Das "alte Kötzting" bei der Uraufnahme bei der beginnenden Landvermessung hatte 159 Anwesen.Der Geschichte dieser Bürgerhäuser und ihrer Bewohner nachzuspüren und sie zu dokumentieren, ist das Ziel dieser Häuserchronik.
Die Anfänge und die Entwicklung unserer Heimatstadt können von der Teilung der Urhöfe bis hin zur Auswahl als Landgerichtsort in einem
einleitenden Blog nachgelesen werden.
alte Hausnummer 102
das Dreimäderlhaus
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Richterarchiv Pfingsten 1960 |
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Vermessungsamt Cham Detail aus 5168-2100-LiquiP_Bad_Koetzting_1831_Beilage_M2500_1_1-01 |
Gleich von zwei Kötztinger Autoren gibt es kleine Erzählungen über die Namensgeber des Dreimäderlhauses.
Die Kötztinger Lehrerin Frau Paula Dittrich schrieb in ihrem Buch "Kinder, Nachbarn und andere Leut" folgendes über dieses
Dreimäderlhaus
Frühers,
da is Silvester dahoam gfeiert worn. Koan Menschen wär's bei uns da
ei'gfalln, in a Wirtshaus z'geh oder gar fortz fahrn. Wenn's
an dem Tag finster worn is, dann is alles in'n Jahresschluß ganga, hat
se nomal o'ghört, wer so's Jahr über tauft worn is, g'heirat hat oder
g'storbn is, hat mit aller Kraft „Großer Gott, wir loben Dich" g'sunga
und sich scho auf an Punsch gfreut.
Ja,
der Punsch!'s Orangenauspressn war für uns d' Hauptsach', weil in de
Schaln allerweil no was drinbliebn is, dees ma ausfieseln hat können.
Also,
Orangen- und Zitronensaft und viel Tee san über a paar Brocken von am
Zuckerhut g'schütt' worn, und zum Schluß is no a Wein dazua-kemma. Dees
alles hat dann no a Weil ziahgn und natürlich guat hoaß bleibn müaßn.
Probiern hat a jeds scho a bißl derfa.
Ganz
dicke Punschgläser, sogar an Deckel ham s' ghabt, san auf den
weißdecktn Tisch gstellt worn, große Teller voll Weihnachtsplätzl dazua,
d Kerzn am Christbaum ham no amal brennt, und dann hat ma sich
zamgsetzt und dischkriert. Lustigs und Ernsts is da erzählt worn, was
halt's Jahr über so passiert is. Oft is aa Bleigoßn und lang rumgratn
worn, was dees sein könnt.
De
alten Leut' und d' Kinder san dann so um a zehne ins Bett ganga. De
andern san no beinander bliebn und ham aufs neue Jahr gwart. Um zwölfe
hat ma dann 's Fenster aufgmacht oder sich vor d' Haustür gstellt, daß
ma's Neujahroschiaßn ghört hat. Rundum hat's da kracht! Net von Raketn
oder Knallfrösch, sondern von alte Terzerol und Luftg'wehr. Eigentlich
war's ja verbotn, aber mei! Und bei ana solchen Schiaßerei is halt
manchmal aa allerhand Unfug triebn worn.
Da, wo heut dees Schuahgschäft vom Liebl Ferdl is, war frühers's Häusl vom Fischer-Sattler; Fischer-Sodler hat man halt gnennt.
Dees
Haus hat aa Dreimäderlhaus ghoaßn, „Drei Mäderl!" No ja, es warn halt
drei alte - für uns uralte - Töchter da. D' Marie hat ma allgemein
einfach d' Fenstergutzn ghoaßn, weil s' allerweil ihran Kopf beim
Fenster ghabt hat. D'Anna war d' Sollerabee, und d' Reserl ham s' '„d' Flucht nach Agypten" tauft. De war nämlich Telegramm-Bötin.
Wenn also auf da Post a Telegramm ei'glaufa is, ham s' d' Reserl gsuacht, und de hat dann dees eilige Schreiben austragn müaßn. „Wißt's", hat s' gsagt, „i hab da an eigner Schritt: Zwoa kurz, oan lang, Da kimmst vom Fleck wia da Blitz!"
Suacha
hat d' Post d' Reserl meistens müaßn, weil s'aa no Störnäherin war. Sie
hat uns unsere Leiberin und Hos'n, d' Bettwäsch' und d' Handtüacher
zamgflickt und a so mit Fleck dapflastert, daß gstarrer wia Brettin worn
san.
Beim
Ei'fadin in d' Maschin hat se se a bißl hart to. Da is ihr dann
allerweil a Bibelspruch ei gfalln, in dem a Nadelöhr vorkimmt. Sie hat
'n a bißl abgändert: „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als der
Nähfaden in d' Maschin!"
D'
Fenstergutzn hat scheint's ihra Neugier net g'stohln ghabt, denn ihra
Vater is aa beim geringsten G'räusch auf der Straß mit'm Kopf aus'm
Fenster grumpelt, damit eahm ja nix auskemma is. 's Christkindl- und 's
Neujahroschiaßn hat 'n gärgert, weil's überall zwar kracht, er aber nix
gsehgn hat: „De Malefizschiaßerei! 's größte Unglück kannt passiern,
weilst as net sehgst, de Baze!"
„Dir
gebn ma glei a Malefizschiaßerei und an Baze", ham se a paar Burschen
denkt. „Deesmal sollst net bloß was hörn, sondern aa was sehgn und
g'spürn!"
Beim
Krämer-Metzger ham sa se a große Wurstspritzn voll Bluat herrichtn
lassn, und mit dera und am Terzerol sans an Silvester kurz vor zwölfe
ganz staad unters Fenster vom Fischer-Sodler gschlicha. Wias den ersten
Schlag vom Kirchturm to hat, ham a paar g'schrian: „A recht a guats
neus Jahr!" Und scho is am Fischer sei Kopf durchs kloane Fensterl
außagfahrn.
