Schon seit vielen Jahren beschäftige ich mich mit dem Leben unserer früheren jüdischen Kötztinger Mitbürger - im Wesentlichen die beiden Großfamilienverbände Kirschner und Hahn - und drücke mich wie die Katze um den heißen Brei um eine Veröffentlichung herum. Nicht, weil ich das Thema der Erniedrigung, der Enteignung, der Vertreibung und der - bei einigen Familienmitgliedern - späteren Ermordung nicht aufgreifen möchte, sondern weil ich immer noch das Gefühl hatte, ich hätte noch nicht alles Wichtige an Material und Dokumenten beisammen.
Nun ist es eine GOLDENE REGEL der Familienforscher - und aus der Ecke komme ich ja ursprünglich - mit Veröffentlichungen nicht zu lange zu warten, weil man
zweitens: man unter Umständen zu lange gewartet hat und die Erben den ganzen, mühselig gesammelten, Plunder (in deren Augen) einfach wegwerfen.
in München im Staatsarchiv gefunden habe, hatte ich mich entschlossen, nicht mehr länger zu warten, und habe einfach mit diesem kleinen, tapferen Mädchen einen Anfang gemacht, der nun seine Fortsetzung finden soll mit dem nächsten Blog über unsere jüdischen Mitbürger, nämlich ihrer Familie.
Über das Schicksal der kleinen Susanne Kirschner gibt es mittlerweile sogar einen Podcast:
Hier der >>>>>>>>> link dazu <<<<<<<<<
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links in dem Postkartenausschnitt das Anwesen des
Moritz Kirschner in der Marktstraße |
Die bayerische Sprache ist manchmal sehr direkt und gleichzeitig drückt sich in ihren "Regeln" auch unausgesprochen eine gewisse Zugehörigkeit bzw. ein Ausschluss aus. Wenn also die Kötztinger, und das tun auch heutzutage noch alle älteren Kötztinger, vom "
Kirschner Juler" ( in dieser Reihenfolge also Familienname, Rufname) sprechen, dann drückt sich damit eine Anerkennung als geachteter Bürger, der in der Mitte seiner Gemeinschaft stand, aus. Ähnlich wie bei den benachbarten "Achtler Walter" und dem "Schwarzanderl Gang" war der "Kirschner Juler" in Kötzting der 20er und beginnenden dreißiger Jahre eine feste, hochangesehene Größe und ein Begriff, der vor Allem untrennbar mit dem Fußballspiel in Kötzting verbunden war.
Nur der Vollständigkeit halber, bei der, fast benachbarten, zweiten jüdischen Familie Hahn sprach man - ich kenne den Ausdruck sogar heute noch von älteren Mitbürgern und zwar ausdrücklich ohne jeden despektierlichen Hintergrund - "mir gengan zum
Hahn Jud".
Dies ist, offensichtlich der Regel der bayerischen Hausnamen folgend, wohl ebenfalls ein Ausdruck, bei dem der Benutzer sich beim Aussprechen keinerlei Gedanken über den möglicherweise fatalen Beigeschmack macht(e). Wenn ich ältere Mitbürger, was mittlerweile selten genug vorkommt, bei Gesprächen diese beiden Ausdrücke benutzen höre, höre ich daraus weniger eine Herabsetzung der Personen, sondern es ist für mich vor allem der Ausdruck, dass die - positive - Erinnerung an die beiden Familien gerade noch am Leben ist. Dies wird leider eh nicht mehr lange der Fall sein.
Also fangen wir mal an, wann geht es los mit den ersten jüdischen Familien in Kötzting?
Zwar war es seit dem Judenedikt von 1813 rechtlich möglich, dass auch jüdische Mitbürger in Bayern Grundbesitz erwerben durften, aber erst mit der Annahme der Verfassung des neu gegründeten Deutschen Reiches von 1871 kam es zur tatsächlichen vollkommenen Gleichstellung unserer jüdischen Mitbürger. In Österreich, speziell im Königreich Böhmen, war die Situation für jüdische Mitbürger schon vorher wesentlich besser und so bildete sich, vermutlich auch ausgehend von einem Zentrum jüdischer Kultur und Lebens in Prag, eine wachsende jüdische Bevölkerungsschicht. Wikipedia schreibt von ein Volkszählungen für Böhmen aus den Jahren 1846 bis 1880
und berichtet von einen jüdischen Bevölkerungsanteil von 1,6 – 1,8 Prozent in Böhmen.
