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Samstag, 1. November 2025

Kötztinger Häuserchronik - alte Hausnummer 104 - beim Glaser

  Das "alte Kötzting" bei der Uraufnahme bei der beginnenden Landvermessung hatte 159 Anwesen. Der Geschichte dieser Bürgerhäuser und ihrer Bewohner nachzuspüren und sie zu dokumentieren, ist das Ziel dieser Häuserchronik.

Die Anfänge und die Entwicklung unserer Heimatstadt können von der Teilung der Urhöfe bis hin zur Auswahl als Landgerichtsort in einem einleitenden Blog nachgelesen werden.


alte Hausnummer 104

beim Glaser


Foto Josef Barth: Cafe Regina und Foto Baumeister im Jahre 1952


Vermessungsamt Cham 5168-2100-LiquiP_Bad_Koetzting_1831_Beilage_M2500_1_1-01

Luftaufnahmen Serwuschok: Detail des Ensembles Herrenstraße und Gasserl
Schon für die Häuserchronik des Nachbarhauses wurde mithilfe der Lagebeschreibungen ein vorläufiger Anfangsbestand herausgearbeitet:
 
Dieses Haus hat eine Besonderheit, weil der jeweilige Besitzer - zumindest ab 1650 in den Kirchenrechnungen nachweisbar - an die Pfarrkirche eine "Pfenniggilt" zu bezahlen hat, was die  Suche der Hausbesitzer zurück im Zeitpfeil sehr erleichtert. Leider wird bei diesen Einträgen in Alter Zeit nicht der jeweilige Nachbar erwähnt, so dass es für deren Suche keine Hilfe war.

Im Jahre 1650 findet sich der "Schlüsselbeleg" für dieses Haus:
PfA Kötzting Kirchenrechnung von 1650
"Georg Hauser, yezt Stephan Payr Fragner von seinem Haus"
Ein Stephan Payr bezahlt seine Pfenniggilt in Höhe von 25 Pfennigen für sein Haus, das vorher einem Georg Hauser gehört hatte. 
Es hätte natürlich auch ein anderes Haus in Kötzting gewesen sein, aber, im Jahre 1655 heißt es bei derselben Rubrik etwas ausführlicher:

PfA Kötzting Kirchenrechnung von 1650
"Stephan Payr, jetzt Marthin Rädlinger vom Haus zwischen Hansen Pürckhl und Schreiner Haus"
Mit dieser Beschreibung können wir jetzt dieses "kirchentrachtpflichtige" Haus genau  lokalisieren, es ist dies unser gesuchtes Haus in der Herrenstraße. 
Damit haben wir eine Abfolge von
Martin Rädlinger
Stephan Payr
Georg Hauser 



Georg Hauser und Elisabeth


Der verheiratete Mauerer Georg Hauser - seine Ehefrau, ohne Namensangabe, wird in der Kirchenrechnung von 1621 mit einem Betrag von 10 Kreuzern für das Stuhlgeld aufgeführt. Sie hatte also einen auf ihren Namen reservierten Platz in der Kötztinger Pfarrkirche - steht in der Kirchenrechnung von 1635 mit einer Grundschuld von 100 Gulden.
PfA Kötzting Kirchenrechnung von 1635
"Bey Georgen Hauser Maurer alhir, Innhendig 100 fl, welche er zue Lichtmessen ao 1631 so mit Hannsen Schießl zue Meinzing, Adamen Pockh zu Weißenregen, Hanns Ernst zue Grueg, Veith Schmidt zue Peckhendorf und Peter Poxhorn zu Haffenperg verporgt und hat man zue gemelden Liechtmessen güld geben 5 fl"

 In den Kötztinger Pfarrmatrikeln im Band 1 steht eine Auflistung all der Pfarrkinder, die nach dem "Schwedenüberfall" die Ausgangsbasis für die Pfarrei Kötzting bildeten.
Die Liste wurde dreimal erstellt und die ersten Einträge stammen vom Jahre 1636.
Hier findet sich auch "unsere" Familie Hauser:
PfA Kötzting Matrikel Band I
"Georgius Hauser                                       Elisabeth ux
                                                                   Margareth Anna   Tochter
                                                                   Catharina infa. (=Kind)
"

Einschub:
Es gibt zumindest einen Hinweis - durch die Struktur der Schuldverschreibungen - dass die Vorgängerin auf dem Haus eine Elisabeth Mierlingerin gewesen sein könnte. Dies würde zumindest aufgrund der Vornamnesgleichheit auch eine Einheirat des Georg Hauser  möglich erscheinen lassen.
Einschub Ende
In derselben Zeit, als in Kötzting die großen Wiederaufarbeitungen anmstanden, findet sich der Mauerer Georg Hauser auch in den verschiedensten Rechnungsbänden der Kötztinger "Behörden" wie beim Kastenamt (Zuständig für den Erhalt der Schlösser und Lagerstädel im LG Kötzting):
22 Gulden erhielt der Mauerer Georg Hauser "als welcher die noch ybrig daecher auf den vorhandtnen Cassten eingedeckt, thaills gemaier aussgepessert"
Und 1636 erneute 3 Gulden  für Arbeiten im Schloss, genauer
: "von der Stuben , zweien Kammern und Flez auszuweissen , die Penckhen und Fensterstoeckh einzumauern , in dem Khichl ainen neuen Hertt zemachen und ander notturfft auszupessern"
In den Marktrechnungen von 1635 stehen 1 1/2 Gulden für Mauererarbeiten an der Rathausbaustelle in der Ausgabenliste. 1637 erhielt er vom Markt 42 Kreuzer "von dem Kachelofen in das Marktdienersstübl zuezerichten und der Schuel auszeraumben."
Der Neubau des Rathauses schreitet voran und Georg Hauser hatte offensichtlich auch "Angestellte", denn im Jahre 1637 heißt es in den Marktrechnungen, dass er "3 1/2 Tag am Rathaus gearbeitet mit 2 Knechten"
Aus dem Jahre 1638 erfahren wir von Reparaturen am kurfüstlichen Schloss, genauer am Streichturm. Dieser zweite Turm der Kirchenburg befand sich rechts vom Zugang hinein ins Schloss und wurde später als der Storchenturm bezeichnet. Bei diesem Streichturm wurden 1638 extra (Stütz-)Pfeiler ausgeführt und zusätzlich "Ingleichen ist auch im Schlossgraben von der Grabenmauer ain grosses
Stueckh herausgefallen , welches ebenmessig widerumben zu reparieren die grosse notwendigkeit erfordert". - Die Kötztinger Burgmauer, eine Dauerbaustelle bis heutzutage - Gute 6 Gulden erhielt Georg Hauser für diese Arbeiten.
1638 ist GH in den Spitalrechnungen nachzuweisen. "Georgen Hauser Maurermeister alhier von Spital genauer zu untermauern, auszuweissen von den Fenststöcken an zweien darin gewesten und die Rauchfänge auszuführen, 16 fl"
1639 wurde dann endlich damit begonnen, das abgebrannte Kötztinger Schulhaus wieder zu errichten. Zunächst musste jedoch erst der Brandschutt beseitigt werden. Mit 2 Gulden wurde GH entlohnt, "vom abgebrannten Schulhaus auszuräumen".
Aus dem Jahre 1640 haben wir einen Nachweis für Arbeiten in der Pfarrkirche, wo er "under dem Choraltar die Mauer zum Beichtstuehl ausgebrochen und die Beichtstuel eingemauert" hatte. 
Als im Jahre 1641 Kötzting  - mal wieder - eingenommen worden war und die feindlichen Truppen wieder abgerückt waren, musste vieles am Schloss erneut repariert werden und die meisten Maurerarbeiten musste GH erledigen.
Die Einleitung zu dieser Ausgabenrubrik ist jedoch ein Zeitdokument Kötztinger Geschichte:
StA Landshut Rentkastenamt STraubing Kastenamtsrechnung von 1641 Seite 36

Ausgab auf Gepeu 
Schloß Khözting

Demnach durch den jüngst feintlichen einfahl und eroberung des churfrtl. Schloß alda, auch in Zeit es die Feintsvölckher inhannden gehabt, nit allain die Wacht und andere Thiern und Tächer durchgebrochen, sondern auch vor dem Schloß das ganze Tach, auch die darauf stehente zween Wachttiern, und ganze Maur abgedeckht, hat zu vorkhommenden mehrern Schadens die unumbgengliche notturfft erfordert, solche zu repariern, deswillen dann ain ordentlicher Yberschlag zur churfrtl. Hofcammer yberschickht auch der darin benanthe und hernach specifizierte Paucossten als 30 fl vermög mit Nro 7 hiorbey ligenten Rentmaisterischen Umbrittsschreibens gdst ratifiziert worden...."

Mehrmals ist in den folgenden Ausgabeposten dann der Mauerer Georg Hauser aufgeführt, hier ein Beispiel.

StA Landshut Rentkastenamt Straubing Kastenamtsrechnung von 1641 Seite 36

"Georgen Hauser Maurermaister und seinen Knechten dsa gedingte lohn hiervon zemachen lauth der Zetl Nro 9."
Im Jahre 1647, gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges" findet sich GH in den Marktrechnungen, als er vom Obristleutnant in Kötzting als Bote nach Lam geschickt worden ist, eine Leistung für die er mit 20 Kreuzer sehr, sehr gut bezahlt worden ist.
Eine Dauerbaustelle für den markt und eine regelmäßige Einnahmequelle für Kötztinger Mauerer war immer das Straßenpflaster und so wird wieder einmal das Pflaster " vor der Pruggen bey dem Passauer mit Steinen gepflastert". Dabei dürfte es sich um die frühere Engstelle vor der Oberbergerbrücke gehandelt haben, da das spätere Kollmeier/Meimer Anwesen damals der Familie Passauer gehört hatte.
Das Besondere an diesen Rechnungsbelege ist immer, dass wir nur durch diese Baudetails erfahren - auch wenn es immer nur kleine Bruchstücke sind - die uns sonst unbekannt geblieben wären. 
1650 wird er wieder vom Kastenamt für das Schloss engagiert: "
Über erstgemeltes Thorstübl hat Georg Hauser Maurermeister sambt seinen Gesellen und ainen handlanger das tach mit Ziegltaschen von neuem gemacht und eingeteckht, auch den zehentstadel inwendig verworffen und zu all dieser Arbeith zween Tag gebrauchen miessen"
So musste er zum Beispiel im Jahre 1651 in der Torstube die "Maus und andere Löcher in obbemelter Stuben" verwerfen.
Selten kann man in den Rechnungsbüchern einen gewissen Sarkasmus erkennen, aber im Jahre 1652 steht tatsächlich - in Klammern - der folgende EInleitungssatz:

StA Landshut Rentkastenamt Straubing Kastenamtsrechnung von 1652 Seite 43

"Nachdeme im SchlossGraben /: wie alle Jahre beschicht:/ von der Mauer....ain großes Stückh auf 3 Claffter hoch und Praith eingefallen,hat solches aus verhüettung weittern Schadens widerumben miessen gemacht werden, hiervon ist dem Maurermaister Geörg Hauser und seinen helffern, wie die Zetl Nro 2 zaigt, bezalt worden 1 fl 8 xr

Yetzt benenten Mairermaistern hat man auch, wegen reparirung des Thurms im Schloss, in welchem die Risst Cammer und alles vorhandtene Gwöhr ligt, weillen er sich zum Einfallen ansechen lassen, mit welcher Arbeith er mit seinen Hellfern 10 Tag zuegebracht, bezallt nach Sach oder zetl Nr. 22 6 fl 44 xr.
Vorgedachter Maurermaister hat man ingleichen, von 2 Fennster Stöckhen in die alte Khuchen einzemauern bezallen müessen, wie Zetl Nr. 23 zaigt. 36 krz."
Mit diesem Eintrag endet die Zeit des Maurermeisters Georg Hauser auf diesem Haus, die uns - wegen seines Berufes - viele Kleinigkeit über Altkötzting hat überliefern können.
Von welchem Anwesen aus Georg Hauser sein gewerbe betrieben hat, ist nicht ganz klar, da er 1652 noch in den Rechnungsbänden auftaucht, sein haus aber mindestens seit 1650 bereits an Stephan Bayr verkauft hat, da nun die Schuldverschreibung auf diesen läuft.

Stefan Bayr und Margaretha


PfA Kötzting Kirchenrechnung von 1650
"Georg  Hauser, yetzt Stephan Payr fragner und burger alhir, hat in erkhauffung seines Hauss 100 zubezallen ybernommen, welche er laut Schuldverschreibung des datu 21. octobris ao 1650 auf besagt seiner Behausung am Khürchweg, verschrieben und hievon den Zünß Leichtmessen bezalt."

