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Freitag, 10. März 2023

Michael Heigl Herbst 1852 - 10. Teil

 

Michael Heigl

Der November 1852 

Zuerst jedoch ein Hinweis auf die Teile der Dokumentation, die bereits veröffentlicht sind:
Hier der link auf die bisher veröffentlichten Teile zum Thema Räuber Heigl.

Screenshot aus dem Heigl-Film von 1973: Heigl in der Nacht vor dem Fenster eines Einödhofes


Es wird November im Jahr 1852 und die Ereignisse überschlagen sich, vor allem, weil Michael Heigl nun offensichtlich wieder einen neuen Kumpanen hat, Michael Raimer aus Anstorf. Diesem war es, wie aus den Akten hervorgeht, gelungen, aus dem Kötztinger Gefängnis zu entkommen und sich MH wieder anzuschließen.

Hier zunächst in Kürze das Geschehen, welches im November - natürlich - immer sofort dem Michael Heigl zugeordnet wurde.
7.   November  Raub in Ecklshof
9.   November Raub in Irlmühle
12. November Raubmord in Hudlach
15. November Verwundung und Misshandlung des Martin Fendl
16.-25. November Eine Verhaftungswelle setzt ein.
26. November Michael Raimer wird gefasst. 
Doch nun der Reihe nach.


Der Raub in Ecklshof


Am 13.11.1852 musste Carl von Paur wieder einmal einen Bericht an das KdI (Kammer des Inneren) abfassen.
Carl von Paur 
"Am Sonntag den 7. November des Jahres wurde um 8:00 Uhr früh das 73-jährige Austrägerseheweib Anna Maria Pritzl zu Ecklshof, der Gemeinde Arrach, dies Gerichts während sie sich ganz allein in ihrem Austragshaus befand, von einem vermummten Burschen überfallen, lebensgefährlich bedroht und in den Keller gesperrt, worauf der Räuber in der Schlafkammer eine Truhe und auf dem Boden einen Hängkasten gewaltsam aufsprengt und ungefähr 200 Gulden an barem Geld und mehrere Effekten mit sich genommen. Übrigens hörte die Beraubte, während sie in den Keller versperrt war, in der Kammer leise sprechen, woraus zu schließen ist, dass der Räuber noch einen Genossen hatte, welchen die Beraubte nicht zu Gesicht kaum, in dem diese von den Räubern in den Keller eingesperrt gelassen und erst von ihrem, Nachmittags zwölf von der Kirche zu Hohenwarth heimkehrenden, Ehemann aus dem Keller befreit wurde. Verdacht diese Tat besteht gegen den berüchtigten Flüchtling Michael Heigl von Beckendorf und gegen den vor wenigen Wochen aus der hiesigen Fronfeste entwichenen Michael Raimern von Anstorf, welcher seit seiner Flucht mit Heigl in steter Gemeinschaft steht. Die Untersuchung ist im Fall im Laufen, Gendarmerie und Gerichtsdiener Personal in voller Tätigkeit.
In tiefster Ehrfurcht, der königlichen Regierung
Karl von Paur Landrichter in Kötzting

Diese beschriebene Tathergang findet natürlich auch Eingang in die staatsanwaltliche Prozessvorbereitung und dort finden sich einige Zeugenaussagen zum Thema, wo Heigl sich in den Jahren zuvor - als er aus dem Kötztinger Raum geflohen war - aufgehalten hatte und was er dort gemacht haben soll.
In einer munteren Runde von Menschen, auf die er sich wohl verlassen zu können glaubte, hatte er einige Geschichten aus seiner Vergangenheit erzählt.
Zuerst wiederholt der Staatsanwalt - unter der Nummer 42 seiner Auflistung der Taten Heigls - die von Carl von Paur oben zusammengestellten Punkte und führt danach - zur Beweisführung der Täterschaft Heigls - weiter aus:
Angeschuldigt Heigl und Raimer Michael, ledig von Ansdorf.
Vier Zeugen wegen Verdachts und Verwandtschaft zur Auskunft vernommen, Mutter und Schwester des Raimer, Dienstmagd der Pritzlschen geben zu, daß sie die Nacht vor dem Raube den Heigl und Raimer in der Inwohnung der Barbara Hamberger zu Eggershof, welche Inwohnung mit dem Austragsstüberl der Pritzlschen ein Continuum bildet, und unter einem Dache steht, beisammen waren und Heigl seine im Jahre 1848 und 1849 in Ungarn als Weinwirth erlebten Abentheuer erzählte.
Auch Raimer. der bald darauf gefangen, hierüber vernommen wurde gestand zu, daß er am fraglichen Tage abends mit dem Heigl bei dem Hamberger gewesen.
Damnifikantin (die Geschädigte) will bei der Befragung die länglich gestreifte Hofe des Raimer erkannt haben.
Rainer leugnet übrigens.
beruht auf Vernehmung des Michael Heigl.