In
dem Augenblick hat oaner mit'm Terzerol in d' Luft pledert und da ander
mit der Bluatspritzn aufn Fischer sein' Kopf abdruckt.
"Jessmariaundjosef,
helfts, helfts, an Vatern hamand s' g'schossn!" hat ma von drin außa
jammern hörn. Dann is's staad und 's Fensterl mit am fürchterlichn Krach
zuaghaut worn.
Lang hat da Fischer-Sodler nimmer zum Fensteri außag'schaut, und in da Silvesternacht scho gar nimmer.
Die zweite Erzählung stammt von Georg Rauscher, der in seiner "A Kirm voller G´schichten" ebenfalls Altkötzting ein Denkmal gesetzt hat.
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Detail aus Vermessungsamt Cham: 5168-2100-LiquiP_Bad_Koetzting_1831_Beilage_M2500_1_1-01 |
Betrachtet man die historische Karte von 1831 genauer, so kann man erkennen, dass die heutige Straßenkreuzung, die im Volksmund Stachus genannt wird, damals ganz anders aussah.
Die heutige Untere Marktstraße gab es noch nicht, die Ausfahrt aus Kötzting musste über die Herrenstraße erfolgen. Mitten auf dem Platz lag der sogenannte Badbrunnen, ein tiefer Schöpfbrunnen, der durch unterirdisch fließende Wasseradern gespeist wurde. Diese bereiteten vielen Kötztinger Häusern noch bis 1985 Probleme. Der Kreuzungsbereich war ein stark gegliederter und großer Platz mit eingezäunten Gärten, umgeben von mehreren Gebäuden wie der Wuhn (Haus Nr. 119) und dem Kötztinger Bürgerspital (Haus Nr. 124). Zwischen den beiden Häusern führte ein schmaler Weg zu ein paar kleinen Häuschen, die an den Abhang hin zum heutigen Pfeffergraben angeschmiegt lagen.
All diese Häuser, Gärten und Schupfen wurden Opfer des verheerenden Marktbrandes im Juni 1867 und danach nicht wieder aufgebaut.
Die Geschichte der Bewohner des Hauses zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist ebenso außergewöhnlich wie seine Entstehungsgeschichte, die gerade einmal 100 Jahre älter ist.
Einschub:
die lange Suche nach dem richtigen Haus oder Drei oder vier Häuser, das ist hier die Frage
Wie man auf dem folgenden Kartenausschnitt erkennen kann, waren es auf dem Uraufnahmeplan 4 Häuser, die -so wie heute - aneinandergereiht den Beginn der Herrenstraße ausmachen.  | Die Situation im Jahre 1830 im Unterschied zum 18. Jahrhundert Detail aus Vermessungsamt Cham: 5168-2100-LiquiP_Bad_Koetzting_1831_Beilage_M2500_1_1-01
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Die Hausnummer 104 war schon immer als die eines Glasermeisters (Fischer und/oder Süß) bekannt. Vor 1831 gab es noch keine offiziellen Pläne, daher wurden die jeweiligen Anwesen durch ihre Lage zwischen Nachbarn oder anderen „Geländemarken” beschrieben. So wurde der Besitzer des Anwesens mit der späteren Nummer 103 über viele Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts hinweg – die Briefprotokollbände Kötztings beginnen mit dem Jahr 1700 – als derjenige zwischen dem Glaser und dem Badbrunnen beschrieben. Immer wieder ergab diese Häuserlokalisierung offensichtlich nur drei aneinandergereihte Häuser, wobei es dann 1831 plötzlich vier waren und das Haus mit der späteren Nummer 102 im 19. Jahrhundert munter weiterverkauft wurde. Der letzte Eintrag, der auf das „fehlende” Haus hinweist, stammt vom 3. November 1791, als es innerhalb der Weberfamilie Neumayr zu einer Übergabe kam und in dem die Lage das Hauses als zwischen: "Johann Drunkenpolz und Bernhard Fischer, Glaser," bezeichnet wurde.
Die Reihenfolge der Häuser im 1811 erstellten Häuser- und Rustikalsteuerkataster folgt in Kötzting nicht der Reihenfolge der später angelegten Hausnummern. Eine 1:1-Zuordnung ist daher nicht möglich, sondern wird erst später klar werden, wenn der Besitzer unseres Häuschens im Jahr 1811 bekannt ist. Es ist aber ein Anwesen beschrieben, das einem Wolfgang Mang gehören soll und das dem Glaser Andreas Fisch offenbar benachbart ist. Es galt also, die einigermaßen infrage kommenden Briefprotokolle zwischen 1790 und 1811 zu durchforsten, ob es einen entsprechenden Hinweis geben könnte. Bingo: Im Jahre 1804 ist eine Hausteilung protokolliert, bei der der Käufer, der Leineweber Mang(!), den Neumeier den Teil des Hauses erwirbt, der "gegen die Behausung des Andreas Fischers situiert ist", während der Verkäufer, der Leineweber Neumeier "sich von der Spitalseite her einen eigenen Eingang schaffen muss, da der bisherige vordere und hintere Hauseingang in der verkauften Hälfte bleibt . Die Stubenmauer wird eine Comunmauer." Das heißt, wir kennen den Geburtstag des Hauses an dieser markanten Stelle, es war der 14.2.1804.