Schon im Jahr danach, am 25.3.1651 verkaufen die beiden "Ir Behausung am Khürchweg zwischen Hansen Pürckhls, und weillendt Hannsen Poll gewesten Burger und Schreiners alhir seel Heusern liegent, welche vor diesem Georg Hauser Inen gehebt dem ehrgeachten ujd vornemmen Wolfen Khürchmair burgern und Schneidernalhir und Elisabetha seinem Eheweib per 250 fl
Die "Bayr Margaretha erhält das hinter Stobl zur Hörberg ausgenommen. Die Leikaufzöhrung wird miteinander bezahlt."

Einschub
Der Leikauf bzw. die Leikaufzöhrung war ein traditioneller Teil eines solchen Verkaufs, bei dem eine vorher festgelegte Summe des Preises – zumeist fünf Prozent – anschließend gemeinsam mit Essen und Trinken verbraucht wurde. Diese „Tradition” war auch für die Kötztinger Gaststätten und Ausschankbetriebe wichtig. Deshalb hatten sich die Bürger (Marktlehner) nach 1633 auch so sehr in München beschwert, da der damalige Pfleger Rosenhammer es jahrelang versäumt hatte, seine Amtsräume im Schloss wiederherzustellen, und stattdessen seine Urkunden in Grafenwiesen ausstellen ließ. Dies bedeutete natürlich auch, dass diese Umsätze den Kötztingern fehlten.
Einschub Ende

Der Kauf des kleinen Hauses am Kirchweg war Teil eines gegenseitigen Ringkaufes. Adam Tirrigl aus Grub - gleichzeitig Zeuge beim Kauf Bayr/Kirchmair - hatte am selben Tag die Brandstatt im Markt - heute das Haus mit dem Hausnamen "Fischer Peter" alte Hausnummer 41 von den Kirchmairschen Eheleuten erworben.  Diese hatten die Brandstatt aus dem Yettingerischen Erbe erhalten. Kirchmeiers Ehefrau Elisabeth war eine Tochter des Johann Adam Yettinger. 
Am 31.5.1651 quittierte das Ehepaar Payr dem Wolf Kirchmayr, die ihnen zustehende Bezahlung aus der Kaufsumme erhalten zu haben.


Wolf Kirchmaier und Elisabeth Yettinger 


Am 22.6.1649 hatte Wolfgang Kirchmeier (Kirmeier) Jettinger Elisabeth geheiratet und nun konnte der Schneider sein Handwerk auf seinem neuen Haus ausüben. Durch glückliche Umstände hat sich 1(!) Band der Kötztinger Briefprotokolle - 1651 bis 1654, die Hauptreihe beginnt erst wieder mit dem Jahr 1700 - erhalten. In diesem Band stehen zwei ganz besondere Verträge. Es sind dies einmal eine "Ledigstellung" eines Gesellen und einmal ein Lehrgeldvertrag eines Schneiderlehrlings.

StA Landshut Markt Kötzting Briefprotokoll P1 Seite 14

"Ledigstellung Schneider Handtwerchs
Wolf Khirchmair burger und Schneider alhir zu Khözting, stelt seinem Lehrjungen, Michaeln Zimmermann, weillendt Paullusen Zimmermans auf der Erlmüll in Behamb seel. hinderlassnen Eheleiblichen Sohn, vor Herrn Cammerer und Rhate vor, mit gehorsamer Anzaigung wie daß er vor disem auf das Schneiderhandtwerch....
... selbiges 2 Jar lang zuerlehrnung in beysein zweier Maisster ordentlich und aufgedingte worden, dieweillen dann solche Lehrjahr ir Entschafft erraicht, dieselben gedachter Lehrjung völlig abgeströckht und ausgelehrnet. Auch daneben in solchen erbar und aufrecht und redlich, wie ainen Lehrjung zuthun gebiert, verhalten  aso wolle er ihm in beysein und gegenwarth zwayer Maister als den ehrbaren Adam Schwelmair und Hannsen Pfeffer beeden burgern und Schneidern alhir vor unser hand wiederumb ledig und los gestelt haben und begert Ihme hiryber ainen ordentlichen Lehrbrief aufzerichten.
Actum 12. Octobris anno 1651
"

Im Jahr drauf, am 17. September 1652 nahm der Schneider Wolf Kirchmeier einen neuen Lehrling zur Ausbildung auf. Anders als heute musste der Lehrling – oder vermutlich dessen  Eltern Eltern oder Vormünder – für diese Ausbildung ein Lehrgeld an den Lehrherrn bezahlen. Auch dies  - und in diesem Falle die Abweichung von dieser Regel - wurde vor dem Magistrat beurkundet.
StA Landshut Markt Kötzting Briefprotokoll P1 Seite 27

"Aufnembung Schneider Handtwerchs
Wolf Kürchmair burger und Schnedier alhir zu Khözting, stelt seinen Lehrjungen, georgen , weillend Hannsen Horn gewesten burgers zu Viechtach hinderlassnen Eheleiblichen Sihn bey Cammerer und Rathe vor, mit gehorsamer Anzaigung....."
Seine Lehrzeit beginne 1652 und ende zur selben Zeit im Jahre 1656. Da er unvermögend sei - so stehts im Vertrag, aber dafür ganze 4 Jahre lang, als doppelt so lange wie sein Vorgänger, in der Lehre wäre, brauche er kein Lehrgeld zu bezahlen. 
Am 26.2.1652 ließ das Ehepaar Kirchmayr - Wolf und Elisabeth Dorothea - ihre Grundschuld bei der Pfarrkirche auf sich umschreiben, wobei die Beschreibung der Lage des Hauses identisch formuliert ist, wie oben beim Kauf des Anwesens.
Da die Kontinuität in den Briefprotokollen fehlt, können Besitzünergange manchmal nur in Sprüngen nachgewiesen werden. In den Kötztinger Matrikeln gibt es keinerlei weitere Einträge für das Ehepaar Kirchmair.
1653 bezahlt die "Pfenniggilt" noch Wolf Kirchmayr vom "Haus zwischen Hans Pürckhl und des Schreiners Haus".
1655 heißt es in der selben Rubrik, dass nun der Marktdiener Martin Rädlinger diese "ewige Pfenniggilt" zu zahlen habe, als Nachfolger des Stephan Payr für das Haus zwischen "Hans Pürckhl und dem Schreinerhaus.


Martin Rädlinger und Anna


Martin Rädlinger taucht in den Akten wahlweise als Markt. bzw. Gerichtsdiener auf und  wird vor allem mit Botengängig aktenkundig.
Im Jahre 1665 lässt sich Martin Rädlinger in einem Extrakt des Kötztinger Verhörsprotokoll belegen:
 
Bayr. HStA München GL fasc. Nr. 1818 
"Marthin Rädlinger Ghtspot hat Hannsen Pol (seinen Nachbarn offensichtlich) und Michaeln Grueber mit bloß Degen yberloffen, und zum Schlagen mit ausgesprengten Iniurii Wortten herausgeforderdt und drentwegen  er wie folio 3 zu befindten gestrafft worden per 1 fl 8 xr 4 He."

Auch er scheint nicht sehr lange auf dem Haus gewohnt zu haben - auch wenn seine Schuldverschreibung wortgleich auf seinen Namen lautend und mit der richtigen Hausbeschreibung durchgehend bis zum Jahre 1676 zu finden ist. Allerdings muss man hier zwei Dinge festhalten. Der jeweilige Schreier der Kirchenrechnung hatte wohl immer bei der Anfertigung der neuen Liste der Schuldner das Exemplar des Vorjahres neben sich, um ja auch alle Details - es waren ja rechtskräftige Einträge - zu übertragen. Allerdings wurden Veränderungen der Besitzverhältnisse nur sehr, sehr schleppend nachgetragen. Solange die Einnahmen stimmten, war es wohl weniger wichtig, genau auf dem Laufenden zu sein.
1667 jedenfalls scheint Martin Rädlinger sein Anwesen bereits weitre verkauft zu haben.
Aus demselben Jahr findet sich in den Pfleggerichtsrechnungen eine Verhandlung gegen den Bürger - und eigentlich beim Pfleggericht angestellten Gerichtsboten - wegen Gotteslästerung.
StA Landshut Rentkastenamt Landshut Pfleggerichtsrechnung von 1667

"Der Landgerichtsamtmann hat Marthin Weissen BurgersSohn und M;arthin Rädölinger Burger beede zue Közting, darumben Ex officio vorgestellt, daß sie bei dem 1000: Sacra: Gottsgelesstert, derenthalben, mit Verweiß, ieder 3 Stundt an der Schandtsaull abgebiesst worden, aber an Geld NIHIL"

Leonhard Türankh und Grainauer Anna Margaretha

In einem, der Kirchenrechnung von 1667 beiliegenden Extrakt aus den Kötztinger Briefprotokollen - die selber nicht mehr existieren - heißt es, dass der Bürger und Gerichtsbote Martin Rädlinger am 8.6.1667 "das Heisl zwischen Mathes Miller Schuester und Hans Poll Mauerer an den Lenhard Türankh, Welscher und auch Bürger", um 300 Gulden verkauft hatte. Im Detail heißt es, dass Türanck "nur die Cramerey mit den wahren so er sonssten in der Putten fürt" durchführen dürfe.
Obwohl dieser Verkauf bereits im Jahre 1667 protokolliert worden war, findet sich der Vorbesitzer - Martin Rädlinger - noch viele Jahre lang als der Schuldner gegenüber der Pfarrkirche in deren Rechnungsbüchern. 
Erst im Jahre 1676 wird dieser Zustand festgestellt und abgeändert, wobei dann auch einige Rechnungsbände zurückgeblättert wird und im Rechnungsbuch von 1668 am Rande - von einer anderen Handschrift -  vermerkt steht: "an den Wellischen angehendigt worden"

PfA Kötzting Kirchenrechnung von 1668
Dies ist der immer gleichlautende Eintrag für den Gerichtsboten Martin Rädlinger über all die Jahre hinweg bis 1675, auch wenn er bereits 1667 sein Haus an Leonhard Türankh verkauft hatte.
 


PfA Kötzting Kirchenrechnung von 1668
"Ist dem Wellichen eingehändigt worden             100 fl."
Mit dem "Wellischen"  ist hier ein Einwanderer aus Italien, zumeist Südtirol gemeint.
Diese "Schlamperei" endete im Jahre 1676, als von oben der Magistrat Kötzting durchgriff - offensichtlich durch einen Landtagsbeschluss dazu ermächtigt - und sich anstelle des ursprünglöichen Schuldners diese Kreditsumme auszahlen ließ.
PfA Kötzting Kirchenrechnung von 1676

 Vorher (dieses nun dokumentierte Vorgehen von Kammerer und Rat Kötztings passierte auch bei mehreren anderen Grundschulden) gemelte Cammerer und Rath, haben gleichfahls gemainen Marckhts wegen Marthin Rädlinger burger und Gerichtspotten alhir in Handen gehebte und ndurch Lenhardt Türanckhen so sein Rädlingers Behausung kheuflichen an sich gebracht, abgeleste 100 fl zu der uf vorgangnen Landtag beschechne abordtnung an sich gebracht, und raichen wie vorhero uf Heyl Leichtmessen Zinß 5 fl"

Diese - in Hinblick auf die Eindeutigkeit der Protokollierung  eher unsichere - Periode zwischen 1667 und 1676 hat aber auch noch einen weiteren HIntergrund.
Im Jahre  1677 schrieb sich Leonhard Türank seinen Frust über die Einschränkungen vom Leibe, die er mit dem Kauf des Hauses hatte annehmen müssen UND der Tatsache, dass Martin Rädlinger versucht hatte, 
den Verkauf rückgängig zu machen.
Türrank beschuldigte den Magistrat auch mit hinter seinen finanziellen Problemen zu stecken, "weillen von Eur churfrtl: Drlt hochlobl: Reg: und hinach auf verrers appelirn von deroselben Hochlobl. Hofrath München nach lauth beiliegende zwo Abschriften Nro 1: et 2 yber 10 Jahr gefiehrten Stritt, mir erst gdst zuerkhent worden und ich mit Kauffgelt und aufgewendten Uncosten auf die 500 fl gecosstet und blos für ein cleines Heusl ihne mich iemahls hierauf hergebracht gerechtigkeit vorgeschrieben haben, da doch vorhin in besagt meiner Behausung schon ein handelsman gewesen, welches die augenscheinliche Zaichen, so noch zesehen, zuerkhennen geben und weisen...."
In einem vielseitigen Schreiben mit vielen Beispielen und Verweisen auf andere Krämer in Kötzting, versuchter die in seinen Augen ungerechte Behandlung seiner Person darzulegen.
In dem Schreiben ist auch die Rede von teuren Quartierslasten - auf ihn würden 24 Kreuzer pro Monat fallen - für die Graf Hoenigsche Reiterei. Dies KÖNNTE auch den Durchgriff des Marktes auf freiwerdende Gelder der Pfarrei Kötztings in diesem Zeitraum erklären. die diese Quartierlasten ja zunächst vom Markt/Magistrat vorfinanziert werden mussten.

