joseph Gerstl, Ambtskammerer -  J. Michael Steinbrecher, Marktschreiber - Wenzeslaus Lanzl - Christoph Kollmaier - Adam Hollmaier - Johann Gulder - Johann Dax 

Die Regierung in Straubing, die in dieser Angelegenheit angerufen wurde, möchte nun natürlich zuerst vom LG Kötzting eine Rückmeldung. Diese schreibt in seiner Antwort von der "Streitliebe und Partheilichkeit" des Marktes Kötzting berichtet, da sich bereits ein zufällig vor Ort gewesener Hofkommissär von Schwaiger sich - von der Witwe Mack gebeten - den Platz angesehen hätte, doch bitte bei diesem nachzufragen, wie es sich den mit den Grenzen verhalte. Leider endet hier der Akt im Juni 1801.

Bevor wir uns nun dem Nachfolger des Mathias Mack und seiner Witwe zuwenden zunächst ein Blick zurück auf die Zeit, als das Gerichtsbotenhaus noch ein Wachhaus gewesen war.
Das Kötztinger Kastenamt war für die Bauunterhaltung des Schlosses zuständig und in den Belegen für die Bauausgaben findet sich der eine oder andere Hinweis auf dieses Nebengebäude.
Wir schreiben das Jahr 1621 und Kötzting liegt zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges an der Frontlinie im Kampf um die Pfalz.
StA Landshut Rentkastenamt Straubing R 2488 von 1621
"Dem Haffner von dem Offen in der Wachtstuben, so die Gaißbergerische Soldaten eingeworffen widerumb zumachen geben.  1 fl 36 xr.
Auch weil sie die Fenster in selbiger Stuben eingeschlagen, dem Glaser davon zumachen geben 2 fl 45 xr."

StA Landshut Rentkastenamt Straubing R 2488 von 1621

"Adamen Windter Zimmermaister zu Khözting daß er in dem Machthauß vorm Schloss twey Neue Thier, so die Soldaten verprendt gehabt zalt.  24 xr
Veithen Stockhel Schmidt von ermelten zwo Thiern zuebeschlagen geben  46 xr.
"

Anschließend war zunächst Ruhe im Kötztinger Land, bis dann die Gefahr näher rückte und es wieder Sinn machte, die Befestigungsanlagen auszubessern.
StA Landshut Rentkastenamt Straubing R 2499 von 1632

"Dieweillen Vertten und heuer Vasst Sommer und Wüntter die Wacht auch Soldaten zur Confoy gebraucht: ist durch solche der Ofen in der Wachtstuben aller Nidergerissen: und von Neuem wider gesezt worden, darfür bezalt 2 fl 30 xr"

Da nach der der Eroberung der Stadt Cham - davon wird in der Einleitung der Baukosten bereits geschrieben -  dem Markt gerade mal 2 Wochen Zeit blieben, bis die Schweden Ernst machten, muss der folgende Rechnungseintrag ganz kurz vor der Brandkatastrophe geschrieben - und aus Kötzting heraus nach Straubing zur Revision - gebracht worden sein, denn nur das Exemplar bei der Regierung hat sich erhalten.
StA Landshut Rentkastenamt Straubing R 2500 von 1633

" Als man allda zu Khözting wegen besorgenter Feindtgefahr, bei dem Schloß und Markcht alda, teglichen in die 200 und mehr Persohnen wachten lassen, ist in der Wachtstuben ein Neuer Ofen aufgesezt worden, dem Petter Grafen Hafner daselbst darfür bezalt 4 fl 30 xr."

Im Jahre 1638 kam es - nach seinem Tode - zu einer Anzeige über die Amtsführung des vormaligen Kötztinger Landrichters Mathias Rosenhammer, dem in mehr als 30 Anklagepunkten vorgeworfen wurde, sein Amt zur persönlichen Bereicherung ausgeübt zu haben. Unter diesen Punkten ist auch der folgende:
HStA München GL Fasc. Nr 1820-27 

"Torwarths besoldung betr. 
Erstlichen so lang er Herr Rosenhammer Churfrtl Pfleger zue Khözting gewesen, hat er für ainen Torwarth die besoltung, in die Casstenambts Rechnung  per Ausgab einkhommen lassen, doch kheinen Torwarth beim churftl Schlosß Khözting gehebt, vilweniger ein besoltung außgelegt, sondern solche biß aufs Khriegswesen alle Jahr in seinen seckhl gesteckt.
" Der Mann, der die viele Seiten lange Anklageschrift verfasst hatte, war übrigens einer der Untergebenen Rosenhammers, und hatte dessen Machenschaften hautnah miterlebt und lebte, laut seiner eigenen Aussage, ständig in Furcht vor dem Pfleger, bzw. war bereits von diesem Bedroht worden, sollte er dessen Machenschaften verraten. Wie oben bereits angeführt, wurde das Protokoll über die Vorwürfe erst nach dem Tod des Kötztinger Pflegers verfasst.
Schaut man in die Kastenamtsrechnungen, so findet sich tatsächlich immer wieder eine Ausgabe beim Sold von 6 Gulden pro Jahr für den Torwärter.