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Georg Neumeier und Katharina Stöger
Wir haben also einen ersten Hausbesitzer des Gesamtanwesens, der am 14. Februar 1804 einen Teil des Hauses verkauft hat. Er selbst hatte das Anwesen mit der Webersgerechtigkeit am 3. November 1791 von seinem Vater, ebenfalls ein Johann Georg Neumeier, der sich zuvor mit der verwitweten Genoveva Härtl verheiratet hatte, um 400 Gulden übernommen. Das Anwesen war damals als „Haus mit Lein- und Zeugwebersgerechtigkeit zwischen Johann Drunkenpolz und Bernhard Fischer, Glasers Häusern” beschrieben.
Dies war die Situation, die – wie oben beschrieben – zu den intensiven Nachforschungen führte.
Wie angedeutet, kam es im Jahr 1804 zu einem Teileverkauf mit Teilung des Hauses.
In der Urkunde heißt es im Einzelnen, dass die Käufer, Wolfgang Mang, der bereits als „ebenmäßig bürgerlicher Zeug- und Leineweber derorten” bezeichnet wird, und seine Frau, die neue Kommunmauer zwischen den beiden Häusern – es war die Stubenmauer des Verkäufers – gemeinsam in baulichem Zustand zu halten haben.
Im Vertrag heißt es dazu genauer:
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StA Landshut Markt Kötzting Briefprotokoll von 1804 |
Neumeier verkauft "dem Wolfgang Mang ebenmäßig bürgerlicher Zeug- und Leineweber derorten. Ursula dessen Eheweib dann allen deren Erben und Nachkhommen von ihrer ludeigenen bürgerlichen Behausung die linke Hälfte gegen die Behausung des Andreas Fischers bürgerlichen Glasers situiert einschlüßig des vorhandenen Flezes, daß sofort der vordere und hintere EInagng zum Verkauften Hausantheil gehört, die dermalige Stubenmauer des Verkäufers in gerader Linie durch eine Communmauer wird, welche fortan von beeden Haustheilbesitzern gemeinsschftlich in baulichen Würden gehalten werden muss.... Die Verkäufer sich aber von der Spitalseite einen separirten Eingang von selbst zurichten haben, nebst de, ober dem gesagt linken halben Hausteil befindlichen Boden, welcher aber erst auf der bestimmten Linie von dem Käufer verschlagen werden muss....
Es wurde einfach eine innenliegende Zwischenwand als die neue Kommunmauer definiert, die dann auch in einer fiktiven Linie auf den darüberliegenden Dachboden projiziert wurde. Der Käufer musste zwar die Zwischenwand im Dachboden noch errichten; wie aber der Nachbar danach auf seinen Teil hinaufkommen konnte, brauchte ihn nicht zu stören.
Wir haben also nun die Reihung
Hausnummer 102 >>>>>> Georg Neumeier
Hausnummer 103 >>>>>> Wolfgang Mang
Hausnummer 104 >>>>>> Andreas Fischer
Sebastian Schielitz und Katharina Neumaier
Ein Eintrag in den Kötztinger Bürgeraufnahmen gibt uns einen Hinweis: Am 14.9.1809 erhielt Schierlitz
Sebastian von Chamerau, ein Leinweber, die Heiratserlaubnis mit der verwitweten Neumayer Katharina, bürgerl Webermeisterin v hier.
Im Aufnahmeprotokoll seines Antrags wird ausnahmsweise ganz genau beschrieben, was er als neuer Kötztinger Bürger zu erfüllen hatte: 
 | StA Kötzting AA II 18
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Vorkommen am 14. September 1809 Sebastian Schirlitz von Chamerau des Königlich bayerischen landgerichts Kötzting gebürtiger Untertans Sohn, bereits ausgedienter Landcastitulant(?), seiner Profession nach eine Leineweber, ehelichte die Katharina Neumayer, verwittibt bürgerliche Hausbesitzer= und Webermeisterin derorten, und erbath sich sofort die Ertheillung des hiesigen Bürgerrechtes. In Anhoffnung der allergdisten Genehmung eines K:b: Grae (=Regierungs) Commisariats des Regenkreises wird dem Bittsteller in evantum in seinem Gesuche doch nunter nachstehenden Bedüngnussen Erhör gegeben: a: Hat es die Verbündlichkeit als National Gardist 3ter Klasse die geeignete Dienste zu leisten. b: Drey Jahr lang auf der hiesigen Schussstatt sich in scharfschießen zu üben und da 3 nutzbare Bäume anzupflanzen und zu unterhalten. c: Zur Kommunal Kasse Kötzting als Bürgerrecht zuerlegen: 10 fl d: Feuerrequsiten Concurrenz 2 fl 30 xr e: konigl. aufnahmens Ratisication 2 fl f: Kanzleytax 37 xr g: Zur KommunalKasse Tax 2 fl Zusammen 17 Gulden 7 Kreuzer 2 Pfennige Es war nicht einfach, in Kötzting als Bürger und Handwerker Fuß fassen zu können.
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Mit dieser Information aus dem Jahre 1809, kann nun auch der dazu passende Eintrag im H+R Steuerkataster festgemacht werden.
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StA Landshut Rentamt Kötzting B 27 |
HsNro C (=100, erst später erhielt das Haus die lange gültige Nummer 102)
Sebastien Schirlitz das gemauerte Haus mit einem kleinen Gärtl
"Nutzantheil an den noch unvertheilten Gemeindegründen
Gemeindsantheil auf der Hütwöhr ao 1803 zu Wiese cultiviert
Von dem vertheilten Strohhof bei Grub 1 Ackerl"
Um 650 Gulden verkaufte am 17.12.1816 das Ehepaar Schierlitz ihr Haus an den Kötztinger Schwarzbäcker Georg Robl und dessen Frau Magdalena. Die Verkäufer äußern im Vertrag ihr Absicht, sich zukünftig in Mitterfels häuslich niederzulassen.