Wir kommen nun in eine Zeitperiode, in der es von Zufällen abhängt, ob eine Besitznachfolge bewiesen werden kann. Helfen würde bei diesem Haus hier  der Nachweis der Pfenniggilt, die jedoch leider nicht in jedem Jahr aufgelistet wird.

1694 Pölsterls Wittib
1695 Pfenniggilt für "Pölsterls wittib von ihrem zwischen Hannsen Pollns und Hanns Georg Mayr Heusern ligent."
1698 Pölsterls Wittib
1700 Hans Georg Löckher von seinem Haus zwischen Hansen Pollns und Georg Mayrs Heusern.

Und so geht es erneut weiter mit einer Recherche.
Im  Rechnungsbuch für 1697 steht Georg Löcker - Bürger und Schneider genannt - mit 8 fl, die er für das Kötztinger Bürgerrecht bezahlt hat.
Ende 1696, genauer am 29.11.1696, heiratete ein Georg Lecker aus Weißenregen die Schusterstochter Katharina Pölsterl aus Kötzting. Als Eltern wurden ein bereits verstorbener Schuster Sebastian Pölsterl und als Mutter eine Anna Pölsterl angegeben, die zu diesem Zeitpunkt noch lebte. 
Es spricht also vieles dafür, dass, die Eltern der Braut

Sebastian Pölsterl und Anna  

die Vorbesitzer des Hauses gewesen waren. Ob zwischen der Pölsterlschen Eheleuten und dem Leonhard Türrank noch andere Hausbesitzer lagen, kann nicht belegt werden.
Ein erstes Kind dieser Eheleute in den Kötztinger Geburtsmatrikeln ist für das Jahr 1679 dokumentiert, auch noch passend eine Anna Katharina. Auch dieser Zeitraum würde gut zu einem Übergang Türankh - Pölsterl - Löckher passen.

(Hans) Georg Löckher und Katharina Pölsterl

Wie oben angeführt, ist Georg Löckher seit dem Jahre 1697 Kötztinger Bürger und steht im Jahre 1700 in den Kirchenrechnungen mit seiner Pfenniggilt.
Im Jahre 1699 wird er vom Magistrat zu einer Stockstrafe verurteilt, weil er "er dem Cammerer Herr Johann Maerkl vorgeworfen, er hette khein Schindl ufm Dach, in Ansehung seiner Armueth neben ernstlichem verweis zur Straff in Stockh condemniert worden."  
Im Jahre 1710 konnte er hinter seinem Haus - in Richtung auf die Wuhn hin - ein Grundstück vom Markt erwerben. 
1717 liehen sich der Schneider Hans Georg Löckher und seine Frau Anna Catharina(!) 50 Gulden von der Pfarrkirche. Das Geld stammte aus den "gestifteten Passauerischen Jahrtagen".
In der Kirchentrachtliste der Pfarrei ist der Schneider leicht zu finden.
Bayr. HStA München Landshuter Abgabe KL Rott B4



Am 4.9.1732 verkauften Hans Georg Löckher, Schneidermeister, und seine Frau Anna Katharina ihr "zwischen Hans Adam Wurmb Weber und Michael Mayr, Schuhmacher, entlegenes 2 gädige Häusl  einschliesslich dem am 21.12.1711 vom Markt erhandelten und mit  einem Plankhenzaun eingefangenen Grundt" um 450 Gulden an den Schwiegersohn und dessen Frau:

Johann Pongratz und Anna Maria Löckher 


Dieses Paar tritt im Markt Kötzting in keinerlei  Weise in Erscheinung.  Anna Maria war 1709 geboren und eigentlich sollten sie oder  ihr Mann an vielerlei Stellen nachweisbar sein. Auch wird Johann Pongratz nachweislich nie das Kötztinger Bürgerrecht erlangen.
Dies ist aber nicht der Fall, sondern Jahre später wird Sebastian Löcker - erst am 26.10.1713 geboren - als der Hausbesitzer in den verschiedenen  - bekannten - Listen, Tabellen oder Hausbeschreibungen zu finden sein.

Sebastian Lecker und Pachmayr Maria Anna

Am 13.8.1742 heirateten Sebastian Lecker, Sohn des Johann Georg und der Katharina, die Pachmayr Maria Anna, Tochter des Kötztinger Bürgers Johann Pachmayer und dessen Frau Maria Elisabeth aus Regenstauf.
Im selben Jahr steht er bereits in der Liste der "ewigen Pfenniggilt". Da es genau zu diesem Zeitpunkt eine - ärgerliche - Lücke in den Kötztinger Briefprotokollen gibt, wird dieser "Sprung zurück" auf den jüngeren Bruder resp. Schwager wohl nicht geklärt werden können. Gerade in diesem Zeitraum 1738 - 1744 passierte jedoch in Kötzting sehr viel, da wegen der finanziellen Bedrückungen im Zusammenhang mit dem Österreichischen Erbfolgekrieg sehr viele Kötztinger an ihre Grenzen stießen und verkaufen mussten.
Bei der späteren Besitzübergabe an die Tochter Regina - am 30.8.1773 - ist aufgeführt, dass er selber das Haus am 24.10.1743 gekauft hatte >>>>> genau in dieser oben erwähnten Lücke.
Auch von ihm wissen wir nur sehr wenig. 
 Kinder dieses Paares sind in den Kötztinger Geburtsmatrikel dokumentiert, ein Sohn und danach 5 Mädchen, wobei bis auf das zweite Kind - Regina - alle anderen sehr früh verstarben. Ein Kind erhielt sogar von der Hebamme eine Nottaufe und wurde danach namenlos beerdigt.
Im Jahre 1757 stand der  Kötztinger Schneidermeister als Ankläger vor dem Magistrat. 

StA Kötzting Marktrechnung von 1757 Seite 36
"Georg Liebl von der Hofmarch Hauß, wurde von Sebastian Löckher burgerlichen Schneidermaister alda, wegen S:V: Sau Schwaifes intitulierung halber geclagt, und nach beschechen selbstiger eingeständtnuss, das Ihme Liebl solches Schmachwortt im Rausch entfahlen, mit Verweiß, und aufgetragen konfftig Underlassung umb 2ß Pfennige multiret so thuen 17 xr 1 He."

Im Umrittsprotokoll des Straubinger Rentmeisters von 1763 - dort werden immer rückwirkend die Protokolle des Magistrats unter die Lupe genommen und gegebenenfalls korrigiert - findet sich ein Eintrag aus dem Jahre 1758, indem der Rentmeister mehrere Verfahren kritisiert, unter anderem: "... Sebastian Löckher et 3 Cons. sammentlich alhiesige Schneidermaister, umb willen selbe den Clagenten Anna Maria Zschechin Marckhtshebamm alhier Sohn mit Oxenzöhn straichen hart hergenommen."
Das Problem hier ist wohl, dass Angriffe mit "Waffen" vom Pfleggericht verhandelt werden mussten und nicht unter die Jurisdiktion des des Kötztinger Magistrats fielen. Offensichtlich hatte sich darüber der Kötztinger Pflegrichter beschwert, dem dadurch Einnahmen entgingen. Auch "Handerksangelegenheiten" - es waren ja hier 3 Schneidermeister involviert - durfte der Magistrat eigentlich nicht mehr verhandeln.
Die Rentmeisterumrittsprotokolle wurden ihr der Art geführt, dass zweispaltig auf jeder Seite geschrieben wurde. In der rechten Spalte ließ der Rentmeister die Dinge anführen, über die er Aufklärung bzw, Änderungen wünschte und in der linken Spalte konnte danach die jeweilige "Behörde" (Pfarramt, Magistrat, Pfleger, Kastner) seine Erläuterung bzw. seinen Kommentar dazu geben.
In Kötzting war damals der durchaus streitbare Wolfgang Samuel Luckner bereits als Kammerer im Amt und sparte in diesem Falle nicht mit Spott:

StA Kötzting Umrittsprotokoll von 1763
"Yber den Casum von ao 1758 mues man lachen, das sogar ab seithen dess Gerichts sogar die Bestraffung yber einen Oxen Zöhn Straich begehet erde, welches doch eine der geringsten beleidtigungen ist."


Nun stand der nächste Besitzwechsel an und dieser hatte eine Vorgeschichte. Schon im Jahre 1768 hatte der Kötztinger Bürgerssohn und Glasergeselle das "Glaserrecht vom Kötztinger Glasermeister Johann Michael Joachimstaler um 48 fl abgekauft und sich diese Übertragung auch in den Briefprotokollen (heutzutage würde man sagen "notariell") bestätigen lassen.
Am 30.8.1773 schlossen Regina Löcker und ihr zukünftiger Mann, eben jener Bernhard Fischer, einen Heiratsvertrag, bei dem sie das kurz vorher von ihrem Vater übernommene Haus seinem Heiratsgut widerlegt.

Bernhard Fischer und Regina Löcker


Diese Hausübertragung wurde am selben Tag protokolliert und das Haus beschrieben  als das am  "24.10.1743 gekaufte Haus zwischen Josef Mayer und Georg Neumeier entlegen, samt dem Höfel und dem Gärtel bei Georg Neumayr". Mit 350 Gulden wurde der Wert des Anwesens angegeben. 
50 Gulden Grundschuld standen bei der Pfarrkirche Kötzting und weitere 50 Gulden bei der Kirche von Wiesing in deren Büchern.
Die vorher auf dem Hause ruhende Schneidergerechtigkeit veräußerte der scheidende Schneidermeister Sebastian Löcker in der Folge dann an den jungen Schneidermeistersohn Johannes Pfeffer, der sich nun auch in einem eigenen Haus hatte sesshaft machen können. Diese Schneidergerechtigkeit war dem jungen Schneider ganze 100 Gulden wert.
Zwei Jahre nach dieser Übertragung kam es dann noch zu einem Streit um Kleinigkeiten bei der Verteilung des väterlichen Resterbes - Sebastian Löcker war am 26.11.1775 verstorben - mit der zweiten Tochter Sebastian Löckers, Anna, der Ehefrau des  Nagelschmieds Anton Fischer. 
In den Marktrechnungen findet sich Bernhard Fischer mit einer Reparatur des Rathausfensters, das offensichtlich an Fronleichnam zu Bruch gegangen war.
StA Kötzting Marktrechnung von 1776 Seite 49

 "Bernhard Fischer burgerlicher Glaser vor ain Tafel in die Rathsstuben, so an Fest Corporis Christi ruiniert worden 12 und vor ain Scheiben uns Prechhaus 2 x: tuet 14 Kreuzer"
HStA München Landshuter Abgabe KL Rott B5 1777-1800 Liste der Kirchentracht
Bernhard Andreas Fischer 

Im Jahre 1780 konnte sich Bernhard Fischer zusammen mit einigen Kollegen das Fischrecht auf dem Gruber- und Dampfbach  für ein Jahr vom Magistrat sichern und hatte dafür 1 1/2 Gulden zu bezahlen, was aber offensichtlich nicht leicht von der Hand ging.
StA Kötzting Marktrechnung von 1780 Seite 16
"Den Gruber- und Dampfbach hat man von Kammereramts wegen, mit harter Mihe dem Bernhard Fischer burgerlichen Glaser von hier et cons. nun für gegenwerthiges iahr und nit länger verstifft können, dahero den hierorts in Einnahm zu bringen est obiges ad 1 fl 30 xr."
Schon im Jahre drauf, am 28.9.1781 war die junge Glaserin, Frau Regina Fischer im Alter von gerade mal 32 Jahren verstorben. Fünf Kinder hatte die junge Frau bis zu ihrem Tode bereits geboren; Andreas, geboren am 25.12.1773 sollte der Stammhalter werden. 
Knapp acht Wochen später heiratete der junge Witwer erneut: Die Blaibacher Bäckerstochter Elisabeth Graitl wurde seine zweite Ehefrau.
Bernhard Fischers späteres Ableben lässt sich in den Kötztinger Sterbematrikeln nicht belegen. Bei der Übergabe des Besitzes an seinen Sohn aus erster Ehe, Andreas Fischer, musste jedoch am 16. Mai 1794 ein Vertrag über das „väterliche Erbe” für alle Kinder aufgesetzt werden. Darin ist vermerkt, dass Bernhard Fischer bereits verstorben ist. Das Inventar über das Vermögen des Bernhard Fischer wurde laut dem Erbvertrag am 2. April 1794 erstellt. 

