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Donnerstag, 29. Oktober 2020

Spuren aus dem Mittelalter - der Versuch einer Erklärung

Ein unbekanntes Bodendenkmal auf Kötztinger Grund und Boden



Den Steinwall, von dem ich glaube, dass er eine historische Grenze markieren könnte, kenne ich schon aus meiner Kinder und Jugendzeit. In unserem (Familien) Wald an der Straße nach Wettzell markierte er die einzige Grenze, bei der sich mein Vater sicher war, dass die Bäume entweder bei ihm oder aber beim Nachbarn standen. Bei allen anderen Grenzsteinen hatte er nur eine ungefähre Vermutung und blieb daher bei allen Pflegemaßnahmen immer weit auf der sicheren, seinen - Seite. Aus diesem Grunde wurde der südliche Grenzverlauf auch nie freigeschnitten und stellte bis vor wenigen Jahren ein undurchdringliches Dickicht dar.
WO ist also zunächst mal dieser "Steinwall": Der Waldstreifen liegt an der nördlichen Seite der Straße nach Wettzell. Kommt man von Kötzting fährt man nach Dachsenbühl hinein in den Wald, nach der "S".Kurve bergauf liegt links unten am Ende einer Wiese die Einöde Egern und danach - erkennbar an einem kleinen Marterl, beginnt der Wald, der einmal zum besitz des Klosters Rott gehört hatte. Nach vielleicht 200 m kommt links eine verbreiterte Holzlagereinfahrt und hier, hinter der ersten Busch/Baumreihe in Richtung Osten stößt man sofort auf diese Anhäufung von großen und sehr großen unbehandelten Steinen.
Vor wenigen Jahren, im Zusammenhang mit einem Sommerlager der Sinzinger Pfadfinder, bin ich zum Bauernhof unseres Stadtrates Heinrich Wieser in Riedersfurth gefahren. Ich habe aber nicht die Straße durch Ried am See benutzt, sondern den Feldweg, der, noch im Wald, nach rechts direkt zum Bauernhof abbiegt. Da dieser "Weg" mehr als nur holprig ist, zuletzt hatte ich ihn vor vielleicht 40 Jahren mit meinem 2CV befahren, dem das nichts ausmachte, musste ich nun mit einem "modernen" Auto diesen Weg sehr langsam befahren und hatte daher auch Gelegenheit nach links und rechts zu schauen:>>>>>> ein Steinwall in der mir bekannten Art auf der linken, bergseitigen Wegseite. Nach den Gesprächen bei unserem (Pfadfinder) Holzlieferanten Wieser weiter zum Hajerbauer, Vogl in Ried am See, dem Besitzer der Wiese auf der wir zelten wollten. Dort habe ich dem Senior, dem Altbürgermeister Vogl von dem Wall erzählt und er meinte, dass er solch einen Bodenfund auch in seinem Wald in Richtung Sackenried habe und kenne.

Ausschnitt aus der historischen Karte vom Bayernatlas.de : Ausschnitt Riedersfurth

Hier der Verlauf an der Grenze des Gruberholzes



Bild 1: Blickrichtung nach Süden:
Beginn des "Walles", der durch den
Neubau der Straße nach Wettzell
hier durchschnitten wurde

So, nun stellt sich die Frage wer und warum macht sich jemand die Arbeit mit diesen abertausenden von Tonnen und großen und schweren Bayerwaldgesteins eine innerbayerische Grenze zu markieren. Nimmt man die gar nicht so seltenen historischen Grenzbeschreibungen von Hofmarken (zB der Hofmark Wettzell) oder zwischen den einzelnen Landgerichten (z.B. zwischen den Landgerichten Cham und Kötzting) oder den Jagdbereich der Hofmark Runding oder zwischen den Ländern Bayern und Österreich (Böhmen) oder dem Waldbesitz am Kaitersberg des Klosters Rott, um nur einige bekannte zu nennen, als Beispiele, so sieht man, dass diese sich an markanten aber natürlichen Geländemarken entlanghangeln. Hinzukommt, dass diese Grenze, die zuerst einmal direkt an der Trennlinie zwischen den LGs Kötzting und Viechtach entlangläuft ja auch historisch zu EINEM Herrschaftsgebiet, nämlich dem Herzogtum Niederbayern Straubing gehörten. Solch ein Aufwand, als reine Markierung zwischen 2 Landgerichten, macht keinen Sinn.