Georg Robl und Magdalena Karpfer
Den Hütwöhranteil, den Georg Robl mit dem Haus erworben hatte, gibt er postwendend an seinen Bruder Josef weiter. Lange blieb das Haus aber nicht in deren Besitz.
Elisabeth Dreger
Im Grundsteuerkataster von 1840 heißt es beim Haus mit der Nummer 102:
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StA Landshut Grundsteuerkataster 5039
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Hausnummer 102 in Kötzting Elisabetha Dreger, Witwe
Ein Haus
Gebäude: Wohnhaus und Stall aneinander, dann kleinen Hofraum
Beim Garten heißt es, allerdings komplett ausgestrichen:
Grasgarten beim Schlossgärtner
Im Jahre 1841 hatte Frau Dreger dieses Grasgarten bereits an den Buchdrucker Henne3berger verkauft, was möglicherweise die Grundlage für das Hennebergersche Haus im späteren Pfeffergraben gewesen sein könnte.
Auf der nächsten Seite, dort wo eigentlich nur der Vorbesitzer genannt sein müsste, stehen mehrere Einträge:
Nacheinander stehen dort drei Textblöcke:
Laut Brief vom 7. Februar - mit dem mittlerweile verkauften Garten PlNr 250 - 1821(die letzte Zahl ist unleserlich) von Georg Robl um 900 fl erkauft.
Laut Brief vom 19. November 1845 als Universalerbe der verstorbenen Elisabeth Tröger im Anschlage zu 300 fl übernommen
Laut Briefs vom 21ten April 1852 von Katharina Ring um 1700 fl gekauft
Über all den Hinweisen stehen oben am Rande noch: Wilhelm Denscherz und Katharina Ring.
Also zunächst die Suche nach der Zuordnung der Elisabeth Dreger:
Am 13.10.1789 heiratete der Witwer Joseph Dreger eine Elisabeth Ring aus Cham. Er starb laut den Kötztinger Sterbematrikeln am 27.02.1811 im Alter von 67 Jahren. Da die obige erbrechtliche Protokollierung im Jahr 1845 erfolgte, dürfte es als gesichert gelten, dass die am 29.05.1845 im Alter von fast 80 Jahren verstorbene Elisabeth Dreger die gesuchte Witwe ist.
Nun erfolgt also die Suche rückwärts von ED aus .
Wir wissen, dass sich Elisabeth Dreger im Jahr 1824 von ihrem Marktlehen im oberen Markt trennte und es ihrem Vetter Andreas Ring aus Cham verkaufte. Es passt also alles zusammen.
Hier noch einmal im Zusammenhang: Georg Neumayer verstirbt und seine Witwe Katharina Neumeier heiraten den Sebastian Schierlitz aus Chamerau Beide möchten weg aus Kötzting und verkaufen an Georg Robl, einen Schwarzbäcker (bäckt nur Brote). Als dieser sich auf dem heutigen Spitalplatz niederlässt verkauft er das kleine Haus an die Witwe Elisabeth Dreger, die kurz vorher ihr Marktlehen an ihren Vetter veräußert hatte. |
Aus dem Jahre 1842 gibt es eine genauere Beschreibung des Hauses:
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StA Landshut Grundsteuerkataster Nr. 5045 |
"Elisabeth Dreger Austräglerin /:Hauseigenthümerin:
Hauptgebäude:
Erdgeschoss: 2 Wohnzimmer, 1 Küche und Holzlege
Obergeschoss: 2 Wohnzimmer
Unter dem Dach: 1 Kammer und der Hausboden"
Katharina Ring
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StA Landshut Grundsteuerkataster Nr. 5041 |
"Angemeldet den 18. November 1845
Katharina Ring übrenimmt als Universalerbin der verstorbenen Elisabeth Dreger HsNr 102 zu Kötzting .......
Unterschrift Katharina Ring"
Katharina Ring gab eine Vollmacht an Franz Michael Weinzierl und dieser vee4rkaufte in ihrem Namen das kleine Haus an den Obstler Wilhelm Denscherz.
Wilhelm Denscherz
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StA Landshut Grundsteuerkataster Nr. 5041 |
Angemeldet am 21. April 1852
Katharina Ring HsNro 102 in Kötzting verkauft an Wilhelm Denscherz Bürger und Obstler von hier ....... um die Summe von 1700 Gulden.Unterschriften Franz Michael Weinzierl und Wilhelm Denscherz.
Und es geht munter so weiter mit dem "Bäumchen wechsel dich Spiel".
Am 5. Oktober 1857 verkaufte Denscherz Wilhelm das Haus mit der Nummer 102 an Irrgang Georg um 2250 Gulden. Dieser hatte im selben Zeitraum auch in das Marktlehen mit der Hausnummer 130 eingeheiratet - heute Elektro Vogl.
Irrgang Georg und Lemberger Katharina
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StA Landshut Grundsteuerkataster Nr. 5041 |
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StA Landshut Grundsteuerkataster Nr. 5041 |
Hier der Eintrag im Umschreibebuch mit den beiden Unterschriften.
Dieses Mal waren es drei Jahre, die das Haus bei einem Besitzer geblieben war. Am 7. Juli 1860 gings weiter. Georg Irrgang verkaufte an den Nagelschmied Anton Schreil und erzielte einen Kaufpreis von 2275 Gulden.
Anton Schreil und Mack Barbara
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StA Landshut Grundsteuerkataster Nr. 5041 |
Auch in diesem Umschreibeeintrag wieder die Unterschriften von Verkäufer und Käufer, Georg Irrgang und Anton Schreil.
Nur eine Woche später verkauft Anton Schreils Schwiegersohn - Wolfgang Neumayer auf der gleich daneben liegenden Wuhn - seinem Schwiegervater die Nagelschmiedsgerechtigkeit um weitere 1000 Gulden.