StA Straubing Rentkastenamt R 2494 von 1627, also zu einem Zeitpunkt, als Matthias Rosenhammer bereits Pfleger in Kötzting und Hauptmann in Furth gewesen ist.
"Dem Thorwartt beim churfrtl. Schloß zue Khözting 6 fl"
Dieser Jahressold scheint über viele Jahre gleich geblieben zu sein, denn auch bei Rosenhammers Vorgänger - z.B. im Jahre 1600 -  erscheint derselbe Betrag von 6 Gulden. 
Im Jahre 1696 wird der Torwart sogar namentlich erwähnt, es war ein Georg Stockher. Bei ihm steht nun der Zusatz seine Besoldung wäre jährlich 6 Gulden gewesen, aber:

"Weillen aber selbiger inhalt der gdisten Resolution vde dato 16 9bris anno 1685 ufgehoben worden, also NIHIL (=Nichts)"
Leider hat sich die 1685er Rechnung nicht erhalten und in der von 1686 steht der nämlich Text, nur mit dem Namen des vorherigen Torwärters: Georg Steger.
Leider sind die überlieferten Rechnungsbände in dem Zeitraum sehr lückenhaft, so dass hier nur über einen möglichen Grund dafür gemutmaßt werden kann. Weil aber der obige Text gleichlautend auch in den 1709er, 1714er, 1719er und 1725er (nun ohne den Namen zu nennen) Rechnungen erscheint, bleibt vielleicht nur die Erklärung, dass der Torwächter - den es ja offensichtlich noch gegeben hatte -  für seine Unterbringung in dem Torwärterhaus nicht zu bezahlen hatte bzw. diese Unterkunft mit seinem Jahreslohn gleichgesetzt worden war. Der Vollständigkeit halber sei noch aufgeführt, dass selbst im Jahre 1762 - das ist das letzte Jahr in dem die Rechnungsbände noch in der alten, ausführlichen Form, ausgefüllt wurden, beim Torwärtersold der obige Text wortgleich benutzt wurde.
Der Sinn dieses Rechnungseintrages wird wohl für immer rätselhaft bleiben. Was in den obigen Verfahren jedoch bleibt, ist, dass das kleine Häuschen "am Platz" - also vor der Zugangsbrücke zum Schloss - zunächst einmal als ein Wachthaus fungiert hatte, aus dem durch den Einbau eines festen Ofens - Herdstätte - ein eigenständiges Wohnhaus geworden war, was so gar nicht im Sinne des damaligen Kammerers Luckner gewesen war, der darin einen unzulässigen Eingriff des Pfleggerichtes in die Rechte des sich selbst verwaltenden marktes Kötzting gesehen hatte.
Zu Lebzeiten des Gerichtsbotens Mathias Mack war es bereits das Gerichtsbotenhaus geworden. und von der Ägide der vorher darinnen wohnenden/lebenden Jäger hat sich in den Unterlagen nichts erhalten.

Auch beim nächsten Wechsel im Besitzverhältnis beträgt die Mitgift der Braut auch das Gewerbe eines Gerichtsboten.

 

Martin Riedl  und Walburga Mack


Am 25.10.1796 heiratet der Straubinger Gärtnersohn Martin Riedl die Kötztinger Botenstochter Walburga Mack und bezieht das Gerichtsbotenhaus. Da dieses Haus - in Bezug auf den Markt Kötzting praktisch extraterritorial ist, findet sich über diesen Besitzerwechsel auch nichts in den Kötztinger Briefprotokollen. Beim Geburtseintrag seines ersten Kindes - Alois Franz Xaver am 29.5.1798 -  wird er noch als "Tabellarius", Briefbote, bezeichnet, bei allen späteren Geburtseinträgen heißt es bei ihm er sei der "Amtsbote".
Martin Riedl, nun als Rentbote bezeichnet, verstarb mit nur 48 Jahren am 3.2.1811 an Schlagfluss.
Im Jahre 1802 stellt er einen Antrag - seine Begründung ist eine akute Feuersgefahr - außerhalb seines Hauses einen Backofen und ein Waschhaus errichten zu dürfen. Zu diesem Zwecke würde er gerne ein kleines Stück des an sein Haus anschließenden Schlossgartens erwerben und reichte einen kleinen - allerdings nur auf den zweiten Blick logischen - Plan der Situation ein.
HStA München GL Fasc. 1824-50 Den Plan muss man zuerst eine Weile in Ruhe anschauen, bis man diese Art der Darstellung nachvollziehen kann.