Einschub
Aus dieser Episode der Strafverfolgung Heigls stammt also die Info über sein Entweichen ins Ausland nach Österreich-Ungarn.
In dem Heigl-Film aus dem Jahre 1973 erzählt Michael Heigl seine Geschichten im Wirtshaus den interessierten Zuhörern.

Szene aus dem Heiglfilm: Michael Heigl erzählt......
v.l. x, Guggenberger Hans, Bauer Karl (Roschberger Karl), Schedlbauer Wolfgang, x


Einschub Ende

Der Raub in Irlmühle

Und erneut verließ Michael Heigl schnell den Großraum Kötzting, denn der nächste Tatort liegt im Landgericht Mitterfels, genauer ein Überfall in der Irlmühle.


"Der Unterzeichnete meldet gehorsamst, dass am 9ten des Monats nachts 11:00 Uhr bei den Austragseheleuten Josef und Katharina Sandl zu Irlmühl, königliches Landgericht Mitterfels, von zwei bewaffneten Mannspersonen eingebrochen, beide Eheleuten unter Androhung des Todes bedeutent jedoch nicht lebensgefährlich verwundet, und an Geld und Effekten zu circa 110 Gulden beraubt wurden, worauf sich die Thäter gegen die Gränze des Landgerichts Kötzting entfernten.....
Es wurden so gleich Patrouillen abgeschickt, und die umliegenden Stationen durch Zirkulare in Kenntnis gesetzt, jedoch konnten die Täter aber bis jetzt noch nicht entdeckt werden.
Den königlichen Korpskommando war die gleiche Meldung erstattet

Alois Schwandner Stationskommandant


Was sich im Polizeibericht in seiner Kürze so unproblematisch liest, war in Wirklichkeit sehr viel dramatischer und vermutlich in seinen Auswirkungen - wegen der Verwundung des Heigl - der Anfang vom Ende seiner Zeit in Freiheit..... nicht jedoch seiner Verbrechen.
Der Staatsanwalt schreibt unter der Straftat Nummer 44,  für die allein er bereits auf Todesstrafe plädierte:
Beide Eheleute wurden in der Nacht von 2-3 Räubern gebunden, überfallen und geknebelt, vielfach ohne Schemung ihres vorgerückten Alters mißhandelt und unter lebensgefährlicher Drohung zur Herausgabe des Geldes aufgefordert.
Die Frau wußte sich von den Banden zu befreien und ein neben dem Bette liegendes Beil zu ergreifen, womit sie einem der Räuber einen Hieb versetzte, mehr wusste sie nicht.
Das warme Blut spritzte ihr in das Gesicht heraus.
Beide Müllerseheleute wurden so misshandelt, daß sie 10-12 Tage das Bett hüten mußten.
Geraubt wurde das Geld /: Augsburger Thaler und als charakterische Sache eine Spieldose, die deshalb auch aufgeschrieben wurde, an Geld bei 100 fl.
Angeschuldigt Michael Heigl als Urheber im Complotte, der kurz nach diesen Attentat mit einer frisch blutenden Wunde gesehen wurde
.
 Diese Spieldose und die Augsburger Taler werden beim nächsten großen Zusammenstoß Heigls mit der Polizei noch eine entscheidende Rolle spielen.

Der Raubmord in Hinterhudlach


Die Aufregung -  und die daraufhin folgenden Patrouillengänge der Wachtmannschaften -  über die Misshandlung des alten Ehepaars war noch in vollem Gange, als die Nachricht über einen grausamen Raubmord in Hinterhudlach hereinplatzte, ein Mord mit fürchterlichen Verletzungen des Opfers.