Anton Schreil und Weiss Josepha
Vier Jahre später kommt es endlich einmal wieder zu einer Übertragung innerhalb einer Familie. Anton Schreil der Vater übergibt das Haus und die Nagelschmiedsgerechtigkeit an den Sohn Anton Schreil.
Die Übergabsumme beträgt 2260 Gulden und das Datum war der 18.2.1864.
Aber auch dieser Besitzerwechsel sollte nicht von langer Dauer sein.
Anton Schreils Schwiegervater war der Kötztinger Gastwirt Kaspar Weiß (
Wirt auf dem Voglhof alte Hausnummer 9 ) und dieser hatte ein Problem mit der Gesundheit seiner Frau und wollte gerne verpachten.
Im Protokoll des Konzessionsakts bei der Stadt Kötzting heißt es kompakt:
Im Jahr 1865 wurde das radizierte Communbraurecht sowie das Tafern- und Schankrecht des Caspar Weiss an Anton Schreil, Nagelschmiedmeister, verpachtet. Weiss' Ehefrau wäre ständig krank, weshalb er die Rechte nicht mehr wahrnehmen könne.
Anton Schreil, der Schwiegersohn von Caspar Weiss, will die Rechte für drei Jahre pachten. Sollte Weiss aber innerhalb der drei Jahre verkaufen, so „bricht der Verkauf den Pachtvertrag”. Schreil darf "seinen Keller, sein Festgeschirr und vom Schankgeschirr 24 Maßkrüge, 31 Stück glatte Halbegläser, 5 Stück verschließbare Halbegläser, 13 Stück zinnene Krügel, einen Schankkessel aus Kupfer, ein kupfernes Halbgeschirr, zwei grüne Tische, eine Doppelsitzbank und drei messingene Kerzenleuchter" benutzen.
Das Pachtgeld beträgt für jeden Eimer Bier 1 fl, zusätzlich sind auf 10 Eimer Bier noch einen Eimer Nachbier zu zahlen. Steuern und Abgaben bezahlt Kaspar Weiss.
Die Genehmigung wurde unter Auflagen: Es müssen geeignete Aborte gebaut werden.
Vom nun folgenden Verkauf kennen wir zwar nicht das genaue Datum; es muss jedoch noch vor dem Frühjahr 1867 gewesen sein.
Fischer Franz Michael und Lemberger Josephine
Für das Kötztinger Bäckerehepaar Lemberger/Haselsteiner sind neun Kindergeburten in den Kötztinger Pfarrmatrikeln verzeichnet. Deren Tochter Katharina war ja - weiter oben - zusammen mit ihrem Ehemann Georg Irrgang bereits Hausbesitzerin gewesen. Nach dem Intermezzo als neuen Besitzer mit Anton Schreil kam jetzt die zweite Lemberger-Tochter auf das Haus. Josepha Lemberger hatte den aus Warzenried stammenden (Franz) Michael Fischer geheiratet, und sie wurden die neuen Besitzer.
Kaum auf dem Hause richtig angekommen, kam es in Kötzting zur großen Katastrophe, eine Woche vor Pfingsten brannte eine ganze Marktstraßenseite vollständig ab. Der Brandschaden reichte vom Alten Friedhof bis hinunter zur heutigen Kreuzung Marktstraße/Bahnhofstraße. Angesichts der damaligen Holzbauweise der Häuser und vor allem der Dächer mit den Holzschindeln, ist es nicht verwunderlich, dass auch die Häuser auf der gegenüberliegenden Häuserzeile leichte bis mittlere Schäden davontrugen.
Ende des Jahres 1870 stellte der Sattler Michael Fischer dann einen Bauantrag, durch den wir uns ein kleines Bild vom Inneren des Hauses machen können.
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StA Kötzting 502-1 |
Kötzting, den 30,. Dezember 1870
Erscheint heute Michael Fischer, Sattler von hier und trägt vor:
Ich habe ein Dachzimmer dasselbe ist ungefähr 20 Fuß lang u 20 Fuß breit. Der Kamin bildet eine Rückwand.
Ich möchte in dieses Zimmer ein kleines eisernes Oferl setzen und das Rauchrohr in den Kamin einleiten. Da dieses Zimmer zwar einen Rohrboden hat, aber doch ein Dachzimmer ist, so habe ich ein bedenken, ob die Feuerung in einem Dachzimmer erlaubt wird. Ich will beim Ofen setzen, die Bauordnung genau einhalten.
Deshalb bitte ich mir die Erlaubnis zu ertheilen, daß ich diese Feuerung herstellen darf.Michael Fischer.
Der Magistrat bittet den Kaminkehrer Diermayer, sich der Sache anzunehmen; dieser jedoch möchte will keinen Schnellschuss machen und stellt seine Stellungnahme zurück bis " nicht Fischer den Platz, wo er den Ofen hinsetzen will genau angibt, das vorhandene Mauerwerk, wo die Rauchleitung durchgeführt werden soll, durchschlägt ich vermuthe Holz eingemauert, damit man sich bezüglich der Feuersgefahr genau überzeugen kann.
Nachdem Michael Fischer die gewünschte Erläuterung gegeben hatte, kommt von Seiten des Kaminkehrers das grüne Licht. Allerdings gibt er zu bedenken, dass der Dachverschalung sich sehr nahe am Ofen befände, was dann tatsächliche Feuersgefahr bedeute, immer dann, wenn der Ofen sich in Betrieb befände.
