Translate

Posts mit dem Label Bergbauer werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Bergbauer werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Mittwoch, 9. März 2022

Woher stammt das Kaitersberglied ---- ein Versuch einer Erklärung

 Bereits im August 1960 hatte die Kötztinger Zeitung versucht, mithilfe eines langen Leitartikels den Autor des Kaitersbergliedes herauszufinden.

Die Suche verlief ohne jedes Ergebnis, denn Wochen später veröffentlichte die KOZ einen weiteren Artikel zum Thema Heimatlieder und führte dabei viele neuere lokale "Volkslieder" auf, deren Autoren sie benennen konnte. Dass das Kaitersberglied nicht in dieser Liste auftaucht, spricht Bände, die Suche war also offensichtlich erfolglos geblieben.

Im Spätherbst 2021 erschien vom BR eine Dokumentation über das Zellertal und darin sangen  Teresa Zemmler und der Bad Kötztinger Bürgermeister Markus Hofmann dieses Kaitersberglied. In einem Begleitinterview musste unser Bürgermeister einräumen, dass der Autor dieses Liedes (noch) unbekannt sei.
Als Reaktion auf diese Feststellung kam es nach der Ausstrahlung dann zu Anrufen im Kötztinger Rathaus, die das Geheimnis um die Autorenschaft möglicherweise lüften können und dabei gab es zusätzlich den Hinweis auf ein ähnlich lautendes sogenanntes "Teisnachtal-Lied".
Für Frau Marlies Liebl aus Wettzell und ihre Schwester, Frau Gerlinde Mühlbauer aus Neukirchen, ist es ohne jeden Zweifel,  dass ihr verstorbener Vater, Franz Bergbauer, der frühere Bürgermeister von Arndorf, dieses Lied, bzw. die bestimmenden Teile davon, gedichtet hatte.  Frau Mühlbauer erzählte auch von einem Musiker, Pfeffer Sepp, mit dessen Aussage,  dass Wettzell in seiner aktiven Musikerzeit so eine Art von "Wetterscheide für dieses Lied gewesen war. Auf der Kötztinger Seite musste er es als "Kaitersberglied" spielen und auf der Viechtacher Seite wurde es als "Teisnachtallied" gefordert. 

Eine schnelle Recherche im Internet brachte dann interessante Ergebnisse zutage, ohne dass dies auch nur annähernd eine umfängliche Suche gewesen wäre und diese auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.

Bei der Suche nach diesem Teisnachtaler-Lied kommt dann bei Youtube  der Titel "Oh du mein stilles Tal", das offensichtlich ebenfalls in unterschiedlichen Variationen gesungen wird.


Dies scheint eine der Basisvariationen des Liedes zu sein, das im Internet sowohl mit dem Titel: "Hoch vom Himmel her..." als auch mit "O du mein stilles Tal" firmiert und hier einem Vertriebenen des Ersten Weltkrieges zugeschrieben wird.
Auch bei diesem, schon 1936 dokumentierten Text fallen gleich einige Gemeinsamkeiten zum Kaitersberg-Lied auf.
Das greise Haupt des Vaters, das dem Autor geraubt wurde, ist damit gleichbedeutend mit dem "grauen Haar" im Kaitersberglied. Der Anfang der beiden Lieder ist sowieso fast identisch.

In einer anderen Liedersammlung ist es dann plötzlich das "graue Haupt" der Mutter und vor Allem die markante Stelle "alles,alles hat man mir geraubt" taucht in allen Variationen identisch auf. Hier ist zum ersten Male auch ein Glöcklein am klingen....

Selbst in einem Volksliederbuch der Ungarndeutschen findet sich eine Variante dieses Liedes, sogar zusammen mit den Noten. Die Textüberschneidungen sind hier zwar eher auf die erste Strophe und den Refrain beschränkt, aber die Melodie stimmt genau.


Auch in Hessen wurde auf diese Melodie ein Heimatlied gedichtet


Es hat also den Anschein, also ob aus einem überlieferten Volkslied "Oh du mein stilles Tal" in vielen deutschsprachigen Regionen eigenständige - bzw. auf die lokalen Verhältnisse abgewandelte - Liedertexte hinzugedichtet worden wären.

Im Falle unseres Kaitersbergliedes ist es damit nur der Refrain und der Anfang der zweiten Strophe, der einem neuen Autor zugeordnet werden muss. Der übergroße Rest des Liedes ist wohl zur Zeit der Umdichtung bereits Allgemeingut gewesen.



Wer war nun der mögliche Autor dieser Zeilen und was spricht dafür, dass er es auch gewesen ist?
Hier der Nachruf des Franz Bergbauer nach seinem frühen Tod, in dem einige der Hinweise bereits enthalten sind.

