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Donnerstag, 1. Mai 2025

100 Jahre evangelische Kirchengemeinde Kötzting

 100 Jahre Eigenständigkeit als Kirchengemeinde 


                                                      70 Jahre St-Matthäuskirche


Es ist manchmal so eine Sache mit den Jubiläen - auch die Stadt Bad Kötzting bewegte sich mit der ursprünglichen Festlegung des Termins für die große 900 Jahrfeier zuerst auf sehr schwankendem  Grund - und auch die evangelische Kirchengemeinde Kötzting ist natürlich bereits viel länger als nur 100 Jahre hier in unserer Gegend belegbar. Es gibt jedoch ein Dokument, das uns eindeutig den Startpunkt für eine eigenständige - und damit von den Nachbargemeinden losgelöste - Entwicklung der Kötztinger evangelischen  (Tochter-)Kirchengemeinde  aufzeigt, und dieser war Ende des Jahres 1925. Der begleitende Schriftwechsel mit den Behörden – bis also die Gestattung dieser Abspaltung  von München abgesandt und vom Kötztinger Bezirksamt weitergeleitet wurde – dauerte sogar bis in den Januar des Folgejahres hinein 


StA Kötzting 332-1 1-3


 

Im Jahre 2005 hielt - vermutlich an dieser Stelle - der in Kötzting aufgewachsene Pfarrer Dr. Glatz einen Festvortrag anlässlich des runden Geburtstages des Matthaeuskirche. Ich glaube mich ich auch an die Familie Glatz zu erinnern zu können, v.a. vermutlich  wegen des Engagements des Bruders beim BRK in Kötzting, das damals in der Metzstraße - seine Niederlassung hatte.
Er erarbeitete den Zuzug der frühen Kötztinger evangelischen Glaubens aus dem protestantischen Franken heraus und bringt als Beispiele der Unternehmersfamilien Dinkelmeyer, Sperl, Rümmelein, Häfner und Kroher für Bereich Kötzting und z. B. Rossberger in Lam. 

StA Kötzting alte Einwohnermeldeamtskartei


Bevor ich hier nun auf einige Aktenstücke eingehe, die - sie werden sehen, es werden halt immer nun die Reibungspunkte aktenkundig - hier noch einige Anekdoten, die Herr Dr. Glatz in seinem Festvortrag anführte, die aber - natürlich nicht mehr so extrem formuliert - tatsächlich einen direkten Bogen zu den Problemen mit den Flüchtlingen evangelischen Glaubens ab 1944/45 schlagen lassen.
" Zitat Dr. Glatz:
Um 1800 berichtete ein Feldprediger: "Nicht wenige halten dafür, die Protestanten seien anders gestaltet. Mit Befremden habe man an ihm festgestellt, dass sie im Äußeren keine abweichende Körperformen haben"

Vikar Ringler aus Straubing:
"Wenn drinnen im Wald eine protestantische Beerdigung war, dann kamen die Katholischen stundenweit her, um zu sehen, ob es wahr sei, dass wir Protestanten Bockshörnlein am Kopf hätten und besonders, wenn ich das Barett abnahm, haben sie scharf aufgepasst, ob nichts dergleichen zum Vorschein kam.

Er selber - also Dr. Glatz -  erinnere sich , dass sein Religionslehrer Pfr Fuchs, Cham erzählt hatte, dass ein Bauer, den er im Auto mitgenommen hatte, ihn bat, den Hut zu lupfen, damit er sehen könne, dass er wirklich keine Hörner trage."

Was für mich bei der Lektüre seines gedruckten Festvortrages besonders gefielt, war, dass er in mehreren seiner Fußnoten aufführte: " Auskunft von Archivarin I. Pongratz

Nur bei unserem Kötztinger Landrichter Carl v. Paur lag er daneben, da er ihn schlichtweg zu einem Protestanten machte.  Diese Zuordnung würde mir eine meiner liebsten Vortragsthemen nehmen, denn das Benehmen des damaligen katholischen Pfarrers in  Kötzting bei der Beerdigung des Altkatholiken Carl von Paur war ein überregional beachteter Skandal, über den ich sehr gerne spreche, auch wenn ich durchaus auch Ähnlichkeiten bei dem Benehmen anderer katholischer Priester bei Beerdigungen evangelischer Christen im 19. Jahrhundert sehe. 

Kötztinger Konfirmanten: Foto von Herrn Horst Glatz


Nun aber zunächst zu den Anfängen DIESER Tochterkirchengemeinde in unserer Gegend, auch wenn meine Recherche nicht den Anspruch erhebt, wirklich sämtliche frühen Spuren gefunden zu haben und ich zumindest im Stadtarchiv nur die Archivalien habe, die bereits meine Mutter damals Herrn Dr. Glatz zur Verfügung stellen konnte. 
Über den Sprachduktus der "fürstlichen baierischen Beamten" vor dem Dreißigjährigen Krieg möchte ich hier nur kurz eingehen, damals war durchgehend von den "Ketzern" in der Pfalz (hier die Oberpfalz) die Rede und mancher niederbayerische Familienvater war schwer bestraft worden, weil er seine Tochter über die Glaubensgrenze  hinweg hatte heiraten lassen. Und, um mit einem konkreten Beispiel hier in der Kötztinger Umgebung zu bleiben:  der Besitzer der Hofmark Grub, ein Mitglied des evangelischen Zweiges der Nothafft, "durfte" nach 1620 sein Anwesen mit dem eines Mitglieds der katholischen Linie tauschen.

Die Spuren, die die protestantischen Mitbürger in den Archiven hinterlassen haben, sind natürlich nur Einzelstücke und offensichtlich waren zunächst nur die Änderungen in der innerkirchlichen Organisationsstruktur und die jeweiligen Matrikeleinträge die Vorgänge, die für uns die einzigen schriftlichen Überlieferungen darstellen.

Im Jahre 1863 informiert die Regierung von Niederbayern 

dass auf Antrag der "in Lam zur Zeit aufhaltenden 15 Protestanten für diese daselbst in dem Hause des Schichtmeisters Lukas im Lauf des Monats Oktober d. Js. durch das  zuständige protestantische Pfarr=Vikariat Straubing ein Gottesdienst verbunden mit der Feier des heiligen Abendmahls abgehalten wird." Landshut schreibt dies an das BZA und dieses gibt die Meldung, dass dies in Einklang mit der Gesetzeslage sei, auch an die Marktgemeinde Lam weiter.