Als er vier Jahre später einen neuen Bauantrag zur Umdeckung seines Schindeldaches stellt, kommt von Seiten des Magistrats ein Stopp. Dieser schreibt, dass "in Rücksicht auf die feuergefährliche Lage seines Hauses und dem Umstand das dass die projektierte Erneuerung des vierten Theiles seines Schindeldaches offenbar die allmähliche Umlagerung der ganzen Bedachung bezweckt. Die baupolizeiliche Erlaubnis zur Erneuerung des vierten Theiles seines Hausdaches mitels Schneidschindeln gemäß 3.8.4.5. Ziff 6 und 69 der Bauordnung nicht ertheilt und auf der Eindeckung dieses Dachtheils mit feuersicherem Material bestanden werden muss."
Am 13.8.1881 verstirbt der Sattler Michael Fischer im Alter von gerade mal 47 Jahren in seinem Haus am Marktplatz.
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StA Landshut Rep 166N-12 Schachtel 24 Nachlassakten Fischer Michael Sattler |
Dies bedeutet aber, dass die kleine Episode, die Paula Dittrich in ihrem eingangs gezeigten Geschichte des Hauses so lebhaft schildert, sie selber nur vom "Hören-Sagen" gekannt haben konnte, wenn der Hauptakteur, der Sattler Fischer, nachweislich bereits im Jahre 1881 verstorben ist.
Trotzdem hier noch einmal der Auszug über die Episode des neugierigen Sattlers Fischer:
D' Fenstergutzn hat scheint's ihra Neugier net g'stohln ghabt, denn ihra Vater is aa beim geringsten G'räusch auf der Straß mit'm Kopf aus'm Fenster grumpelt, damit eahm ja nix auskemma is. 's Christkindl- und 's Neujahroschiaßn hat 'n gärgert, weil's überall zwar kracht, er aber nix gsehgn hat: „De Malefizschiaßerei! 's größte Unglück kannt passiern, weilst as net sehgst, de Baze!"
„Dir gebn ma glei a Malefizschiaßerei und an Baze", ham se a paar Burschen denkt. „Deesmal sollst net bloß was hörn, sondern aa was sehgn und g'spürn!"
Beim Krämer-Metzger ham sa se a große Wurstspritzn voll Bluat herrichtn lassn, und mit dera und am Terzerol sans an Silvester kurz vor zwölfe ganz staad unters Fenster vom Fischer-Sodler gschlicha. Wias den ersten Schlag vom Kirchturm to hat, ham a paar g'schrian: „A recht a guats neus Jahr!" Und scho is am Fischer sei Kopf durchs kloane Fensterl außagfahrn.
In dem Augenblick hat oaner mit'm Terzerol in d' Luft pledert und da ander mit der Bluatspritzn aufn Fischer sein' Kopf abdruckt.
"Jessmariaundjosef, helfts, helfts, an Vatern hamand s' g'schossn!" hat ma von drin außa jammern hörn. Dann is's staad und 's Fensterl mit am fürchterlichn Krach zuaghaut worn.
Lang hat da Fischer-Sodler nimmer zum Fensteri außag'schaut, und in da Silvesternacht scho gar nimmer.
Was aber den Nachlassakt des Vater aus dem Staatsarchiv in Landshut so wertvoll macht, ist der ausgefüllte Familienbogen, auf den die drei "Mäderl" alle aufgeführt sind.
"
Der verstorbene Hinterließ ein Wohnhaus im Schätzungswerthe von 3000 M, welches sich im besitze der Witwe befindet.
Erben:
1. Josepha Fischer
Kinder:
Theres 20 Jahre alt >>>>>>>>>> 1881(!) spätere "Flucht nach Ägypten"
Maria 16 Jahre alt spätere "Fenstergutzn"
Anna 14 Jahre alt spätere "Sodlerabe"
sämtliche hier
Der benachbarte Schmied Michael Drunkenpolz wird als Vormund der Kinder in Vorschlag gebracht.
Der Protokoll der Verlassenschaftssache unterschrieben dann beide, die Witwe Josephas Fischer und der Vormund Michael Drunkenpolz.
Wie es damals, vor allem bei noch minderjährigen Kindern, so üblich war, wurde eine genaueste Inventur des Hauses, des beweglichen und unbeweglichen Inventars und der Schuldensituation aufgelistet. Nur in seltenen Fällen liegen diese Listen dem Nachlassakt bei und gewähren, wie in unserem Fall, einen genaueren Einblick in die Wohn- und Lebensverhältnisse in einem Kötztinger Haus um die Jahrhundertwende.
Die regelrechte Durchforstung des kleinen Hauses wurde von den beiden -vorher vereidigten - brauenden Bürgern Georg Dreger und Wolfgang Münch in Anwesenheit der Witwe und des Vormundes der Kinder vorgenommen. Ich stelle mir das als sehr unangenehm, vor, wenn fremde Menschen, kurz nach einem Trauerfall, das Unterste zu oberst drehen, um den Besitz monetär einschätzen zu können.
Das kleine Wohnhaus wurde auf 2400 Mark geschätzt wozu noch der Wert der Gemeindeanteile mit geschätzten 100 Mark addiert wurden.
