Der Kinderfestzug im Jahre 1953
|
Foto Werner Kretschmer 1953 |
Januar und Februar 1953
Am Ende des Vorjahres war nach einer Bürgerbefragung klar geworden und danach vom Marktrat auch entschieden geworden, dass Kötzting in München den Antrag stellen würde, zur Stadt erhoben zu werden und befand sich ab diesem Zeitpunkt auf der Zielgeraden für diesen großen Tag.
Im Bericht der letzten Marktgemeinderatssitzung im alten Jahr - 1952 - werden die Einzelheiten der kommenden Schritte vorgestellt.
|
Kötztinger Umschau Jahresanfang 1953 |
Sehr schnell wurde auch entschieden, dass die Zeremonie in das Pfingstgeschehen miteingebunden werden solle.
|
Kötztinger Umschau Jahresanfang 1953 |
In der Silvesternach 1953 kam es in Weißenregen zu einer schrecklichen Bluttat zwischen Nachbarn; das Opfer Otto Schlamminger, ein 58jähriger verheirateter Hilfsarbeiter mit drei Kindern, wurde auf dem Heimweg von der Klause durch den Rentner Alois Stoiber mit 5 Messerstiche getötet.
Opfer, Täter, Tatort und alle Umstände wurden, anders, als es heutzutage gemacht würde, in der Presse ausführlich und mit Bildern dargestellt,
Der Arberexpress kommt.... vielleicht kommt er aber auch nicht.
Bereits Anfang Januar kam dann die nächste frohe Botschaft. Der Schi-Stra-Bus sollte endlich Wirklichkeit werden. Seit den 20er Jahren hatte Kötzting immer und immer wieder versucht, eine Reihe von Gemeindevorstehern und Bürgermeister hinter sich zu versammeln und mit diesen sowohl in München als auch, nach dem Weltkrieg, in Bonn vorstellig zu werden, um eine sogenannte Zellertalbahn zu bekommen.
Als (fauler) Kompromiss wurde das Konzept des Schi-Stra-Busses entwickelt, des Schienen-Straßen-Busses. Ein Fahrzeug, welches von Cham kommend, bis Kötzting auf den Eisenbahngleisen fuhr, dort im Bahnhof - hydraulisch angehoben und seiner Metallräder beraubt - auf die Straße wechselte. Nun gings als ein etwas zu breit gewordener Omnibus - was auf der engfängigen Zellertalstraße zu einigen Unfällen führte - auf der Straße bis nach Bodenmais weiter, wo das Zwittergerät wieder in einen Zug verwandelt wurde und bis nach Passau auf Schienen "abdampfte."
Die Geschichte unseres Schi-Stra-Busses wurde bereits in einem eigenen Blogbeitrag behandelt, einschließlich von Filmaufnahmen.Im Januar 1953 war es dann soweit, der Arberexpress kommt tatsächlich.....aber.....
|
Kötztinger Anzeiger 1953-Januar |
Wie oben bereits erwähnt, hatte Kötzting Ende der 20er Jahre den Kampf um eine Zellertalbahn bereits zum ersten Male verloren. Die Lobby der Anrainergemeinden im mittleren Bayerischen Wald war einfach zu stark und so entstand die Regentalbahn, für deren Regenquerung es nötig gewesen war, eine große Brücke zu bauen, die als ein Spannbetonwerk in Deutschland Maßstäbe gesetzt hatte.
