- Kötzting 1914 -
Kötzting vor 110 Jahren
Was bleibt also an Quellenmaterial, um einigermaßen chronologisch aus dem Kötzting von vor 110 Jahren berichten zu können. Zum ersten sind es einmal die Kötztinger Bezirksamtsblätter[i], die durch die behördlichen Bekanntmachungen und Aufrufe einen Einblick geben und zum zweiten sind es die märktischen Sitzungsprotokolle die – allerdings auch hier ist es nur die behördliche Sicht der Dinge – auf spezifische Kötztinger Belange eingehen.
Am 27. Februar erfolgt die Anzeige für die am 19.März im Saal des Gasthauses zur Post vorgesehene Musterung des 1894er Jahrgangs – „Die Vorgeladenen haben mit reinlicher Wäsche und gereinigtem Körper namentlich nach gründlicher Reinigung der Füße zu erscheinen.“
In derselben Ausgabe vervollständigt das Bezirksamt seine, ausdrücklich so genannte, Streunerliste. In dieser Liste werden bayernweit auf Antrag der verschiedenen Bezirksämter die Namen, Berufe und Daten von Personen veröffentlicht, die nach Meinung ihrer Heimatgemeinden als Unterstützungsschwindler durch die Lande ziehen würden.
Besitzer von Triebwerken und Stauweihern, die das Wasser von Bächen ableiten, versäumten offensichtlich gerne die Ableitung anzumelden, und fischten dann die mit „abgeleiteten“ Fische einfach ab. Das Bezirksamt weist ausdrücklich auf die gesetzlichen Bestimmungen hin, und spricht von empfindlichen Schäden, die den Fischereiberechtigten auf diese Weise zugefügt würden.
Der Umbau bzw. die Rollierung der Straße Kötzting – Lederdorn – Chamerau beginnt am 28.04. und soll im Bereich der Ortsflur Lederdorn ca. 4 Wochen andauern. Gleichzeitig wird bekanntgegeben, dass die Rollierung der Straße Kötzting – Gehstorf beendet ist und die Straße dem Verkehr übergeben worden ist. Wie notwendig diese Maßnahme war, zeigt ein Bild des Mathias Heilmeier, der in den Jahren von 1899 bis 1904 viele Bilder und Fotos unserer Umgebung gemacht hat. Auf der Gehstorfer Anhöhe ungefähr bei dem jetzigen Anwesen Iglhaut hat er ein unbezahlbares Zeitdokument
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Die Aufnahme stammt aus dem Zeitraum 1900 bis 1904 aber erst 1914 wurde diese Straße neu saniert. Die Aufnahme stammt von Matthias Heilmeier |
Aushebungsgeschäft im Juni 1914
Während im Frühjahr die Musterung durchgeführt worden ist, gings nun an die Aushebung, also um den Beginn der Militärzeit. Für Montag den 22.06. und Dienstag den 23.06. wurden die Militärpflichtigen in den Saal des Gasthofes „Zur Post“ zitiert um einberufen zu werden.
So wie heutzutage die Wahlen für die Sozialversicherungen, gab es 1914 die Wahlen der Versicherungsvertreter als Besitzer des Versicherungsamtes:
aus dem Bereich Kötzting waren es von Seiten der Arbeitgeber: Herr Anton Haas, Schlossermeister in Kötzting und Herr Neuberger Xaver Bürgermeister in Hafenberg. Als Ersatzmänner standen zur Wahl Herr Häfner Rudolf, Kaufmann in Kötzting , Herr Mühlbauer Xaver, Bauer in Bonried, Herr Schillitz Josef Bauer in Weißenregen und Herr Johann Kauer Wirt und Ökonom in Kammern
Als Versichertenvertreter waren es Herr Karl Weingut, Sägemeister bei Gschaider Max Josef in Kötzting, Herr Holzer Josef, Zimmerer bei Herre Michael und Franz Wolf, Schreinergeselle bei Pongratz Georg in Kötzting. Die Ersatzmänner waren hier Hastreiter Michael Braumeister bei Lindner Karl und Rauscher Georg Mauerer bei Herre Michael, Kufner Josef, landwirtschaftlicher Vorarbeiter bei Frau Posthalter Kathi Schmidt und Späth Anton , landwirtschaftlicher Knecht bei Irlbeck Michael in Kötzting.