Im Jahre 1866 berichtete das königlich protestantische Pfarrvikariat Straubing an das königliche Bezirksamt Kötzting pflichtgemäß die Einträge aus deren Pfarrmatrikel, die Mitglieder ihrer Gemeinde mit dem Wohn- bzw. Arbeitssitz in unserer Gegend betrafen. 
Die Meldungen dieses  - 1865. - Jahres waren überschaubar:
In Lam war das kleine Töchterlein Susanna Margaretha Weiß, des kgl. Grenzoberaufsehers Lorenz Weiß und seiner Frau Christiana Elisabetha, einer geborenen Schöpf beerdigt. Die Familie genoss ihr Heimatrecht in Schönbrunn und das Kind verstarb an Bronchitis. Beerdigt wurde sie auf dem Kirchhof zu Lam, wie der katholische Pfarrer Lams Moser bestätigt.
Zwei Geburten waren dokumentiert:
Der Gutspächter aus Zandt. Schmid Heinrich Reinhold und seine Frau Wilhelmina Thekla, geb. Martius, ließen ihr am 1.2.1865 geborenes Kind auf den Namen Wilhelmina Karolina Ida Taufen.
Die Taufe fand am 19.2. in der elterlichen Wohnung statt und diese wurde von einem Pfarrer Martius aus Prag vorgenommen.
Auch die Taufpaten stechen heraus: neben einer Pfarrerstochter mit dem Namen Karolina Luise Krause waren die die Kaufmannsgattin Wilhelmine Bertha Weizäcker aus Prag und der Brünner Universitätsprofessor Dr. Schmid.
Auch der andere Geburtseintrag enthält Erwähnenswertes:
Es ist der nämliche Oberaufseher Christian Lorenz Weiß, nun stationiert in Neukirchen, der einen Sohn auf den Namen Eduard Albert taufen lässt.  Geb. 22.12.1865 get. 9.1.1866 ebenfalls in der elterlichen Wohnung. Der Pfarrvikar Schricker vollzog die Taufe und die Taufpaten waren ein Schmid Eduard Albert, Apothekerslehrling in Nördlingen und ein Verwalter in Zwieseleck mit dem Namen Precht Heinrich:
Die einzige Heirat, die in Straubing dokumentiert ist und einen gewissen Bezug zu unserer Gegend hat, wurde gleich in Schweinfurt, im Hause der Braut geschlossen und wurde nur deshalb in den lokalen Akten notiert, weil der Bräutigam, der kgl. bayr. Grenzkontrolleur Karl Christian Merk, in Lam stationiert gewesen war.
Wie man sieht, waren die ersten Protestanten in unserer Gegend hier wohl alle berufsbedingt gelandet und dieser Aufenthalt war zu Anfang wohl eher nicht auf Dauer ausgelegt.




Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben...



Vierzehn Jahre später waren es anscheinend dann doch schon einige mehr, was aber offensichtlich zu dem einen oder anderen Problem führte, was dann das BZA Kötzting - der Vorläufer des Landratsamtes - dazu veranlasste, einen eigenen Akt über das "Verhältnis der Konfessionen zueinander - Streitfälle" anzulegen.



Das Zusammenleben der Konfessionen war nicht immer konfliktfrei, dies betraf jedoch nicht nur die protestantischen sondern auch die altkatholischen Mitbürger, denen der jeweilige damalige katholische Pfarrherr gerne mal den "Mittelfinger" zeigte.

Die Konfliktlinie - oder eigentlich die einzige Berührungsfläche - an der es immer wieder mal krachte, waren die Beerdigungen, denn die Friedhöfe waren zwar inzwischen in kommunaler Hand, nicht jedoch die Kirchtürme und die Glocken und selbst über den Ort der Grablegen konnte offensichtlich der jeweilige Ortspfarrer ein Wörtchen mitreden. 

Hier ein Beispiel aus Kötzting:
Ähnlich wie beim Tode  und der Beerdigung des Kötztinger Landrichters Carl von Paur wenige Jahre zuvor  - was wegen seiner hohen Stellung als Beamter und seiner Konfession als Altkatholik selbst in der überregionalen Presse seinen Niederschlag gefunden hatte - zeigte sich der Kötztinger Pfarrer auch bei einer Beerdigung einer protestantischen Ehefrau hartleibig. 
Der Polizeidiener Fischer gibt vor dem Kötztinger Magistrat zu Protokoll, dass der Kötztinger Pfarrer, als seine Ehefrau Lotte verstorben war,  ihm " die Vornahme der Beerdigung sowohl als auch das übliche Grabgeläute in der Pfarrkirche und in der St. Veitskirche" verweigern würde. Der Magistrat schreibt postwenden ans Bezirksamt - dieses hatte wenige Jahre vorher unter Carl von Paurs Nachfolger für dessen Beerdigung sogar die Sakristeitür aufbrechen, die Glockenseile wieder einhängen und das Grabgeläute vornehmen lassen.
Dieses Mal jedoch schaut das Bezirksamt in die Gesetzesbücher und teilt dem Antragssteller mündlich und dem Pfarrer schriftlich mit, dass seiner Beschwerde nicht stattgegeben werden könne (Zitiert lange die Paragraphen) weil die Glocken nicht auf dem Kirchhofe (gehört der Kommune) sondern im Kirchturm hingen und damit kirchliches Eigentum seien. Gleichzeitig weist es darauf hin, dass schon früher bei protestantischen Beerdigungen die Glocken an St. Veith geläutet hatten und hofft den Pfarrer nicht vergeblich zu bitten, im Sinne des religiösen Friedens auch dieses Mal so zu verfahren.
Der Kötztinger Pfarrer geht nun auf diese Lösung ein, wünscht aber, dass der Antrag dazu schriftlich vom prot. Pfarrvikariat in Straubing komme.