Vor allem im böhmisch-bayerischen Grenzgebiet gab es einen großen Anteil an jüdischen Mitbürgern und mit der rechtlichen Gleichstellung in Bayern begann dann auch langsam eine Besiedlung zuerst der größeren Städte in Bayern und dann bald auch im Markt Kötzting.
In unserem Bereich war es vor allem die Stadt Cham, welche für die jüdische Bevölkerung des Umkreises
ein religiöses und kulturelles Zentrum darstellte. Sichtbares Zeichen dieser Verbundenheit mit Cham ist heute noch der
jüdische Friedhof auf der Bergeskuppe in Windischbergerdorf, ein beeindruckendes Zeugnis jüdischen Lebens in unserer Gegend.
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Repro 3193 Arbeitskreis Heimatforschung Hnr 127 von 1894. 1890 bezog Moritz Kirschner dieses Haus, 1896 hat er das Anwesen dann erworben. |
So wie und wann und vor allem woher kamen nun die Kirschners?
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Stadtarchiv Kötzting
Familienstammbogen Moritz Kirschner |
In bayerischen Städten und Gemeinden galt damals noch die Rechtsform des Heimat- bzw. Bürgerrechts. Dieses Recht beinhaltete auch eine Art von sozialer Absicherung (auf sehr niedrigem Niveau) für seine Träger (und dessen Familie). Daher erhielt nicht jede Person, welche in einem Ort zugezogen war, automatisch sofort dieses Heimatrecht, sondern es wurde ganz genau hingesehen, ob der Neuankömmling nicht vielleicht nur eine Bürde fürs Gemeinwesen war. In dem Fall wäre sein Geburtsort zuerst einmal zuständig
Am 22. Oktober 1898 jedenfalls wurde dem Kaufmann Moritz Kirschner, geboren am 14.1.1851 in Neznaschau in Böhmen in Kötzting ein Familienstandsbogen ausgefüllt, der ihn in die Liste der Personen aufnahm, die in Kötzting ausdrücklich ohne Heimat- und Bürgerrecht wohnten, obwohl er zu diesem Zeitpunkt, lt eigener Aussage, bereits seit 1896 Eigentümer des Hauses mit der Nummer 127 war, heutzutage ein Feng Shui Laden.
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Stadtarchiv Kötzting Familienstammbögen |
Er selbst beschrieb seinen Werdegang in seinem Antragsschreiben zur Erlangung des vollen Kötztinger Bürgerrechts am 6.7.1900:
Ich bin seit 21.5.1890 in Kötzting wohnhaft, wo ich seit dieser Zeit ein Kaufmannsgeschäft betreibe und die mich betreffenden Steuern und Umlagen stets bezahlt habe.
Seit 19.August 1896 bin ich im Besitz des Anwesens Hs No 127 dahier.
Bisher war ich in Neznaschau k.k. Bezirkshauptmannschaft Klattau beheimatet.
Ich stelle die Bitte, mir, nachdem die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen, das Heimat- und Bürgerrecht in der Gemeinde Kötzting gegen Bezahlung zu verleihen.
Ich bin am 14. Januar 1851 in Neznaschau geboren, später habe ich mich am 12.Juni 1884 in Modlin bei Neugedein in Böhmen mit Therese Hahn verehelicht und besitze 8 Kinder
Kirschner Helene geb. 14.9.84 in Modlin
Albert geb 24.12.86 in Modlin
Max geb 28.6.88 in Modlin
Amalia geb 10.4.90 in Modlin
Julius geb 12.4.92 in Kötzting
Josephine geb 6.7.93 in Kötzting
Ida geb 24.6.98 in Kötzting
Fany geb 8.6.00 in Kötzting
Seine Frau Therese Hahn selber war am 26.8.1858 in Neuern geboren worden.
Das heißt, dass Moritz Kirschner bereits seit 10 Jahren in Kötzting gewohnt und gearbeitet hatte, seit bereits 4 Jahren Besitzer eines Marktlehens gewesen war und erst nach Ablauf dieser Frist den Antrag stellen konnte, als Kötztinger Bürger sein Bürgerrecht sich zu kaufen.
Unsere tschechischen Nachbarn sind, was den digitalen Zugang zu ihren Archiven angeht, viel, viel weiter als wir hier in Bayern.
