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Sonntag, 8. Januar 2023

Eine Sensation aus dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv

Kötztings älteste Bürgerliste aus dem Jahre 1377


Ich habe jetzt fast als 40 Jahre Heimatforschung auf meinem Buckel, was mit Hunderten von  Archivbesuchen  - v.a. in München, Landshut und Amberg - verbunden ist, und trotzdem gibt es tatsächlich noch Überraschungen, und was für welche.
Doch der Reihe nach.

In Vorbereitung der Jahreschronik von 1953 fand sich unter den Dokumenten, die im Stadtarchiv aufbewahrt sind, auch ein Schriftwechsel mit dem damaligen Archivrat - und späteren Thurn- und Taxischen Archivdirektor -  Max Piendl aus Gehstorf.
Dieser bot an, als eine der Rahmenveranstaltungen im Zusammenhang mit der Stadterhebung Kötztings, auch eine Ausstellung mit herausragenden historischen Dokumenten aus dem Hauptstaatsarchiv München zu organisieren, und stellte dabei gleich eine Liste der möglichen Ausstellungsobjekte zusammen.

HStA München KL Rott 2 von 1377




Wie es sich gehört, um später nicht noch einmal die Signaturen heraussuchen zu müssen, verfasste er gleich einen Auszug aus den Repertorien und schrieb sogar die Signaturen der Archivalien dazu.

Nun ist es aber so, dass eigentlich alle Salbücher und all die anderen wirklich alten Archivalien des Klosters Rott sich fast an zwei Händen aufzählen lassen und wir - auch eigentlich - gedacht hatten, diese alle bereits gesehen zu haben und diese sogar in digitaler Kopie bereits zu besitzen.
Über die Archivalie KL Rott 2 allerdings wird im Repertorium, welches man in München einsehen kann,  nur aufgeführt, dass es die Besitzungen des Klosters im Bereich von "Pillersee" - liegt in Tirol - auflistet, was für uns nun einfach unwichtig gewesen war, und deshalb  niemand - außer eben Max Piendl im Jahre 1953 - sich veranlasst sah, in dieses Buch mal genauer hinein zu blättern.

In Kenntnis der Münchener KL-Rott Archivalien war ich auch zunächst sehr, sehr skeptisch. Nach einem Telefonat mit dem Archivoberinspektor - und Kötztinger -  Markus Frauenreuther im Hauptstaatsarchiv und dessen Recherche, war es klar, dass es diese Archivalie zumindest gibt. Dass bei der Erstellung einer Inhaltsangabe für das Repertorium die gegen Ende des Salbuches  beschriebenen Besitzungen rund um - und in - Kötzting einfach übersehen worden waren, war plötzlich die wahrscheinlichere Lösung.
Der Rest ging dann schnell. Da die Signatur bekannt war, konnte ich per E-Mail einen Fotoauftrag erteilen, in dem ich gleichzeitig gebeten hatte, wenn zulässig,  das Original auszuheben und ein farbiges Digitalisat zu erzeugen. Gleich im Neuen Jahr kam dann die Antwortmail aus München mit einem link zu einer riesigen Datei in der Dropbox.
Und los gings mit Pillersee, Pillersee und noch einmal Pillersee. Kein Wunder, dass die Archivare vor langer Zeit das Buch komplett der Hofmark Pillersee zugeordnet hatten.
Gegen Ende kamen aber dann tatsächlich die Besitzungen des Klosters im Bayerischen Wald.
Zunächst aber galt es einen Hinweis zu finden, wie alt die Archivale wirklich ist. Auf der Innenseite des Buchdeckels hatte vor vielen Jahren - oder, wie es in Kötzting heißt, vor unvordenklichen Zeiten -  schon einmal ein Archivar notiert - der Schrift nach im 18. Jahrhundert -, dass er dieses Urbarium auf das Jahr 1377 schätzen würde und beruft sich bei dieser Schätzung auf die Erwähnung zweier Orte in Verbindung mit alten Klosterurkunden.
Hier die Einschätzung auf das Jahr 1377


Die bisherig bekannten Salbücher - mit Kötztinger Bürgerlisten - des Klosters Rott  waren, in absteigender Abfolge: 
KL Rott 10 von 1620
KL Rott 113 von 1610
KL Rott 12 von 1584
KL Rott 111 von 1462
KL Rott 112 von 1445

Nun also das Salbuch von 1377, nur wenige Jahrzehnte nach der Bestätigung der Kötztinger Marktrechte im Jahre 1344.
Hier nun einige Auszüge des Inhalts.
Nicht nur der Markt Kötzting wurde mit seinen Abgaben beschrieben, sondern auch einige Dörfer, die zum Teil überraschend - im Vergleich zur Aussage in der Legende zur Pfingstrittsentstehung -  bereits sehr viele Bauernhöfe enthielten.

Was also kommt vor, soweit ich die historischen Namen auch korrekt lesen kann.... ich bin eher der Spezialist für die Kanzleischrift ab 1600 und nicht für die Frakturschrift Jahrhundnerte vorher.