Andreas Fischer und Auzinger Rosina


Seiner Stiefmutter überlässt der neue Hausbesitzer natürlich die in die Ehe eingebrachtem "Pöth, Pöthstatt, Kasten und eine Truchen". 
Interessant sind hier die weiteren Details der Vermögensaufstellung bzw. der "abzuziehenden Kösten":
50 Gulden waren von der Pfarrkirche Kötzting geliehen.
50 Gulden bei der 7 Schmerzen Bruderschaft in Weißenregen
Die Beerdigungskosten betrugen:
2  fl  54 xr- für den Mesner
2 fl             für den Schulmeister
6 fl 45 xr    für den Bader

offene Rechnungen:
Beim Handelsmann Fabrici für abgenommenes Blei    7 fl 21 xr
Die Inventurkosten    26 fl 25 xr
Das Muttergut    100 fl
Die Gebühren für die mütterlichen Kleidungsstücke verglichenermaßen per adversum(?)  10 fl

Der Witwe lt dem Heiratsbrief    200 fl
Der Vergleich mit den Verwandten wegen der Morgengabe: 50 Gulden.
Knappe 700 Gulden standen also auf der einen Seite, während der neue Hausbesitzer seinen eigenen Erbsanteil von 114 Gulden geltend machen durfte.
Den Rest musste er in gleichen Teilen den Kindern aus zweiter Ehe und seiner Stiefmutter anrechnen, wobei die Erbanteile seiner noch minderjährigen Halbgeschwister – verzinst mit jährlich vier Prozent – auf dem Haus verblieben und vom Vormund der Kinder verwaltet wurden. Die Witwe erhielt lebenslang die freie Herberge im Haus. 
Seine Hochzeit mit einer "kapitalkräftigen" Ehefrau am 13.8.1794 -  half Andreas Fischer dann aus dieser Klemme. Ganze 500 Gulden an Heiratsgut brachte seine Ehefrau, die Tochter des Bernhard Auzinger und seiner bereits verstorbenen Ehefrau Anna Maria, in die Ehe mit ein.
Im selben Jahr erwarb Andreas Fischer auch das Kötztinger Bürgerrecht und konnte dabei als Bürgerssohn Geld sparen, da er nur mit dem Exerziergulden in Höhe von 1 fl belastet wurde, alle anderen Gebühren wurden ihm erlassen.
Nur drei Jahre nach der Heirat lag die junge Glaserin Rosina Fischer bereits im Sterben und so musste ein Testament aufgesetzt werden.
StA Landshut Markt Kötzting Briefprotokoll von 1797 Seite 52

"Letzter Wille
Rosina Fischerin burgerliche Glasermeisterin zu Kötzting befindet sich krank, und ließ heut durch Wenzeslaus Baur burgerlichen Marktlehner und Schneidermeister denn Christian Obermayr....
.... burgerlichen Zimmermeister die Marktobrigkeit zu sich bitten, damit sie in dem Fahl, sie von Gott aus dieser Zeitlichkeit abgefordert werden wurde, wegen ihrem Vermögen noch eine willkührliche Disposition /: da sie vorwärts mit keinen Noterben versehen:/ treffen könnte."
Sie verrechnet ihr umfangreiches Vermögen und bestimmt weiterhin:
Gleich nach ihrem Tod sollen drei heilige Gottesdienste – am 17. und am 30. – sowie zwei heilige Beimessen (Messen an den Nebenaltären während des regulären Gottesdienstes) gehalten werden.
Für 30 Gulden sollen in der Pfarrkirche weitere Heilige Messen für sie gelesen werden. Weitere drei Gulden spendete sie dafür, dass ihr drei Jahre lang im allgemeinen Gebet gedacht wird.
Acht Gulden erhielten die armen Leute als Almosen.
Die Pfarrkirche Kötzting erhielt 15 Gulden für die Anschaffung notwendiger Ministrantenschürzen.
Nach Berücksichtigung aller angefallenen Kosten und der verschiedenen Legate bestimmte sie ihren Ehemann zu ihrem Universalerben und legte fest, dass sie, sollte sie doch noch weiterleben, das Recht habe, dieses Testament später auch wieder abzuändern.
Leider findet sich in den Kötztinger Sterbematrikeln dann keine Sterbeeintrag für Rosina Fischer, da aber bereits mit Datum des 2. Januar 1798 ein Heiratsvertrag mit der Gruber Hofbauerstochter Fischer Barbara abgeschlossen wurde, ist Frau Rosina Fischer wohl bereits kurz nach ihrer Testamentsverbriefung verschieden.

Andreas Fischer und Barbara Fischer


Im Heiratseintrag der Pfarrmatrikel vom 15. Januar 1798 wird der Vater der Braut, Ullrich Fischer, als „Conduktor”, also als Pächter, angegeben. Er hatte den landwirtschaftlichen Betrieb des Klosters Rott in der Hofmark Grub wohl als Pächter inne. Seine neue Ehefrau brachte 200 Gulden als Heiratsgut mit in die Ehe.
Im Jahr 1805 liehen sich die beiden 200 Gulden aus der Marktskasse. Im Vertrag über diese neue Grundschuld ist die Rede davon, dass das Anwesen mit 600 Gulden feuerversichert sei – eine große Neuerung.
Im Jahr 1810 stellte die Marktgemeinde eine Liste der säumigen Schuldner auf und benutzte dabei eine eigens erstellte Liste der Hausnummern. Diese Liste ähnelt nur am Anfang den späteren Hausnummern des Häuser- und Rustikalsteuerkatasters und danach, leicht revidiert, den Nummern des Grundsteuerkatasters. Letztere behielten ihre Gültigkeit bis ins Jahr 1952 und sind die Grundlage für diese Häuserchronik.
StA Kötzting Marktrechnung von 1810 Schuldnerliste
Hausnummer 87(!) Ander Fischer ......

Im drauffolgenden -1811- Jahr stellte das Rentamt Kötzting eine erste amtliche Auflistung der Häuser zusammen und hier bekam das Haus nun die - vorläufige - Hausnummer 101. 

StA Landshut Rentamt Kötzting B 27 

"Markt Kötzting
HsNro CI
Andrä Fischer  (handschriftloicher Zusatz HsNo 104)
Das gemauerte Haus mit einem kleinen Gärtl

Nutzantheil an den noch unvertheilten Gemeindegründen
Gemeindeantheil am Galgenberg ao 1803 zu Acker cultiviert
Von dem vertheilten Stroh=hof bei Grub 1 Ackerl
"

Im Briefprotokollband des Jahres 1818 findet sich der folgende kuriose Eintrag von einer Quittung über 350 Gulden.

StA Landshut Briefprotokolle LGäO Kötzting Nr 932

Der Herr Quarin Zisselsberer, Excanonit aus dem aufgelösten Stift Weyarn erkaufte für sich und seine ledige Schwester Franziska "auf ihre Lebenstäge" von Andrä Fischer burgerlichen Glasermeister zu Kötzting eine Herberge und versprach dafür in drei Tranchen 350 Gulden zu bezahlen, was, nach Zahlung des letzten Teilbetrags über 50 Gulden dann der Glasermeister auch vor Gericht zu Protokoll gab.



Aus einem zufällig sich erhaltenen Lageplan für den Bau eines Stadels, den der Nachbar - Hofbauer - eingereicht hatte, kennen wir auch die Besitzer dieser kleinen Häuserkette.
Als im Jahre 1826 der Nachbar Johann Hofbauer einen Stadel in diese eh schon beengten Verhältnisse hineinbauen möchte, kommt es zu einem Streit, für dessen Verhandlung dann auch dieser vorliegende Plan eingereicht wurde.
" Hofbauer stellt den Antrag, hinter dem Glaser Fischer Haus im Gärtl einen Stadl bauen zu dürfen.  Fischer Ander protestiert. Es befinden sich seine Werkstatt und Inwohnerbehausung dort. Kein Licht, und der Abfluß des Odl findet keinen anderen Weg als durch das Haus des Fischer.
Windorfer protestiert, dass Heu und Stroh und Bierfässer gelagert werden sollen. Feuergefährlich.
Denk protestiert ebenso wie Schrank, Reinhold, Ultsch, Schneider, Parzinger, Magg. 
Gutachten des Obermaier Zimmermeister: Gässchen ist nur 6 bis 7 Fuß breit, es sei kein Durchkommen bei Feuer oder Zulieferung von Holz usw. wenn gebaut.
Hummel erklärt ebenfalls alle Nachteile, Kaminfeger  Diermeier Karl sagt "unmöglich" vor allem Feuergefahr und falscher  Odlabfluss.
Es kommt zuerst einmal zu einer Ablehnung bevor der Bau dann 1828 doch genehmigt wurde.




StA Kötzting AA V Stadelbau des Johann Hofbauer
"v.l. Behausung des Joh. Hofbauer - Behausung des Andre Fischer - Behausung des Jos. Denk - Behausung der Elisabeth Dreger"
Deutlich ist auf dem Lageplan auch die kleine Gasse zwischen den Anwesen Fischer und Denk zu erkennen.

Am 21. März 1838 verstarb der Kötztinger Glaser- und Zinngießermeister Andreas Fischer mit 65 Jahren an einem Schlaganfall. 


 Einschub
 In den kommenden Jahren wird diese Glaserfamilie vom Tod geradezu verfolgt.

Am 6.11.1840 stirbt die Glasermeisterin Barbara Fischer mit 65 Jahren an Auszehrung
Am 12.6.1842 stirbt eine Tochter des Hauses, Maria Fischer, mit 23 Jahren an der Lungensucht.
Am 7.7.1843 verstirbt die junge Frau des Nachfolgers Katharina Fischer mit 22 Jahren an Auszehrung.
Am 25.1.1845 stirbt das Kind - Anna Maria - aus der nächsten Ehe des Josef Fischer mit 22 Wochen an Nervenfieber.
Am 10.8.1845 stirbt das nächste Kind - Michael - gerade mal 1 Tag alt, eine Frühgeburt.
Am 2.4.1849 stirbt wieder ein Kind - Franz - im Alter von 1 Jahr an Drüsenverhärtung.
Am 31.1.1850 stirbt der Hausherr selber, Joseph Fischer, mit gut 35 Jahren an Phthisis. (=Tbc)
Einschub Ende

Unter den ältesten Nachlassakten, die im Staatsarchiv in Landshut aus unserem Raum aufbewahrt werden, befindet sich auch der der Witwe Barbara Fischer. 
Die eigenhändige Unterschrift unter ihrem Testament ist fast nicht zu erkennen:
StA Landshut Rep 166N-12 Schachtel 4 Nr. 123

Wie oben in der Tabelle bereits aufgeführt ist, verstarb Barbara Fischer am 6.11.1840 an Auszehrung. Mit Datum vom 2.9.1840, also gut 2 Monate vor ihrem Tode, bittet ihr Sohn, Joseph, darum, dass eine Gerichtskommission zu seiner Mutter ins Haus käme, um ihren Letzen Willen zu protokollieren.
Diese traf die Glaserwitwe "in ihrer Wohnstube im Bette liegend an, schwach an Kräften jedoch bei vollen Verstandeskräften und allerdings fähig letztwillig zu disponieren."
Der Sohn Joseph wurde von ihr als Universalerbe eingesetzt, der den vorhandenen 7 Kindern - die von ihr noch kein Heiratsgut erhalten hatten - jeweils 100 Gulden als Legat auszuzahlen hatte.
Barbara Fischer - verehelichte Steinmetzin Lohr in Ingolstadt
Anton Fischer - verheirateter Insass in Kötzting
Andreas Fischer  - Glaser in Konzell
Margaretha Fischer - verwitwete Meier Lottokollekteurswitwe
Bernhard Fischer  - Soldat
Maria Fischer - ledig und bei ihr wohnend