Ein Beispiel aus Blaibach:
Schlimmer erging es dem 1894 Schwandorfer Wanderprediger Schuster, der zu einer Beerdigung des protestantischen Werksführers Ferdinand Roth ins Kötztinger Steinbachtal angereist gekommen war und dort erst erfuhr, dass die Beerdigung eigentlich in Blaibach stattfinden sollte. Der Prediger schickte nun einen Angehörigen des Toten zum Blaibacher Pfarrer, um den Leichenzug zu melden, da er selber nicht - wie er schreibt -  im Ornat, diesen Leichenzug stehen lassen und einen Besuch beim Pfarrer machen wollte. Im Friedhof angekommen stellten sie jedoch fest, dass das ausgehobene Grab " fern von der Begräbnisreihe in der hintersten Ecke des Kirchhofes angelegt worden war, wie man das für Verbrecher und Selbstmörder zu thun pflegt, was gröblichst den Begriff " Gemeinschaftlicher Begräbnisplatz"  misshandeln würde. 


StA Landshut Rep 164-8 Nr. 2789 Verhältnis der Konfessionen von 1879
Ehrerbietigst  Schuster Reiseprediger in Schwandorf
Der Blaibacher Pfarrer antwortet in seinem Schreiben mit einem tollen Satzkonstrukt_
"Soweit die Beschwerdeführung des Herrn Schuster von der Toleranz des katholischen Pfarrers Hundsrucker entfernt ist, ist noch lange nicht das sogenannte "Eck" des Herrn Schuster von der Kirche zu Blaibach entfernt, jedenfalls ist auch dieses "Eck" des Herrn Reisepredigers katholisch geweiht."
Das kath. Pfarramt Blaibach Hundsruker Pfarrer

Das Beispiel von Lam: 
All das war aber nicht nichts gegen den Streit, den der Chamer Reiseprediger Kuspert im Jahre 1897 mit einer Beerdigung in Lam auslöste, die fast an die Skandale der Carl von Paurschen Beerdigung heranreichte.
Der Kondukteur, also der Zugführer der neuen Lokalbahn Lam-Kötzting, Johann Krodel war in Lam verstorben und der Chamer Reiseprediger Cuspert wurde schon mal im Vorfeld der Beerdigung beim BZA in Kötzting vorstellig, um sicherzustellen, dass diese auch mit Geläute vom Kirchturm begleitet  wird und "keine Verzögerung entsteht und vor der Beerdigung keine peinlichen Auftritte erfolgen."
Das BZA  schickt, es hat nicht mehr viel Zeit, ein Telegramm nach Lam und von dort kommt, verspätet aber entschuldigt ein Telegramm zurück
"Telegramm von Lam nach Kötzting am 4.5.1897
Bezirksamt Kötzting
Beehre mich zu berichten vom kirchenrechtlichen Standpunkte muss ich dagegen protestieren, auf Auftrag hin werden die Glocken wie früher geläutet. Wegen Verspätung bitte um Entschuldigung da in der Schule Arrach beschäftigt
Holzner
"

Das Begräbnis selber muss wohl mit sehr sehr unschönen Begleitumständen vor sich gegangen sein, dessen Wellen bis zur Regierung in Niederbayern schlugen und auch noch bis ins darauffolgende Jahr reichten. 
Pfarrer Holzer muss es wohl geahnt haben, denn noch bevor der Chamer Prediger seinen Beschwerdebrief an das BZA schicken konnte, kam eine Schreiben des Pfarrers Holzer dort an. 
Er beruft sich in seiner Einleitung aber schon auf "unrichtige und irrige Ausstreuungen".
Er schreibt: 3 Glocken wären zur Verfügung gestanden, "wie es der Reiseprediger es in barschem Ton von mir verlangte. Das Ansinnen desselben, für das Läuten selbst zu sorgen, wurde von mir abgewiesen.
2. "Der Reiseprediger habe in seiner Grabrede eine Hetze veranlasst, daß er die Katholiken aufforderte, nicht an den katholischen Grundsatz zu glauben, daß nur ein Glaube selig zu machen im Stande sei."
Weiter hätte er "den Platz (nahe am Eingang vom Bahnhofe her in Mitte anderer Gräber) als "Armensünderwinkel" bezeichnet und mich als einen "Tropfen" gegenüber einer Katholikin.
Im übrigen bitte er, sollte der Prediger die Presse einschalten, dass vom Amt entsprechend seinen Punkten darauf reagiert werden würde.
"Bemerkt wird noch, daß bei Leichen erwachsener Katholiken (ohne Amt) nur 2 Glocken geläutet werden.
k.- Pfarramt Lam  S. Holzner  k. Pfarrer"
Aus Cham kam dann der lange Beschwerdebrief, in dem Pfarrer Kuspert schon mal darauf abzielte, dass es genau zu den Schwierigkeiten gekommen war, die er mit seiner vorauseilenden Voranfrage beim BZA hatte vermeiden wollen.
" 2 Glocken, sonst nur für "uneheliche Kinder und Armeleichen" üblich, waren ihm zugestanden worden und erst auf Druck von seiner Seite wurden es dann die verlangten 3 Glocken.
"Als es aber zur Beerdigung kam, waren alle Glockenstränge bis auf 2 hochgezogen und hinter einer starken Tür verschlossen..... von anderen Vexationen wolle er hier nicht sprechen".
Natürlich bekam die Presse - hier der Fränkische Kurier - Wind von dem Vorgang  und daraufhin  möchte die Regierung von Niederbayern genauer wissen, was denn da passiert sei. 
So geht nun die Stafette weiter. Das BZA beauftragt den Gendarmeriewachtmeister Greß vertraulich, in "unauffälliger Weise, verlässliche Erhebungen" über die Richtigkeit der einzelnen Aussagen des Zeitungsberichtes einzuholen.
Greß berichtete bzw. bestätigte, dass
der Pfarrer festlegte, 
"dass Krodl, weil Protestant, im Friedhofe etwas abseits, d.h. in der Nähe der übrigen Protestanten sein Grab erhält".
"dass bei der Leiche des Krodl nicht geläutet wird, weil ihm solches vom Herrn Bischofe verboten sei, sollte er vom k. BZA beauftragt werden, so habe er gegen das Läuten nichts einzuwenden.
"Als am Beerdigungstage der Leichenzug in Lam ankam, wurde tatsächlich nicht geläutet und musste dies schließlich von einigen Bahnbediensteten ... besorgt werden. Die übrigen Glockenstränge fanden die Vorgenannten aufgezogen und konnte demnach mit mehreren Glocken nicht geläutet werden."
Das Tragen der Leiche haben die Bahnbediensteten selbst übernommen, da die Bahre vergessen wurde. Als der Hohenwarther Privatförster Heinrich Müller ein paar Lamer Burschen bat, diese Bahre zur Leiche des Krodel zu bringen, verweigerten diese diese Hilfestellung mit der Aussage: " Wir dürfen nicht!"
Am Grabe selbst war eine Schaufel, wie sonst üblich, nicht zur Stelle. Auf Nachfrage meinte der Lamer Mesner : "Eine solche gibt es nicht". Lediglich die Aussage das die Grablege an einem Armenseelenwinkel läge bestätigte Greß nicht, er meinte, dass sich das Grab an einem schönen Platze befände.
Von Schacky, der damalige Kötztinger Bezirksamtmann, brachte die Meldung in eine schöne Schriftform und schickte befehlsgemäß den Bericht an die Regierung in Niederbayern.
Der Rücklauf aus Landshut brachte den Beamten vor Ort in Kötzting einen Rüffel, diesen Differenzen hätte "durch geeignetes Eingreifen ... an Ort und Stelle zweifellos hätte leicht vorgebeugt werden können". Damit endete dieser Akt.