Das Ersuchen des Amtsboten wird vom Gerichtsschreiber Preiß als Vertreter des Landrichters in Bausch und Bogen abgelehnt, er denke gar nicht daran dass auch nur ein Stückchen des Gartens abgegeben werden könne. Aus der Ablehnungsstellungnahme erfahren wir jedoch, dass "dieses fürmahlige Pflegschloßhäusl durch Kauf an ihme Bothen hinüber ging".
Interessant an diesem Plan ist auch der eingezeichnete Keller (des Landrichters, hier der Punkt "C" in der Mitte der Skizze) . Über diesen Keller heißt es im Schriftverkehr: " Ist dieser Keller auch ietzt vernachlässiget, so wurde selber doch vorher zur Aufbewahrung des gebräuten Sommerbiers benutzet und zu diesem zwecke mag er weiter hingerichtet werden."
Hier prallen nun zwei Ziele der neuen bayerischen Regierung aufeinander. Einerseits gehört es zum Dienstvertrag für den Landrichter, dass ihm auch ein geeignetes Gartengrundstück zur Verfügung steht und andererseits gibt es die Vorgabe von Seiten der Regierung, dass sämtliche Grundstücke des Landgerichts verkauft/versteigert werden müssen/sollen.
Riedl versuchts weiter und meint, dass der Keller, auf den der Oberbeamte abzielte bereits vor 20 Jahren "eingegangen und unbrauchbar" und meint zusätzlich, dass die Zeit für solch eine gewünschte kleine Abtrennung gerade "jetzt, wo resp. das Landrichteramt unbesetzt ist, der schickliche Zeitpunkt wäre, das höchste Aerarium von einem kostbaren Keller und Mauer Unterhalt zu entledigen."
Nun kommt dem Amtsboten aber das Schicksal zu Hilfe, denn die Säkularisation und der Regierungswechsel führten in Kötzting zu einer ganz besonderen Rochade. Da das wesentlich wohnlichere ehemalige Priorat (heute das Kötztinger Rathaus) frei geworden war - oder vlt besser freigemacht wurde - wurde dies nun der Amts- und Wohnsitz des Landrichters und der Pfarrer hatte in das Schlossgebäude zu ziehen, weshalb der Landrichter nun wesentlich fruchtbarere Gartengrundstücke zur Verfügung hatte, als das schattige Schlossgrabengärtlein oben beim Botenhaus.
An den Rand des erneuten Bittschreibens des Botens Riedl schrieb der Adressat von München offensichtlich leicht verwundert, dass der "provisorische Pfarrvikar Bonifaz Krepper (1805-1816) wirklich das ehemalige Pflegschloss bezogen " hat und " weil dieß glaubbar mit gnädigster Bewilligung geschehen seyn wird, so unterliegt es kaum einem Zweifel mehr, daß dieses Pflegschloss die dauernde Wohnung für die Pfarrer bleiben wird. 
Nur wegen dieser Entwicklung könne man dem erneuten Antrag des Martin Riedl auf "Überlassung des gärtls rückwärts seines Hauses gegen den ausfallenden Schätzungswerth zur Begutachtung annehmen." 
Nun ging alles ganz schnell, das Landgericht  ausgerechnet der nunmehrige Rentbeamte Preiß, der zuvor den empörten ablehnenden Bericht aufgesetzt hatte - beauftragte 2 Männer aus Beckendorf - den Söldner Georg Fischer und den Austrägler Joseph Hollmaier -  damit, das Gartengrundstück wertmäßig "abzuschätzen". Auf 36 Gulden schätzten sie den ganzen Platz, so in 3 Abstufungen, oder Garten Partere besteht."
Der Schätzwert ist deswegen so niedrig angesetzt, weil die bereits erkennbaren Schäden an Keller und Mauer bereits eine Höhe vom 30 bis 40 Gulden ausmachen würden.
Am 22.1.1805 war es dann soweit, Martin Riedl hatte sein Ziel erreicht und konnte, nachdem er seine 32 Gulden bezahlt hatte, nun rechtmäßiger Besitzer des sich an sein Haus anschließenden Gartengrundstückes mit Keller.
HStA München GL Fasc. 1824-50 Protokoll des Besitzübergangs 

 
StA Landshut Rentamt Kötzting B27 Häuser- und Rustikalsteuerkataster von 1811  
"St. H: Nro LXXXIX 
Martin Riedls Wittib Walburga - das gemauerte Häusel mit Schupferl 1/32 Hof
Das aus den Pfleggründen erkaufte Gartl auf dem Wall.
Die Witwe verheiratete sich erneut und ihr Ehemann wurde der neue Hausbesitzer. 

Xaver Praß und Walburga Riedl

StA Landshut Rentamt Kötzting B28 Umschreibeheft  
" Den 5. März 1813 hat Fr. Xaver Praß durch Heurath der Walburga Riedls Anwesen zu Kötzting an sich gebracht, ohne weiter Veränderung."
Mit dem neuen Ehemann ging auch eine ganz neue Entwicklung vor sich.
Carl v. Paur beschrieb dies in seiner Chronik Kötztings.

StA Kötzting Chronik Carl v. Paur

"1813 am 6. May
Nachdem Apotheker Pärtl in Viechtach auf die ihm im Jahre 1810 verliehenen Concession zur Führung einer Filialapotheke in Kötzting verzichtet hatte, wurde mit hoher Entschließung der kgl. Regierung des Regenkreises eine selbstständige Apotheke daselbst errichtet und die Concession zum Beschäftsbetriebe dem Apotheker=Provisor Fr. Xav. Praß aus Eichstätt ertheilt, der die Rentbeamtenswittwe Walburga Riedl ehelichte und in Folge dieser Verbindung Haus und Garten erwarb."
Aus dieser Zeit gibt es eine ganz besondere Archivalie, die uns einen ganz seltenen Einblick in das Leben zu Anfang des 19. Jahrhunderts in Kötzting gibt.
Im Nachgang der Napoleonischen Kriege wurden Kontributionszahlungen - die eigentlich die Bürger geleistet hatten - von oben teilweise rückabgewickelt, ohne dass der Markt Kötzting diese Gelder zunächst wieder auf seine Bürger weitergereicht hatte. Natürlich blieb dies nicht lange verborgen und so musste der Magistrat umständlich die Verwendung dieser zusätzlichen Einnahmen belegen.
Rechnungsbelege sind üblicherweise nicht archivwürdig, so dass diese Prozessunterlagen etwas ganz besonderes sind. Aus diesem Akt hier nun eine Abrechnung des damaligen Gerichtsarztes und des Apothekers Praß.

"Nro 90
Mit Bewilligung des königlich bayerischen Markt=magistrats Kötzting sind der A: MAria Seider bürgerstochter von hier folgend verordnete Medicamente auf Rechnung der Gemeindekasse von Endesunterzeichnenten abgegeben worden.
Januar 3ten Gelind schweißtreibende Mixtur
eod: Präparierten Weinstein
4. Mixtur repetiert
5: Mixtur alle Stund zunehmen
eod; Melissengeist zum einwaschen des Kopfes
Schicatorpflaster und Senfmell
6: Eröffnende Mixtur
7: detto repetiert
8: Mixtur alle Stunde geben
eod: Schicatorpflaster
10: letzte Mixtur repetiert
12. Laxier Pillen
eod: Limonadpulver
13 : Bred?
17 Flüchtiges Liniment zum Einreiben der Glieder                Gesamtsumme: 6 Gulden 12 Kreuzer

revidiert und bestätigt Kötzting den 17ten Jänner 1827
Dr. Birkl Gerichts=Physicus

Obige 6 f 12 xr zum verbindlichsten Dank richtig empfangen
Praß (manupropria) L:G: Apotheker


FX Praß, der Kötztinger Apotheker hatte mit der Heirat auch die Kinder erster Ehe seiner Ehefrau mit übernommen und den Sohn Franz Xaver Riedl zu einem Apotheker ausgebildet (oder ausbilden lassen)
Franz Xaver Riedl - mit der Berufsbezeichnung Apotheker - heiratete am 18.4.1830 die aus München/Haidhausen stammende Anna Ihl und übernahm wohl auch die Apotheke.