Noch zu Lebzeiten des Andreas Fischer hatte der Nachbarschaftsstreit zwischen den beiden Hausbesitzern Fischer und Denk begonnen wegen der Verbauung des kleinen Gässchens zwischen den Häusern.
Ein erster Einigungsversuch der beiden Kontrahenten vor dem neugeschaffenen "Vermittlungsamt" beim Magistrat endete ohne einen Vergleich.
 Im Jahre 1840 wird der Streit um das kleine Gasserl zwischen den Häusern erneut vor dem Vermittlungsamt ausgetragen und diesmal endet die Sache nicht mit einer schnöden Ablehnung, sondern mit einer richtigen Verhandlung. (StA AA VIII 12)
"Beschwerde des Anton Fischer im Namen seiner Mutter Barbara Fischer Glaserswitwe v K gegen den Häusler Josef Denk v K wegen Verbauung eines Gäßchens zwischen den Häusern der Teile, worin das Wildwasser abfließt, hat man heute einen Polizeiaugenschein mit Zuziehung des  bürgerlichen Zimmermeisters Franz Obermeier an Ort und Stelle eingenommen und nachstehende Bemerkung 
gemacht:
1) Vom unteren Teil des Gäßchens zeigt die Breite desselben zwei Werkschuh.
2) Von des Fischers Hauswand sind die Bretter aus dem Grundbaum in das Gäßchen hineingesunken, da dieselben wie es sich genau zeigt  aus den Nägeln gerissen  finden und um einen Schuh hinein gekommen sind. Denk hat am oberen Eck eine Säule eingegraben und einen Verschlag für eine Holzlege errichtet, welcher Verschlag eigentlich die Beschwerde veranlasst, da hierdurch das Gäßchen verengt wird, derart, dass der Wasserabfluss hindurch gehemmt und Fischer solchen durch seinen Hof zu laufen veranlasst wird. Deshalb findet der Sachkundige zur Behebung der Differenzen als notwendig, dass der Magistrat als Polizeibehörde die Weisung zu erlassen haben dürfte.
A) Anton Fischer Glaser habe sofort die abgewichene von Grundbaum getrennte Bretterwand in die vorigen Fugen zu befestigen.
B) Josef Denk Musikant sei schuldig, die Holzlege von der Wand des Fischers zurückzusetzen und so das Gäßchen wieder in der vorigen Breite per 2 Schuh herzustellen, wodurch der Beschwerde abgeholfen werden wird.
Beschluss: Auf Grund  eines am 23. Juli d  J  vorgenommenen Augenschein im Betreff der 
Beschwerde der Barbara Fischer Glasermeisterswitwe gegen Josef Denk Hausbesitzer dahier wegen Verbauung eines zwischen ihren Häusern befindlichen Gässchens, wodurch  das Trauf und Güßwasser ihren Ablauf von dem hinterhalb ihrer Häuser entlegenen Düngestätten und Gebäuden zu nehmen hat. Es wird nach dem Gutachten das beigezogenen Sachverständigen Zimmermeister Franz Obermeier v K zufolge magistratisch Beschluß vom heutigen verfügt: Die Beschwerdeführerin die schuldig und gehalten die vom Grundbaum abgewichene Bretterwand welche wenigst einen Werkschuh in das Gäßchen hereingesunken ist, zurück in die alten Fugen einzubefestigen; sowie  der Beklagte verbunden den Verschlag zur Holzlege 2 Schuh von der Fischerschen Bretterwand zurückzusetzen


Joseph Fischer und Katharina Auzinger

Am 25.5.1841 heiratete der Zinngieser und Glaser Joseph Fischer Katharina, die Tochter von Xaver Auzinger.


StA Landshut Grundsteuerkataster Nr. 5039
"Hausnummer 104 in Kötzting, beym Glaser Joseph Fischer
Das Haus mit realer Glasergerechtigkeit
Gebäude:
Wohnhaus mit Schupfen samt Schweinestall aneinander und Hofraum
Garten:
Wurzgartl im Gassel mit Brunnstube, welche Eigenthum von Haus Nro 99 ist."

StA Landshut Grundsteuerkataster Nr. 5039
 
"Laut landgerichtlichen Briefsprotokoll vom 13. May 1841 auf Ableben der Mutter Barbara Fischer von den Geschwisterten um 2276 übernommen."
10 Tage nach der Verbriefung heiratete Joseph Fischer Auzinger Katharina, Tochter des Xaver Auzinger und der Lärnbecher Maria Anna. Auzinger Xaver war der damalige Hammerschied Kötztings. 

Aus dem Jahre 1841 gibt es eine genauere Beschreibung des Häuschens und vor allem seiner Bewohner und der Raumaufteilung, verfasst als sogenanntes Mieterkataster:


Daraus erfahren wir zunächst, dass das kleine Haus damals bereits einen echten Ersten Stock gehabt hatte.
"Joseph Fischer Glasermeister
/:Hauseigenthümer:/
1. Hauptgebäude:
Unter der Erde   1 Kellerantheil
II Stock
(als der I.Stock wurde das Erdgeschoss bezeichnet, nicht wie heutzutage der Erste Stock)
3 Wohnzimmer, 2 Kammern und Werkstätte, dann Anteil am Hausboden unterm Dach
Unterschrift Joseph Fischer

2. Anton Fischer Wirtspächter
/:Miether:/
Antheil vom Keller
I. Stock
(=Erdgeschoss) 2 Wohnzimmer, 1 Kammer und Tiel vom Hausboden unterm Dach
Unterschrift Anton Fischer

3. Anton Fischer, Taglöhner
/:Miether:/
I. Stock
(=Erdgeschoss) 
1 Wohnzimmer, und Antheil vom Hausboden untrm Dach
Handzeichen des Anton Fischer

4. Maria Fischer Bürgerstochter
/:Mieterin:/
I. Stock
(=Erdgeschoss)
1 Wohnzimmer
Unterschrift Maria Fischer.


Genau von dieser letzteren Maria Fischer, die zu ebener Erde ihr Wohnrecht genoss, gibt es in den Nachlassakten im Staatsarchiv Landshut des Jahres 1842 sogar ein umfangreiches Testament, dass die bereits im Sterben liegende Schwester des Hausbesitzers sogar noch selber unterschreiben konnte.

StA Landshut Rep 166N-12 Schachtel 4 Fischer Anna Maria Glaserstochter
Die Unterschrift ist oben rechts.

Unterm 12.6.1842 findet sich der Sterbeeintrag der 23 jährigen Maria Fischer, die an der Lungensucht gestorben ist.
StA Landshut Rep 166N-12 Schachtel 4 Fischer Anna Maria Glaserstochter

"Letzwillige Verordnung
der Maria Fischer, bürgerliche Glaserstochter von hier, aufgenommen den 3. Mai 1842 Nachmittags 4 Uhr in der Behausung des Glasermeisters Joseph Fischer dahier.
Die Lottokollekteurswitwe Margaretha Meier hat heute Morgens bei Gericht das Ansuchen gestellt, daß eine Gerichtskommission sich in die Wohnung ihrer kranken Schwester, der ledigen Glaserstochter Maria Fischer, begeben möchte, um eine letztwillige Verordnung derselben über ihren Rücklaß aufzunehmen.
"
Man fand die Kranke in ihrer Wohnung zu ebener Erde in der Behausung ihres Bruders .....  zwar krank im Bette liegend, jedoch noch bei vollkommenen Verstandeskräften an.

Als ihren gesamten Rücklass bezeichnete sie ihr Kleidung, ihr Bett mit Bettwäsche und einer Bargeldsumme von 100 fl, von der sie allerdings nicht wisse, on diese Summe bei ihrem Tode noch diese Höhe haben wird.
Als ihre Universalerbin bestimmte sie ihre leibliche Schwester, Margaretha Meier, Lottokollekteurswitwe von hier. Diese solle an ihre andere Schwester, Barbara Lohr, Maurerehehfrau in Ingolstadt folgende Erbstücke übergeben. Die Liste umfasste das Bett neben den 2 Kissen und 2 Überzügen, 2 Servietten, ihre gelbe Riegelhaube, ein Paar neue schwarz kalbene Schuhe, 6 Paar Strümpfe, 5 weiße Leinenschürzen, 6 Fürtücher, ein schwarzsamtenes Mieder, 4 Halstücher, 3 Hemden und 4 Oberröcke und zwar 3 von Pers(?) und einer von schwarzem Merino."
Der verheiratete Bruder Andreas, Glaser in Konzell, erhielt "3 Bettkissen samt Überzügen und Bettvorhängen".
Das Bruder Joseph in Kötzting erhielt "als Legat ein Bett und einen Hängkasten und zwar das Bett samt dem bereits daran befindlichen Überzuge."
Der Bruder Bernhard, Soldat im ersten Artillerie-Regiment und zZt zu Konzell in Urlaub erhält "5 Pfund zusammengesponnene Leinwand, sowie den schwarz-baumwollenen Regenschirm"

Dieser zuletzt von ihr begünstigte Bruder - Bernhard Fischer - sollte jedoch auch nicht mehr sehr lange leben. Aus dem Jahre 1846 stammt sein Nachlassakt, der vor allem einen beeindruckenden kleinen Stammbaum der Glaserfamilie Fischer enthält. Ähnlich wie heutzutage auch noch, musste das Nachlassgericht versuchen, sich im Stammbaum der Familie Fischer zurechtzufinden, um die rechtmäßigen Erben ermitteln zu können. So wie heutzutage im Standesamt nachgefragt und geforscht wird, musste damals der Ortspfarrer Auskunft aus seinen Pfarrmatrikeln erteilen. In Kötzting war es im Jahre 1846 der Pfarrer Henneberger.
Hier sein Stammbaum das Familie Fischer bezeichnet als "Schema genealogicum"

StA Landshut Rep 166N-12 Schachtel 4 Nr. 125 von 1846

Ein kurzer Sprung zurück ins Jahr 1843. Nach dem Tode seiner jungen Ehefrau Katharina, die am 7.7.1843 mit gerade mal 22 Jahren an Auszehrung verstorben war, heiratete der Witwer am 2.10.1843 die Kötztinger Bürgerstochter Franziska Dreger.


Nicht nur wegen des "Gässchens" zwischen den Häusern sondern auch hinter den Häusern in dem so engfängigen Winkel kam es zu Streitigkeiten mit dem Nachbarn. Dieses Mal mit dem Nachbarn auf der anderen Seite:  
"17. November 1841;Glasermeister Josef Fischer gegen Gastwirth Johann Hofbauer beide K  wegen einem auf den Grund des Ersteren vom Letzteren errichteten Planken, wodurch Kläger an seinem Hofraum beschränkt worden ist konnte kein Vergleich erzielt werden"
Hält man sich die beengten Verhältnisse hinter und zwischen diesen Häusern vor Auge, so ist es kein Wunder, dass sich hier die Nachbarn laufend "ins Gehenge" gekommen waren.
Aber auch mit ganz anderen Streitsachen musste sich das Vergleichsamt beschäftigen:
"
7. August 1843: Ignaz Auzinger Waffenschmiedsohn v K unter dem Beistand des  Bierbrauers Karl Reinhold belangt seinen Schwager den bürgerlichen Glasermeister Josef Fischer von K deshalb, weil ihm der Letztere die Ausfolglassung eines Gewehrkastens, eines silbernen Tischzeuges und 14 Ellen Leinwand, die er bei dem Beklagten zur Aufbewahrung hatte, verweigert.  Josef Fischer erinnert dagegen, dass die fraglichen Gerätschaften sein Eigentum seien und er sich daher nicht herbeilassen  könne solche an den Kläger zu extradieren. Keine Einigung." 
Und auch innerfamiliären Streit und Handwerksangelegenheiten gehörten zu den Themen, die versucht wurden im Rathaus zu schlichten und es eben nicht vor Gericht - und das eben auch teuer - verhandeln zu müssen.
"18. Dezember 1845: Josef  Fischer Glasermeister dahier und sein Bruder Anton Fischer Inwohner von da vereinigen sich hinsichtlich der vorliegenden Beschwerde wegen Gewerbsbeeinträchtigung dahin dass: Josef Fischer seinem Bruder Anton Fischer hiermit ermächtigt in seinem Namen als Geselle mit Ausnahme der Marktgemeinde Kötzting in dem ganzen Gaibezirke Glaserarbeiten verrichten könne, dagegen: macht sich Anton Fischer verbindlich das erforderliche Glas bei seinem Bruder per Bruch (?)  
zu dem fixierten Preise zu 1 fl 6 kr abzunehmen und zu verarbeiten und sich jeder selbstigen Anschaffung zu enthalten, dann das Blei per Stollen um 9 kr abzunehmen. Diesem entgegen löset Josef Fischer dem Anton Fischer die gesammelten Glasscherben per Pfund zu 1 kr ab. Das alte Blei per Pfund zu 4 kr ab. Zur Bestätigung unterschrieben."  
Aus dem Jahre 1846 hören wir zum ersten Male etwas von einer Kötztinger Straßenbeleuchtung, weil der Glaser Joseph Fischer fast 13 Gulden vom Markt für "12 Stück Glaskugeln" erhielt.
Am 31.1.1850 verstarb der Glasermeister Joseph Fischer mit gerade mal 35 1/2 Jahren an "Phthisis", also an der Schwindsucht. Ein Kind nur hatte Joseph in erster Ehe  bekommen, den Sohn Joseph, geboren am 30.5.1842. 
Seine Witwe wartete bis zum Sommer desselben Jahres und heiratete den Glasergesellen aus Herzogau Johann Süß.

Johann Süß und Franziska Fischer


15 Gulden musste der junge Glaser für sein Kötztinger Bürgerrecht bezahlen und stellte gleichzeitig beim Magistrat Kötzting das Gesuch, um "Bewilligung der Ansässigmachung und Verehelichung mit ì
der Glaserwitwe Franziska Fischer von Kötzting".
Im Stadtarchiv hat sich ein ganzes Bündel an Dokumenten erhalten, die Johann Süß dem Magistrat vorlegen musste, um als ein neuer Bürger aufgenommen zu werden. (AA X-102)
Darunter befinden sich eine Impfbescheinigung gegen Pocken:
Das Impfzeugnis wurde im LG Waldmünchen ausgestellt.
Dann folgte ein Geburtsschein, um seine eheliche Geburt zu belegen.

