Translate

Posts mit dem Label Hager werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Hager werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Freitag, 4. März 2022

Tag der Archive 2022

 Am 5. und 6. März 2022 begleiten viele Archive und Sammlungen diesen internationalen "Tag der Archive" mit den unterschiedlichsten Aktionen.
Nun wächst das Stadtarchiv Bad Kötzting durch viele Sammlungen und interne Zugänge in den Archivbestand zwar kontinuierlich an, ist aber durch den Umbau des Rathauses räumlich sowohl  eingeschränkt als auch schlichtweg noch nicht vollständig hergestellt.
Einem möglichen "Tag der offenen Archivtüre" stehen also noch einige Hindernisse im Weg aber es gibt bereits Licht am Horizont........

Der Beitrag des Kötztinger Stadtarchives für diesen Gedenktag sind einfach zwei Schmankerl aus dem Stadtarchiv. Das eine ist die wohl älteste Fotografie, die wir von Kötzting als Gesamtansicht haben, und das andere ist eine Kleinigkeit, die mit dem Pfingstritt zu tun hat und von der wir tatsächlich bis vor 1 Woche nichts wussten.


Fangen wir mit dem Bild an:


Was fällt an dem Bild besonders auf.
1. Es gibt noch keine Eisenbahnbrücke über den Regen. Das bedeutet, das Bild ist vor 1900 entstanden.
Da das Bahnhofsareal nicht mehr auf dem Bildabschnitt zu sehen ist, kann aber der Zeitpunkt nicht näher eingegrenzt werden. Die Zugverbindung Kötzting-Lam entstand ja Jahre später als der Anschluss Cham-Kötzting. 
2. Die Volksschule - heute das Parkhaus - ist ein mächtiger Bau zentral in der Mitte, die spätere Holzapfelschule - nun Außenstelle des Finanzamtes Cham - ist noch gar nicht erbaut.
3. Deutlich zu erkennen in der unteren Bildmitte ist der Werkskanal des Hammerschmiedes - heutzutage die Hammermühle.


 



Und nun zu einer Kleinigkeit, die unser Bild, das wir von dem früheren - also dem alten Pfingstritt vor der Wieder (Neu) Einführung des Pfingstrittes-  haben, mit einem Detail ergänzt bzw. bestätigt.
Einem Außenstehendem bzw. Nichtkötztinger wäre der Zusammenhang vermutlich nicht aufgefallen, aber so liegen die Dinge ja hier nicht.

Wir schreiben das Jahr 1772 und der Kötztinger Bildhauer Johann Josef Hager - Sohn des viel berühmteren Vaters Johann Paul  Hager - verstirbt überraschend und seine Kinder erhalten Kötztinger Bürger als gesetzlich vorgeschriebene Vormünder. Als dann 1777 auch noch die Mutter verstirbt, müssen diese Vormundschaften dann tatsächlich das tägliche Leben und Fortkommen der beiden Hager Buben organisieren und über die Ausgaben für ihre Mündel schriftlich Rechenschaft ablegen.
Solche Inventarien und Vormundschaftsakten wurden früher nicht als archivwürdig erachtet und, nach erfolgter Rechenschaftsabgabe am Ende der Vormundschaft, schlichtweg vernichtet.
Eine große Ausnahme stellen in diesem Falle die Vormundschaftsakten der "Hager-Buben" dar und so finden sich tagesaktuelle Ausgabenverzeichnisse für die beiden jungen Kötztinger.
Adam, der ältere, beginnt eine Lehre beim Sagmüller, und sein Vormund, der Nachbar und Kaufmann Johann Baptist Fabrici (heute das Voithenleitnerhaus), gibt dem 16 jährigen Lehrling aus seinem Handelsvorrat "Pulfer" für 6 Kreuzer.




"Pulfer", also Schwarzpulver für einen Lehrling zum persönlichen Gebrauch?

Die Lösung findet sich im Zusammenhang, in dem diese Pulverabgabe steht:

StA Kötzting AA XI 17 

"Anmerkung deren Unkosten und ausgelegtes Geld so ich Johann Battista Fabrici als Vormunder über den Hans Adam Haager dermalliger Lehrjung auf der Sagmihl, für ihme erlebt habe als Pro Anno 1777
26. April ein Schernfell erkauft
den Riemer vor ein Reimb und Macherlohn
den 10. May ein Baar Schuech ausbessern laßen, wovon bezahlt
18. dito: Alß am Pfingstmontag, an geld  35 Kreuzer an Pulver 6 xr

Am Pfingstmontag 1777 bekam Adam Hager also von seinem Vormund - aus seinem eigenen Vermögen, das nicht unbeträchtlich war - 35 Kreuzer an Bargeld und Schwarzpulver im Wert von 6 Kreuzer überreicht.
Dass ein junger Kötztinger Bürgerssohn am Pfingstmontag Bargeld gut gebrauchen kann - 36 Kreuzer sind ungefähr 1 1/2 Tageslöhne eines Arbeiters - , versteht sich von selbst. 
Aber wozu brauchte er das Schwarzpulver?

Nun, die Kötztinger Bräuche rund herum um den Pfingstritt waren damals nicht so gesittet und strukturiert wie heutzutage. In der Nacht vor dem Pfingstritt  - und sogar während des Rittes - wurde mit Gewehren, Pistolen und Böllern geschossen was das Zeug hielt.
Zumeist wurden die "Schießapparate" nur mit Pulver geladen - manchmal auch mit der zwei- oder dreifachen Menge. Geschossen wurde in Häuser hinein, in den Straßen und, wie erwähnt, sogar während des Pfingstrittes rund herum um den Priester mit dem Allerheiligsten, was dieser schon mal dadurch abzuwehren versuchte, indem er den "Übeltätern" das Allerheiligste entgegenstreckte, was diese aber offensichtlich nicht davon abhielt, weiterzuschießen.
Auch sind einige Fälle bekannt, bei denen zusätzlich Papierkugeln auf die Treibladung gesteckt  und damit dann sogar auf  andere Rittteilnehmer geschossen wurde.
Vieles, was so ganz anders ablief beim Pfingstritt als heutzutage, kann unter diesem link nachgelesen werden: Der wilde Pfingstritt.

Adam Hager, Enkel des berühmten Bildhauers, Müllerlehrling und spätere Besitzer der Hauser Mühle, konnte es also am Pfingstmontag 1777 in Kötzting richtig krachen lassen. Für einige/viele zusätzliche Maß Bier reichte das Geld dann auch noch. Die Maß kostete damals 3 Kreuzer.
Dieses Schießen war natürlich nicht nur unerwünscht sondern sogar streng verboten, was die Kötztinger Bürgersöhne aber nicht davon abhielt, es von Jahr zu Jahr bunter zu treiben, bis der Krug dann irgendwann einmal brach......und dann wurde es richtig teuer für deren Väter.
Adam Hager war aber, als der Obrigkeit die Exzesse dann doch zu bunt geworden waren, die Missetäter dann schlicht weg verhaftete und nach Straubing ablieferte, längst verheiratet und ein richtiger Müller auf der Hauser Mühle.

Es verbleibt die Aussage der Kötztinger Burschen von damals: " Und wenns 1000 Gulden kost`, g´schossn wird trotzdem" . 

Soviel kann man aus dem kleinen Wörtchen "Pulfer" herauslesen, das in einem unscheinbaren Akt im Stadtarchiv versteckt lag, bis zur Erstellung der Häuserchronik des Hauses in der Marktstraße.