Die Gendarmeriestation Lam meldete mit Datum des 12. Novembers 1852 an die Gendarmeriebrigade in Kötzting, dass am Vortage "früh die alleinig zu Hause befindlichen Bäuerin Anna Maria Mühlbauer von Hinterhudlach auch königliches Landgericht Kötzting in ihrer Wohnung von zwei Räubern  überfallen wurde, welche ihr die Gurgel abschnitten, die Hirnschale einschlugen und mit einer  Pflugsäge das Gesicht von der Stirne über die Nase bis zum Kinn zerspalteten, wodurch sie augenblicklich ihren Geist aufgeben musste. Die Mörder schleppten selbe sodann in die Nebenkammer, erbrachen dort mit einer Holzaxt gewaltsam den Kasten und raubten aus demselben 200 Gulden an barem Geld und entfernten sich aus dem Hause. Ein bei der Ermordeten noch zu Hause befindliches zweieinhalbjähriges Kind gibt an, dass zwei Männer die Ermordete in den Hals gestochen und dann in die Nebenkammer geschleppt haben.
Der Verdacht richtete sich natürlich sofort auf Michael Heigl und Michael Raimer, auch weil MH häufig in Hudlach sich aufgehalten hatte und "von den dortigen sämtlichen Bewohnern vielfache Unterstützung" genoss.
Wie immer in diesen Fällen, kamen später noch weitere Details hinzu, so dass Carl von Paur  am 15.November eine wesentlich genauere Schilderung der Begleitumstände an das KdI weiterreichte.
"Am Donnerstag 11. November (Martinstag) des Jahres wurde ungefähr um 7:00 Uhr morgens die Bauers Ehefrau Anna Maria Mühlbauer zu Hinterhudlach (der Gemeinde Ansdorf) welche während des Frühgottesdienstes und da ihr Ehemann, mit Vogel schießen beschäftigt, sich auf ungefähr eine halbe viertel Stunde Entfernung vom Hause weg begeben hatte, mit zwei dreijährigen Kindern allein zu Hause war, räuberisch überfallen und in der Kammer neben ihrer Schlafkammer mit einer Ofenkachel, dann eine Hacke und einem Pflugeisen so grässlich zu Tode gemartert, dass ihr Gesicht von mehreren klaffenden Todeswunden bis zur gänzlichen Unkenntlichkeit entstellt und ihr Hals mit der Ofenkachel mehr als zur Hälfte nach seiner ganzen Quere durchbohrt war, und die Unglückliche von mehreren kurz danach im Vorbeigehen dort auf Besuch zusprechenden Burschen in ihrem Blute schwimmend und entsetzlich entstellt tot in der Nebenkammer gefunden wurde.
Nun aber, bereits drei Tage nach der Tat, bekam die Geschichte eine neue Wendung und so schrieb Carl von Paur weiter: "Der Verdacht dieser schauderhaften Tat bestand im aller ersten Augenblick gegen die beiden flüchtigen Genossen Michael Heigl und Michl Reimer zu deren endlicher habhaft Werdung die Gendarmerie Tag und Nacht in Tätigkeit ist. Durch mehrere heutige Vernehmungen hat sich indes starke Vermutung auch gegen den Dienstknecht des Bauern Josef Mühlbauer und der Ermordeten, den Neunzehnjährigen Georg Fechter aus Gotzendorf, dieselben Gerichts, ergeben, dessen sofortige Arretierung man heute zu verfügen sich gesetzlich veranlasst fand.
Die Kötztinger Gendarmen Blüml und der Brigadier Schmidt hatten den ledigen Dienstknecht und Inwohnerssohn von Gotzendorf, Georg Fechter, mit einer "bedeutenden Barschaft" aufgegriffen und in die Kötztinger Fronfeste eingeliefert.
Brigadier Schmidt schilderte den Vorgang genauer: "nachdem man das geraubte Geld in den Koffer des Räubers Fechter gefunden habe, welches verborgen in einer Ecke sich befand, derselbe sich dadurch des angeschuldigten Raubmordes überwiesen fühlte, legte er sogleich ein unumwundenes Geständnis ab, daß er in Verbindung mit dem flüchtigen Michael Raimer von Ansdorf den fraglichen Raubmord verübt habe."

Detail der historischen Karte von Hinterhudlach aus Bayernatlas.de

Detail der Luftaufnahme von Hinterhudlach aus Bayernatlas.de

Nun war zwar Michael Heigl aus der Schusslinie bei diesem Verbrechen, jedoch wurde sein  Kompagnon der Tat beschuldigt und als Folge wurde der allgemeine Fahndungsdruck noch einmal erhöht. Daher bestand auch für ihn die Gefahr, nun doch geschnappt zu werden und so erklärt sich wohl seine nächste Tat.