Geboren wurde Johann Süß als Sohn des Johann Süß, Schullehrers in Unterhütte, Pfarrei Waldmünchen, 
Nach seiner Glaserlehre und einem dreijährigen Aufenthalt in München als Glasergeselle, stellte sich Johann Süß der "Gewerbsprüfung" vor einer Kommission 
 
Königreich Bayern
Kreis Oberpfalz u.v. Regensburg
Prüfungs District Waldmünchen
II. Klasse
 
Seine Prüfung und damit auch den Nachweis seiner Befugnis, in Kötzting das Glasergewerbe zu übernehmen, hielt er vor der Kommission in Waldmünchen.
Als nächstes kam ein Leumundszeugnis:
 

"dem Schullehrer Sohn Johann Suess von Unterhütte wird hiermit bestätigt, dass der selbe stets einen vorzüglich guten Leumund erprobt hat, so dass gegen denselben in dieser Beziehung nicht die mindeste Erinnerung gemacht werden kann, sondern er vielmehr in Hinsicht seines moralischen Wandels, seiner im eigenen Friedfertigkeit, Sparsamkeit und Nüchternheit, überall bestens empfohlen werden kann.
Das bezeugt der Wahrheit zufolge
die
Verwaltung der Landgemeinde Herzogau
am 8. Mai 1849"
Dann folgt ein Zeugnis:
 

Und sein Entlassungsschein mit einer Beschreibung seiner Person:

Johann Süß wird beschrieben 
mit einer Größe  von gut 6 Fuß (ca. 185cm)
Haare: blond
Stirn breit
Augenbrauen: blond
Augen: grau
Nase: spitzig
Mund: klein
Barth: rot
Kinn: oval
Gesichtsform : rund
Gesichtsfarbe: gesund
Körperbau Schlank


In Kötzting angekommen, musste auch er sich mit seinen Nachbarn zur linken oder rechten Seite auseinandersetzen:
Wieder einmal ist das schmale Gäßchen hinter der Häuserreihe Thema einer Eingabe beim Magistrat. Diesmal kommt diese vom Nachbarn, dem Wirt Johann Hofbauer:
"Johann Hofbauer zwischen dem hinter seinem Wohnhaus gelegenen und seinem Garten ist ein schmales Gässchen das in die sogenannte Naglschmiedgasse führt und Zuflucht für liederliches Gesindel und zur Verrichtung der Notdurft ist.
Auch der Kötztinger Pfarrer Henneberger befürwortet die Kassierung des Gässchens. 
Süß Johann jedoch ist gegen diesen Antrag und kann erreichen, dass der Magistrat Auflagen für die zusätzliche Nutzung durch Johann Hofbauer erlässt. Was immer in diesem Gässchen gemacht werden wird, für den "Zutritt zur Holzlege des Glasermeister Süß ist zu sorgen"
Auch dieser Ehe war keine lange Dauer beschieden. Nachdem der Sohn  - Johann - mit 27 Wochen an Scharlach verstorben war, folgte ihm auch seine Mutter nach, die mit gerade mal 35 Jahren am 8.6.1852 an Auszehrung verstarb. Ein halbes Jahr später - am 24.11.1852 - heiratete der Glasmachermeister und Witwer Johann Süß erneut und zwar Katharina Weiß, die Tochter des Paul Weiß und der Katharina Decker.

Johann Süß und Katharina Weiß



  
Aus der Jahresrechnung von 1860 erfahren wir, dass der Glaser SJ für das Fischerrecht auf dem Dampfbach und dem Gruberbach eine Jahrespacht von 2 Gulden bezahlt.

StA Kötzting AA XI 76 

Wie man auf dieser Karte gut ersehen kann, ist der Bereich hinter der Häuserfront angefüllt mit Misthaufen, Gärten, Schuppen und Brunnen(!).
Im Jahr 1865 erhielt Johann Süß den schriftlichen Auftrag, seine Dünger und Versitzgruben ordentlich zu verschließen und sicherzustellen, dass kein Odel mehr auf die Straße fließen könne.
All diese Probleme mit dem Wasserabfluss - seien es  Abwässer von Gewittern oder aus den Versitzgruben -  versuchte der Markt Kötzting auf Druck von Seiten des Bezirksamtes ab dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts durch die Anlage von Kanälen in den Griff zu bekommen.
Die Überschrift auf den diversen Aktendeckeln hieß immer "Ortsreinlichkeit" und daran mangelte es in Kötzting offensichtlich zu der Zeit. Hier die Beanstandungen aus dem Jahre 1867.
"Anweisung vom Bezirksamt K den Kanal am Denk'schen Haus in Regie herstellen zu lassen, Frist 3 Tage.
Bezirksamt Ortsreinlichkeit. Straßenschlamm entfernen, Wege im Markt gangbar machen.
Das  im Gässchen hinter Wirth Hofbauer sammelnde Wasser in den neuen Kanal einleiten. 8 Tage Frist."

Im selben Jahr - 1867 im Juni - kam es in Kötzting zu einer verheerenden Brandkatastrophe und - obwohl nicht in der Hauptbrandzone - hatte auch der Glaser Süß an seinem Gebäude Schäden zu verzeichnen, weil die Feuerwehr versucht hatte, ein Übergreifen der Flammen auf sein Holzschindeldach zu verhindern.
StA Landshut Rep 164-8 Nr. 1570
"Das Wohnhaus erlitt durch die Löschversuche an der Legschindelbedachung einen Schaden."

Im offiziellen Amtsblatt des Bezirksamtes Kötzting schaltet Johann Süß im Jahre 1869 eine Werbeanzeige:
BZA-Blatt vom März 1869


Im Lageplan des Bauantrags seines Nachbarn können wir erkennen, dass die Situation in diesem Gässchen seit dem Jahre 1887 ziemlich unverändert geblieben ist, zumindest was die Lage der Gebäude - nicht deren Nutzung - angeht. .

StA Landshut Rep 162-8  Sch. 21 Nr.  3173 Nachreiner Johann.
Der Glaser Süß hat hier die Nummer 3 im Plan erhalten. 

Am 11.12.1889 verstarb der Kötztinger Glasermeister Johann Süß mit 68 Jahren.
StA Landshut: Rep 166N-12 Schachtel 33 Nr.  100 von 1889 Süß Johann Glasmeister
Lebende Kinder, und damit Erben  hatten die beiden  keine mehr, die nächsten Angehörigen des Glasermeisters lebten in Waldmünchen, Regensburg und Aschaffenburg.
Seine Frau Kathi und er besaßen das Haus gemeinsam,  am Ende des Nachlassaktes findet sich auch die eigenhändige Unterschrift der Kathi Süß:


Wiesmaier Johann und Schmuderer Regina




Im Umschreibeheft des Grundsteuerkatasters Kötzting ist die Besitzerabfolge sehr schön zu erkannen:
Im Juli 1890 wurde Katharina Süß die alleinige Hausbesitzerin und verkaufte das Anwesen am 25.1.1895 an Johann Wiesmeier und dessen Frau Regina, einer geborenen Schmuderer aus Grub.

Einschub
Da hier zum ersten Male die Frau "Regina Wiesmeier" erwähnt wird, möchte ich gleich an dieser Stelle auf ein Kuriosum hinweisen.  Es ist die Aussprache des Namens des späteren "Cafe Regina"s, des Cafes also, das nach der Besitzerin benannt wurde und deren Namen von einem Teil der Kötztinger als "REgina" und von anderen als "RegIna" ausgesprochen wird und beide Seiten behaupte, die einzig richtige Aussprache zu benützen. Also eine Betonung auf der ersten bzw. auf der zweiten Silbe
Einschub Ende.


Foto Josef Barth: Cafe Regina und Foto Baumeister im Jahre 1952

Im Jahre 1888 reichte Johann Wiesmaier einen Bauplan ein, um auf seiner Rückseite einen kleinen Anbau errichten zu dürfen.

StA Landshut: Rep 162-8  Sch. 22 Nr.  3301 Wiesmaier Johann Holzremise Hanr 104 Kretschmer

 
Rep 162-8  Sch. 22 Nr.  3301 Wiesmaier Johann Holzremise Hanr 104 Kretschmer



Hier nun zu Beginn kurz die Wiesmeier Genealogie im 20. Jahrhundert

Johann Wiesmeier und Regina Schmuderer     
                           danach
Franz Wiesmeier  und Anna Solleder      <<<<<<<< der "Wiesmoa-Blindt"
                           danach
Franz Wiesmeier  verheiratet mit  N. Voitl
Martha Wiesmeier verheiratete Tischler


Von Johann und Regina Wiesmayr sind in den Kötztinger Matzrikeln 11 Kinergeburten verzeichnet:

Bei den ersten  sechs Kindern von 1887- 1894 wird der Vater noch mit seinem Wohnort als Häusler in Arndorf angegeben. Danach ist er Kaufmann in Kötzting. Nur von den späteren Kindern ist in den Matrikeln auch ein frühes Versterben vermerkt, anscheinend bekamen die beiden eine umfangreiche Familie. 
Es war diese erste Generation der Wiesmeier, die nicht nur das Haus im Markt gekauft , erneuert und ausgebaut hatten, sondern auch das große Anwesen - damals weit draußen - vor dem Markt an der heutigen "Schullererkreuzung mit Bahnübergang". 

DIA-Repro 1575 ca. 1925
Zentral in der Bildmitte der Turnhallenrohbau- im Hintergrund Mitte, der "Dinkelmeyer" und am rechten oberen Bildrand das schmucke Anwesen des Johann Wiesmeier. Von der Zellertalksiedlung ist da noch keine Spur vorhanden und auf dem grauen Wiesenstreifen - hinter dem Wiesmeierhaus und links von der hellen Fläche - werden in den 60er Jahren im Zusammenhang mit der Stationierung der Bundeswehr in Kötzting die sogenannten "Dittrichbauten" errichtet werden.

Hier die Baupläne aus dem Staatsarchiv in Landshut des BZA/LRA Kötzting von 1921





Franz Wiesmeier  und Anna Solleder 

Im Jahre 1923 übernahm der Sohn das Anwesen im Markt herinnen und begann das Haus umzubauen, auch wenn in den diversen Bauanträgen und Planungsunterlagen sowohl Johann als auch Franz Wiesmeier als die Verantwortlichen auftauchen. Im Grundbuch ist der Neubau mit Datum des 27.2.1923 vermerkt, die Übernahme dann mit Datum des 12.11.1923 eingetragen.
Die ersten Umbaumaßnahme betreffen das hinteres Areal, hin zum Gässchen, es wird immer enger dort hinten, da dies die einzige Richtung ist, in der sich diese Kettenhäuser überhaupt ausdehnen können..

StA Landshut Rep 162-8 Sch. 25 Nr. 3609 Wiesmeier Franz Waschhaus





Im Jahr drauf ist es dann das Wohnhaus selber, für die Franz Wiesmeier zeichnet, obwohl sein Vater noch auf den Bauplänen vermerkt ist.
 
StA Landshut Rep 162-8 Sch. 25 Nr. 3624 Wiesmeier Franz Wohnhau 1924


Im Erdgeschoss finden sich zunächst nur ein Laden, ein Backofen und ein kleiner gewölbter Viehstall, dessen Zugang durch den gemeinsamen Hausflur erfolgt.

Die Zimmer im Obergeschoss gruppieren sich um die beiden Kamine.


An der Außenfassade kann man erkennen, dass noch ein zweites Stockwerk vorgesehen war.
Im Seitenschnitt des Bauplanes ist vermerkt:


"Wird später als Wohnung ausgebaut"

Auf der kolorierten Ansicht kann man schon den ersten Mieter erkennen, es ist die "Preysing Bank"
Wir sind in der Zeit der Hyperinflation, in der die verschiedenen Geschäftsbanken unterschiedliche Geschäftsmodelle und "Währungen" erfanden, um im Geschäft bleiben zu können.
AUs der Zeit des Dritten Reiches haben wir eine Aufnahme des Fronleichnamszuges, auf der sehr schön zu erkennen ist, dass das Haus in der Geplanten Version - mit dem Balkon dann auch umgebaut worden ist. Diese Bild verorte ich auf 1933/34, da später das Beflaggen der Häuser mit der Hakenkreuzfahne bei kirchlichen Umzügen von der NSDAP verboten wurde.

Bild Sammlung Dittrich


Aus vermutlich demselben Zeitraum - aber ein paar wenige Jahre später  -  stammt die folgende Aufnahme aus unserer Sammlung (Stadtarchiv "Schwarze Mappe") 


Was diese Aufnahme so besonders macht sind mehrere Dinge- Erstens der Balkon ist noch da und die Frau, die im ersten Stock aus dem Fenster blickt ist vermutlich Anna, die Frau des Wiesmeier Franz. 
Links kann man noch das Wort "Schmidt" und "schäft" lesen. 
Hier hatte vermutlich seit 1949 die Schmidtbank ihre Kötztinger Filiale. Sie hatten zwar das Haus vor der Kirchenburg bereits seit dieser Zeit in Besitz, konnten aber andererseits den Apotheker nicht kündigen, bevor dieser im Markt sich einen anderen Standort errichtet hatte und umgezogen war. 
Auf der rechten Seite ist deutlich zu erkennen, dass es sich um eine Drogerie und um ein Fotogeschäft handelt, die Agfa-Werbung prangt mitten in der Eingangstüre..