Gleich beim ersten Dorf muss im vorerst passen, mit "Oenerstorf" kann ich im Moment (noch) nicht anfangen, ich vermute aber Anstorf, wegen der Stellung in der Liste. Allerdings muss es in diesem Dorf eine Zoll- eher Mautstation gegeben haben, denn der vorletzte Anwesensbesitzer wird als "thelonisator", also Zöllner, Mautner bezeichnet
Danach aber kommen beim ersten Zahlungstermin die Dörfer mit der Angabe der Bauernstellen in Form der "curia/Curiae" (= ganzer Bauernhof) und mit der Angabe der Besitzernamen.:
Also Anstorf 5 Bauernhöfe
Thenning 4 Höfe
Zettling mit 6 Anwesen
Gutendorf mit 3 Anwesen
Matzelsdorf mit 1 Anwesen, das aber in drei Teile geteilt worden war
Traidersdorf mit 5 Anwesen
Eintrag für Traidersdorf


Bärndorf mit 6 Anwesen
Wölckersdorf mit 4 Anwesen 
Grub 1 Anwesen
Friesendorf 1 Anwesen 
Arndorf  3 Anwesen 
Beckendorf 6 Anwesen
Zeltendorf 6 Anwesen
Gadsdorf 3 Anwesen

In Gadsdorf wohl ein Fechter - ein Präntl - und ein Kranberger

Diese Liste lief unter dem Stichpunkt: "Census estivalis", also die Sommerabgabe, zur Abgrenzung der folgenden Liste, die die Herbstabgabe "autumalis" kennzeichnete.

"Erste sommerliche Steuerschätzung - Zensus"

Gesamtsumme der sommerlichen Steuerschätzung

Nun folgte die Steuerliste für den Herbst.
Census autumnalis  .... die Herbststeuerschätzung


Hier folgen nun die Dörfer - zumeist dieselben und in derselben Reihenfolge wie im Sommer-, die im Herbst ihre Abgaben zu zahlen hatten:

Sindorf  2 Bauernhöfe,
Gutendorf - Matzelsdorf - Traidersdorf - Bärndorf, diesmal ausführlich - Wölckersdorf
Grub - Arndorf - Friesendorf (Friesenhof, eingegangen ) - Ansdorf - Thenning - Zettling - Zeltendorf 
Gradis - Gadsdorf

Nun schließt sich die Steuerschätzung für die adeligen Personen an.
Census nobilium
 
Bei den adeligen Familien z.B. wird unter anderem auch ein Steuerstreit mit den Erben von Fessmannsdorf erwähnt, und dann folgt endlich der Markt Kötzting.
Dieser Eintrag beginnt zunächst mit einer zweiseitigen und wunderschön geschriebenen Festlegung der Einkünfte und Rechte des Rottischen Amtmannes in Kötzting.

Hier der Anfang dieser Einleitung:
... des ersten hat der Amptman in dem Marct ze choesting von ieder Flaispanch auf Sand michels tag .5. pfenn und auf di weunachten von ieder protpanch .5. pfenn und auf den aufert tag von iedem chram .5. pfenn un an dem selb tag von iedem chram di nur huetten auf dem martt stet .1. pfenn und auf unser fraun tag in dem herbst von iedem schuester und von iedem Ledraer der in dem marct ze choetzting ein stet habent oder haben wellent si sein darin gesezzen hausleichn oder nicht .5.pfenn und von iedem vloder (Fluder) der auf dem weizzen regen herab rinnt, es sei ab den pergen oder aus panhoeltzn .2. pfenn .....

Und danach folgen die einzelnen Kötztinger Bürgerlisten:
Hier zunächst alle Landgüter "paedia" hier 35 an der Zahl, was vermutlich den späteren Marktlehen entspricht.  




Nach einer Liste von Pächtern einzelner Felder werden die Kötztinger Söldenbesitzer aufgelistet.



Am Schluss werden viele der Teilsummen zusammengezogen und ganz am Ende heißt es noch:
"De Lviij curijs in officio chötzsting vij char habern und vier gestrichen aechtling und Lxij huener"
Von den 58 ganzen Bauernhöfen im "Amt Kötzting" (werden noch) 7 Kar und 4 gestrichene Achtling hafer und 57 Hühner (abgeliefert).
I Kar Hafer waren ungefähr etwas mehr als 1800  Liter und ein Achtling betrug ca. 120 Liter als Hohlmaß.

In diesem Salbuch stecken noch einige Details in Latein, die es wert sind, genauer angesehen zu werden.
Auch wenn wir diese Namen - zunächst mit einer Ausnahme - nicht mit heutigen Häusern in Kötzting in Verbindung bringen können, so ist es doch interessant, das die meisten Altkötztinger bereits mit zwei Namen in der Liste aufgeführt sind.
Nachdem dieser Hinweis von Max Piendl sich bereits als  korrekt herausgestellt hat, werden wir auch die zweite, bisher unbekannte Archivalie ausheben und digitalisieren lassen, die Beschreibung der Gewerbetreibenden und der Marktstände von 1420 und die Pergamenturkunde, die den Ullrich Quantel betrifft, aus dem Jahre 1378. 


Dieser Ulrich Gswantel vom Gschwanthof ist zunächst der einzige, den wir mit einem bestimmten Gebäude in Kötzting festmachen können, und der auch in der Bürgerliste erscheint, nämlich ganz oben an erster Stelle. Der Gschwandhof ist die heutige TCM- Klinik von Anton Staudinger und bisher kannten wir den ersten bekannten Besitzer erst ab dem Jahre 1450 benennen.
Primo ulr Squant  : als erster Ullrich Squant

Lassen wir uns überraschen, was die zu erwartenden Archivalien aus München noch bringen werden.