Die Quellfassung dieser neuen Wasserversorgung sollte auf dem Kötztingerberg, südlich von Blaibach entstehen und die dort eingespeiste Leitung zuerst Kreuzbach versorgen und sich dann über die beiden Brücken bis hinüber nach Blaibach fortsetzen.
Also in Stichworten: die Amerikaner waren im Anmarsch, die Vorräte in der Konservenfabrik in Kreuzbach sollten vor einer möglichen Plünderung geschützt werden und deshalb von Lebensmittel erzeugenden Betrieben eingesammelt bzw. abgeholt werden. Dazu aufgefordert, fuhr mein Großvater, der Kötztinger Bäckermeister Clemens Pongratz, mit einem Pferdefuhrwerk und ausgelegt mit Stroh, nach Kreuzbach.
Als er zu den beiden Ortsbrücken kam, wurden diese gerade von fremden Volkssturmmännern Männern - angeblich im Auftrag von SS- Einheiten - zur Sprengung vorbereitet. Von Anwohnern, die durch diese Sprengung um ihre Wasserversorgung gebracht worden wären, wurde mein Großvater gebeten auf die Volkssturmmänner einzuwirken, dass diese die Sprengung an anderer Stelle durchführen würden. Er – oder auch die Blaibacher Anwohner – schlugen vor als Panzersperre lieber die Engstelle bei der Eisenbahnbrücke zwischen Blaibach und Pulling zu nützen und zusammen hievten sie die Sprengbombe auf das Pferdefuhrwerk und so blieb die Brücke und damit die Wasserversorgung Blaibachs unzerstört.
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KÖZ von 1953 |
Pfingsten im Jahre 1914
Wie eingangs erwähnt, fehlt für dieses Jahr der Kötztinger Anzeiger, um auf einen zeitgenössischen Kötztinger Bericht zurückgreifen zu können. In Furth im Wald allerdings gab es eine Tageszeitung, den Bayerischen Wald und diese berichtete manchmal auch von Ereignissen aus der Nachbarschaft und so können wir zumindest auf einen kleinen Bericht über den Kötztinger Pfingstritt zurückgreifen: Allerdings berichtete der Reporter in seiner Reportage eher von ihm unverständlichen Umständen. Noch am 20. Mai erklärte er seiner geneigten Leserschaft in Furth das Kötztinger Prozedere.
Wieser Georg und Hosbach Anna Brautführer Mühlbauer Georg und Sperl Georg |
Der erste Weltkrieg beginnt
Nach dem Attentat von Sarajewo am 28. Juni 1914 führte das Versagen - oder vielleicht vielmehr der Unwillen - der internationalen Diplomatie direkt in die Katastrophe des ersten Weltkrieges. Dieser begann mit dem Ausrufen des Kriegszustandes in Deutschland am 1. August 1914. Frankreich und Deutschland befahlen die allgemeine Mobilmachung schon am nächsten Tag, am 2. August. Auch wenn Deutschland schon viele Jahre im Schatten einer kriegerischen Auseinandersetzung gelebt hatte, so war es doch eine 45 Jahre andauernde Friedenzeit, die nun mit einem Schlag zu Ende ging. Für die Bevölkerung vor Ort kamen nun fast täglich neue Befehle, Anordnungen und Beschränkungen an.