Wie haben sich nun diese ersten Protestanten als Kirchengemeinde organisiert? 



Fast einer Denunziation gleicht das Schreiben des katholischen Pfarrer Bock aus Neukirchen b. hl. Blut als er im Oktober 1887 ans BZA meldet, dass der Reiseprediger von Schwandorf in Neukirchen b. hl. Blut alljährlich am 2. Sonntag im Februar und Oktober einen evangelischen Gottesdienst halten würde. Er erlaube sich, " dem k. Bezirksamt Kötzting davon mit dem bemerken Kenntnis zu geben, daß der Gottesdienst am nächsten Sonntag im Hause des Kaminkehrermeisters Lößl stattfinden wird."




 1889 


Der Zwieseler Reiseprediger Friedrich Strobel bemühte sich im Januar 1889 darum, im Namen der Protestanten Kötztings und Umgebung, den Kötztinger Rathaussaal zur Haltung von Gottesdiensten überlassen zu bekommen. 
Auf Antrag hatte der Kötztinger Magistrat Ende Januar entschieden, den Kötztinger Protestanten den Rathaussaal für - pro Jahr -  6 Gottesdienste zur Verfügung zu stellen. Der Rhythmus  der Gottesdienstabfolge sollte jeden 2. Sonntag in jedem 2. Monat sein. 
Den Antrag stellten der Reiseprediger Friedrich Strobel und der Bezirkstechniker Johann Wildt und das Ergebnis der Abstimmung war nicht gerade toll, da nur die Stimme des Bürgermeisters die nötige Mehrheit erbrachte, aber immerhin. 
"Das Gesuch um Überlassung ..... wird auf jederzeitigen Ruf- und Widerruf genehmigt mit 4 gegen 3 
Stimmen"
Dafür Bgm Mühlbauer, Münch, Dreger und Hofbauer
Dagegen: Oesterer, Weißenbach und Lindner.

Nicht dem Prediger, sondern dem Bezirkstechniker Wild bestätigte das Marktrat das Abstimmungsergebnis, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass die "protestantische Gemeinde für jede Wiederinstandsetzung, Reinigung und allenfalsige Beheizung selbst Sorge zu tragen" habe.

Die Hürde im Magistrat war also genommen. Das Sitzungsprotokoll des Gemeindekollegiums, Kötztings zweiter "Kammer", beginnt mit einer interessanten Feststellung:
"Wie Gerüchteweise verlautet, soll in kurzer Zeit der Sitzungssaal das Rathauses zur Abhaltung protestantischer Gottesdienste durch Magistratsbeschluss abgetreten worden sein."
Die Flüsterpost der in der Magistratsabstimmung unterlegenen Ratsmitglieder hatte also funktioniert.
Das zweite Gremium erkannte durchaus die Notwendigkeit von Räumen für die Abhaltung von Gottesdiensten "für die hiesigen und auswärtigen Protestanten", stellte aber als ihr Argument gegen diesen Antrag der Protestanten einen kürzlich abgeschlagenen Wunsch zur Abhaltung von regelmäßigen Treffen im Rathaussaal der Kötztinger Feuerwehr entgegen.
Das Gemeindekollegium betrachte es " als seine Pflicht KONSEQUENT zu handeln und hatte daher "einstimmig beschlossen, den Rathaussaal zur dießfalsigen Benutzung nicht abzulassen.
 Die Mitglieder des Gemeindekollegiums waren damals: Mühlbauer Georg - Hofmann - Stoiber - Amberger - Staudinger - Rabl - Fischer - Mühlbauer Josef - Januel - Obermaier
Um aus dem Patt herauszukommen bat das Kollegium den Magistrat, zum nächsten Sitzungstermin   - 13.2.1889 - einen Magistratsrat abzuordnen, wie es bei unterschiedlichen Abstimmungsverhalten offensichtlich Pflicht war, mit dem Ergebnis einer Forderung eine gemeinsame Sitzung der beiden Gremien einzuberufen, um die Situation zu bereinigen.
Aufgrund dieser Aufforderung solch eine gemeinsame Sitzung einzuberufen, erarbeitete der Kötztinger Bürgermeister Mühlbauer einen Schriftsatz mit Datum des 28. Februar 1889.
Darin stellt er nüchtern die Fakten zusammen:
Den Protestanten wurde von höchster Stelle zugestanden, 6 mal im Jahr Gottesdienst zu feiern.
Ein anderes Lokal als der Rathaussaal sei zur Abhaltung eines Gottesdienstes der Würde und Erhabenheit der Sache entsprechend nicht vorhanden.
Der Gemeinde gehe durch diese Benutzung kein Schaden zu und es sei ein Akt der religiösen Toleranz.
.Noch dazu würden die hier wohnenden Protestanten - 10 an der Zahl - ebenfalls Umlagen in die Gemeindekasse bezahlen und hätten daher ein kleines Anrecht auf Benutzung der Gemeindegebäude.
Der Magistrat sei jedoch nicht verpflichtet, dem Antrag auf eine gemeinsame Sitzung nachzukommen, weil es sich hier "um eine Angelegenheit handele, welches ihrer Mitwirkung nicht vorbehalten sei". Dem Kollegium stehe es lediglich zu, schriftlich dazu Stellung zu nehmen. 
Das Prozedere sein nun mal so, dass, sollte das Kollegium eine Befragung der Kötztinger Bürger durchsetzen wollen, so sei es notwendig, dass diese den Magistrat schriftlich dazu auffordern müssten, ihren Genehmigungsbeschluss zurückzunehmen.
Der Bürgermeister betont ausdrücklich, was solch eine Aufforderung denn wohl für einen Eindruck machen müsste, da Kötzting schließlich "zwei Ehrenbürger habe, die protestantischen Glaubens angehören"
(Einer der beiden könnte von Schacky gewesen sein, aus dieser Zeit haben wir noch keine Belege/Nachweise für Ehrenbürgerverleihungen, Schacky war aber einer) 