Dann gings an die Einrichtung:
In der Wohnstube:
ein Tisch, eine Sessel, drei Stühle, zwei Hockerl, ein hölzernes Kanapee, ein Arbeitstisch 10 M
ein Cruzifix, zwei Glastafeln, eine Standuhr, ein Spiegel 3 M
sämtlich vorhandenes Werkzeug 5 M
ein alter Schüsselkorb mit Porzellangeschirr 1 M
zwei Betten mit Bettstätten 15 M
ein alter Commod und ein Stuhl 3 M
In der Nebenkammer
einige gefertigte Sattlerarbeiten, eine Lampe, ein Stuhl, einige Wasserschäffl 15 M
Auf dem Hausboden
Zwei alte Kästen mit den Kleidern des Verstorbenen 20 M
Im oberen Zimmer
ein Bett mit Bettstatt 15 M
eine Bettstatt mit zwei Polster 12 M
eine Bettstatt mit zwei Betten 30 M
ein Glaskasten mit Porzellaninhalt 5 M
ein Schüsselkorb mit Porzellan 3 M
ein dergleichen mit wenigem Porzellan und zwei Halblitergläsern 2 M
zwei kleine Tischchen 3 M
Gesamtwert der Mobiliarschaft einhundert und vierzig Mark
Baargeld
In der hiesigen Sparkasse 1300 Mark
Es folgt die Unterschriftenliste der Beteiligten:
Fischer Josepha
Die Sattlerswitwe überlebte ihren Mann noch viele Jahre und starb erst im Alter von 73 Jahren am 23. Mai 1905.
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StA Landshut Rep 166N-12 Schachtel 46 Nr. 35 Hanr 102 Fischer Josephine von 1905 |
Das kleine, markante Haus an der Straßenkreuzung ging nun in den gemeinschaftlichen Besitz der drei Töchter über, die im Nachlassakt mit ihren derzeitigen und früheren Berufen angegeben waren:
Fischer Theres, Maria und Anna
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Theres F. Näherin Maria F. ehem. Köchin Anna F. ehem. Köchin sämentliche hier. |
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Hier die Unterschriften der drei Fischer-Frauen |
Rauscher Georg - siehe in seiner eingangs angeführten Geschichte der "Fischer-Deandl" überspringt allerdings eine Besitzerin.
Er schreibt: "Seit
mehr als 40 Jahren ruhen die drei Schwestern, die als Sattler Fischer-Deandl
bekannt und oft zu Unrecht als unleidlich verschrieen waren, unter dem kühlen
Rasen, auch im Tode wie einst vereint. Vielleicht bittet mancher der damals
Jugendlichen, die oftmals so grausam sein konnten, den verstorbenen Jungfern
heute vieles ab, was er ihnen im Unverstand durch Spott und Hohn angetan hat.
Aber
nicht nur die Geschwister weilen nicht mehr unter den Lebenden, auch das Haus
am Stachus, das nach ihrem Tode in den Besitz des Lebensmittelkaufmanns und
Weingroßhändlers Ferdinand Liebl sen. überging, existiert nicht mehr. Im
Frühjahr 1967 wurde es abgebrochen. Ein moderner Neubau ist inzwischen
„gewachsen".
Frau Rabl- Dachs hat am 15.1.1997 mit Frau Maria Wensauer, einer geborenen Schwarz - am 8.4.1910 - ein sehr ausführliches Interview geführt, in dem es auch in einem kleinen Abschnitt über das Nachbarhaus geht. Frau Wensauer berichtet hier in einer weniger romantisierenden Form, als es die beiden Autoren gemacht hatten. Die ursprüngliche Frage ging nach der Situation im eigenen - dem "Parzinger/Dullinger" Haus. " In dem Haus bei euch daheim, habt da nur ihr gewohnt, oder
hat noch jemand anderer dort gewohnt?
"Nein, da haben nur wir gewohnt, da haben wir
niemanden sonst dringehabt. Neben uns war d'Drogerie und auf der anderen Seite d'Sodlerabeh
- zu unserer Zeit!"
Jetzt sagen Sie mir einmal genau das mit der Sodlerabeh! Jeder
erzählt mir etwas anderes. Das waren ...?
"Drei Schwestern und a jede, hat einen Namen g'habt.
Eine ist de Hupfert g'wen, oane war d'Sodlerabeh und oane hat Telegramme aus'trong.
(Anmerkung: Frau Dittrich schreibt und Frau Liebl erzählt:
Fischer-Sattler-Töchter, Maria, Anna und Theres – auch d'Sodlerabeh, d'Flucht
nach Ägypten, und d'Fenstergutzn genannt.) Wann die gestorben sind, an das kann
ich mich eigentlich gar nicht mehr erinnern, weil die waren damals auch schon
alt und wir waren Kinder, da hat man nicht so aufgepasst. Dann ist der Bauer
hineingekommen und die haben auch wieder Lebensmittel g'habt. Wie die gestorben
sind, das weiß ich schon noch, und wie sie gestorben ist, da sind wir sogar
drüben gewesen. Sie ist auf einem alten Kanapee g'legen - so wie man's halt
damals g'habt hat. Elendig san d'Leit g'storbn frühers! Nach dem Bauer hat's dann
der Liebl Ferdl g'macht".
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Bevor das Haus in den Besitz des "Liebl Ferdl" gekommen war, wurde kurz noch das Seraphische Liebeswerk im Grundbuch eingetragen, möglicherweise als die zunächst Begünstigten nach dem Tode der Fischer-Frauen.

Liebl Ferdinand und Kolbeck Maria
Liebl Ferdinand, geboren im Jahre 1908, konnte im Jahre 1934 das sogenannte "Dreimäderlhaus" der Geschwister Fischer in der damaligen Bahnhofstraße 102 - heutzutage das Schuhhaus Liebl in der Marktstraße - erwerben und sich dort mit einer Ausnahmegenehmigung als Kolonialwarenhändler betätigen.
Im Jahr drauf heiratete er Maria Kolbeck und zusammen konnten die Beiden das vor sich hin dümpelnde Einzelhandelsgeschäft wieder in die Höhe bringen, wie ein Gutachten der Industrie- und Handelskammer Passau aus dem Jahre 1939 belegt, als es darum ging, kleine Kötztinger Einzelhandelsgeschäfte zu überprüfen und gegebenenfalls zu schließen.