Mit Datum des 18.11.1853 schrieb Carl von Paur an das Ministeriums und berichtigte seine letzte Meldung insofern, als nun der ledige Georg Fechter alleine als der Täter sich herausgestellt hatte.
Fechter war seit Lichtmess 1852 bei den Bauersleuten in Hinterhudlach als Knecht im Dienst und von diesen sehr geschätzt worden. Als sein Tatmotiv hatte er "Verdruss wegen erhaltener Zurechtweisung von Seite der Dienstbäurin aus ganz geringfügiger Veranlassung und Habsucht" angegeben. Das geraubt Geld sei aufgefunden und in Verwahrung und der Täter habe gestanden, den Raubmord ganz alleine durchgeführt zu haben, obwohl " einzelne Nebenumstände auf eine Beyhilfe schließen lassen."
Carl von Paur gestand durchaus ein, dass, bereits bevor der wirkliche Täter gefasst und bekannt geworden war, die allgemeine Meinung "sich dahin aussprach, daß Heigl der Thäter nicht sey, da man demselben nicht für so unklug halte, daß er eine derley, jedes Gemüth empörende, Blutthat, welche ihm den Haß der Gesamtbevölkerung zuziehen und ihm die bisherige Fluchtbegünstigung ganz sicher entziehen würde, im Bereiche seines Aufenthaltes begehen werde, - eine Annahme, die sich nunmehr verifiziert.
Weiters berichtet er - um die mögliche Täterschaft des Heigl auch von einer anderen Seite zu entkräften - , dass der Bauer Josef Mühlbauer von Hinterhudlach, dem allgemeinen Gerede nach, unzweifelhaft  als früherer Unterstützer des Heigl anzusehen ist, auch wenn ihm dies niemals hatte nachgewiesen werden können.
Ansonsten wurden folgende Maßnahmen eingeleitet, um Heigl und Raimer zu erwischen:
1. Die Tag- Nacht- und Kirchenwacht wurde im ganzen Landgerichtsbezirk erneuert.
2. Wurden die Gemeinden Hohenwarth, Arndorf, Grafenwiesen, Gotzendorf, Arrach, Ansdorf, Rimbach und Liebenstein dahingehend informiert, dass sie einer möglichen militärischen Exekution mit mindestens 100 Mann entgegensehen würden bei gleichzeitiger Bestätigung einer Belohnung für den Aufgriff in Höhe von 100 Gulden.
3. Wurden folgende Personen verhaftet, die der Hehlerschaft dringend verdächtig geworden waren. 
Adam Heigl, Inwohnersohn von Beckendorf /: Bruder des Flüchtlings:/
Wolfgang Pfeffer, verheuratheter Inwohner von Stanzen
Josef Mühlbauer , Wirtssohn von Grafenwiesen
Josef und Wolfgang Wurzer Inwohnerssöhne von Watzlhof

"Weitere Arretierungen werden noch vorgenommen werden, darunter jene des Wolfgang Heigl /:zweiter Bruder des Flüchtlings:/ die man bisher aus dem grunde unterließ, da man hofft, bei ihm desselben eher als anderswo habhafft zu werden.
Auch die drei Buben des Michael Heigl:
Michael 16 Jahre alt
Christoph 13 Jahre alt und
Georg 10 Jahre alt, 
die sich bei ihrer Mutter, der ledigen Weibsperson Anna Maria Gruber in Reitenberg aufhalten, wird man zu detinieren veranlasst werden, da sie im Verdachte stehen, dem Vater Nahrungsmittel zuzuschleppen, und hat man wegen Unterbringung dieser 3 verwahrlosten Kinder , da sie hierorts aus 
Furcht vor dem Vater, niemand annehmen will, nach Auswärts Korrespondenz eröffnet."
Zwei weitere junge Männer wurden unter Polizeiaufsicht gestellt: Franz Kerscher von der Zittensäge und Peter Bablick aus Grafenwiesen. Auch wurde Beiden der Wirtshausbesuch in Grafenwiesen, Schönbuchen und Hohenwarth für das nächste halbe Jahr verboten. Dieses Verbot musste in den entsprechenden Wirtshäusern auch öffentlich angeschlagen werden.
4. "Die Wirtschaft des Korbzäuners Hastreiter in Kötzting, welche er ohne polizeiliche Bewilligung pachtweise seit ein paar Jahren ausübte, wurde wegen Beherbergung schlechten Gesindels und namentlich von Burschen, die der kameradschaftlichen Verbindung mit Heigl verdächtig sind, gesperrt." Gegen diesen Beschluss hatte Hastreiter Widerspruch eingelegt, was jedoch keinerlei aufschiebende Wirkung hatte; das Wirtshaus wurde zunächst geschlossen.
Einschub
Der Korbzäuner" Josef Hastreiter hatte im Jahre 1832 das Kötztinger Armenhaus an der Straße nach Gehstorf gekauft und sich offensichtlich das Recht der Ausübung einer Gaststätte vom Lebzelter Johann Liebl auf Zeit gepachtet.
Haus - und zugleich Wirtshaus - des Korbzäumers Josef Hastreiter