Franz Xaver Riedl und Anna Ihl


Leider verstarb der junge Apotheker bereits 6 Jahre später, am 22.4.1836 im jungen Alter von gerade mal 31 Jahren an Leberzerrüttung und die Apotheke scheint danach wieder auf den Stiefvater übergegangen sein, denn unterm 23.4.1838 heißt es im Umschreibeheft des H+R Steuerkatasters: 
 "Bartl Jakob Hausbesitzer v Kö hat vom Apotheker Praß Franz Xaver die Apotheke durch Verehelichung mit der Witwe das Riedl Xaver namens Riedl Anna  geb Ihl rechtlich erworben. Und zugleich Konzession als Apotheker fortzusetzen und  Bürgerrecht erhalten. "

Jakob Bartl und Riedl Anna


StA Landshut Grundsteuerkataster 5038 von 1840
"Hausnummer 92 in Kötzting, Jakob Bartl, Apotheker
Lit A: Ein Haus
Gebäude:
Wohnhaus, Laboratorium, Holzschupfe und Hofraum
Gärten:
Wurzgarten mit Sommerhaus
kleines Gärtl
Gemeinderecht:
zu ganzem Nutzantheil an den noch unvertheilten Gemeindebesitzungen"


"Lauf Brief vom 9. September 1837 vom Schwiegervater Xaver Praß mit Fahrnißen im Anschlag von 2500 fl übernommen."

Ein Jahr nach der Erstellung des obigen Grundsteuerkatasters wurde in Kötzting auch ein Mieterkataster erstellt, das uns Einblick in die inneren Strukturen und grundsätzlichen Wohnverhältnisse erlaubt. Zusätzlich haben wir auch noch die Unterschriften der Bewohner überliefert.
StA Landshut Grundetuerkataster 5045 

"1. Jakob Bartl, Apotheker /:Hauseigenthümer:/ 1. Hauptgebäude:
I) 1 Wohnzimmer. 1 Apotheke, und 1 Küche, dann eine Materialkammer
II 1 Kammer u. Boden unterm Dach
Unterschrift Bartl Apotheker

2. Xaver Praß, Apotheker  II 2 Wohnzimmer
Unterschrift Fr. Xav. Praß (mp)

2. Nebengebäude

3. Jakob Bartl, Eigenthümer
1 Laboratorium
3. Nebengebäude
1 Holzschupfe mit darunter befindlichen Keller"
Vom Apotheker Bartl finden sich zwei kleine Einträge in den Beschlussbüchern des Kötztinger Magistrates:
 s
StA Kötzting AA XVIII/11 von 1837/38
"Ansuchen des Apothekers Bartl um Nachsicht wegen der Uniformierung  ---- dem Cours-Caommando Nachricht gegeben" Der Apotheker Bartl war offensichtlich Teil der Kötztinger Landwehr
"Ansuchen des Apothekers Bartl v.h. um Zahlung seiner Guthaben Conti per 31 fl 16 xr.   ----- wird die Genehmigung der Zahlung ertheilt, mit der Weißung, daß er sich künftig Medizinierung an Kranke anzugeben enthält, weilen man ansonsten keine Zahlung mehr leisten würde."


Im Jahre 1840 wird vom Armenpflegschaftsrat Kötzting festgelegt, dass sowohl Dr Seydl als Arzt als auch Apotheker Bartl kostenlos Arznei abzugeben haben. Sie werden danach von Armenpflegschaftsfond bezahlt.

Am 19.10.1854 verkauft Jakob Bartl sein Haus Nr. 92 an den Kelheimer Apotheker Wilhelm Braun.

Unterm  24.9.1861 steht in den Kötztinger Heiratsmatrikeln, dass sich der Privatier und Witwer Jakob Bartl mit der Kötztinger Schlossertochter Anna Haas verheiratet hat. Der Tod seiner vorherigen Ehefrau Anna, verwitwete Riedl, ist in den Kötztinger Kirchenbüchern nicht vermerkt. 
Jakob Bartl selber verstirbt am 9.12.1871 im Alter von 65 Jahren in Kötzting in der Blaibacherstraße 40 b, was eine gewisses Rätsel darstellt, weil diese Straßenbezeichnung bisher - zu dieser Zeit - unbekannt war..
 
StA Landshut Rep 166N-12 Schachtel 16  Nr. 106 Jakob Bartl Apotheker 1877
Für das Amtsgericht war es schwierig, neben der Haupterbin, der Ehefrau, die anderen Erbberechtigten Personen ausfindig zu machen, wie die seitlichen Einträge im Erfassungsbogen beweisen.

