Translate

Posts mit dem Label Altes Archiv werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Altes Archiv werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Montag, 17. Mai 2021

Überraschender Fund in Landshut

Die Signaturen der Kötztinger Pfleggerichts-,  Kastenamts- und Vogtgerichtsrechnungen im Staatsarchiv Landshut liegen grob gesagt alle im Bereich zwischen 2400 und 2700. 
In den Notizen, die ich vor vielen Jahren bei einem meiner Besuche im Staatsarchiv in Landshut angefertigt hatte, stand aber eine Signatur eines Fundes mit einer Nummer über 3000.
ich dachte zuerst an einen Schreibfehler, aber, da ich die Inhalte dieser Rechnung , die ich vor vielen Jahren ebenfalls stichwortartig zusammengefasst hatte, für meine laufenden Recherchen für die Kötztinger Häuserchronik gut brauchen konnte, habe ich in Landshut mal nachgefragt, wo ich denn da vor Jahren wohl einen Fehler gemacht haben konnte.

Siehe da, es war kein Fehler, sondern Landshut hatte in einem anderen Bestand einige Kötztinger Marktrechnungen entdeckt, und die nun neu hinzugekommenen Bände einfach - signaturmäßig ganz weit hinten - im Regal des Rentkastenamt Straubing aufgestellt und, was das Beste ist, diese Marktrechnungen fehlen uns im Stadtarchiv.

Hier kann man die Lücke in den beständen im Stadtarchiv Bad Kötzting gut erkennen.
Hinweis: Archivregale werden von links unten nach rechts oben aufgefüllt.


Marktrechnung von 1688
Kötztinger Marktrechnung von 1689


























Die Rechnung von 1691
Die Rechnung von 1992






















Und als Dreingabe eine Rechnung, die ich vor vielen Jahren schlichtweg übersehen hatte, die Pfleggerichtsrechnung von 1704, anders als die Kötztinger Rechnungen, in hellem Leder gebunden.
Amtsrechnung des "Kaiserlichen Landgerichts Kötzting"
aus dem Jahre 1704 

Kötzting war damals im "Spanischen Erbfolgekrieg" von den Österreichern besetzt und so wurden kurzerhand aus den "kurfürstlichen Beamten" von einem Tag auf den anderen halt dann "kaiserliche Beamte" und Kötzting ein "Kaiserliches Landgericht". 

Was zunächst sehr nüchtern klingt - Rechnungsbücher -, erweist sich aber bei näherem Hinsehen als ein abwechslungsreicher und detailreicher Einblick in längst vergangene Zeiten unserer Stadt.
Ich bringe hier nur die wichtigsten Untergruppen solch einer Rechnung, um zu zeigen, was damals, und in welchem Detailreichtum, damals notiert wurde.
Hier als Beispiel die Marktrechnung von 1688. Die Pfleggerichtsrechnung hatte im übrigen einen ähnlichen Aufbau, nur dass dort noch mehr an Gerichtsverhandlungen ihren Niederschlag fanden.
In der Ersten Rubrik erfahren wir, wann die Kötztinger ihre Steuern zu zahlen hatten
und in wie hoch die Einnahmen waren. 

Hier geht es ums "Kesselgeld" also um die Zahlungen der brauberechtigten Bürger

Manche Bürger hatten sich Geld vom Markt geliehen. Diese Schuldnerlisten zumeist mit
den Angaben des Anwesens, von Bürgen und weiterer Details sind in den Jahrzehnten bevor die
Briefprotokolle einsetzen in vielen Fällen die einzige Quelle, um einen Besitzer belegen zu können.
Hier Michael Juglreither, der ein Haus "negst der Wuhn" errichten durfte und für den Grund 10
Gulden an den Markt entrichtete. Der zweite Eintrag betrifft Sebastian Jankher, Bürger und Bäcker
-  der Janckerbeck als Hausname hat bis heute überlebt - der Affra Raidth geheiratet und damit auch deren Schulden übernommen hat. Beide Informationen sind für die Kötztinger Häuserchronik
sonst nirgends dokumentiert.

Die Einnahmen an Bürgerrecht und an Beisitz, für die Inwohner.
Menschen also, die in Kötzting nur wohnten - und arbeiteten - und
keinen Grundbesitz hatten.
Oben das Bürgerrecht für Thomas Wanninger, der ein Haus kaufen konnte

Oben der Beisitz für Hans Joachim Kaltenbacher, einem Kötztinger Bildhauer.
Vermutlich der Schöpfer des "Pestkreuzes" vom Dirnberger-Haus


Hier geht's um Pachteinnahmen von Grundstücken und Immobilien, die dem Markt gehörten.
Z.B. das Brothaus, der Rathausladen, Grundstücke der Wuhn und am Galgenberg

Die Verpachtung der Fleischbänke in der Fleischgasse (=Metzstraße)

30Gulden kostete die Jahrespacht des Watzlhofes.
Der Stifter damals: Michael Ludwig.

