Im Frühjahr 1966 stand eine Kommunalwahl an, die sich bereits im Vorfeld zu einem heftigen Wahlkampf steigerte, einen äußerst knappen Wahlausgang lieferte, von Amts wegen wegen eindeutiger Unregelmäßigkeiten aufgehoben und im Herbst nachgeholt werden musste. Der „Spiegel”, die „Zeit” und andere Zeitungen waren auf diese Zustände im Bayerischen Wald aufmerksam geworden und kommentierten diese „Wild-West-Methoden” dementsprechend hämisch.
Die Ausgangssituation: Hier sind die beiden – vorerst einzigen – Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters. Der Amtsinhaber Hans Kroher, der von 1936 bis 1945 und erneut seit 1952 Bürgermeister von Kötzting war, wollte eigentlich nicht mehr kandidieren.
Eduard Meimer ist der Kandidat der CSU. Für die Kötztinger gab es dann noch eine große Überraschung. Franz Graßl, der Kandidat des NBMB (Niederbayerischer Bauern- und Mittelstandbund) mit seinem damaligen Vorsitzenden, dem Voggendorfer Bürgermeister Ludwig Volkholz. Der NBMB erhielt zusätzlich Unterstützung durch die „Rechtler” Kötztings, vertreten durch den Sagmüllers Heinrich Höcherl. Die Kötztinger Marktlehner als Rechtebesitzer des Waldes am Ludwigsberg standen in einem Rechtsstreit mit der Stadt Kötzting um die Einkünfte aus eben diesem Wald. Ein Verfahren, bei dem die Rechtler eindeutig unterlagen. Ursprünglich wollte der NBMB keinen Bürgermeisterkandidaten aufstellen, sondern nur eine Stadtratsliste. Franz Graßl wird mit der Aussage zitiert, dass es durch seine Kandidatur nun die Möglichkeit einer demokratischen Wahl gäbe.
Die anderen Kötztinger Parteien und Listen hatten sich im Januar 1966 zu diesem Thema noch nicht geäußert.
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KU vom 11.1.1966 |
Im Februar kam es zu einer überraschenden Wendung. Bürgermeister Hans Kroher, der bei der letzten Wahl noch gemeinsamer Kandidat von CSU und parteiloser Wählergemeinschaft gewesen war, stellte sich nun doch zur Wiederwahl.
Parallel zum Wahlkampf um die Gemeindevertretungen gab es auch noch den für den Kreistag und den Landrat. Dies veranlasste die Umschau in ihrer Faschingsausgabe dazu, eine eigene Karikatur anfertigen zu lassen.
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Die politische Situation im Altlandkreis Kötzting zu Fasching 1966 |
Einschub
Bei dieser Wahl griff in Voggendorf das neue Gemeindewahlgesetz – später auch als „Lex Volkholz” bezeichnet –, das dem amtierenden Bürgermeister Ludwig Volkholz die erneute Kandidatur für das Amt des Bürgermeisters verwehrte. Für alle anderen Ämter, wie beispielsweise Mitglied in Gremien wie Gemeinderat, Kreisrat oder Landtag, durfte er jedoch kandidieren. – kandidieren. Kurzerhand bewarb sich seine Frau Paula Volkholz für dieses Amt und wurde anschließend prompt zur neuen Voggendorfer Bürgermeisterin gewählt.
Vier Jahre später wiederholte sich dies bei der Wahl zum Kötztinger Landrat.
Einschub Ende
Die neu gegründete VUG, die Vereinigung unabhängiger Gemeindebürger, mit den Herren Oexler Franz, Albert Gilch und Konrad Krämer an der Spitze sprach sich für den Kandidaten Meimer aus.
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Foto Kötztinger Zeitung |
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Foto Kötztinger Zeitung |
Und so folgte nun eine Wahlkampfveranstaltung der beiden Herausforderer nach der anderen, die auch intensiv von der Presse begleitet wurden; >>>> nur von Hans Kroher war zu dem Thema der Wahl in der Presse nicht viel - oder eher nichts - zu lesen.
Beide Kötztinger Zeitungen veröffentlichten auch Karikaturen zu dieser Richtungswahl.
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Kötztinger Zeitung im März 1966 - auch hier wird der Amtsinhaber eher als Auslaufmodell behandelt. Zeichnung von Graßl Christ |
Bei der Umschau ist es der Kötztinger Kunstmaler August Philipp Henneberger, der sich an die Arbeit macht, den Wahlkampf darzustellen.
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Der Amtsinhaber |
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Der Herausforderer mit Ludwig Volkholz als Einpeitscher |
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Sepp Karg soll hier Meimer Edi über die Hürden helfen. |
Am Monat den 14.3.1966 konnten die Kötztinger dann das knappe Ergebnis in der Zeitung lesen.
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Hans Kroher muss sich einer Stichwahl im Kampf mit Eduard Meimer stellen. Graßl Franz war denkbar knapp - mit nur 1 Stimme Unterschied auf Platz drei verwiesen - geschlagen worden. |
Sehr schnell wurden Fragen nach der Rechtmäßigkeit dieser Wahl gestellt und am 21.3. stellte der Gemeindewahlausschuss nach einer Überprüfung fest, dass offensichtlich alles in Ordnung gewesen war.
Da aber gleichzeitig auch die Staatsanwaltschaft eingeschaltet worden war, ging die Unsicherheit weiter; und so musste der damalige 2. Bürgermeister Josef Barth zurückrudern und ließ erklären:
Es musste also zunächst in der Stichwahl weiter gewählt werden und auch hier hatten die Künstler wieder Stoff für Karikaturen.