In den Akten des Landshuter Innenministeriums befindet sich ein Akt, als Josef Hastreiter gegen die Schließung seiner Gaststätte - die er offensichtlich in seiner Wohnung betrieben hatte - Protest einlegte.
StA Landshut Reg. v. NB KdI Nr. 3525

Act
der
Koeniglichen Regierung 
von Niederbayern
Kammer des Innern
über
das Gesuch des Joseph Hastreiter
um Ausübung einer in Pacht genommenen Tafernwirtschaft
in Kötzting
königl, Landgericht Koetzting
1852

Natürlich wurde das kgl. LG Kötzting um seinen Bericht gebeten und Carl von Paur rechtfertigte die Schließung der Gaststätte:
"Die rubr: Betr: verwachsenen Aktenprodukte werden nebst der eingelegten Berufung des Joseph Hastreiter, Korbzäumer und Pachtwirts von Kötzting zur hohen Entscheidung in Vorlage gebracht und erlaubt sich die unterfertigte Behörde gehorsamst noch beizufügen, daß die Sperrung der genannten Gastwirtschaft vom sicherheitspolizeilichen Standpunkte aus dringend indiziert war, indem Joseph Hastreiter im verdachte steht, den Räuber Heigl und sonstiges liederliches Gesindel häufig beherbergt zu haben,  und dieses Wirthaus am äussersten Ende des Marktes befindlich schwer zu überwachen ist. ........."

Auch Hastreiters Beschwerdebrief liegt dem Akt bei:


Kötzting den 17. November 1852
...... ich habe im Jahre 1850 vom Lebzelter Johann Liebl in Kötzting, welcher 2 reale Gewerbsberechtigkeiten, nämlich das Lebzelten, melblen und das reale Braurecht besitzt, dessen reales Braurecht uf 10 Jahre gepachtet, u. ich habe nun dieses reale Braurecht bis gegenwärtige Stunde ruhig, ungestört, und ohne Iemands Widerrede ausgeübt.
Ich bin ein ansäßiger Bürger im Markte Kötzting, habe also das Recht gehabt, dieses reale Gewerbsrecht zu pachten.....
Lang und breit argumentiert Hastreiter danach, wie wenig sich die Behörden, trotz seiner mehrmaligen Nachfrage um amtliche Genehmigungen, darum gekümmert hätten, ihm die Ausübung zu untersagen, weshalb er jetzt auch eine Art von Gewohnheitsrecht poche.
Ja mehr noch:

"... da mir sogar während dieser Zeit die polizeiliche Bewilligung zur Haltung eines Bürgerballs zum öffentlichen Verkauf des Bieres in den zwei Märkten zu Weißenregen.... 

"und zu Schönbuchen ertheilt wurde.
Überdies wurde mir die Ausübung dieses Rechtes schon mehr als zwei Jahre gestattet...
.."

.....allerunterthäniger gehorsamster Joseph Hastreiter Hausbesitzer in Kötzting.

Es half ihm nichts, das Innenministerium folgte der Argumentation Carl von Paurs, schmetterte die Eingabe Hastreiter ab und verurteilte diesen sogar noch in die Kosten dieser zweiten Instanz.
Bisher war es nur möglich aufgrund der Aussage Paurs, das Wirtshaus läge am äußersten Rand von Kötzting, auf sein eigenes Haus zu schließen. Im Ablehnungsbescheid des Innenministeriums heißt es allerdings genauer, dass  ..

 die Bewilligung zu Ausübung des von ihm gepachteten Gewerbsrechtes in seiner Wohnung " nicht vorlegen habe können.