7 Standmärkte hatte Kötzting damals im Jahresverlauf, mit äußerst unterschiedlichen
Einnahmehöhen.

Kötztin g hatte seinen eigenen Pflasterzolleinnehmer: 1688 war dies Wolf Georg Österreicher

Der Markt Kötzting bewirtschaftete sein eigenen Weiher und erzielte aus diesen auch Einnahmen 
vom verkauften Fisch.



Der Markt war auch eine Gerichtsinstanz und der Kammerer (=heutzutage der Bürgermeister)
hatte zusätzlich auch eine Richterfunktion. Auch wenn dies einen immerwährenden
Kampf um Zuständigkeiten mit dem Pfleggericht mit sich brachte, so blieb die sogenannte "Niedere" Gerichtsbarkeit beim Markt. Hier zwei Verhandlungen über eine Schwarzschlachtung und eine Beleidigung.

Der Markt hatte seine eigene Arrestzelle und besaß einiges an "unangenehmen"
Gerätschaften, wie eine Geige, einen Pranger und einen Stock.
Hier eine ausgesprochene Gefängnisstrafe wegen einer Rauferei und eine
Geigenstrafe für eine Beleidigung.

Flachs im eigenen Backofen - um die Resthitze auszunutzen - war wegen der Feuers- und
Explosionsgefahr bei strenger Strafe verboten. Zu diesem Zwecke hatte der Markt am Ende der
heutigen Lehmgasse ein eigenes Flachsbrennhaus errichten lassen.

Auch der markteigene Ziegelbrennofen brachte Einnahmen

Der "Gruberhof" wenige Jahrzehnte vorher erstanden und auf die Bürger ausgeteilt
war seither ebenfalls eine stetig fließende Einnahmequelle.


Unter der Rubrik "Gemeine Einnahmen" wurde alles ausgelistet, was sich nicht in den
vorherigen Rubriken unterbringen lies.
Der Dienstschmalz vom Ernsthof in Grub, Brennholzeinnahmen und die
Verstiftung des Melblerdienstes, also der Erlaubnis Mehl zu verkaufen.

Nun folgen die Ausgaben:


Der Lohn für den Äußeren und Inneren Rat und den Marktschreiber.
Durch diese Rubrik kennen wir Jahr für Jahr die Zusammensetzung des
Kötztinger Magistrats.
  




Reisespesenabrechnungen würde man diese Rubrik heutzutage nennen.

Eigener Schuldendienst, zumeist nach Eingabe gestundet.

Steuereinnahmen, die weitergereicht werden mussten.

heutzutage wären das die Kosten fürs Wasserwerk.
Der Kötztinger Brunnenmeister erhält im Jahr 26 Gulden.

Eine Brücke über den Dampfbach, ein neuer gemauerter Brunnen und neue
Hinweisschilder an den Bierbottichen im Kommunbräuhaus sind nur drei
der Ausgabenposten bei den Baukosten, viele, viele weitere Seiten folgen, die
uns alle liebevolle Details aus dem Kötzting von vor über 300 Jahren erzählen.

Ausgaben für Rechtsstreitigkeiten: hier mit dem Pfleggericht wegen des
Jagdrechts.



Wie bei den Einnahmen so gibt es auch bei den Ausgaben eine Rubrik für "Gemischtes"
und dort erfahren wir z.B. genaueres über den Buchbinder, die Fahnenträger am Tag Christi Himmelfahrt und dass die Schützen nach dem Fronleichnamsfest im Pfarrhof und vor dem alten Rathaus "2 halbe Viertel Weißbier" auf Kosten des Marktes trinken konnten.

Wie einleitend bereits erwähnt, sind die Beispiele nur jeweils die Titelseiten der jeweiligen Rubriken, die in Wirklichkeit häufig sehr viel umfangreicher sind und die voller Details stecken, die uns ein lebhaftes Bild vom Leben in Kötzting aus den Jahren vor dem Beginn des 18. Jahrhunderts geben.
Dies ist ein Zeitraum, aus dem wir erstens noch keine Briefprotokolle überliefert bekommen haben und der in unserem Stadtarchiv eine Lücke in den Marktrechnungen aufweist, die aber auch erst mit dem Jahre 1670 einsetzen.
10 Vorläuferbände mit Lücken aus dem Zeitraum von 1636 bis 1660 habe ich schon vor einigen Jahren in Landshut gefunden und kopieren lassen.
Es gibt immer wieder ein paar Überraschungen und das ist gut so.