|
Kötztinger Anzeiger 1953-Januar |
|
Im Februar ist es dann soweit:
|
Kötztinger Anzeiger 1953-Januar |
Bereits bei der Probe-Jungfernfahrt kam es zu einem Unfall mit einem LKW. |
Vor allem Ludwig Volkholz, sowohl Landtags- als auch Bundestagsabgeordneter, hatte sich in den Vorjahren sehr um die Entstehung der Zellertalbahn bemüht, war bei Ministerien und Fachstellen vorstellig geworden und warb auch immer wieder bei Politikerbesuchen, die sich bei uns in der Region ein Bild der Lage machen wollten, um Unterstützung für diese Bahn; quasi seine Herzensangelegenheit. Als nun erneut die Entscheidung gegen den Wunsch Kötztings um eine Zellertalbahn gefallen war und auch noch die Premiere des
Schi-Stra-Busses gleich im Straßengraben geendet hatte, veröffentlichte die Kötztinger Umschau im Zusammenhang mit ihrer Faschingsausgabe eine Glosse über Ludwig Volkholz und seine neue Zellertalbahn. Leider ein schlechtes Druckbild, aber trotzdem schön zu lesen, ein früher "Scheinwerfer"
|
KÖZ April-1953
Der Unfall gleich bei der ersten Probefahrt gab den Verantwortlichen zu denken und plötzlich stand das schon wieder einmal ganze Projekt in der Schwebe. Eine Woche vor Pfingsten sollte es nun aber doch losgehen...... oder auch nicht..... |
Anfang Mai ist die Situation unverändert; es geht nichts voran mit der neuen Bahnlinie und mit dem "Schiestrabus" (Nun mit "ie")
Auch wenn es schlussendlich Juni werden musste und die erste Fahrt nicht mit dem Pfingsttermin zusammenfallen konnte...... am Mittwoch den 10. Juni hatte die Kötztinger Zeitung allen Grund zu jubeln, der Schi-Stra-Bus war endlich angekommen.
Ludwig Volkholz - im September 1953 noch Bundestagsabgeordneter und ab Oktober nur noch ExMdB- erhielt auf seinen Brandbittbrief noch eine erklärende Antwort vom Bundesminister für Verkehr Dr. Hans Christoph Seebohm.
Nach den Kampf über Jahrzehnte, war es also 1953 nun endlich zu einer Zug/Busverbindung durch das Zellertal gekommen. Allerdings sollte diese Verbindung bereits wenige Jahre später sang- und klanglos wieder eingestellt werden.
Nun aber weiter im Jahreszyklus 1953 und zurück zum Januar:
Die Kötztinger Handwerker beginnen sich wieder auf ihre Stärken zu besinnen und bestimmen ihre Handwerksmeister.
|
Kötztinger Anzeiger 1953-Januar |
|
Bepp Kerscher ist in dieser illustren Liste eine große Ausnahme, er ist nämlich der jüngste seiner Zunft in solch einem Amt.
|
Kötztinger Umschau 1953-Januar |
Was beim Vergleich der letzten beiden Bilder ganz deutlich auffällt, ist die unterschiedliche Qualität des Druckbildes der beiden Zeitungen, besonders auffällig ist dies bei der Darstellung von Fotos.
|
Kötztinger Umschau 1953-Januar |
Die Vorstandsmitglieder des Kötztinger Burschenvereins aus dem Jahre 1953 steckt voll mit bekannten Namen, vom Kollmaier Josef, Schwarz Sepp bis zum Mesner Karl, um nur einige zu nennen.
Nun ist es endgültig, der Antrag des Marktes liegt in München vor.
|
Kötztinger Umschau 1953-Januar |
Auch vier Jahre nach der Einführung des Volksfestes und dem Eingriff in den Ablauf des Pfingstrittes (Kranzlübergabe) ist diese Neuerung immer noch Thema in den Bürgerversammlungen, auch wenn diese Änderungen mittlerweile nicht mehr als strittig angesehen werden.
Im Januar jedenfalls stehen die wesentlichen Programmpunkte für das diesjährige Pfingstfest bereits.
|
Kötztinger Umschau 1953-Januar |
.Nach der Übergabe es Antrags steht eine Vorabbesichtigung Kötzting s durch den bayerischen Innenminister Hoegner an, und Kötzting putzt sich heraus.
|
KÖZ Februar 1953 |
Oberinspektor Weigl, der Vorsitzende des im Januar gegründeten Fremdenverkehrsvereins äußerste sich über die Zukunft Kötztings mit einem bemerkenswerten Satz: "Wenn wir alle zusammenhelfen, wäre es zum Lachen, wenn wir nicht aus Kötzting was machen könnten."