Zuerst jedoch wehrte sich diese Kammer unter Berücksichtigung eines neuen Gesetzes zum Schutz des Einzelhandels. gegen die Übernahme des Ladens. Ferdinand Liebl musste seine Situation erklären und anschließend fasste die Handelskammer seine wesentlichen Aussagen zusammen, die für eine Übernahme des Kolonialwarenladens sprachen.:
"Der frühere Hausknecht im Gasthof Post Kötzting Ferdinand Liebl zeigt bei Amt an, dass er ab 10.2.35 das schon seit 35 Jahren bestehende Kolonialwarengeschäft Hs. Nr. 102 in Kötzting übernommen habe. Er habe dies mit Zustimmung des Bürgermeisters getan, weil er seine bisherige Stellung wegen seiner Verheiratung habe aufgeben müssen und sonst nicht zum Leben habe....... Er sei in 2 Lebensmittelgeschäften in München zusammen etwa 1 1/2 Jahre als Verkäufer tätig gewesen..´
Seine Braut sei 2 Jahre in einem Kolonialwarengeschäft in Grafenwiesen als Verkäuferin gewesen."
Das abschließende Gutachten stellt ihm ein gutes Zeugnis aus und so konnte das junge Paar sich am „Kötztinger Stachus“ seinen Lebensunterhalt verdienen
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StA Landshut Spruchkammer Kötzting Nr. 1249
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DIA-Repro 2605 Maria Kolbeck und Ferdinand Liebl Hochzeitsbild |
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DIA-Repro 2604 Das junge Ehepaar Liebl in ihrem Laden in der heutigen Marktstraße 10 |
Frau Christa Rabl-Dachs führte im Jahre 1996 ein Gespräch mit Frau Liebl und darin schildert sie ihren Teil des oben angesprochenen Ablaufs:
Gespräch auf der Straße mit Frau Liebl (Lieb Ferd1)
25.9.96
Frau Liebl stammt aus Grafenwiesen und hat in Kötzting im Hotel zur Post bei der alten Frau Post noch gelernt. Nach drei Jahren ging sie ein Jahr zum Graßl (damals Wirtshaus Graßl in der Marktstraße). Dann arbeitete sie beim Lindner (Brauerei). Sie wurde von der Frau Lindner wie ein eigenes Kind behandelt, denn die Eheleute Lindner hatten keine Kinder. Sie heiratete dann mit
19 Jahren den Liebl Ferdl und sie kauften vom Seraphischen Liebeswerk das Eckhaus Herrenstraße/Marktstraße, das im Volksmund "Drei MäderI-Haus" geheißen hat und heute ihrem Sohn Ferdi (Schuh-Liebl) gehört. Vor ihnen betrieb der Bauer Franz dort einen Lebensmittelhandel, den sie weiterführten. Im ersten Stock wohnten die drei Schwestern Fischer. Eine hieß "Sodlerabe'", die andere "die Flucht nach Ägypten, und die dritte nannte man "Festerschaun".
(Eine etwas andere Erzählung, als von den Schwestern Schaffer/Bottenhofer).
Die drei Schwestern Fischer kannte sie noch gut aus der Zeit, als sie im Hotel zur Post arbeitete. Dort bekamen die drei alle Tage am Mittag umsonst von der Frau Post eine warme Suppe. Als die Schwestern dann gestorben sind - alle drei in sehr kurzen Abständen - hinterließen sie sehr viel Bargeld.
Ihr Mann musste schon sehr früh in den Krieg (schon ein halbes Jahr vor Kriegsbeginn, weil er bei der Partei war) und dann kurze Zeit in Gefangenschaft. Deshalb führte Frau Liebl, die damals noch sehr jung war und zwei kleine Kinder hatte, das Geschäft alleine. Während des Krieges kaufte sie dann den Kollmaier-Keller in der Jahnstraße dazu. Früher stand dort, wo jetzt der Getränke-Laden ist, eine Kegelbahn.
Im Lebensmitteladen in der Herrenstraße Marktstraße hatte sie zeitweise bis zu vier Verkäuferinnen. Unter anderem die Frau Auzinger und die Schwester vom Dr.Schmidt. Während des Krieges und dann auch noch später, beschäftigte sie auch ein Kindermädchen für ihre kleinen Kinder. Das erste Kind starb bei der Geburt.
Schwer waren die Zeiten, als sie Ware auf Lebensmittelmarken verkaufen musste. Während des Tages kamen die Leute in das Geschäft und kauften mit Lebensmittelkarten ein, die sie dann am Abend sortierte und die sie am nächsten Tag in der Früh bei der Gemeinde abliefern musste.
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DIA-Repro 3370 das Ehepaar Maria und Ferdinand Liebl |
Nach
dem Kauf des Kollmeierkellers erweiterte das Paar ihren ursprünglichen Lebensmittelhandel um den Bereich des Wein- und Spirituosengroßhandels, den sie auch systematisch ausbauten, und begannen ihren eigenen "Schnaps" zu brennen.
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KÖZ aus der Sylvesterausgabe 1956 |
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Foto Stadt Kötzting "Schwarze Mappe" |
Ende der 60er Jahre kam dann der Wechsel vom Lebensmittelgeschäft zum Schuhhandel und der Umbau das Hauses - auf engstem Raum - war spektakulär und das kleine markante Haus am Kötztinger Stachus war Geschichte.
Im April 1967 wurde das kleine Häuschen abgerissen und - nach den Vorbereitungsmaßnahmen für die Fundamente - dann kam im Juni 1967 das Autokran, um das Stahlskelett zu errichten.
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Kötztinger Zeitung vom 5.4.1967 |
Und danach schauten die Werbeanzeigen ganz anders aus:
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F. Liebl jun. "IM CENTRUM KÖTZTINGS" |
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Foto Pongratz im Frühjahr 2025 |