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Neben den Tageszeitungen lief die Information aber auch auf der Schiene Regierung > Bezirksämter (=heutzutage Landratsämter) > Gemeinden > Aushang, Einsagen bzw. Ausrufen durch den Gemeindeboten
Diese amtlichen Bekanntmachungen sind natürlich alle noch vorhanden und geben ein lebhaftes Bild der Hektik und der Zerrissenheit der Behörden, wie mit der neuen Situation umzugehen sei.
Vom ersten bis zum 10. Mobilmachungstag wird das „Feil bieten von geistigen Getränken“ vorübergehend verboten. Besitzer von Brieftaubenschlägen werden informiert, wie die vom militärischen Nachrichtendienst benutzten Brieftauben zu erkennen seien und wie und unter welchen Bedingungen solche Brieftauben, sollten sie sich verflogen haben und in einem fremden Taubenschlag aufgefunden werden, an die Behörden zu übergeben seien. Weiter ist es ab nun verboten, nicht nur Pferde, sondern auch Fuhrwerke, Kraftfahrzeuge, Betriebsstoffe in einen anderen Verwaltungsbezirk zu verbringen.
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DIA-Repro 0340 Abfahrt der eingezogenen jungen Männer am Kötztinger Bahnhof im August 1914 |
In Punkt 5 werden alle Ortsbehörden verpflichtet, nicht nur die Hauptstraßen, sondern auch kleine Ortsverbindungen durch bewegliche Sperren abzuschließen. Es empfiehlt sich, diese Sperren nicht vor der Ortschaft, sondern im Ortsinnern so anzuordnen, dass ein Umkehren und Ausweichen der Automobile unmöglich ist (Autofallen).
Punkt 6 sagt kurz und Knapp: Jedes Automobil, das auf Anruf nicht hält, wird als feindlich betrachtet.
Die Goldautos
Dass im ganzen Grenzgebiet gegen Böhmen auf allen Straßen Männer mit Schrotflinten und vorsintflutlichen Mordwerkzeugen standen, dass überall Heuwagen, Eggen und Pflüge ein Hindernis bildeten, dieser Gedanke kam keinem, der draußen an der Hauserstraße stand.
Mit Datum 8. August wird der gesamte Akt des Vortages - siehe oben - aufgehoben und für nichtig erklärt:
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KU vom Juni 1964 |
Am 12. August dann in aller Kürze: …ist nunmehr der gesamte Verkehr mit Automobilen vollkommen freigegeben; alle Sperren sind sofort zu beseitigen, weder militärische noch Privatautomoblie dürfen angehalten werden. Ausweise sind nicht mehr nötig.
Aschenbrenner, Kaufmann
Decker, Brauereibesitzer
Dietrich, Rentamtsdiener und Vorstand des Veteranen und Kriegervereins
Drunkenpolz, Hauptlehrer
Gmach, Schuhmachermeister
Gschaider, Fabrikant
Januel, Gastwirt und Vorstand des Gemeindekollegiums
Keim, k. Bezirksamtmann und Vorstand des Männervereins vom Roten Kreuz
Liebl jr., Bankier
Nagler, Pfarrer und Distriktsschulinspektor
Oexler, Buchdruckereibesitzer
Dr. Probst, k. Bezirksarzt und Kolonnenarzt
Stauber, Distriktssparkassenkassier
Wensauer, Goldschmied und Bürgermeister
Ziegler, Apothekerswitwe und Vorsitzende vom Frauenverein vom Roten Kreuz
In unserem Bereich wurden die Übungsflüge deutscher Flieger wieder aufgenommen und vorsorglich wird die Anordnung vom 5.8. außer Kraft gesetzt, die das Beschießen von Luftschiffen und Flugzeugen von den mit dem Bahn- Brücken-, Straßen und Grenzschutz beauftragten Personen regelte. "Nach den Erfahrungen der letzten Tage besteht dringende Veranlassung, dass die Ortspolizeibehörden alles aufbieten, damit die Bekanntmachung ÜBERALL im Bezirke so rasch als möglich bekannt wird, damit die Tätigkeit und das Leben unserer Flieger nicht gefährdet wird."