Den Kötztinger Faschingsbesuchern bleiben im Winter 1953 nur wenige Wochen, am 18.2. ist bereits der ganze Zauber vorbei.
|
|
Die Umschau bringt eine Faschingsausgabe, mit vielen Bildern, die allerdings wegen der schlechten Druckqualität nicht vorzeigbar ist. Anders die Kötztinger Freiwillige Feuerwehr mit ihrer Fachingszeitung. |
Chronik der FFW Kötzting
|
Das Logo der Faschingszeitung prangte auch auf dem Einladungsplakat für den Feuerwehrball am 24.1.1953 und was für ein Ball...
|
Chronik der FFW Kötzting |
|
Chronik der FFW Kötzting - Xaver Huber in seinem Feuerwehrauto |
Huber Xaver, ein Garant für Spezialfahrzeuge und sogar Skilifte, hatte für den Ball ein ganz besonderes Feuerwehrauto gebaut.
|
Feuerwehreinsatz in der Jahnhalle. Chronik der FFW Kötzting |
|
Chronik der FFW Kötzting |
|
Chronik der FFW Kötzting |
Ebenfalls noch im Februar 1953 kam es zu einer endgültigen Einigung zwischen Dem Landratsamt und dem St. -Josefs-Krankenhaus. Als dieses nämlich drei Jahre bei der Neuerbauung mit seiner Baulinie um einige Meter von der Straße zurückgewichen war, wollte der Kreis diesen neugewonnenen Platz sogleich für eine Straßenverbreiterung an Kötztings Haupteinfahrtsstraße nutzen hatte jedoch die "Rechnung ohne den Wirt" gemacht, denn das Seraphische Liebeswerk als Krankenhausbetreiber wollte partout nicht auf nur einen Zentimeter seines Grundes verzichten. Erst eine Verhandlung bei der Regierung erbrachte einen Kompromiss; eine Kostenverteilung und nun eine neue offizielle Festlegung der Baulinie am Krankenhaus.
Ohne dieses Ergebnis zu kennen, habe ich in einen der allerersten Blogbeiträge bereits die Frage gestellt:
Wer hat das Krankenhaus verschoben". Ursache dieser Frage war, dass auf einem sehr alten Foto dieser Engstelle die Straße an dieser Stelle eindeutig viel, viel schmaler ist als heutzutage. Nun kennen wir die Lösung.
Die "Spulerlfabrik" in Harras arbeitet wieder. Dies war eine gute Nachricht für unsere Gegend, denn es gab - zumindest für begrenzte Zeit - Arbeit für viele Menschen. Ich erinnere mich noch gut an "Spulerlholz"-Lieferungen bei einigen Nachbarn, die dieses Abfallholz - Rundholzscheiben aus Hartholz, aus denen die Zylinder herausgebohrt waren, aus denen dann die Spulen für Nähgarne gedreht wurden- als hochwertiges Brennholz verwerten konnten.
|
KU vom Februar 1953 |
März und April 1953
In Kötzting kam es immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten über einzelne Bauwerke, deren Ausführung und vor allem deren Lage. Ich erinnere hier nur an die
Industrieansiedlung der Firma Winter in der Auwiese, der Kindergartenflachbungalow des Stadtpfarrers Augustin im Burggraben, der Riesenbau des Kaufhauses Wanninger und kürzlich die Baupläne für einen Neubau anstelle der Pfeffer- und Mühlbauer-Anwesen.
Im Jahre 1953 entzündeten sich die Meinungen an der Dauerbaustelle der Landwirtschaftsschule im Hochwassergebiet in der Auwiese. Als sich nun auch noch im Kreistag herausstellte, dass die Kostenentwicklung einen Nachtragshaushalt benötigte, wurde es im Januelsaal laut.
Landrat Nemmer schob die Schuld auf seinen Vorgänger - LR Scholz - die beiden am Bau beteiligten Fachmänner, Regierungsbaumeister Florin und der Kötztinger Baurat aD Windisch, der eine für , der andere gegen den Bau, waren sicherheitshalber gar nicht entschienen- und so kam es zu emotionalen Ausbrüchen der Sitzungsteilnehmer.
A.P. Henneberger - übrigens Jahrzehnte später auch ein erbitterter Gegner des Winterbaues - sprach neben der Hochwasserproblematik auch die Verschandelung der Ansicht der Kirchenburg an.