 Nun antwortete der Prediger Herr Strobel  - der Bezirkstechniker Wild zeichnet am Ende auch ab - und schrieb empört zurück, dass dieses Kollegium offensichtlich vollkommen übersehen habe, dass es in dieser Angelegenheit nicht das geringste Recht besäße, den Beschluss des Magistrats zu kippen. 
Noch dazu hätte "der Rathaussaal  ja keine kirchliche Weihe empfangen, so daß auch der beste Katholik denselben wieder ungescheut betreten" könne.
Niemand kann weiter wohl leugnen, daß das, was wir im Rathaussaal treiben - Wortwahl des Reisepredigers - der Würde desselben nicht zu nahe tritt, ja dass es seine Würde nur erhöht, wenn er benötigt würde, um Gott darin zu dienen."
Davon, dass der Würde des Rathaussaales durch diese Art der Benutzung nicht zu Nahe getreten werde, könne sich jeder Katholik selbst überzeugen,  ist ja doch jedem, also auch jedem der verehrlichen Herrn Gemeindebevollmächtigten, sowohl dem Herrn Vorstande als den Mitgliedern, unsererseits die Theilnahme gestattet".  
Dann nimmt er Bezug auf das Dekret des - ausdrücklich katholischen - Prinzregenten, der den Herrn des Gemeindekollegiums offensichtlich nicht katholisch genug ist, sonst hätten sie sich nicht gegen dessen ausdrücklichen Befehl dafür entscheiden,  den Protestanten die Ausübung ihrer Religion zu erschweren. 
Nach dieser Feststellung und der Zurückweisung der Argumentation des Gemeindekollegiums bedankt sich Prediger Strobel ganz ausdrücklich beim zustimmenden Magistrat, weist noch einmal die Einwände des Kollegiums wegen dessen vollkommener Unzuständigkeit ab, und verzichtet danach wegen dieser unangenehmen Situation und auf Rücksicht auf die Beziehungen des Magistrats zu den Kötztinger Bürgern auf die Nutzung des Rathaussaales. 
Er schreibt: " wir danken Ihnen in herzlichster Weise für ihre Güte, ebenso aufrichtig und herzlich als wenn wir Jahre lang schon diese Wohltat genossen hätten. Möchten Sie uns ihre Geneigtheit fürderhin bewahren; wir unsererseits werden Sie stets aufrichtig achten und ehren.
Unseren Gegnern aber, die, auf einem Standpunkte stehend, der nu ein paar hundert Jahre hinter uns liegt, Kötzting den zweifelhaften Ruhm erwerben möchten, der intoleranteste Ort des Bayerischen Waldes zu sein, überlassen wir mit aller Zuversicht dem Urteil ihrer Mitbürger, diese werden selbst am besten über sie richten. Die Kötztinger Gemeindebevollmächtigten schieben Jedoch - Gott sei Dank - die Zeit nicht zurück
Der Magistrat nimmt nun das Antwortschreiben - mit den deftigen Anwürfen gegen das Kollegium -, lässt es kopieren, sendet es der zweiten Kammer und  bittet um deren Stellungnahme.
Die Herren waren not amused darüber, dass ihnen die Ohren langgezogen worden waren:
Sie schickten die Beilage prompt zurück, ohne auf den Inhalt einzugehen und bemängelten:
Dass dieses - vom Mitunterzeihnenden Techniker Wild - Schreiben keinen amtlichen Charakter trüge und eigentlich an den Magistrat gerichtet sei, weshalb es für sie belanglos sei und sie es nicht einmal zur Kenntnis nehmen würden.
Dass sie den Brief dann doch gelesen hatte, kann man aus dem Schlussabsatz ersehen:
"Übrigens kann die Verwunderung darüber nicht unterdrückt werden, wie der Magistrat dem Gemeindekollegium zumuthen kann, eine so gehässige Kritik seiner Beschlüsse von Privatseite öffentlich in einer Sitzung bekannt zu geben. Der Magistrat hätte doch eher die Pflicht die Autorität des Gemeindekollegiums zu schützen und dasselbe nicht unbefugter Kritik preiszugeben.

Wir wissen nicht, in welchem Privathaus - wie in anderen Orten des Bezirksamtes Kötzting auch - nun in den Folgejahren die protestantischen Gottesdienste gehalten wurden.
Der fast zeitgleich erfolgte Eisenbahnbau mit der damit geschaffenen Verbindung nach Cham stellte sicherlich zunächst eine Lösung dar.

1894 


Informierte die Regierung in Landshut das Kötztinger BZA, dass der Bezirk des Schwandorfer Reiseprediger geteilt und dafür eine neu Stelle in Cham geschaffen, die allerdings dann auch dem Pfarrvikariat in Straubing zugeordnet wurde. Der oben  - 1889 - erwähnte Reiseprediger aus Zwiesel wurde ausdrücklich in der Regierungsentschließung erwähnt und hervorgehoben,  dass dieser "sechsmal jährlich Predigtgottesdienst mit daran anschließender Christenlehre für den Bereich Kötzting gehalten hatte. Durch diese Umwidmung nach Cham, solle von jetzt ab sogar 9 mal jährlich in Kötzting Gottesdienst gehalten werden.
Das BZA informierte die Landgemeinden in ihrem amtlichen Mitteilungsblatt über diese Änderung.