Einschub Ende


Auch die  Wirtschaft des Grafenwiesener Wieser solle aus den oben genannten Gründen demnächst geschlossen werden. Wenn die Umstände es zuließen, solle auch gegen die Wirte in Liebenstein und Schönbuchen genauso verfahren werden.
5. Unausgesetzt und ungeachtet der Beschwerlichkeiten würde von Seiten der Stationen  Kötzting und Lam patrouilliert und Streifen angeordnet. Besonders hervorgehoben werden die "Nachstreife vom 14ten und eine Tagstreife vom 20ten d. Mts, woran das Amts- und Forstpersonal freiwillig seh thätigen Antheil genommen hat."
6. In Hinblick auf vertrauliche Mitteilungen gibt sich Paur zwar erwartungsvoll, gibt aber durchaus zu, dass "einer der ersten dißfallsigen Versuche leider zu einer Gewaltthätigkeit Veranlassung gegeben hatte", was ein " Beleg dafür ist, daß dem Heigl nicht leicht etwas unbekannt bleibt."
Heigl würde in solch einem Falle " mit einem Terrorismus verfahren, der schweigsam mache"
Solch ein Akt des "Heiglschen Terrorismus" ereignete sich dann bereits am Tag drauf.




Die erneute Rache an Martin Fendl


Nur einen Tag später musste der Kötztinger Brigadier Schmidt die nächste Anzeige aufnehmen und schrieb an seine vorgesetzte Behörde in Landshut: "Dass gestern mittags zwischen zwölf und 1:00 Uhr sich der flüchtige Michi Heigl von Beckendorf in der Wohnung seiner früheren Geliebten Anna Gruber von Reitenstein, königliches Landgerichts Kötzting, drängte und den dort anwesenden Martin Fendl von Hudlach (früher ein guter Kamerad von Heigl) so gleich mörderisch überfiell und denselben mit einem Schrotschuss am linken Unterschenkel eine bedeutende Wunde bei brauchte. Überdies noch schlug Heigl mit seinem Doppelgewehr den Fendl über den Rücken, so dass in Folge dieser Misshandlung und Verwundung bei demselben längere Zeit Arbeitsunfähigkeit erscheint.
Bei Verübung dieser Misshandlung durch den Michl Heigl, war noch ein zweiter Bursche bei ihm, dem aber Fendl sein Gesicht nicht sehen konnte, daher unbekannt blieb.
Diese Misshandlung von Seiten des Michi Heigl geschah aus Rache, da ihn der Verwundete schon einmal verraten habe. Dem königlichen Korpskommando wurde hierüber gleiche Meldung erstattet

Die Reaktion der vorgesetzten Dienststelle gleicht der des Frühjahrs; sie fordert vom Innenministerium dringend die Genehmigung, die Gendarmeriestationen in Arnbruck, Kötzting und Lam personell aufzustocken. Der nächste Wunsch betrifft die Qualität der Gendarmen, nachdem Carl von Paur bereits einige seiner "fußkranken" und älteren Gendarmen als eigentlich dienstunfähig beschrieben hatte.
Landshut wünscht, dass " alle jene Gendarmen, welche nicht in jeder Beziehung entsprechen, aus den Landgerichtsbezirken Kötzting und Viechtach entfernt werden, und dafür tüchtige und möglichst freiwillig zu diesem Dienst sich meldende Individuen zu wählen."
Gleichzeitig bittet das Bezirkskommando um die Genehmigung des KdI, dass "der 2te Distriktskommandant, Herr Lieutenant Fürst, auf einige Tage nach Kötzting abgeordnet werden darf, damit derselbe vor Allem von den daselbst bestehenden Verhältnissen genaue Einsichtsnahme, nöthigenfalls die Leitung des Dienstes, der vorzunehmenden Streifen persönlich übernehmen könne und überhaupt im Verein mit dem Herrn Landgerichtsvorstand alle sachdienlichen Arrondierungen zu treffen im Stande ist."

Ab dem 18. November geht es nun von Seiten des Landrichters Schlag auf Schlag
Das Grafenwiesener Wirtshaus des Georg Wieser wird geschlossen.
Am 25. November wurden dann die Wirte von Hohenwarth, Schönbuchen, Ottenzell und Liebenstein, die alle der Unterstützung des MH und Michael Raimer verdächtigt wurden, ein letzte Mal ermahnt und der bisher nur unter Beobachtung stehende Bruder des Michael Heigl, Wolfgang Heigl, wird verhaftet und in die Kötztinger Fronfeste verbracht.
 