Leider nur in einer unscharfen Abbildung hat sich der Versuch Hennebergers erhalten, gegen den Neubau künstlerisch Front zu machen
|
Skizze A.P. Hennebergers, um zu illustrieren, wie verheerend sich der Neubau auf den Anblick der Kirchenburg auswirken würde. KUSW627 |
Kreisrat Böhm wiederum bezeichnete die Sgrafitto-Arbeit des Künstlers Henneberger - es sind die landwirtschaftlichen Darstellungen auf dem Treppenhausturm, der heute noch existiert - "als nicht ansprechend". KR Neumeier meinte eine "rote Landwirtschaftsschule sehe aus wie ein städtischer Schlachthof" Alois. Sehr deutlich äußerte sich auch der KR Karl Seidl, jahrzehte später Kötztings Bürgermeister.
|
KÖZ März 1953 |
|
Lt Karl Seidl, dem späteren Kötztinger Bürgermeisters, war die Platzierung und Darstellung des Schäfers mit seiner Herde in Richtung des Eingangs einer Landwirtschaftsschule eine "Diffamierung des Bauernstandes". Serwuschok063 |
|
Das Objekt des Streites, die Kötztinger Landwirtschaftsschule, seit den 1990er Jahren dem Großparkplatz zum Opfer gefallen, nur noch der Turm mit seinen angefeindeten Sgrafitto-Abbildungen steht noch. Serwuschok065 |
Pfingsten und die Stadterhebung kommen näher und langsam werden Programmstrukturen für den großen Tag erkennbar.
Einer der spektakulären Veranstaltungen soll ein historischer Festzug sein, von dem es übrigens sogar einige Farbbilder gibt und der später - in ähnlicher Form - 1971 und - in einer viel, viel umfangreicheren Form - 1985 wiederholt worden ist.
Kötzting erhielt eine eigene Hymne, komponiert vom Rimbacher Bernhard Notz nach einem text von Eugen Hubrich.
Weiterhin kam es im März 1953 zu einer Vereinsneugründung, die Kötztinger Reisetaubenvereinigung wurde aus der Taufe gehoben.
In Kötzting hochgeschätzt feierte der Baurat a.D. Windisch - auch er ein profunder Gegner des Baues der Landwirtschaftsschule - seinen 75. Geburtstag. Neben seiner umfangreichen Arbeit beim Kriegerverein - er hatte Auseinandersetzungen mit der Parteiführung auszustehen, als diese Fahnenabordnungen des NSKK bei Beerdigungen während des 2. Weltkrieges verhindern wollte - und vor allem beim Waldverein, sind es seine Straßenprojekte im LK Kötzting, für die wir ihm noch heute dankbar sein müssen.
|
KÖZ April 1953
|
Mai und Juni 1953
Nun geht's auf die Zielgerade für Pfingsten und die Stadterhebung:
Die Entwürfe der neuen Pfingstplakate
Mai 1953 - Kötzting wird zur Stadt erhoben
ein Bilderbogen
Hoch oben an der Fassade des Rathauses prangten bisher zwei Schriftzüge in Latein, die an markante
Ereignisse aus der Geschichte Kötztings erinnerten. Nun sollte ein dritter Schriftzug die noch freie 3. Seite des Gebäudes schmücken und dazu fiel unseren Vorfahren ein besonders trickreicher Satz ein, der "Gott sei Dank" nicht verwirklicht wurde.
Und dann wird geputzt und geputzt, um den Markt Kötzting für die vielen Besucher herzurichten.
Am 24.5.1953 war es dann soweit, mehr als ein Jahr hatten die Kötztinger auf diesen Tag hingearbeitet und hingefiebert: Kötzting wurde eine Stadt.
|
KÖZ Pfingstbeilage. Der Text der Kötzting-Hymne |
|
Krämerarchiv: die Einladungskarte zur "Stadtrechtsverleihung" zum letzten Male unterzeichnet vom "Marktgemeinderat" |
|
Archiv Kretschmer: Dieses war der große - von außen sichtbare - Moment, als mit der Überreichung der Bürgermeisterkette an Hans Kroher die Stadterhebung vollendet wurde. |
Der Akt, der diese Standesveränderung tatsächlich vollführte, war die Überreichung der Stadterhebungsurkunde durch den bayerischen Staatsminister Wilhelm Hoegner, der sich zusammen mit den Ehrengästen dann auch im Goldenen Buch Kötztings verewigte.
|
Foto Kretschmer: Dies ist der Moment, an dem der Staatsminister Wilhelm Hoegner des Akt der Stadterhebung vollzieht.
|
So lautete der Sinnspruch des Eintrages für das Goldene Buch.