Bild 2: Fortsetzung des Walles nach Bild 1 Blickrichtung Norden


Bild3: weiter Richtung Norden, hangabwärts.
Theoretisch hätten es ja auch Steinmauern am Rande von Feldern und Wiesen sein können, die zur Bearbeitung dieser aus der Fläche geräumt worden waren. ABER die Fläche war nachgewiesenermaßen jahrhundertelang als Schwarzwald in Besitz des Klosters Rott UND ist in seinem solchen Maße durchsetzt von großen, kleinen und riesigen Steinen, dass auf dieser Fläche nur ein Wald gestanden haben kann. Diese Flächen waren- man sieht es ganz deutlich an den Wurzelplatten der vom Sturmwind geworfenen Bäume-  noch nie unter dem Pflug gestanden, also hatten noch nie etwas anderes als Wald getragen. Der belebte und damit von den Pflanzen benutzbare Bodenhorizont ist gleichzeitig so dünn, dass es fast ein Wunder ist, dass hier überhaupt etwas wachsen kann.
BIld 4: nächste Verlängerung nach Norden, hangabwärts

Also: keine Feldrainansammlung, kein Windschutz (wie in nördlichen Ländern), keine Grenzlinienmarkierung denn eine solche macht zumindest in der Neuzeit überhaupt keinen Sinn.

Bild 5: weiter Richtung Süden hangabwärts
Was bleibt: es ist auf jeden Fall eine Markierung, eine die, zumindest an den aufgefundenen Stellen, auch genau mit der Grenze zwischen den Landgerichten Viechtach und Kötzting entlangläuft.

Bild 6 weiter gehts nun am südlichen Ende "meines" Waldes
Bild 7: weiter nach Süden


Bild 8 weiter hangabwärts


Bild 9: mein südlicher Grenzstein liegt am/im Grenzwall

Bild 10: auch weiter südlich, beim Nachbarn geht die Steinlage weiter.
Wenn es also in der Neuzeit keinen Grund gegeben hat, solch einen aufwendigen Materialtransport zu organisieren, so könnte ein möglicher Grund einfach noch viel weiter zurück in der Vergangenheit gelegen haben, als Kötzting und Viechtach eben nicht innerhalb eines Herrschaftsgebietes gelegen haben. Zu den Zeiten der alten Markgrafschaften grenzten hier die Grafen von Bogen und die von Cham aneinander.

Im "historischen Atlas von Bayern" Landgericht Cham heißt es auf Seite 3 über die Grenzen der Mark Cham:
Die Grenzen der Mark Cham lassen sich mühelos aus der Verbreitung der markgräflichen Dienstmannesitze, dem Umfang des Dekanates Cham nach den Matrikeln von1286 und 1326 und den ältesten Herzogsurbaren erschließen. Im Osten und Südosten(Sic) - hier besonders gegen die Grafschaft Bogen - bilden demnach die Pfarreien Eschlkam, Rimbach, Kötzting, Moosbach, Lengau (=Chamerau)  und Peilstein  die Grenze der Mark Cham.