Die Witwe muss nun zunächst Auskunft über das Vermögen ihres verstorbenen Mannes geben und, da sie im Testament nur als die Erbin einer Hälfte des Vermögens gedacht ist, wird anschließend sogar die Wohnung inventarisiert, was uns einen Einblick in die Lebensverhältnisse eines Bürgerhaushalts im Jahre 1871 gibt. Allerdings kann die Witwe zumindest erreichen, dass die offensichtlich normalerweise erfolgte "Sperre" über diese Gegenstände aufgehoben wird.
"1. Im Wohnzimmer
2 Betten, 1 Commodenkasten, 1 Kanapee, 2 Tische, 4 Sessel, 2 Schwarzwäldertruhen, 10 Bilder, 1 Spiegel, 1 Nachttischchen u. verschiedene kleinere Hauseinrichtungsgegenstände, und ein Kleiderschrank /:so nach Art einer Stellage:/
2. im Schönen Zimmer
1 Glaskasten 2 Commodkästen, 1 Canapee, 1 runder Tisch, 1 kleiner Wandtisch, 6 Sessel, 1 Bettstadl mit Bett, 2 Stockuhren, 7 Tafeln u. 1 Spiegel.

3. Im Nachzimmer
2 Kleiderkästen von weichem Holze, 1 Bettstädel mit Bett, 1 Tisch, 3 Stühle, 1 Sessel, das notwendige Küchengeschirr"

"Bezüglich des Bettes im Wohnzimmer bemerkt Comparandin, daß das link stehende ihrer Schwester Theres Haas gehöre, welches dieses Vorbringen auch bestätiget. Das Testament selbst sei beim k. Notargericht Straubing deponiert u. bitte sie um Anhersendung desselben behufs Publikation.
Auf Verlesen genehmigt u. unterzeichnet
Anna Bartl
Theres Haas
Ruf Gerichtsdiener"
Das Testament wird angefordert und liegt dem Akt bei. Anscheinend ist der Apotheker Bartl nach der Übergabe als Privatier für eine gewisse Zeit nach Plattling gezogen und hat seine Ehefrau in Kötzting gelassen, wo ja deren Schwester ebenfalls lebte, und ist erst später wieder nach Kötzting zurückgekehrt..

Urkundenkopf des Testamentes des Kötztinger früheren Apothekers Jacob Bartl.
Testament
des Jacob Bartl, Privatier z.Z. in Plattling, aufgenommen a m 10. Februar 1862

In der Kanzlei des unterzeichneten Anwaltes erscheint heute Herr Jacob Bartl, vormaliger Apotheker in Kötzting und zur Zeit Privatier in Plattling und erklärt, was folgt:
Da der Tod gewiß, die Stunde desselben aber ungewiß ist, und ich an Jahren doch bereits....."
Seine Frau setzt er als Universalerbin ein, die die Hälfte seines Besitzes erhalten solle. Die andere Hälfte solle an die Nachkommen seiner Geschwister gehen, aber ausdrücklich nur an solche, die in gewisser Weise bedürftig wären, die anderen sollte keinerlei Ansprüche stellen dürfen.
"Unterschrift: Jacob Bartl v-Apotheker nun Privatier"

Daraufhin nun lässt das Amtsgericht Kötzting vom Viechtacher Pfarrherrn - hier auf dem Stempel als "Unterviechtach" bezeichnet - einen Stammbaum der Familie Bartl anfertigen, der dem Akt ebenfalls beiliegt, ein Schmankerl für Familienforscher.

StA Landshut Rep 166N-12 Schachtel 16  Nr. 106 Jakob Bartl Apotheker 1877
 
StA Landshut Rep 166N-12 Schachtel 16  Nr. 106 Jakob Bartl Apotheker 1877

Bartl Anna, geborene Haas und Witwe des Apothekers, verstirbt erst  am 30.4.1896 mit 78 1/2 Jahren im Hause ihrer Eltern (alte Hausnummer 111) und auch von ihr gibt es einen Nachlassakt.
StA Landshut Rep 166N-12 Schachtel 38 Nr. 45 von 1886 Hanr 111 Bartl Anna
Sie lebte mittlerweile ohne jegliches Vermögen im Hause des Schlossermeisters Haas, wo auch ihr Mobiliar verwahrt wurde.


Doch nun weiter zum nächsten Kötztinger Apotheker:


Wilhelm Braun und Beck Theresia


StA Landshut Grundsteuerkataster 5041 Umschreibeheft 1840-1860

19.10.1854: "Jakob Bartl HsNr. 92 in Kötzting verkauft an Wilhelm Braun v. Kelheim das Haus ..... ohne Änderung um 16000 Gulden Unterschrift Bartl."
Aus den Geburtsmatrikeln der Familie Braun in Kötzting - 4 Kinder von 1856 bis 1866 - erfahren wir, das seine Ehefrau aus Altötting stammte.
Kurz nach seiner Ankunft in Kötzting stellte er den Antrag, das "Überfallwasser", des vor seinem Hause stehenden Brunnens mitbenutzen zu dürfen, erhält dabei aber eine glasklare Absage:
"Der Besitzer des Überfallwassers ist die Pfarrkirche. Wenn Apotheker Braun den Armen und den Wohltätigkeitsstiftungen einen Arzneinachlass nicht zugestehen will, so muss er es sich gefallen lassen, dass nach der gesetzlichen  Arzneitax bezahlt wird."