Einschub:
Wie sehr über diesen "Sinnspruch" und die Aufschrift an der Rathausfassade diskutiert und mit harten Bandagen gekämpft wurde, zeigt ein der Ausschnitt über diesen Vorgang im Beitrag von Rektor aD Ludwig Baumann, im Festbuch zur 50jährigen Stadterhebung.
Rathausinschrift
Seit im 18. Jahrhundert das Rathaus mit dem barocken
Zwiebelturm sein heutiges Gesicht bekam, verkündeten zwei lateinische
Inschriften an den Außenwänden zwei historische Meilensteine in der Geschichte
des Marktes: die Bestätigung der Marktrechte 1344 und die Beglaubigung eben
dieser Rechte und der niederen Gerichtsbarkeit gegen die Angriffe des Pflegers
1756. 1953 hielt es die Marktverwaltung für angebracht, die Stadterhebung als
weiteren Markstein mit einer dritten Rathausinschrift zu bekunden – mit Recht,
wie wir nach einem halben Jahrhundert befinden dürfen.
Da es um die Formulierung eines Textes in
lateinischer Sprache ging, holte man den Rat von Pfarrer und Dekan Josef Dietl
ein. Der fand die Unterstützung von Regensburger Altphilologen. Oberstudiendirektor
a. D. Dr. Hirmer (der „als der beste Lateiner Bayerns gilt“, Dr. Piendl) ersann
ein kunstvoll geformtes Distichon:
„Vicus eram postinde forum per saecula florens:
nunc urbis nomen iusque decusque
mihi. MCMLIII“
(Dorf war ich einst und Markt sodann, Jahrhunderte blühend:
Jetzt bin Stadt ich genannt, freu mich des Rechts und der Ehr, 1953).
Studienprofessor Hösl formulierte eine sachliche und knapper gehaltene Sentenz:
„Rectores Bavariae huius loci ad civitatem promotores. MCMLIII“
(Die bayerische Regierung erhob
diesen Ort zur Stadt, 1953).
Wie in all diesen Fragen suchte man bei Dr. Max
Piendl in München Entscheidungshilfe. Der empfahl nach Rücksprache mit Kollegen
den Vers, wollte aber die zweite Zeile abgeändert haben, weil sie nicht
stilgerecht sei und für den Begriff „Stadt“ auf keinen Fall „urbs“ verwendet
werden dürfe. Das sei der Titel für eine Regierungsstadt. Sein Vorschlag für
die zweite Zeile: „Civitas nunc nominor ius aeternum mihi“ (Stadt werde ich nun
genannt, ein ewiges Recht für mich). Dieser Vers in zwei Zeilen (Distichon)
wurde dem Kalligraphen Walter Heisig, Studienrat in Osnabrück, übersandt, damit
er ihn ins Goldene Buch auf der Ehrenseite zur Stadterhebung eintrug. Das
gleiche Distichon wurde auch als Motto in die Programmhefte zur Festwoche
gedruckt. Als der Regensburger Studienprofessor Hösl ein solches Programm als
Dank für seine Mitwirkung zugeschickt bekam, war Feuer unterm Dach. „Jenem Herrn“ (Dr. Piendl), der den Text
abgeändert hat, seien drei metrische Versehen unterlaufen... „So also kann die Inschrift am Rathaus nicht
angebracht werden.“ In einem weiteren Schreiben, das an „jenen Herrn“
weiterzuleiten war, wurden die Fehler nachgewiesen und bis ins Kleinste
zerpflückt. Danach verfasste Hösl noch einen dritten Brief und „bestürmte“ die Verantwortlichen, nicht
das Distichon als Inschrift zu verwenden, sondern „den einfachen Satz“, den er (Hösl) formuliert habe. In Kötzting
entschied man sich aber überraschenderweise für die allererste Fassung des
Distichons, wohl wissend und bedauernd, dass dann die Inschrift am Rathaus
nicht mit dem Text im Goldenen Buch übereinstimmt.
Der Leser mag allmählich den Überblick verlieren.