KU vom 20.8.1989
In diesem Nachruf wird erwähnt, dass er bereits in sehr jungen Jahren einberufen wurde und nach dem Krieg noch viele Jahre in englischer Kriegsgefangenschaft verbrachte.
Laut der Erzählung seiner Tochter Marlies Liebl, musste er in England in einem Bergwerk arbeiten.
An den Schäden, die diese Arbeiten unter der Erde an seiner Lunge anrichtete, war er dann auch später in einem Sanatorium in Donaustauf verstorben.
Er wird als sehr, sehr heimatverbunden und musikalisch geschildert.
In den Jahren seiner Gefangenschaft hatte sich offensichtlich dann eine gute Beziehung zu dem englischen Wachpersonal entwickelt, die bis zu seinem Tode angedauert hatte und auch zu mehreren Besuchen seines nordirischen "Colonels" Bill und dessen Frau Iris in Kammern geführt hatte. Bei diesen Besuchen forderte der Colonel dann auch regelmäßig "SEIN" Lied, eben das Kaitersberglied.
Seine Tochter Gerlinde stellte auch heraus, dass Franz Bergbauer, der angesichts seiner schweren Lungenerkrankung sicherlich wusste, dass er nicht mehr lange zu leben hatte, sich auch eine Grablege ausgesucht hatte, von der aus der Kaitersberg zu sehen war. Ebenfalls musste bei der Beerdigung das Kaitersberglied gespielt werden, welches die Töchter, ohne jeden Zweifel, als sein Lied bezeichneten.  
Gegen Ende seiner Zeit als Kriegsgefangener - und zweifellos bereits in enger Freundschaft mit den englischen Soldaten verbunden - schickte Franz Bergbauer ein Bild in seine Heimat.
Foto Liebl: Franz Bergbauer mit Iris, der Frau "seines Colonels"

Zur Erinnerung an meine Gefangenschaft
England, Sommer 1947  Franz

Wieder Zuhause im Zellertal, konnte er dann seine Familie gründen und sein leben genießen.

Sammlung Liebl: Maria, Marlies und Franz Bergbauer









Nachruf in der Kötztinger Zeitung



So, was spricht nun dafür, dass wir mit Franz Bergbauer den Autor des spezifischen Teils des Kaitersbergliedes haben.

1. Es gibt keinen Hinweis, dass diese Textvariante bereits vor dem Zweiten Weltkrieg aufgetaucht wäre.
2. Als Volksmusiker - hier Zitherspieler - kannte er vermutlich den Text von "oh du mein stilles Tal"
3. Er war viele Jahre hoffnungslos entfernt von seiner geliebten Heimat und konnte somit leicht in der Wehmut, die ja in der Textpassage mitschwingt, seinen persönlichen Refrain geschrieben haben.
4. Bereits in England soll er dieses Lied (mit seiner Textvariante) seinem "Colonel" vorgesungen haben, der deshalb bei seinen Besuchen im Bayerischen Wald immer wieder von "seinem" Lied gesprochen hatte.
5. Nicht zu unterschätzen ist die Überlieferung innerhalb der Großfamilie Bergbauer, für die es überhaupt keinen Zweifel daran gibt, dass ihr Vater der Schöpfer des Kaitersbergliedes gewesen war.

KÖZ1957-2  Foto KB Krämer vermutlich von Weißenholz aus geschossen

Im Nachgang zur Veröffentlichung dieses Blogbeitrages sind noch folgende Hinweise hinzugekommen.
Ingrid Hupf:
"Bei uns in 94253 Bischofsmais wird die Textvariante "Oh du mein Hirmonstal" (mit Hirmon ist unsere Wallfahrtsstätte St. Hermann gemeint) gerne gesungen. Bspw. von Beerdigungen, vom Jahrtag des Trachtenvereins oder von musikalischen Veranstaltungen ist es nicht mehr wegzudenken. "

Marlies Liebl korrigierte den Liedertext aus dem Zeitungsbericht so, wie sie ihn zuhause gesungen hatten:
"den Text aus deinem Blog möchte ich noch korrigieren, so wie wir ihn von klein auf gesungen haben: " I:Von den blauen Bergen fällt ein heller Schein mitten in mein junges Herz hinei-ein, :I I: O du mein Kaitersberg o du mein Zellertal, sehen möcht ich dich ein einzges Ma-al :I. Wenn das Mittagsteinglöckerl läutet am Kaitersberg bin ich schon lange fort von diesem Ort. O du mein Kaitersberg o du mein Zellertal... Niemals sah ich meines Vaters graues Haupt, alles, alles hat man mirs geraubt.... O du mein Kaitersberg... "

Und noch eine Zusendung hat mich erreicht. Frau Martina Adam hatte die Noten des Teisnachtal-Liedes
zuhause, mit dem sie das Kaitersberglied üben konnte.