Diese Gebietstrennung bzw. kräftige Markierung der Grenze macht nur in diesem Zusammenhang Sinn, spätestens mit dem Teilungsvertrag vom 3.6.1353 und der damit erfolgten Abtrennung ua des Kötztinger Gebietes vom Gericht Cham  macht solch ein Aufwand überhaupt keinen Sinn mehr.
Interessant in diesem Zusammenhang ist auch noch, dass es zwischen den späteren Landgerichten Kötzting und Viechtach, also auf der Linie, die hier wohl ganz - oder in Teilen - markiert ist, selbst im 18. Jahrhundert noch Bereiche gab, die als strittig angesehen wurden.
Im "historischen Atlas von Bayern" Landgericht Kötzting findet sich eine Karte, in der diese Stellen schraffiert eingezeichnet sind. Diese Gebiete im Zellertal schließen sich offensichtlich direkt im Norden an den aufgezeigten Steinwall an.

 Schaut man sich die Karte an der Stelle östlich der Stockmühle an, so ändert die Grenzmarkierung seine Stärke, bis Niederndorf kommt nun ein "strittiger Bereich" bevor ab Thalersdorf dann wieder ein unbestrittener Grenzverlauf einsetzt. Von der Stockmühle westwärts jedenfalls sollte sich dieser Steinwall durchgehend finden lassen, was einmal eine schöne (such) Wanderung für Grenzsteingeher wäre. Auch die Verlängerung über den schwarzen Regen bei Riedersfurth hinüber, wäre interessant, auch wenn man berücksichtigen muss, dass die Alte Grenze zwischen Ahrain und Lehen hindurchging und nicht wie heutzutage zwischen Wimbach und Lehen. Da wir (Pfadfinder) seit vielen Jahren in diesem Bereich zelten, kenne ich auch dort einige "Mauer"funde, die mich stark an den bei mir im Wald erinnern.
Hier nun also der weitere Verlauf:
Dies ist der Grenzbereich zwischen Ried am See und Riederfurth, der auch heutzutage ebenfalls noch zumindest im nördlichen, bewaldeten Teil mit solch einem Steinwall markiert ist. 



Auch bei Sackenried sollte man die "Mauer" entlang der alten Grenzlinie finden können:
hier noch einmal der Kartenausschnitt, der den Verlauf der Wettzellerstraße - ähnlich wie bei der Satellitenaufnahme aufzeigt.


Zu Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die Wälder - zuvor dem Kloster Rott im Rahmen der Säkularisation enteignet und dem Staat einverleibt - versteigert. Von dieser Versteigerung gibt es einen Plan, der die Situation des Gruberholzes zeigt, eines Bereiches also, der damals, wie heute mit Hochwald bestanden und eben zu keinem Zeitpunkt eine Feldflur gewesen war, die solch eine Abgrenzung erklären würde. Gleichzeitig sind die Böden in diesen Gehölzflächen übersäht von Gesteinsbrocken, so dass es eher verwundert, dass die Fichten und Tannen in diesem Bereich so nachhaltig kräftig wachsen. Vermutlich sind es die kleinen Wasserläufe, die dieses außergewöhnlich kräftige Wachstum ermöglichen. Die Steinwälle sind jedenfalls nicht dadurch entstanden, dass man versucht hatte, die Waldböden steinfrei zu bekommen. 


Sta Landshut Regierung Unterdonaukreis KdF 695 von 1821 




Zum Abschluss noch ein paar Bilder, wie sich der Steinwall über die Straße hinaus weiterverfolgen lässt:
dies ist der Bereich sofort oberhalb der Straße

der Waldweg sollte die alte Wettzeller Straße darstellen





































































weiter gehts den Weg entlang bis zu dem im Hintergrund dünn erkennbaren Grenzsteinpfahl:
























folgt man diesem Weg, bis zu der Markierung so biegt,
wie auf der Karte der Wall dann rechtwinklig in den Wald hinein ab.


Also, nicht genaues weiß man/ich nicht, aber es ist ein interessantes Bodendenkmal und sicherlich wäre es interessant, in wie weit man dieses "Bauwerk" rudimentär bzw. noch intakt nach Osten bzw. Westen weiter verfolgen könnte.