- Regelung der Feldpostbriefe und seiner Inhalte
- Vorschriften wir mit den Gerüchten über die Misshandlung gefangener deutscher Soldaten umgegangen werden soll
- Sammlungsaufrufe für Liebesgaben an die deutschen Soldaten
- Verbot der stenographischen Schrift auf den Kriegsansichtskarten
- Aufruf für den (noch freiwilligen) Umtausch von Goldgeld gegen Geldscheinen mit dem Faktor 1 zu drei.
- Bekanntgabe der Auskunftsstellen über kriegsgefangene Deutsche
Interessant ist, welche kleine Meldungen aus entfernten Regionen es manchmal in weit entfernte Tageszeitungen schafften.

In den Nachlassakten des Staatsarchives in Landshut befinden sich auch der eine oder andere Akt von gefallenen Soldaten. Der "erste" ist hier der des 27 jährigen verheirateten Kaufmanns Alois Vogl.
Noch im Juli 1914 hatte er einen Ehevertrag mit seiner Ehefrau Monika geschlossen, die nun alleine auf dem Hause mit der alten Hausnummer 124 - Drunkenpolz, später Tabak Liebl - Schubert, Textil Schödlbauer an der Ecke Gehringstraße/Marktstraße - weiterleben musste.
27 Jahre alt
Kaufmann
verheiratet
+ 20 Aug. 1914
Im Gefechte bei Lauterfingen- Roßbach gefallen."
Ein weiterer Nachlassakt noch aus dem Jahre 1914 hat sich in Landshut erhalten.
"Schwarz Michael
29 Jahre
Schreiner und Hilfspostbote
verheiratet
+ 8. Oktober 1914
Im Gefecht Bois-Brule"
Auch Max Kirschner, ein Mitglied einer der beiden jüdischen Familien, die es damals in Kötzting gegeben hatten war noch im Jahre 1914 gefallen, genauer am 16.11.1914.
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Kriegsarchiv Ingolstadt Kriegsstammrollen der bayerischen Armee für Max Kirschner |
Was dieser erste große, industrielle Fleischwolf des Ersten Weltkrieges in solch einem kleinen Marktflecken, wie Kötzting damals war, für schreckliche Folgen hatte, kann man gut an der "Ehrentafel" erkennen, die nach dem Krieg in Erinnerung an die Gefallenen Kötztinger Männer geschaffen wurde.
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DIA-Repro 1282 |
Noch im "Restjahr" - 1914 natürlich - bestimmte der Krieg ab nun das tägliche Leben und all die anderen fröhlichen Feiern, Jubiläen und andere Veranstaltungen, die sonst in Kötzting den Jahresverlauf strukturierten, verblieben von nun an. Es blieb zunächst immer noch die Hoffnung auf ein schnelles - siegreiches - Kriegsende, die aber Zusehens immer mehr verblasste.
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Ich denke jeder von uns - ab einem mittleren Alter natürlich - wird sich an das kombinierte Schlachthaus und Toilette des Metzgers Oberberger direkt an der Oberbergerbrücke erinnern. |
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Foto Christa Rabl-Dachs |
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Als der "Weiß auf der Höh" verkauft wurde, zogen die Verkäufer in das kleine Haus in der Müllerstraße um. |
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Auch mit solch einem Grundriss konnte man leben. arbeiten und sogar sehr alt werden. Kötztings hochbetagtes Ehepaar Müller wohnt in diesem kleinen Haus gleich gegenüber der Marktmühle |
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Foto Heilmeier |
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Hier die Ansicht des Häuschens |
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Ich kann mich noch gut an dieses Plumpsklos an der Außenmauer des Anwesens Kolbeck/Gams in der Verlängerung der Metzstraße erinnern, weil das "Gebäude" über die Mauer hinwegragte. |
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Ein ganz besonderes Doppelhaus Richter/Meidinger an der Blaibacher Straße |