Dies ist nicht verwunderlich. Im Rathaus war er offensichtlich auch abhanden
gekommen bei diesem Hin und Her von Schreiben und Entgegnungen zwischen
Regensburg und Kötzting, Regensburg und München, München und Kötzting. In
Kötzting selbst scheint auch Mehrstimmigkeit geherrscht zu haben. So viel kann
man aus den erhaltenen Briefen, Entwürfen, Aktennotizen und Merkzetteln
erschließen. Und die alltägliche Amtssprache im Rathaus war wohl auch nicht das
klassische Latein, viel weniger das in Versform mit Pentameter, Daktylen und
Spondeen.
Außerdem drängte die Zeit. Das Gerüst am Rathaus
wartete seit Montag in der Woche vor Pfingsten auf den Stoiber-Maler. „Jetzt schon wieder anders“, lesen wir
auf einer Aktennotiz von Inspektor Weigl. „Ist
es nicht ein Hohn, wenn wir dem alten Stoiber bald jeden Tag einen anderen Text
angeben müssen. Ich wäre dafür, dass wir nun den Text wählen, der im Ehrenbuch
und auf den Programmen steht. Dann ist die erste Zeile von Herrn Prof. Hösl[i],
die zweite von Herrn Dr. Piendl. Haben wir dann nicht jedem Recht getan. Das
Gerüst steht. Ich wäre schon bald dafür, dass wir etwas anschaffen, und dabei
bleibt es.“ Der Bürgermeister gab ihm recht und schrieb mit Bleistift
darunter: „Ich bin dafür, dass die
Schrift im Rathaus mit der im Ehrenbuch übereinstimmt.“ Also doch der Vers,
das kunstvolle, aber von Dr. Piendl verwässerte Distichon! So wurde es am 18.
Mai beschlossen, fünf Tage vor den Festlichkeiten. Endgültig?
Nein! Ein Merkblatt noch vom gleichen Tag: „Herr Dekan Dietl hat soeben angerufen, er
würde vorschlagen für die Inschrift auf dem Rathaus nicht den Vers sondern der
einfache Satz.“ Und den in großen Lettern zu schreiben, wurde dem
Malermeister Josef Stoiber mit Brief vom 19. Mai 1953 auch aufgetragen: „Alle Ihnen bisher mitgeteilten Fassungen
sind gegenstandslos. Es kommt nun folgende kurze Fassung zur Ausführung:
RECTORES BAVARIAE HUIUS LOCI AD CIVITATEM PROMOTORES MCMLIII. Diesmal
endgültig! Und so lesen wir es heute noch – nach 50 Jahren. Anders aber im
Goldenen Buch![ii]
[i] Genau genommen ersann das
Distichon Dr. Hirmer, Hösl hatte es nur übermittelt.
[ii] StadtA Kö, 021/1
(Rathausinschrift).
Einschub Ende
|
Der Eintrag zur Stadterhebung im Goldenen Buch.
|
Dieser Sinnspruch hätte den Platz an der Dachtraufe des Rathauses gesprengt und hätte wohl viele Besucher auch mit seiner Komplexität überfordert.
Die Inschrift passte sich dann doch dem "Kompaktstil" der anderen beiden Inschriften an und so heisst es seit Sommer 1953 kurz und knapp: dass "die Herrscher Bayerns diesen Ort im Jahre 1953 zur Stadt erhoben hatten".
|
Foto Sigi Wild: das neu renovierte Alte Rathaus 1985
|
Der Festakt - erneut aus der Feder von Ludwig Baumann
Festtage
Die Feiern zur Stadterhebung wurden am
Pfingstsamstag (23. Mai) mit einem Begrüßungs- und Festabend eingeleitet. Viele
Ehrengäste waren in die Turnhalle gekommen, allen voran der Bürgermeister der
Patenstadt Landshut Josef Götz (in Vertretung des Oberbürgermeisters) mit zwölf
Stadträten, der 26 Mann starken Stadtkapelle und drei Fahnenschwingern. Und
viele ehemalige Kötztinger waren da.
Den Saal mit vier langen blumengeschmückten
Tischreihen zierten die Wappen von Landshut und Kötzting, Neukirchen b. Hl.