StA Landshut Rep 164-8 Nr. 2799 von 1890 - 1954 evangelischer Kirchenrat  
Bekanntmachung
Kötzting, 23. Mai 1894
Es wird bekannt gegeben, daß die neuerrichtete protestantische Reisepredigerstelle zu Cham dem Predigtamtskandidaten Herrn Christian Wilhelm Albert Küspert übertragen wurde, welcher seine Funktion am 1. Juni d. J.  
"antreten wird und nach seiner derzeitigen Instruktion jährlich neunmal in Kötzting Predigtgottesdienst mit darauf folgender Christenlehre abhalten wird.
II. Sodann zur Kenntnis
ad acta
kgl. Bezirksamtmann Schacky 
StA Landshut Rep 164-8 Nr. 2799 von 1890 - 1954 evangelischer Kirchenrat  



Für das Jahr 1898 meldet der Reiseprediger Sperl für Kötzting, dass die "protestantischen Gottesdienste in Kötzting selbst und zwar im Hause des Herrn Kaufmann Krämer abgehalten werden"





1898: Cham: Reisepredigerstelle an  Wilhelm Sperl, derzeit Predigerseminar in München
1904: Zwiesel: Reisepredigerstelle an  Michael Wolf aus Erlangen
1904: Kötzting Erwerb des erst fünf Jahre alten Neubaus an der Bahnhofstraße durch den Verein der Protestanten Kötztings.

Wie einleitend aber bereits angedeutet, sind Mitglieder mit evangelischer Glaubenszugehörigkeit schon sehr viel länger bei uns belegbar,  seit dem Jahre 1904 aber muss diese Gemeinde, die auch das Kötztinger Umland betreute, bereits einen derartigen Umfang erreicht haben, dass sie sich in der Lage gesehen hatte, sich in Kötzting ein Haus zu kaufen und dort einen Betsaal einzurichten.



Foto Josef Bock: das im Jahre 1897 von Josef Lang erbaute Haus, das im Jahre 1904 von der evangelischen Kirchengemeinde erworben wurde.



StA Landshut Rep 162-8 Sch. 22 Nr. 3281 Bauvorhaben Lang Bahnhofstraße 1897 evangelische Gemeindehaus,  Man beachte die landwirtschaftliche Winterschule und die Distriktschnitzschule am rechten Bildrand.


Aus einem Festvortrag von Pfarrer Glatz wissen wir, dass der Betsaal im Erdgeschoss gewesen ist. Vergleicht man den Plan mit dem Foto, dann kann dieser Betsaal nur in dem Zimmer rechts oben im Plan eingerichtet gewesen sein.


DIA-Repro 2606 Innenaufnahme des Betsaals


Und so konnte am 10. Januar 1904 der Kötztinger Anzeiger über die feierliche Einweihung berichten.
 

Hier noch das Bild des Hauses vom Osterwochenende 1971:


1904: Furth i.W.: Planung einer Reisepredigerstelle >>>> 1906 RP Ludwig Baier
1904: Cham Reisepredigerstelle an Johannes Beckhaus, derzeit Privatvikar in Diespeck
1906: Lam:  die Gottesdienste finden im Hause Karl Roßberger statt 
1904: Furth i.W. Errichtung einer Reisepredigerstelle mit Zuständigkeit auch für den Bezirk Kötzting.
1908: Cham: Reisepredigerstelle an Eugen Schilffahrt zZ Pfarrverweser in Simmershofen.
1909: Zwiesel: Reisepredigerstelle an Adolf Jäger von Ahornis
1911: Kötzting: Vermehrung auf 17 Gottesdienste pro Jahr

StA Landshut Rep 164-8 Nr. 2799 von 1890 - 1954 evangelischer Kirchenrat  

StA Landshut Rep 164-8 Nr. 2799 von 1890 - 1954 evangelischer Kirchenrat  

1913: Zwiesel: Reisepredigerstelle an August Rabus
1914: Umpfarrung des Bezirks Kötzting von Straubing nach Cham 


 


Sammlung Voithenleitner

Sammlung Voithenleitner

Sammlung Voithenleitner
Kötztinger Anzeiger vom März 1905
Kötztinger Anzeiger vom April 1908



Kötztinger Anzeiger vom Dezember 1909



StA Landshut BZA/LRA Kötzting Nr. 2799
Für mich zwar vom Inhalt etwas kryptisch, aber der Betreff der Entschließung spricht zumindest von der Bildung einer eigenen ev. luth. Tochterkirchengemeinde in Kötzting bei gleichzeitiger Loslösung - vermutlich - des Dekanats Cham von Straubing.

Im Jahre 1929 erfolgte eine Neuwahl des "ortskirchlichen Vertretungskörpers" und danach wurde die Liste der neuen Kötztinger Kirchenverwaltung ans BZA Kötzting gemeldet, ein kleines "Who-is-Who" Kötztings und damit auch der Beleg, dass spätestens mit dem gesellschaftlichen Umsturz zu Ende des Ersten Weltkriegs auch die Stellung der protestantischen Bürger Kötztings in der Normalität angekommen ist..
StA Landshut Rep 164-8 Nr. 2799 von 1890 - 1954 evangelischer Kirchenrat  




In dem Maße, wie die protestantischen Mitbürger im "Alltag" Kötztings angekommen waren, reduzierten sich auch die Überlieferungen im amtlichen Schriftverkehr.  Dies lässt sich auch damit belegen, dass im November 1925 das Staatsministerium des Inneren alle untergeordneten Stellen  (Polizei - Bezirksämter - Stadtkommissare) darüber informierte, dass zukünftig  selbst "Waldgottesdienst" und andere Versammlungen der evang. lutherischen Kirche keinerlei Genehmigung mehr bedürfe.
Nur aus dem Zeitraum des Dritten Reiches stammt noch eine Schriftstück aus dem Innenministerium:

Ich vermute, dass diese "Meinungsverschiedenheiten innerhalb der evangelischen Kirche" mit der Haltung der Amtskirche zum Reichskanzler und seiner Politik zu tun hat, lasse mich aber gerne korrigieren, wenn dies einen anderen Hintergrund gehabt haben könnte.
Eine kleine Statistik vor der großen Zäsur bei Kriegsende.
Im Jahre 1939 fand in Kötzting eine Konfirmation von 4 evangelischen Kindern statt und die Kirchengemeinde hatte 150 Mitglieder.