Anker

Der Wiesmeier-blindt

Von verschiedenen Seiten tauchte in Gesprächen über die „alten Zeiten“ immer wieder derselbe Name auf – oder vielmehr der Beiname: „da Wiesmoa-blindt“. Die Art, wie über ihn gesprochen wurde, erinnerte mich sofort an jene eigenwilligen Gestalten des alten Kötzting, wie sie Conrad Krämer in einem seiner Manuskripte beschreibt – nur spielte sich das alles eben eine oder zwei Generationen später ab.

Von Franz Hackl hörte ich, dass dieser Wiesmoa-Blindt, eigentlich  Wiesmeier Franz, eine Zeit lang in den USA gewesen sein muss. Dort – so hieß es – verlor er fast vollständig sein Augenlicht und kam halb erblindet wieder nach Hause. Seine Mutter, Regina Wiesmeier, wird in den Erzählungen als eine sehr energische, aber harte, ja fast kalte Frau geschildert. Rücksicht auf die Behinderung ihres Sohnes nahm sie kaum. Als er dann völlig erblindet war, schickte sie ihn sogar mit auf den Kaitersberg zum Baumfällen. Und wie nicht anders zu erwarten, kam es dort zu einem schweren Unfall. Doch das soll sie nur mit einem Achselzucken quittiert haben.
Trotz dieser Distanz nannte er später das kleine Café in seinem Haus nach ihr.

Beschrieben wird er als leidenschaftlicher Pfeifen- und Zigarrenraucher. Seinen Vorrat holte er sich beim Tabak Liebl - genannt Liebl Jakob - „vorn am Stachus“. Blind tastete er sich an den Gebäuden entlang, bis er das richtige Fenster gefunden hatte. Dann klopfte er ans Fenster der Firma Liebl und rief hinin:
„Weij Jakkalen, bring mar a Zigarrn!“

Franz Hackl erzählte, dass sich der Wiesmoa-blindt trotz seiner Behinderung erstaunlich sicher in der Gegend rund um den Regenfluss bewegte. Er war immer auch im Viehhandel unterwegs – egal ob Hühner, Hasen oder richtige Großvieheinheiten, irgend etwas ging immer. Betrügen wollte ihn aber dabei keiner. 

Manchmal mussten die verkauften „Bummerl“ die Bahnhofstraße hinuntergetrieben werden, um sie zu verladen. Und bei einem dieser Gänge sei eines der Tiere besonders störrisch gewesen. Der Wiesmoa-blindt war trotz seiner Behinderung fest mit dabei und trieb den "Bummerl"  kräftig an, doch dabei lief er selbst gegen einen Baum,  - einer jener Bäume, die die Bahnhofstraße damals säumten wie heute wieder-. Und sofort rief er – ganz der Alte: „Wej, drau de no amoi!“

Die letzte Geschichte, die mir Franz Hackl über ihn erzählte, ist eher ein Lausbubenstreich und mutet an wie eine Szene aus den Erzählungen des Stadtschreibers Georg Rauscher. Dort war es ein armer Mann mit einem Oberlippenschnauzer, den die Kinder - mit Schei.... -  verschmiert hatten.
Beim Wiesmoa-blindt jedoch ging es um seinen Pfeifentabak.

Er war oft zu Gast bei der Holzhändlerfamilie Hackl im Pfeffergraben gewesen und und ließ sich dort gerne seine Pfeife anzünden. Als Franz einwandte,  es hinge noch viel zu viel Tabak seitlich heraus, reichte er dem jungen Nachbarsbuben  die Pfeife zum Nachstopfen.
Was Franz außer dem Tabak noch in den Pfeifenkopf gedrückt hat – darüber schwiegt der Autor.

Dem Kretschmerarchiv haben wir es zu verdanken, dass wir sogar Fotos von Herrn Wiesmeier haben und zwar sogar eine ganz besondere Kleinserie.
KreA Nr. 135 der alte Wiesmeier
Der alte Herr Franz Wiesmeier im Greinergasserl

Das war damals noch ein Service, der Friseur - hier Max Pongratz, der Bader Max - kam persönlich für die Nassrasur. Due beiden Kinder sind Klaus und Elmar Greiner, die Nachbarskinder, die hier so ganz genau zusehen dürfen.
KreA Nr. 135 der alte Wiesmeier wird rasiert

KreA Nr. 135 der alte Wiesmeier wird rasiert


Bleiben wir noch kurz beim "Greinergasserl" und seinen Bewohnern.
Ebenfalls aus dem Kretschmerarchiv stammen die folgenden beiden Bildern der Idylle hinter der Häuserreihe:
KreA Nr. 110 Kinder im Wiesergasserl 1961
2.vl. Klaus Greiner - 4.vl. Hans Herbert Friedrich - die anderen sind noch unbekannt.

KreA Nr. 110 Kinder im Wiesergasserl 1961
V.l. Hans Herbert Friedrich, Elmar und Klaus Greiner


 
Doch nun zuerst ein Sprung zurück ans Ende des Zweiten Weltkriegs.
Als die US-Armee am 25.4.1945 (nicht am 24.4. wie im folgenden Bild falsch angegeben wurde) in Kötzting kampflos einmarschiert war, wurde die heutige Herrenstraße - seit 1933 Adolf-Hitler-Straße - sofort als "off limits" erklärt, es war also den Kötztingern verboten, dorthinein abzubiegen.
Viele der Häuser links und rechts wurden dabei evakuiert und für viele Wochen, manchmal Jahre für die Zwecke der Militärregierung requiriert.
Hier ein Auszug aus einer Häuserliste:



Darauf ist zu erkennen, dass das "Cafe Regina" des Herrn Franz Wiesmeier bereits im Dritten Reich existiert haben muss, und gerade mal ein Gastzimmer mit 54 qm hatte.
Dass diese 54 qm jedoch ausreichten, um in Kötzting einen gewissen Kultstatus zu genießen und  dort auch in den 50ern - und sicherlich auch vor- und nachher -  Tanzveranstaltungen mit Lifemusik angeboten waren kann man an den Werbeanzeigen erkennen.


Wie sehr das Cafe Regina in den 50er Jahren zu einem der beliebtesten Treffpunkt geworden war, kann man gut zwischen den Zeilen des folgenden Berichtes erkennen:

Diese "überschwappende" Freude beim Kötztinger Fasching, war vielleicht auch der Grund für die folgende Anzeige in der Kötztinger Zeitung... ebenfalls aus der Faschingszeit 1951
KÖZ Januar 1951





Foto Barth Josef sen. der Eingang zum Café Regina im Ersten Stockwerk, der hölzerne Balkon ist hier  - das Bild stammt aus dem Jahre 1949 - bereits Geschichte und musste der Leuchtreklame weichen.

Auf diesem Bild von 1949 ist aber noch eine zweite Leuchtreklame zu sehen, die der Familie Gottlieb Baumeister, die dort eine Drogerie mit Fotolabor betrieb und auch in diesem Hause wohnte.

In der Weihnachtsausgabe der Kötztinger Zeitungen standen dann 1951 auch die Werbeanzeigen der beiden Geschäftsinhaber gleich nebeneinander.


Weihnachtsanzeigen KU von 1951

Weihnachtsanzeigen KU von 1951



Die Familie Baumeister


Zu dem Zeitpunkt, als die beiden Geschäftsanzeigen veröffentlicht wurden, war Gottlieb Baumeister jedoch schon nicht mehr am Leben. Mit gerade mal 43 Jahren war er am 31.8.1951 verstorben.
KU vom September 1951


Der Bericht über die Beerdigung des jungen Familienvaters Gottlieb Baumeister KÖZ vom September 1951

Foto Pongratz, das Familiengrab im Alten Friedhof auf der obersten Ebene

Im "Kretschmerarchiv" - Werner Kretschmer, der so früh verstorbene Ehemann von Frau Marianne Kretschmer  hatte - zunächst als Angestellter - später das Geschäft und natürlich auch das Bilderarchiv der Baumeisters übernommen - finden sich noch zahlreiche Negative von der Familie Baumeister.
Hier in lockerer Folge einige Bilder der Familie Baumeister aus dem jetzigen Firmenarchiv Kretschmer.

KreA Nr. 660 Baumeister Aussenfront (Umbau wohl 1955)

KreA Nr. 655 Frau Baumeister im Laden vor 1955

KreA Nr. 654 Frau
Martha  Baumeister

Einige weitere Aufnahmen geben uns - neben den Anlässen für diese Familienfeiern bzw. Einladungen - auch einen schönen Einblick in eine wohlsituierte Bürgerswohnung in Kötzting der 50er Jahre.

KreA Nr. 196  Adamek Christa  - Maria Henneberger - Baumeister Uschi, verh. Schödlbauer
Aufnahme Weihnachten 1954

Silvesterfeier im Hause Baumeister -  1954

KreA Nr. 198  
v.r. Marianne Haushofer und Martha Baumeister - 5.v.r Uschi Baumeister

Ich würde sagen: die Haushofer Schwestern mit Uschi Baumeister

links Frau Martha Baumeister

Zum Abschluss noch ein wunderschönes Bild aus Faschingszeiten; Frau Martha Baumeister zusammen mit ihrer Tochter Uschi.

KreA Nr. 197 Frau Baumeister mit Uschi




Doch zunächst zurück zur Familie Wiesmeier, der das Haus ja noch gehörte:

Zwei Kinder hatten Franz Wiesmeier und seine Frau Anna bekommen, einen Sohn Franz und die Tochter Martha und auch diese beiden finden sich im Kretschmerarchiv. 

KreA Nr. 94 Wiesmeier Franz mit Familie
Wiesmeier Franz jun. mit seiner Familie, seine Frau war eine geborene Voitl.
Als im Jahre 1951 seine Oma - die oben erwähnte Frau Regina Wiesmeier - einen runden Geburtstag feiern konnte, erwähnte sie gegenüber den Reportern auch ihren Enkel Franz Wiesmeier.


Dia-Repro_2219 eine stimmungsvolle - anscheinend wurde geschunkelt -  Aufnahme aus dem Kötztinger Bierzelt .... man beachte diese Art der Tische(!) links Winter Hans rechts ganz vorne Wiesmeier Franz

Im Jahre 1958 berichtete die Umschau erneut von der Jubilarin und brachte sogar ein Bild dazu:
Frau Regina Wiesmeier 


Kötzting. Einer der ältesten Einwohnerrinnen von Kötzting gilt heute unser Geburtstagswunsch. In aller Zurückgezogenheit begeht heute die Rentnerin Regina Wiesmeier ihren 90. Geburtstag. Die Jubilarin stammt aus Haus, wo ihr Vater Michel Schmuderer das kleine Anwesen hatte. Im Jahre 1888 folgte sie ihrem Gatten Hans Wiesmeier nach Kötzting, wo sie in der Herrenstraße eine Gastwirtschaft eröffneten, aus der im Laufe der Jahre das Café Regina hervorgegangen ist. Elf Kinder waren ihrer Ehe beschieden, von denen sechs noch leben. Von acht Jahren ging auch der Gatte voraus in die bessere Ewigkeit. Seitdem lebt Regina Wiesmeier still und zurückgezogen in ihrem Stübchen in der Reitersteiner Straße. Die Kötztinger Umschau entbietet ihr die besten Wünsche für den weiteren Lebensabend.

 




Der Tochter, Frau Martha Wiesmeier, später verheiratete Tischler, gehörte das Haus  bis zum Anfang der 60er Jahre, als es dann das Ehepaar Kretschmer kaufte, das vorher bereits lange Jahre die Stadtdrogerie und das Fotolabor betrieben hatte. 


KreA Nr. 135 Wiesmeier Martha - Tischler - 1958 auf einem Stuhl inmitten der Herrenstraße. Im Hintergrund das Schuhhaus Schödlbauer.

Kretschmer Pfingstarchiv von 1956
Hier das neu renovierte Café Regina und die Stadtdrogerie nebeneinander 



Werner Kretschmer und Marianne Greß

Werner Kretschmer war gegen Ende des Krieges als Wehrmachtssoldat in Kötzting gelandet aber nicht als ein Mitglied der 11. PD, sondern auf eigene Faust und zu Fuß nach Kötzting geflüchtet. Im damaligen Behelfskrankenhaus in der Holzapfelschule - heute Teil des Finanzamtes - teilte er sich ein Zimmer mit dem späteren Kötztinger Hauptlehrer Franz Zelzer.
Als Fotograf bei den Baumeisters angestellt, übernahm er später deren Geschäft und war sicherlich bereits der Fotograf bei den Pfingstfeierlichkeiten des Jahres 1956, als seine spätere Ehefrau, Frau Marianne Greß, an der Seite von Georg Barth das bejubelte Pfingstbrautpaar waren.