Blut und Eschlkam. Der Kötztinger Männergesang- und Orchesterverein, der Notzsche
Bayerwaldchor aus Rimbach und die Kötztinger Blaskapelle gestalteten den
festlichen Rahmen. Neben der Uraufführung der Festhymne an Kötzting („Kötzting,
du liebe traute Stadt“) erklangen ein Chor aus den Meistersingern von Nürnberg
(„Wach auf“), das „Regentallied“ von Bernhard Notz und „Die Himmel rühmen des
Ewigen Ehre“ (Ludwig van Beethoven). Höhepunkt unter den Begrüßungs- und
Festreden war der „Geschichtliche Rückblick“ durch den inzwischen zum Archivrat
beförderten Dr. Max Piendl.
Eine besondere Note bekam der Festabend durch die
Verleihung der Ehrenbürgerschaft an den früheren Bürgermeister Johann
Schödlbauer (1924-1933, 1945-1948) und an Eugen Hubrich, den Verfasser der
„Pfingstrittehr“ und den Textdichter der „Waldlermesse“ und der „Kötztinger
Festhymne“.
|
Eintrag im Goldenen Buch der Stadt Kötzting: Oben Hans Schödlbauer der Altbürgermeister und unten Eugen Hubrich aus OStr aus Straubing Zeichnung von August Philipp Henneberger |
Für diesen Festabend hatte Hubrich den Prolog geschrieben und im
geselligen Teil trug er „launige Versln“
in der heimischen Mundart über „de alten
Kötztinger“ vor: „Han, was für a
Freid ma als Kötztinger hat, daß da liebe Hoamatmarkt etzt wird a Stad! ...“
[i] Hier der link auf dieses Gedicht über die "alten Kötztinger"
|
Wilhelm Hoegner bei der Festansprache
|
Pfingstsonntag, 24. Mai 1953. „Kötzting erlebte seinen größten Tag“, titelte die Kötztinger Zeitung
in der nächsten Ausgabe. Bundespräsident Professor Theodor Heuss hatte ein
Grußtelegramm geschickt. Tausende von Gästen waren in den festlich geschmückten
Markt gekommen, der sich ab dem späten Vormittag „Stadt“ nennen durfte. 5 Uhr
Weckruf. Den Festgottesdienst in der Pfarrkirche um 9 Uhr, dem ein Kirchenzug
vorausgegangen war, zelebrierte Dekan Josef Dietl, der zum „Stadtpfarrer“
aufstieg. Seine Ansprache war auf „festliche
und geschichtliche Höhepunkte ausgerichtet“. Um 11 Uhr dann der Festakt vor
dem Rathaus, eingeleitet mit einem Marsch der „Blaskapelle Kötzting“ und dem
Meistersinger-Chor „Wach auf“, vorgetragen vom Männergesang- und Orchesterverein
unter Leitung von Lehrer Georg Krämer. Nach der Begrüßung durch Bürgermeister
Hans Kroher der ersehnte Augenblick, Ziel harter Vorarbeit, Höhepunkt des
Festtags: Der bayerische Innenminister Dr. Wilhelm Hoegner überreicht dem
Bürgermeister die Stadterhebungsurkunde und enthüllt unter dem feierlichen
Klang der Kirchenglocken die neue Inschrift am Rathaus über den Fenstern des
Sitzungssaales. Man wird sie den Festteilnehmern übersetzt haben: „Die bayerische
Regierung erhob diesen Ort zur Stadt, 1953.“ [ii]
Anschließend übergibt Bürgermeister Götz das Geschenk der Patenstadt Landshut,
die aus Silber vergoldete Bürgermeisterkette. Nach den Ansprachen
(Bürgermeister Hans Kroher, Regierungspräsident Dr. Ullrich, Landrat Rudolf
Nemmer) erschallt zum zweitenmal die „Festhymne an Kötzting“. Dann bringt die
Landshuter Stadtkapelle ein Standkonzert, und die Honoratioren tragen sich im
Sitzungssaal ins Goldene Buch ein.
Am Mittag übertragen Lautsprecher das 12 Uhr-Läuten
des Bayerischen Rundfunks, das auf Vermittlung von Dr. Max Piendl am 4. Mai in
Kötzting aufgezeichnet wurde. Der Text findet sich im Stadtarchiv und schließt
mit Worten, die Kötzting immer noch für sich in Anspruch nehmen darf: „Es ist ein gesunder und strebsamer Ort, der
heute zur Stadt wird.“[iii]
[i] Ebd. (Festabend, Hubrich).