Und so landen wir in der schweren Zeit nach der bedingungslosen Kapitulation Niederlage des Deutschen Reiches im Mai 1945. Bereits in den Monaten zuvor strömten große Mengen an Menschen, die vor der in den Westen vordringenden Frontlinie der Sowjetstreitkräfte flüchteten und die Anzahl der Menschen protestantischen Glaubens im Altlandkreis Kötzting regelrecht explodieren ließen.
11500 Menschen - nun einschließlich der Vertriebenen aus dem Sudetenland)  mussten alleine im Altlandkreis Kötzting zusätzlich aufgenommen, versorgt, verpflegt und untergebracht werden, was bedeutete, dass nicht nur sämtliche Schulräume  - so sie nicht vorher bereits in Reservelazarette umgewandelt worden waren -  und die großen Räume der Wirtshäuser,  sondern auch alle Häuser und zT. Scheunen in landwirtschaftlichen Anwesen mit Flüchtlingen und Vertriebenen belegt wurden. Hinzu kamen noch - ein speziell Kötztinger "Problem" die ebenfalls fast 11000 Männer und Frauen(!) der 11. Deutschen Panzerdivision, die ab dem 4./5. Mai nach der ihrer Kapitulation  den Raum um Kötzting zugewiesen bekommen hatten.
1945 waren es im Bereich von Kötzting 2368 evangelische Christen.
Auf Bitten des Dekans Schnallenberg stellt Dekan Dietl die St. Veitskirche als Gottesdienstort zur Verfügung und bewirkte als Dekan auch, dass die Kirchen auf den Dörfern ebenfalls für die evangelischen Gottesdienste geöffnet wurden. Besonders gerne erinnert sich Dr. Glatz an die Krippe in der Veitskirche und an den Kötztinger Kripperlvater Max Wanninger.
Im Sommer  kam dann aus der Kriegsgefangenschaft Günter Carquville nach Kötzting, wo seine Frau und seine zwei Söhne bereits als Flüchtling untergekommen war. Am 16.11.45 wurde er als Amtsaushilfe übernommen. Ein Vertreter der internationalen Organisation CRALOG besuchte ihn und beschrieb seine Wohnung bei den Staudingers: " umgeben von alten Bäumen, steht ein stallähnliches Haus, davor ein großer Misthaufen, das Untergeschoß beherbergt Schweine.  An dem Misthaufen vorbei - der Morast ist knöcheltief - kommt man zu einer auf den Hof führenden baufälligen alten Treppe. Daneben prangt ein weißes Schild "Evangelisches Pfarramt Kötzting". Im Schlafzimmer mussten Blechdosen wegen des von der Decke tropfenden Wassers aufgestellt werden. Die Räume waren gleichzeitig das Amtszimmer und zugleich Ausgabestelle für Hilfsgüter aus dem Ausland. 
Später konnte Pfarrer Carqueville in  das Haus in der Bahnhofstraße umziehen.



 
StA  Kötzting die Flüchtlings und Vertriebenenkartei des Altlandkreises Kötzting 
11500 Schicksale auf Karteikarten.
Es wurde im Landkreis Kötzting auf Anweisung der Militärregierung ein Flüchtlingskommissariat eingerichtet, dass den US-Behörden zunächst wöchentlich, später in längeren Abständen über die Situation im LK Kötzting zu berichten hatte und dort wird - zwischen den Zeilen - auch von Spannungen zwischen den unterschiedlichen Gruppen und den Einheimischen berichtet.

StA Landshut Rep 164-8 Nr. 1830


Als im Herbst 1945 die Schule wieder beginnen sollte, waren nicht nur die anderweitig belegten Klassenzimmer ein Problem, sondern auch, dass viele der Kinder der geflüchteten Menschen überhaupt noch nicht registriert gewesen waren. Verschärfend kam noch hinzu, dass es damals in Bayern noch die Konfessionsschulen gegeben hatte. 1948 wurde in Kötzting eine/die evangelische Schule gegründet. Im Juli 1964 kam der Beschluss, diese Schule aufzulösen. In der einklassigen Volksschule waren nur noch 19 Kinder. Am 15.2.1965 stimmte die Regierung dann der Auflösung zu.
Zu diesem Thema noch eine kleine Anekdote eines Zeitzeugen: Im "ganz alten" Schulhaus - heute Parkhausbaustelle - war ein Schulraum für die "Evangelischen" reserviert, während in den anderen Klassenzimmer katholische Schüler unterrichtet wurden. Diese räumliche Trennung reichte hin bis zu separaten Pausenräumen. Die evangelischen Schüler wurden auf einen umzäunten und abschließbaren Obstgarten im Norden der Schule verwiesen, während die katholischen Kinder auf der Südseite ihre Pause zu verbringen hatten.

Doch zurück in die direkte Nachkriegszeit: 

Zwei Lehrkräfte mussten z.B. noch im Jahre 1952 insgesamt 96 Schüler und Schülerinnen beschulen, was auch in der Presse beklagt wurde.
Kötztinger Umschau vom September 1952

Von der Tochter, der im Artikel beklagten jungen Lehrerin - Fräulein Deindl - haben wir im letzten Sommer Aufzeichnungen aus ihrer Zeit in Kötzting erhalten einschließlich einiger Bilder ihrer Schulkinder, mit denen zusammen sie eine Woche auf der Kötztinger Hütte verbracht hatte.  
Frau Deindl, später verheiratete Jessler, war in Kötzting als Junglehrerin angestellt gewesen und machte diese ganz besonderen Erfahrungen mit den Kindern der Flüchtlinge und Vertriebenen zum Thema ihrer Abschlussarbeit, die sie mit vielen Bildern illustrierte.
Darüber hinaus betrieb sie regelrecht Feldforschung und machte sich viele Gedanken über die Einflüsse der Fluchterfahrungen auf die seelische Entwicklung der Kinder.