StA Kötzting AA XI 56 Wall am Schlossgraben 1856
Am 14.2.1856 kam es zu einer Anzeige, weil "mehrere Personen, namentlich Herr Apotheker Braun, Gutsbesitzer Schrank  sich erlaubten.....an dem Wall hinter dem Apothekergärtchen Veränderungen der Art vorzunehmen, daß selbe ohne Erlaubnis des unterfertigten Amtes die am Walle zur Erhaltung desselben eingelegte Steinmauer herausbrachen , mehr als 30 große Öffnungen angruben, um wie es scheint, Erde und Steine zu bekommen, oder auf diesen aufgelockerten Grund dann Bäume pflanzen zu wollen."
Apotheker Braun widerspricht, er hätte den Wall nicht beschädigt, sondern er habe von Herrn v Paur die Erlaubnis erhalten, an der Mauer einige Maulbeerbäume zu pflanzen. Ende des Aktes

Am 11.10.1861 erwirbt er den ehemaligen Zehentstadel.
StA Landshut Grundsteuerkataster 5041 Umschreibeheft 1840-1860
"Angemeldet den 11. Oktober 1861
Anna Schaffner Hs. Nro 133 von Kötzting verkauft an den Apotheker Wilhelm Braun zu Kötzting HsNr *2 Lit. B. Nebengebäude  PlNr. 211 den ehemaligen Zehentstadel 
PlNr 209 Hofraum m,it 1/3 Anteil Hs Nro 91 und 96  um 1100 Gulden.
Unterschriften Anna Schaffner  und WBraun Apotheker"
Vermessungsamt Cham: 5168-2100-LiquiP_Bad_Koetzting_Beilage_M2500_1_1-01
Hier zentral in der Mitte die Nummer 211, der ehemalige Zehentstadel und mit 209 der gemeinsam genutzte Hofraum.

Wenige Jahrzehnte später fertigte  Matthias Heilmeier eine Zeichnung dieser "Stadellandschaft" an. Zentral in der Bildmitte der ehemalige Zehentstadel, nun in Besitz des Kötztinger Apothekers.
Zeichnung Matthias Heilmeier um 1900


Ziegler Michael und Josefine Braun


Noch einmal blieb die Apotheke in Familienhand. Der aus Eichensee bei Ochsenfurth stammende Apotheker Michael Ziegler heiratete die Tochter des Hauses  Josefine und beginnend ab 1873 bekam das Paar insgesamt 4 Kinder.
Gustav Ziegler wurde später Postadjunkt, Artur ist als Monteur mit einem eigenen Familienbogen in Kötzting abgelegt und verzog später nach Würzburg.
 . 


Im Jahre 1875 begann Michael Ziegler mit einem großzügigen Umbau des Hauses, das in dieser Zeit wohl im Wesentlichen die heutige Form erhielt. Nur durch eine Zufall - weil sich das Bezirksamt über den sich verschlechternden Zustand der Straße bei diesem Hause (wegen eines fehlenden Abzugskanals) beschert hatte, hat sich dieser sehr frühe Bauantrag im Archiv erhalten.

StA Kötzting 863-21 eigentlich ein Akt über Gieß- und Abfallwasser

Auch wenn die Dachausrichtung mittlerweile eine ganz andere geworden ist, so kann man doch im Bauzustand von 2025 das Haus von 1875 wiedererkennen.
Foto Pongratz 2025



Bei der Seitenfront ist es dann mit den Ähnlichkeiten zwischen 2025 und 1875 vorbei.







Im Einzelnen schrieb das BZA im Jahre 1876 unter dem Betreff: Straßenpolizei:
"Von den sämtlichen Dachungen des Apothekers wird das Wasser auf die Straße geleitet. Abgesehen davon, daß dies gegen die straßenpolizeilichen Bestimmungen verstoßt, wird diese Straße für die ich aus Distriktsmitteln schon sehr viel gethan habe und die mit einer gepflasterten Rinne zu versehen beabsichtige, fortgesetzt erheblicher Beschädigungen preisgegeben .
Es ergeht daher die Weisung der Anlage eines Wasserabzugskanals zuveranlaßen und über den Stand dieser Angelegenheit binnen 14 Tagen Anzeige erstatten.
An den Magistrat Kötzting
Der k. Bezirksamtmann Dandl.
"
Eines der ältesten Aufnahmen in unserer Sammlung ist die folgende aus der Herrenstraße und es enthält zusätzlich ein paar interessante Details:
 
DIA-Repro 1450 Direkt an der Mauer vor der Brücke lag ein Brunnen - in den Akten als Apothekerbrunnen bezeichnet - und rechts kann man bereits die Adlerfigur an der Hausfront erkennen.
Da die märktische Wasserleitung im Jahre 1904/5 gebaut worden ist, die wiederum die alten Schöpfbrunnen obsolet gemacht hatte, und man am oberen Hauseck des "Haushofer" einen Isolator für eine Freileitung erkennen kann, sollte dieses Bild zwischen 1900 und 1904 entstanden sein.

Aus dem Jahre 1900 findet sich in einer überregionalen Zeitung eine Leserzuschrift, die sich mit dem Benehmen des damaligen Kötztinger Apothekers befasst.
Ein tolles Zeitdokument aus dem Staatsarchiv Landshut Bestand BZA/LRA Kötzting 




Am 3.5.1906 verstarb der Kötztinger Michael Ziegler mit 64 Jahren in seinem Wohnhaus und über seinen Nachlassakt im Staatsarchiv in Landshut bekommen wir einen Einblick über seine Familie.
StA Landshut Rep 166N-12 Schachtel 46 Nr. 33 Hanr 92 Ziegler Michael Apotheker von 1906
"Michael Ziegler - 64 Jahre 8 Monate alt - Apotheker - verheiratet - 3 Mai 1906 Nachmittags 4 1/2 Uhr - Kötzting Hausnummer 92"
Seine Erben waren:
Josefine Ziegler, geborene Braun, wohnhaft in Kötzting
Gustav Ziegler, Postadjunkt in Passau
Arthur Ziegler Elektrotechniker in Würzburg
Klara Ziegler, geborene Ziegler Kaufmannsgattin in Würzburg 
Emme Ziegler geboren am 4. Februar 1887 - und damit noch minderjährig.
Blickt man auf die Geburtseinträge der Zieglerschen Kinder, so finden sich mehrere Abkömmlinge der Apothekersfamilie Braun unter den Taufpaten, die offensichtlich alle noch in Kötzting wohnten.