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KU zur Stichwahl, noch war ja alles in Ordnung. |
Nun kam es jedoch zu einer eher surrealen Situation: Zwar hatte Franz Graßl beim Landratsamt eine Wahlanfechtung eingereicht, doch sein großer Förderer im Hintergrund, Ludwig Volkholz, distanzierte sich von dieser Anfechtung – und das, bevor überhaupt eine Entscheidung in dieser Angelegenheit getroffen worden war. Nun wollte er Hans Kroher bei der Stichwahl unterstützen. Die Frage war, wen Ludwig Volkholz denn dann eigentlich unterstützen würde, wenn die Wahlanfechtung durchginge: Hans Kroher oder seinen eigenen Kandidaten? Dieses Verwirrspiel war natürlich ein gefundenes Fressen für Frau Serwuschoks Scheinwerfer.
Aber zunächst musste ja erst die Stichwahl durchgeführt werden.
Mit großem Vorsprung gewann der Amtsinhaber Hans Kroher gegen seinen Herausforderer und dass, obwohl 11 der 2 Wochen zuvor gewählten Kötztinger Stadträte in der Endphase des Wahlkampfes sich in einem Rundschreiben an alle Kötztinger Haushalte gegen Hans Kroher ausgesprochen hatten.
Eigentlich hätte jetzt alles gut sein können/müssen und der neue Magistrat anfangen zu arbeiten..... aber da war ja noch die Wahlanfechtung und die Gerüchte kochten hoch, wie es auch im Scheinwerfer dann zu lesen stand.
Bereits im April schwante den Beobachtern Böses:
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Karikatur in der Umschau im April 1966 |
Und so platzte dann im Juli 1966, die Bombe, die Kommunalwahl vom März wurde für ungültig erklärt, weil 6 Personen zur Wahl ihre Stimmen abgegeben hatten, die zu dem Zeitpunkt in Kötzting - noch - gar nicht wahlberechtigt gewesen waren.
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Die Umschau im Juli 1966 |
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Kötzting Zeitung vom 15.Juli 1966 |

Am Ende wurden dann nicht nur in Kötzting und Haus, sondern zusätzlich auch noch in Arndorf und Niederndorf die Kommunalwahlen aufgehoben.
Das Jahr war wirklich wie geschaffen für die politischen Karikaturisten.
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Der Scheinwerfer im Juli 1966 |
Da die Stadtratswahl und die Bürgermeisterwahl von unterschiedlichen Gremien zu unterschiedlichen Zeiten für unwirksam erklärt worden waren, wurden die Wiederholungswahlen zu unterschiedlichen Terminen durchgeführt. Um es noch komplizierter zu machen: Der unterlegene CSU-Kandidat Eduard Meimer hatte den Wiederholungsentscheid angefochten und gleichzeitig erklärt, dass er für den neuen Wahlgang nicht mehr zur Verfügung stehen werde.
Die folgende Konstellation ergab sich also:
Die Wiederholung der Stadtratswahl wurde auf den 25. September 1966 und die Wiederholung der Bürgermeisterwahl auf den 20. November 1966, gleichzeitig mit der Landtagswahl, festgelegt.
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Die Überschriften nach der erzwungenen wiederholten Stadtratswohl (Ohne Bürgermeisterwahl) |
In den beginnenden Landtagswahlkampf hinein mischt sich in Kötzting nun wieder die Frage der Bürgermeisterwahl. Zunächst stellte sich die Frage, wen die CSU aufstellen würde, nachdem Eduard Meimer seinen Rückzug angekündigt hatte.
Die vorher schon kursierenden Gerüchte wurden bestätigt: Josef Dullinger hieß der neue Kandidat der CSU. Zum Zeitpunkt seiner Kandidatur war jedoch noch nicht klar, ob er neben Franz Graßl von der NBMB noch einen weiteren Gegenkandidaten bekommen würde, denn Bürgermeister Hans Kroher verzichtete fast zeitgleich auf eine erneute Kandidatur.
In einem Schreiben wandte er sich an seine Mitbürger in Kötzting, um ihnen seinen Verzicht zu erläutern.
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KU vom Oktober 1966 |
Franz Emberger von der SPD, der bei der Stadtratswahl eine enorme Anzahl an Stimmen erhalten hatte, war der mögliche Kandidat, der das Tableau hätte gewaltig durcheinanderwirbeln können, machte jedoch einen Rückzieher und verzichtete auf diese Möglichkeit.
Beim NBMB kam es zu dem Kuriosum, dass Ludwig Volkholz zwar eine – schwach besuchte – Kandidaten-Aufstellungsversammlung beim Miethaner abhielt, in der Franz Graßl mit 8 von 10 Stimmen erneut zum Kandidaten erwählt wurde, der Stadtrat Henrich Höcherl aber gleichzeitig zu Protokoll gab, dass Ludwig Volkholz „infolge seiner Kandidatur für die Bayernpartei in den Wahlkreisen Roding, Burglengenfeld und Schwandorf gar nicht mehr Mitglied des NBMB sei”.
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Umschau vom Montag, den 27.11.1966 |
Es folgte nun noch der Dank an die Wähler von beiden Kandidaten und so beendeten die Kötztinger den Wahlmarathon von 1966 mit einem neuen Bürgermeister, Josef Dullinger und einem fairen Verlierer Franz Graßl.