– KZ v. 26. 5. 1953.
[ii] Von 1946 bis 1954 war Dr.
Hans Ehard (CSU) bayerischer Ministerpräsident. 1950-1954 war Dr. Wilhelm
Hoegner
(SPD) Innenminister und
stellvertretender Ministerpräsident im 3. Kabinett Ehard (KARL BOSL: Bosls
bayerische
Biographie, Regensburg 1983, S. 167,
356).
[iii] KZ. v. 4. 5., 26. 5., 6.
6. 1953. – StadtA Kö, 021/1 (Festabend Stadterhebung, Werbung,
Rathausinschrift)
|
Foto Archiv Kretschmer: Die Ehrengäste auf edlem Gestühl. Die beiden Bürgermeister mit den Amtsketten und Wilhelm Hoegner. Im Hintergrund bei den Feuerwehrmännern gut zu erkennen, Michl Traurig und Huber Xaver. |
|
Foto Archiv Kretschmer |
|
Foto Archiv Kretschmer: Die beste Sicht hatten sicherlich die Zuschauer von der gegenüber liegenden Terrasse am Hause Zigan. |
Auch im Krämerarchiv befindet sich eine besondere Aufnahme dieser Veranstaltung:
|
Foto KB Krämer: Die Zuschauer und Ehrengäste aus einer anderen Perspektive |
Und so berichtete die Kötztinger Presse über das Großereignis:
Hier zunächst einige Artikel aus der KÖTZTINGER UMSCHAU
Die Drucktechnik der KU zur damaligen Zeit war so minderwertig, dass es keinen Sinn macht die abgedruckten Bilder hier wiederzugeben.
Nun weiter zur Berichterstattung der KÖTZTINGER ZEITUNG:
|
KÖZ Darstellung des ersten Stadtrates. Fangen wir an mit der oberen Reihe: v.l. Josef Barth, NN,NN,NN. Zweite Reihe: Hollmeier, KB Krämer, NN, Josef Dullinger Großes Bild rechts oben: der neue Bürgermeister Hans Kroher Großes Bild links unten: Verwaltungsschef Weigl Dritte Reihe: Oexler Franz, N.N., Weixel uU, N.N. Vierte Reihe: Maurermeister Weber, Vogl Max, Schullerer, N.N.
Natürlich kennen wir die Herren Barth, Kroher, Weigl, Dullinger, Kroher, Oexler, Vogl und Schullerer. Es wäre schön, wenn wir für das Archiv auch den restlichen Bildersatz den damaligen frischgebackenen Stadträten zuordnen könnten. Nachrichten gerne an mich unter: clemens.pongratz@t-online.de |
Pfingstsonntag 1953, für den Nachmittag nach dem großen Akt der Stadterhebung hatten sich die Kötztinger etwas ganz besonderes einfallen lassen, einen ersten historischen Festzug.
Die folgenden Bilder - auch einige Farbaufnahmen sind darunter - stammen aus der Sammlung Kretschmer.
|
Foto Kretschmer: Heinrich Wieser als Herold |
|
Foto Kretschmer: |
|
Foto Kretschmer: Fahnenschwinger in der Müllerstraße |
|
Foto Kretschmer: Die Gebrüder Sperl als Kötztinger Herolde |
|
Foto Kretschmer: |
|
Foto Kretschmer: |
|
Foto Kretschmer hier KB Krämer und als nächstes |
|
Foto Kretschmer K.H. Krämer als Herold |
Natürlich gab es in diesem Jahr auch einen Kinderfestzug und auch davon hier ein paar Bilder aus der Sammlung Kretschmer.
Eine große Zusammenstellung an Bildern (56 Stück) vom damaligen Kinderfestzug nun unter folgendem link:
Kinderfestzug 1953. |
Foto Kretschmer Solch eine Verkleidung würde heutzutage als "whitewashing" oder kulturelle Aneignung bezeichnet und verpöhnt werden. |
|
Foto Kretschmer |
|
Der rechte Kellner sollte/müsste der heutige Seniorchef des Hauses Schödlbauer sein, Herr Josef Schödlbauer nun wohnhaft in Cham. |
|
Foto Kretschmer ein tolles Gefährt |
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Wenn du auf meinem Blog kommentierst, werden die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.