Der Witwe und gleichzeitig Besitzerin der Kötztinger Apotheke blieb nicht anderes übrig, als sich einen geeigneten Pächter zu suchen, was in den kommenden Jahren viele Apotheker nach Kötzting brachte, die jedoch alle nach kurzer Zeit wohl wieder aufgaben.
Hier eine - vermutlich nicht vollständige - Liste der Apotheker, die nach dem Tode des Michael Ziegler in Kötzting aktenkundig geworden sind.
Der Apotheker Schöller Otto: wohnhaft bei Apothekerwitwe Ziegler
Hoh Max ab 2.7.1907 in der Apotheke
Der Apotheker Josef Solleder ab 1909 bei Ziegler 
Panzer Eugen Apotheker 28.11.1910 bei Leidl resp. Apotheke
Masel Wilhelm 10.10.1912 Apotheker

DIA-Repro 1372

Masel Wilhelm und Magdalena Krempel


Das neue Apothekerehepaar Masel kommt bereits verheiratet in Kötzting an und wird erst mit der Geburt des Sohnes Alois Maria Heinrich am 23.4.1913 nachweisbar. Durch den Eintrag erfahren wir auch die Herkunft seiner Ehefrau. Magdalena Masel, eine geborene Krempel, war eine Sekretärstochter aus Landshut.
Sehr wenig wissen wir aus der Zeit hinein in das 20. Jahrhundert.
Es gibt einen Sammelakt in den Unterlagen des ehemaligen Landkreises Kötzting, in dem auch regelmäßig die Apotheke auftaucht, weil es über diese Beschwerden gegeben hatte und daher immer wieder einmal Überprüfungen stattfinden mussten.
Vor allem in der Kriegszeit häuften sich die Klagen und es hat den Anschein, als ob Wilhelm Masel zu dieser Zeit bereits schwer alkoholabhängig gewesen war, und seine Apotheke stark vernachlässigte.

Diese Beschwerde spitzen sich im Jahre 1941 zu und es heißt, dass viele Leute sich gezwungen sehen, "ihre Rezepte nach Cham oder nach Lam zu geben, da sie in Kötzting einfach nicht versorgt werden", so die örtliche NSDAP  in einem Schreiben am die Regierung am 17.3.1941.
Der Untersuchungsbericht formuliert ziemlich knapp, dass "Masel dem Trunke ergeben ist", "dass der örtliche Drogist ein größeres Warenlager hat" und "dass die Geldverhältnisse nicht sehr gut sind.
Die Schlussfolgerungen daraus: "Er müsse sofort mit dem Trinken aufhören und seine Apotheke einwandfrei führen oder er müsse mit einer zwangsweisen Verpachtung seiner Apotheke rechnen."

Es wird Juni, und Wilhelm Masel verzichtet aus gesundheitlichen Gründen auf die Ausübung seines Berufes und kündigt einen Vertreter aus Österreich an. Dieser, ein Apotheker Wolski,  kommt und will übernehmen, aber dann zieht Masel plötzlich seine Verzichtserklärung vom Sommer zurück - erklärt diese mit von Schicksalsschlägen kaputten Nerven - und möchte weiterarbeiten.

DIA-Repro 2334 Gemälde von Walter Demme


Nun kam es zu einer - was den Handlungsspielraum einer Apotheke betraf - verhängnisvollen Entwicklung, die aber vermutlich dem Herrn Masel wieder einen gewissen finanziellen Spielraum einbrachte.

Karl Schmidt Bankgeschäft

Im Oktober 1941 kaufte das Bankgeschäft Karl Schmidt das Gebäude und wird gleich von Amtswegen darüber informiert, dass er die Apotheke nicht einfach auf die Straße setzen könne, sondern erst einen Mietvertrag kündigen könne, nachdem diese in einen anderen geeigneten Haus eingerichtet sei.
Wilhelm Masels gute Vorsätze und Pläne reichten wohl nicht weit, denn nun gings wieder munter weiter mit den verschiedensten Pächtern der Apotheke und natürlich häuften sich nun auch noch die Beschwerden, weil nicht nur die Bank jetzt Platz im Gebäude - mit Recht - beanspruchte, sondern auch der alte Apotheker dort noch seine Wohnung hatte.

Ein Felix Hartmann wird im November 1941 als der neue Apotheker angekündigt, der dann auch bis  bis Mai 1944 hier tätig ist. Ab August 1944 wirkt der Apotheker Dr. Hermann Ziegenspeck aus Augsburg in Kötzting und ab dem 20.5.1949 Kurt Fellmeth.

Sicherlich liegt der Grund für den Wechsel von Hartmann auf Ziegenspeck in dem Gerichtsverfahren, dem sich Felix Hartmann hatte stellen müssen, und dessen Urteil auch in der Parteizeitung der NSDAP veröffentlicht wurde.



Eine erneute Überprüfung der Geschäftsräume vom 29.7.1949 brachte ein ernüchterndes Ergebnis:
Die Räume und Einrichtungen der Adlerapotheke in Kötzting entsprechen in keinster Weise den Anforderungen, die an eine Vollapotheke gestellt werden müssen. Von den 3 vorhandenen sog. Betriebsräumen können 3 bestenfalls als Kammern bezeichnet werden. Es sind Miniaturräume ohne ausreichende Belüftungsmöglichkeit.
Es ist unbedingt erforderlich, dass die jetzige Wohnküche Masel als weiterer Apothekenbetriebsraum (Laboratorium) verwendet wird. Das Phosphorschränkchen ist mit einer verschließbaren Tür zu versehen.
Im Jahre 1951 kam es dann endlich zu einer Lösung des "Problems". Im Hause des Schmiedes Drunkenpolz konnte der neue Apotheker Fellmeth aus Pfarrkirchen nach einem passenden Umbau mit seiner "Adler-Apotheke" dann umziehen und das Elend hatte ein Ende.