Kretschmer Pfingstarchiv von 1956 die beiden Pfingstbräute Marianne Greß von 1956 und Frau Marianne Haushofer von 1955 am Marktplatz vor der Kranzlübergabe.


Kretschmer Pfingstarchiv von 1956 Die Pfingstbraut aus und vor der Hammermühle 

Kretschmer Pfingstarchiv von 1956 
v.l. Hans(John) Mühlbauer - Marianne Greß - Georg Barth - Haymo Richter

Kretschmer Pfingstarchiv von 1956
v.l. Georg Barth - Marianne Greß - Haymo Richter

Im Jahre 1958 wurde dann geheiratet.

Als sich zum Jahresende 2024 Frau Marianne Kretschmer entschlossen hatte, sich eine Ruhe von dem Alltagsgeschäft im Laden zu gönnen und die Stadtdrogerie schloss, gab sie Frau Lisa Maria Rackl ein Interview über ihren und den Lebensweg ihres Mannes



„Ich werde die Kunden vermissen“


Marianne Kretschmer schließt die Türen der Stadt-Drogerie in Bad Kötzting: 66 Jahre lang stand sie als Chefin im Laden – Nächste Woche startet der Räumungsverkauf
Von Lisa-Maria Rackl

Bad Kötzting. „Das sind alles Einzelstücke, die es sonst nirgends gibt“, sagt Marianne Kretschmer. Die 88-Jährige steht vor einem Regal mit Glasboden in ihrem Geschäft an der Herrenstraße. Die Weihnachtsartikell – Spieluhren, Engel oder Spieldosen – hat sie schon selbst ausgesucht, bestellt und auf einen weißen Deckchenarrangement liebevoll arrangiert. „Man kauft ein, wovon man denkt, dass es den Leuten auch gefallen könnte“, sagt sie und lächelt.
66 Jahre lang hat sie das Warenangebot der Stadt-Drogerie mitbestimmt – mit Erfolg. „Ich hatte das Gefühl, ein gutes Händchen, denn es ist etwas übrig geblieben.“ Ladenhüter gäbe es seit eh und je.

Die Stadt-Drogerie ist eine echte Adresse in der Stadt – wenn es um Parfum, Kosmetik, Accessoires und Geschenkartikel geht. „Doch die Zeit ist schnelllebig“, sagt sie. „Und deswegen werde ich die Türen ihres Geschäfts schließen.“

Pfingsten 1956 hat
ihr Leben verändert

Es gibt Begegnungen im Leben, die alles auf den Kopf stellen – und die es wert sind, Pläne über den Haufen zu werfen. „Eigentlich war ich ausgebildete Fachlehrerin und wollte am Gymnasium anfangen“, erzählt Marianne Kretschmer (geborene Greß). Doch dann kommt Pfingsten 1956: Als Pfingstbraut steht sie im Mittelpunkt der Feierlichkeiten und lernt dabei den Fotografen Werner Kretschmer kennen, den eine Kriegsverletzung 1945 nach Kötzting verschlug. Nach seiner Behandlung im Lazarett bleibt er in der Stadt, übernimmt 1954 die Stadt-Drogerie vom Vorbesitzer und richtet im ersten Stock ein Schwarz-Weiß-Fotolabor ein. Die beiden lernen sich lieben, heiraten 1958 – und Marianne Kretschmer steigt ins Geschäft mit ein. Sie macht die Drogistenprüfung und darf durch ihr pädagogisches Wissen Lehrlinge ausbilden. „Wir hatten jedes Jahr fünf im Haus“, erinnert sie sich. Nebenbei besucht sie Seminare und Fortbildungen, bei denen sie Ladenbesitzer aus ganz Deutschland trifft und sich Tipps holt. Nach dem Tod ihres Mannes 1981 wird Kretschmer alleinige Inhaberin der Drogerie. Die Geschäftsfrau aus dem Bayerischen Wald reist weiterhin zu Messen nach München und Frankfurt, um das Angebot auszuweiten – und es der Zeit anzupassen: „Die Nivea- und die ToscaCreme hatten wir schon immer vorrätig, aber dann kamen verschiedene Marken, beispielsweise Lancôme und Biotherm, dazu. Auch das Parfümerie-Sortiment wurde erweitert.“

Mitarbeiterinnen seit Jahrzehnten im Team

65 Jahre lang steht Kretschmer von Montag bis Samstag acht Stunden pro Tag im Laden, erst seit Januar 2024 gönnt sie sich ab Freitagabend ein freies Wochenende. Ob ihr die Arbeit nach der Geschäftsaufgabe fehlen wird? „Sicher“, sagt sie, „vor allem den Umgang mit den Kunden und die Beratung werde ich vermissen.“ Außerdem falle ihr die Schließung schwer,weil Bad Kötzting ein weiteres Fachgeschäft verliert. „Das tut mir leid. Aber irgendwann einmal muss es sein!“

Zum Jahreswechsel heißt es dann nicht nur Abschied vom Geschäft zu nehmen, das mit seinen hübsch dekorierten Auslagen so lange das Stadtbild prägte und interessant machte, sondern auch von den fünf Mitarbeiterinnen, die seit Jahrzehnten in der Drogerie tätig sind. „Sie waren 50, über 30 und 20 Jahre angestellt. Wir waren ein gutes Team“, sagt Kretschmer. „Das Personal hat alles umgesetzt, was es hier gelernt hat.“

Langweilig wird’s trotzdem nicht

Momentan ist noch viel zu tun, der Räumungsverkauf, der am Montag startet, will vorbereitet werden. An einigen Produkten kleben bereits rote Preisschilder. „Je nach Warengruppe gibt es bis zu 20, 30 und 50 Prozent Rabatt“, erklärt Kretschmer. Bis Ende Dezember soll der Abverkauf laufen, ehe sie die große Glastür verriegelt.

Und dann? „Habe ich mir vorgenommen, das Fotoarchiv zu ordnen, das mein Mann in den 1950er Jahren aufgebaut hat. Ein ganzer Raum mit vielen Vergrößerungen und Kartons voller Negative wartet auf mich.“ Da sie sich von der Leidenschaft ihres Mannes, das Pfingstgeschehen zu dokumentieren, hat anstecken lassen, sind in den vergangenen Jahrzehnten noch viele Bilder dazugekommen. „Ich bin jedes Jahr am Pfingstmontag mit dem Ritt nach Steinbühl gegangen“, betont sie.

Da sie sich auch noch für den Arbeitskreis Heimatforschung engagiert, für den sie zusammen mit ihrer Freundin Christa Rabl-Dachs viele Fotos gesammelt und reproduziert hat, werde es Kretschmer bestimmt nicht langweilig. „Da sind viele Aufgaben, die ich langsam abarbeiten möchte.“
 (Lisa-Maria Rackl)


Doch zunächst zurück zu Werner Kretschmer, der sich in Kötzting sehr stark für den Tennissport engagierte und im Jahre 1960, nach der Gründung einer eigenen Abteilung beim TV Kötzting, als Abteilungsleiter seine Sparte von Erfolg zu Erfolg führte., nicht zuletzt dank einer sehr energischen und letztlich erfolgreichen Jugendförderung.

Die Mannschaft der Tennisabteilung 1971. Werner Kretschmer mitte.


Die Abteilung wurde im Laufe der Jahre so erfolgreich, dass es 1975 zu einer Trennung vom Turnverein kam und der Tennisclub Kötzting e.V. gegründet wurde ,mit Werner Kretschmer an der Spitze.

Archiv Serwuschok
Die Vorstandschaft des neu gegründeten Tennisclub Kötzting e.V.  vom 19.3.1975

Nicht nur auf dem Tennisplatz waren die Sportler erfolgreich, sehr schnell etablierte sich - schon zu der Zeit, als der Tennisclub noch zum TV gehörte - ein Herbstball des Tennisvereins, der regen Zuspruch erhielt.
Serwuschok 013 1974
Zentral das Ehepaar Marianne und Werner Kretschmer, rechts Frau Ella Zigan.

Werner Kretschmer verstarb Anfang März 1981 mit gerade erst 62 Jahren.
Der Vermerk in seinem Nachruf, er wäre mit der 11. Panzerdivision nach Kötzting gekommen, ist falsch, hält sich aber in manchen Gesprächen bis heute.


Kötztinger Umschau Samstag 7.3.1981:

Werner Kretschmer †

Kötzting (kü). Werner Kretschmer ist tot. Unfaßbar für alle, die ihn kannten und schätzten, wurde der Besitzer der Stadtdrogerie Kötzting im 62. Lebensjahr in die Ewigkeit abberufen.
Der in der Universitätsklinik Erlangen Verstorbene, am 25. September 1919 in Freystadt/Schlesien geboren, wuchs in Görlitz auf, wo er auch das Gymnasium besuchte. Zum Kriegsdienst herangezogen, kam er schließlich 1945 mit der 11. Panzerdivision in die Pfingstrittstadt. (dies ist nicht richtig)
Werner Kretschmer pachtete zunächst die Drogerie in der Herrenstraße, bevor er das Anwesen erwarb und die Firma zu einem leistungsfähigen Unternehmen mit Niederlassungen in Lam und Bodenmais ausbaute. Am 31. August 1958 heiratete er Marianne Gress.
Werner Kretschmer hat sich über all die Jahrzehnte hinweg in der Öffentlichkeit und im Vereinsleben engagiert. So war er langjähriger Abteilungsleiter beim TV Kötzting und Gründungsvorstand des Tennisclubs, der ihn in Anerkennung seiner Verdienste mit der Ehrenmitgliedschaft auszeichnete. Die Verbundenheit zu seiner neuen Heimat zeigte Kretschmer, der ein ausgezeichneter Fotograf war, auch in Bildern über große Ereignisse in der Stadt. So dokumentierte er über ein Vierteljahrhundert den Pfingstritt.
Werner Kretschmer wird in Kötzting seine letzte Ruhestätte finden. Der Gattin und den Angehörigen gilt unsere aufrichtige Anteilnahme.

  



Am 11.3.1981 berichtete die Umschau:

Am Grabe von Werner Kretschmer

Kötzting (oy). Gestern nahm auf dem neuen Friedhof eine unübersehbare Menschenmenge Abschied von Werner Kretschmer, dem Besitzer der Stadtdrogerie, der in der letzten Woche im Alter von 61 Jahren gestorben war. Stadtpfarrer Gerhard Dirscherl zelebrierte das Requiem. Er erinnerte an die vielfältigen Aktivitäten und das allzeit freundliche und hilfsbereite Wesen des Verstorbenen. Die Angehörigen tröstete der Geistliche mit der Hoffnung auf die Auferstehung. Aus der christlichen Gemeinschaft heraus sollten sie neue Kraft schöpfen, den Verlust zu überwinden. Am offenen Grabe legten Vertreter des Bayerischen Drogistenverbands, des Waldvereins, des Tennisclubs und des Turnvereins Kränze nieder und gedachten zusammen mit den Trauergästen im Gebete des Toten.




Doch nun zurück zur gemeinsam betriebenen Stadtdrogerie in der Herrenstraße:

Hier eine schöne Bilderfolge von der "Chefin" im Gespräch mit einem Kunden 

KreA Nr. 695 Frau Kretschmer im Laden   1961

KreA Nr. 695 Frau Kretschmer im Laden   1961


KreA Nr. 695 Frau Kretschmer im Laden   1961


Im Jahre 1959 posierte die Gesamtbelegschaft vor dem Laden:

KreA Nr. 685 Belegschaft Drogerie 1959


Sogar einzeln bildete Werner Kretschmer manchmal sein personal ab, hier die Drogistinnen: 
Annelies Rackl - Iman Cebulla - Christa Breu  und  Gunda Altmann:

 

  

 

 

 


 


 

 

 

Auch die Kötztinger Umschau berichtete von der Stadtdrogerie, als diese zum Jahreswechsel bei den fleißig zählenden Angestellten vorbeischaute: die Jahresinventur stand an, das "reine Vergnügen" für jeden Geschäftsmann und seine Mitarbeiter.

Archiv Serwuschok zum Jahreswechsel 1978/1979 Die  Inventur steht an.


Viele Jahrzehnte lang stand Frau Marianne Kretschmer für ihre Kunden viele Stunden am Tag in der Stadtdrogerie zur Verfügung, ehe sie sich im Jahre 2024 dazu entschloss, zum Jahresende ihr Geschäft zu schließen.
Viele weitere Monate dauerte danach noch der langsame und sorgfältige Ausverkauf ihrer Restbestände, die im Herbst 2025 dann aber zu einem Basar zugunsten von KUNO, einem Regensburger Unterstützungsverein für die dortige Kinderklinik führte.