Heigls Kinder werden der Mutter weggenommen

Carl von Paur, der letzte Kötztinger Landrichter und spätere Bezirksamtmann, hatte viele soziale Einrichtungen Kötztings angeschoben, die auch überregional Beachtung gefunden hatten. Eine dieser Hilfsvereine konnte ihm nun weiterhelfen, der "Verein zur Rettung armer verwahrloster Kinder". Am 25.11. 1852 konnte er nach Landshut berichten, und, da wir seine Handschrift kennen, kann auch festgestellt werden, dass er den, wie auch die meisten der vorherigen Briefe, eigenhändig geschrieben hatte.
"Nachträglich zum unterthänigsten Berichte vom 21. d. Mt wird in Ehrerbietung angezeigt, daß man 2 Buben des flüchtigen Verbrechers Michael Heigl, Namens Christoph 13 Jahre alt und Georg 10 Jahre alt, der Mutter, der ledigen Weibsperson Anna Maria Gruber in Reitenberg, abgenommen. und durch Vermittlung des hierorts bestehenden Vereins zur Rettung armer verwahrloster Kinder bey ordentlichen Pflegeältern untergebracht hat, nämlich den Christoph Heigl als Lehrjungen bei dem Schäfflermeister Kaspar Schafner dahier und den Georg Heigl bei dem Hausbesitzer und Obstler Wilhelm Denkscherz, ebenfalls diesorts."
Für den älteren Buben, Michael Heigl, konnte noch keine Pflegestelle gefunden werden.

Detail aus der Uraufnahme von 1831


Michael Raimer wird festgenommen


Am Tag drauf, am 26. November 1852, konnte Carl von Paur endlich wieder einmal eine positive Meldung nach Landshut ans Innenministerium absetzen. 
Michael Raimer wurde gefasst, als er in den frühen Morgenstunden, bewaffnet mit einem geladenen Doppelgewehr, über die Kötztinger Regenbrücke in den Markt eindringen wollte.
5.45 Uhr war es genau und somit Ende November  - und an dieser Stelle vermutlich ohne Straßenbeleuchtung -  und wirklich dunkle Nacht.
Brigadier Schmidt wurde vertraulich zugetragen - für solche Fälle konnte dieser mittlerweile über eine Geldbelohnung verfügen - dass Michael Raimer in frühester Morgenstunde die Regenbrücke in Kötzting passieren werde. Zusammen mit den Gendarmen Blümel, Lukaseder und Weiß habe er dort gelauert und, als Raimer die Brücke überschritten hatte, diesen ergriffen.
Aus dem Polizeibericht geht auch hervor, dass Raimer  am 13.Oktober aus dem Gefängnis in Kötzting gewaltsam ausgebrochen war. Gerade mal 6 Wochen hatte er also die Freiheit "genießen" können, nun war er endgültig gefangen.
Von Michael Rainers Aussehen haben wir nur eine kurze, aber nichts desto trotz prägnante Beschreibung: Er ist von "ungewöhnlich großem, kräftigem Wuchs und hat ein auffallend langes, sogenanntes Vogelgesicht". 

Durch diesen Fahndungserfolg überzeugt - ausdrücklich angeschoben durch eine Belohnung -, erhöhte die Regierung in Niederbayern die für die Ergreifung des Michael Heigl ausgelobte Belohnung von 100 auf 200 Gulden.
Möglicherweise aufgrund des erhöhten Fahndungsdrucks, möglicherweise aber auch, weil er sicherlich von der Ankunft und den Aufgaben des Gendarmerie-Leutnants Fürst erfahren hatte, verlässt Heigl zunächst das Gebiet des Landgerichts Kötzting. 

So endete der November, angefüllt mit Mord, Raub, Folter und einem ersten Fahndungserfolg.
Obwohl das Jahr 1852 schon so weit fortgeschritten war, sollte in demselben Jahr noch viel passieren. Insgesamt jedoch zieht sich die Schlinge für Heigl langsam zu, selbst in der staatsanwaltlichen Liste der strafbewehrten Taten Heigls finden sich nur noch zwei Anklagepunkte, die jedoch haben es in sich.