Sammlung Schnabel: Und so thront der "Adler" der Adlerapotheke seit dem Jahre 1951 über den Eingang in der Marktstraße. Hier auf dem Foto der Apotheker Herr Adamek im Gespräch mit dem Herrn Osterwinter, einem damaligen Dauergast auf der Kötztinger "Stachuskreuzung"



Und so endet die lange Apothekentradition auf dem alten Torwärterhaus und es beginnt die Zeit als einer Bankfiliale. 
In einem nächsten Schritt wurde von der Schmidtbank das unansehnliche Nebengebäude dem die alte Remise abgerissen und durch einen zurückgesetzten Neubau ersetzt.
Ein ganzes Jahr dauerte es, bis die Umbaumaßnahmen abgeschlossen waren. Im Mai 1953 war es dann soweit.
 
Kötztinger Zeitung vom Mai 1953
Ein "Who-is-Who" der Kötztinger Handwerksbetriebe aus dem Jahre 1953



DIA-Repro 2561 die Wagenremise der Apothekerfamilie noch mit dem ganz alten Krankenhaus.



Foto Kretschmer Pfingsten 1956 Burschen und Brautzug herein von der Hammermühle, da Frau Marianne Kretschmer, geborene Greß, damals die Pfingstbraut an der Seite von Georg Barth gewesen war.. Die beiden Brautführer waren Mühlbauer Hans (John) und Haymo Richter.

In den 80er Jahren war es dann nötig mit einem größeren Umbau auf die neuen Zeiten zu reagieren und so konnte der damalige Stadtpfarrer Dirscherl den Neubau einweihen.

Am Ende nun noch ein Lebensbild aus einem Interview, welches Frau Christa Rabl- Dachs mit Frau Ostermeier geführt hat, die in der alten Apotheke aufgewachsen war:

Gespräch mit Frau Ostermeier am 10. Juni 1997 in Ihrer Wohnung, Gehringstraße 26

Frau Ostermeier ist 1914 geboren.

Stadtpfarrer Heitzer machte mich auf Frau Ostermeier aufmerksam. Er erklärte mir, daß ihn Frau Sonnleitner ansprach, und meinte, die Frau Ostermeier wäre doch eine Frau, die noch allerhand wissen müßte von Alt- Kötzting. Ich sollte doch einmal hingehen und mit ihr reden. Frau Ostermeier wohnt in Hintergebäude vom Sonnleitner-Haus in der Gehringstraße.

Leider war das nur ein sehr kurzes Gespräch, weil Frau Ostermeier vor Kurzem eine Lungenentzündung hatte und sich mit dem Reden sehr schwer tat. Sie erklärte mir außerdem, Sie möchte nicht, daß Ihr persönlicher Werdegang erwähnt werden sollte.

"Mein Vater war Amtsrichter - das war sein Anfangstadium - in Kötzting. Später kam er dann nach München. Ich war damals vier Jahre alt, wie wir nach München zogen. Geboren bin ich in Hengersberg; mein Vater arbeitete dort als junger Amtsrichter. Kampfer hießen meine Eltern. Meiner Großmutter, die Mutter meiner Mutter, gehörte in Kötzting eine Apotheke. (Anmerkung: Die Apotheke befand sich in der Herrenstraße, dort wo heute die Schmidt-Bank ist.) In den Ferien, und später dann, wie wir in München ausgebombt wurden, kamen wir nach Kötzting. Der Vater ist 1936 schon gestorben; die Mutter ging dann in ein Altersheim"

Können Sie sich noch an das Haus Ihrer Großmutter erinnern? Wer

wohnte sonst noch in dem Haus?

"Ach ja, einigermaßen schon..... Gewohnt hat sonst niemand dort, außer der Großmutter, in dem Haus. Herunten war die Apotheke; die verkaufte sie dann 1937 an den Herrn Masel, der jahrelang bei ihr als Provisor arbeitete".

Ist Ihre Großmutter in Kötzting geboren?

"Ja, 1853 ist sie geboren und in dieser Zeit, kauften meine Urgroßeltern, sie kamen aus Kelheim, die Apotheke in Kötzting. In Viechtach gehörte Ihnen auch eine Apotheke, die sie dann aber an den Apotheker Gareis verkauften.

Meine Mutter war eine Tochter von der Frau Apotheker Ziegler und deren Eltern haben die Apotheke in Kötzting gekauft. Meine Urgroßeltern und mein Großvater, später dann sein Sohn, leiteten die Apotheke selber. Wie die dann gestorben sind, mußte ein Provisor eingestellt werden. Das war früher sehr streng, - heut', ist die Apotheke eine Verkaufsstelle (?) - damals wurde alles selber hergestellt. Meine Großmutter hatte nach dem Tod Ihres Mannes jemanden gebraucht, der berechtigt war, die Apotheke weiterzuführen.

Das Haus in der Herrenstraße hat früher anders ausgeschaut. Es war viel breiter an der Seite zur Straße hin. Ich weiß zwar die Jahreszahl nicht mehr, wann das verändert worden ist, auf jeden Fall kam ungefähr ein Drittel vom Haus weg, weil die Straße breiter gemacht worden ist. Wir sind damals enteignet worden, damit man die Straße - die war nicht breit - bauen konnte. Um ein Drittel ist die Mauer vom Haus zurückgesetzt worden. Die Hausseite, die zur Kircheneinfahrt - gegenüber vom Amtsgericht - steht, war schon immer so. Zwischen Amtsgericht und dem Haus meiner Großmutter stand ein Brunnen, dort konnte man Wasser heraufpumpen. Für uns Kinder war das damals ein schöner Spielplatz."