Auszug aus der Abschlussarbeit der Kötztinger Junglehrerin Elisabeth Deindl


Auszug aus der Abschlussarbeit der Kötztinger Junglehrerin Elisabeth Deindl


Passend, um dieser kindlichen Enttäuschung und gleichzeitig Erwartungshaltung zu begegnen, wurde im Dezember 1951 vom ZvD eine große Weihnachtsfeier in der Jahnhalle veranstaltet, bei der auch der Kötztinger Pater Augustin mitwirkte, ein Mann dem Kötztings Jugend viel zu verdanken hat.


Doch nun zu einigen Bildern von Frau Deindl:

Bild von der obigen Weihnachtsfeier














Der Höhepunkt war der Gottesdienst am Mittagsstein




Sammlung Jessler: Die Kinder hatten die noch nicht wieder restaurierte Gedenkstätte am Mittagstein  gesäubert und danach schrieb Frau Jessler/Deindl unter die Fotos:  
Ein Vikar aus Lam bestieg ebenfalls den Mittagstein.
Wörtlich heißt es im Album:" Neben dem unvergesslichen Lagerfeuer unser größtes Erlebnis: Ein Vikar aus Lam hält am Grab des unbekannten Soldaten, das die Kinder zu diesem Zweck besonders fein hergerichtet hatten, einen ergreifenden Gottesdienst."

Sammlung Jessler

Sammlung Jessler: Die Kinder der evangelischen Volksschule beim Kinderfestzug Pfingsten 1952



Die Matthaeuskirche 


Die nächste Aufgabe, die zielstrebig von der Kötztinger Kirchengemeinde angegangen wurde, war die Errichtung einer eigenen Pfarrkirche.


Und dann konnte es losgehen:



 
StA Kötzting 610-6 





Und so entstand in Kötztings damaligen Neubaugebiet "auf der Platte" das neue Zentrum für die evangelische Kirchengemeinde.
StA Kötzting 610-3 Entwurf eines Bebauungsplanes für das Neubaugebiet "Auf der Platte" aus dem Jahre 1954



Am 15. Mai 1955 konnte man bereits zur Grundsteinlegung schreiten:


DIA-Repro 3371 Richtfest auf der St. Matthäuskirche

Die Kötztinger Bürger mussten sich wohl erst an die neue Silhouette am Himmel gewöhnen, wenn man die Überschrift des Zeitungsartikels richtig interpretiert:



Von Haymo Richter habe ich das folgende Bild erhalten, der die Ankunft der Glocken für die evangelische Kirche dokumentiert:

Dieses Ereignis wurde natürlich auch von der Presse begleitet:






Krämerarchiv


Ein besonderes Bild von der Beerdigung Erhard Vogl 1958







Zum 10jährigen Jubiläum des Kirchenbaus kam es zur einer großen Feier, die verbunden war mit dem Besuch des Landesbischofs Dietzfelbingers und der  Einführung des Pfarrers Schmolka und des Vikars Ulfila Ottos.

Illfordbüchsensammlung Film 56: Hinweis Pfarrer Nagel zu dem Bild: Einführung Pfarrer Smolka (und Vikar Otto.) Hier begrüßt Bundestagsabgeordneter Dr. Dittrich den neuen Pfarrer.



Illfordbüchsensammlung Film 56: Hinweis Pfarrer Nagel zu dem Bild: 
Die Einführung von Pfarrer Peter Smolka und Vikar Ulfilas Otto.  (7.8.1960) Landrat Nemmer steht, Die Pfarrer sitzend von rechts nach links: Dekan Hanow, Pfarrer Smolka, Vikar Otto.
Ansonsten in der ersten Reihe von links  Costa Fritz, Vogl Max, Karg Sepp, Maimer Eduard, Hans Kroher
Genau über Kroher Herr x Schäfer und neben ihm Dr. Dittrich

  




Im Jahre 1964 endete dann auch in Kötzting das Zeitalter der konfessionellen Trennung in den Schulen, wobei sich die Zahl der Schulkinder mit evangelischen Konfessionszugehörigkeit von 95 Kindern  im Jahre 1952 auf nur noch 16 im Jahre 1964 reduziert hatte, was die Entscheidungsfindung  sicherlich beförderte


Und damit kommen wir immer näher an die Gegenwart heran.
Viele Veranstaltungen mit religiösem, kulturellem oder auch nur unterhaltendem Hintergrund wurden von der Presse begleitet und viele davon fanden in Zusammenarbeit mit der Kötztinger katholischen Pfarrgemeinde statt.
Hier nun ein bunter Bilderbogen von einigen solcher "Ereignisse". Vielleicht wird die eine oder die andere Person auf den Bildern erkannt.

Am 21. Oktober 1974 wurde Norbert Zingler als der neue Pfarrer installiert:
Dekan Hippe und seine Assistenten führen den neuen Pfarrer Norbert Zingler unter Handauflegung in sein Amt ein. In der ersten Reihe der Kirchenbänke: v.l. Karg Josef, Bgm Karl Seidl, Stadtpfarrer Rubenbauer,  Karl Gerstl, Gerald Berger

Eine Weihnachtsfeier der evangelischen Kirchengemeinde


KU vom 17.12.1974 Weihnachtsfeier im Januelsaal

KU vom 17.12.1974 Weihnachtsfeier im Januelsaal

KU vom 17.12.1974 Weihnachtsfeier im Januelsaal

Die Faschingsfeier im Februar 1975 wurde von beiden Kirchengemeinden im Gasthaus Kauer gemeinsam veranstaltet und die Umschau titelte: "Beginn der ökumenischen Arbeit"


Fasching 1975als Beginn der ökumenischen Arbeit



Hier noch ein paar Personengruppen - natürlich, wie es sich für Archivmaterial gehört, schon ein paar Jahrzehnte alt.....




 


Die evangelische Kirchengemeinde feiert das 900Jahr- Jubiläum der Stadt Kötzting 1985
Serwuschok Umschlag 5/18

Stichwort: Ein Netz spinnen - leider ohne Datum: 

Serwuschok_110 In der Bildmitte das Ehepaar Dr. Stern


Und so endet die Bildersammlung, die sich in unserem Archiv befindet. Viele, sehr viele Schwarz/Weiß Negativstreifen befinden sich noch in großen Kartons und warten noch darauf, digitalisiert zu werden.
Ich freue mich schon darauf, was in den alten Wundertüten so alles steckt und noch zum Vorschein kommen wird.