Unter der Hausnummer 9 findet sich bei der Volkszählung in Neznaschau des Jahres 1880 noch die ganze Familie Kirschner aufgeführt:
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http://portafontium.eu/iipimage/34432376?x=-119&y=37&w=1050&h=383
hier findet sich die ganze Familie Kirschner aufgelistet. |
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http://portafontium.eu/iipimage/34432376?x=27&y=202&w=422&h=154 |
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http://portafontium.eu: Karten hier, am Rande von Neznaschau, im Hause Nummer 9 wohnte die Familie Kirschner |

Kirschner Josef, Haushaltsvorstand, geboren 1815 in Neznaschau, Okres Klattau, seine Frau Josepha geb 1816 in Loucim Ocres Susice und dann schon der Sohn Moritz, geboren in Neznaschau. Seine weiteren Geschwister waren Jakob, Anna und Sofie.
Weiter sagt uns die Volkszählung, dass die Familie Kirschner 2 Pferde, eine Stute und einen Wallach, und vier Rinder besaß, wovon zwei Kühe, die zwei anderen aber noch den Jungrindern zugeordnet waren.
Die Richtigkeit all dieser Angaben bestätigte Josef Kirschner mit seiner Unterschrift:
Schaut man sich die einschlägige topographische Literatur dieser Gegend an, so deckt sich der Befund von 1880 auch mit noch früheren Angaben.
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In der topographischen Beschreibung Böhmens von 1839 ist in Neznaschau bei 264 Einwohnern von 4 israelitischen
Familien die Rede |

Auch der spätere Aufenthalt in Modlin findet sich in der Literatur: In einer Einwohnerbeschreibung welche den Zeitraum von 1840-1870 umfasst, findet sich der Hinweis: In Modlin waren Adam Hahn und Moritz Kirschner. Also genau die beiden Familiennamen, welche später dann auch als Ehepartner in Kötzting einwanderten
Wo liegt denn nun dieses Neznaschau?
Das moderne Internetkartenmaterial hilft auch hier weiter:
Sogar die Hausstelle kann man heutzutage per Satellit ausmachen:
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Google Maps:
Vergleicht man diese "Luftaufnahme" mit dem Plan aus
dem 19. Jahrhundert weiter oben, so hat sich gar nicht
so viel geändert. |
Doch zurück nach Kötzting,
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Kinderfestzug 1905 Bild aus der Sammlung Voithenleitner |
Die
Familie Häfner - Voithenleitnerhaus - war um die Jahrhundertwende bereits sehr fortschrittlich besaß einen Photoapparat daher besitzen wir viele Bilder aus dieser Zeit, vor Allem natürlich von den großen Umzügen in Kötzting. Da der Photograph der Familie sehr
häufig aus dem eigenen Haus - bzw. hier aus dem alten Rathaus - heraus
photographiert hatte ist, ist automatisch das gegenüberliegende Haus
sehr häufig der Hintergrund ihrer Bilder.
Hier eine Aufnahme des Kinderfestzuges von 1905, neben dem Festzug fällt der Blick dann auch auf die Menschengruppe auf der Treppe vor dem Kirschneranwesen, die direkt dazu reizt, eine kurze Bildanalyse vorzunehmen:
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Bildausschnitt aus dem obigen Bild: Bildrechte Sammlung Voithenleitner |
Das
Bild wurde, wie gesagt, 1905 aufgenommen, die Kirschners, die den Laden betreiben,
sind 15 Jahre
zuvor - die ersten Kinder sind noch in Böhmen geboren - aus Modlin in
Böhmen zugewandert. Das bayerische Heimatrecht haben sie dann mit dem
Kauf des Gebäudes 1894 erhalten. Zu sehen ist also das Geschäft des
Moritz Kirschner
, einer der Buben ist wohl Julius, ein anderer Max Kirschner, der
noch
im Herbst 1914 am Anfang des Krieges für das Deutsche Reich gefallen ist. Eines der Mädchen ist Ida Kirschner, die Frau des späteren
Kötztinger Kreisbaumeisters Hermann Seiler, also Ida
Seiler. Zwei der anderen Mädchen sind in die USA ausgewandert.
Eines der Mädchen hatte später als verheiratete Freiwirth 2 Buben, die
den Naziterror überlebt haben und danach in England und den USA lebten.
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Sammlung Voithenleitner |
Interessant ist die Personengruppe am oberen Ende der Eingangstreppe.
Vor allem der bärtige Mann ganz oben scheint einen typisch jüdischen Hut
zu tragen. Da ich mit
Frau Anna Rosmus
in den USA mehr oder weniger regelmäßig Kontakt habe, habe ich ihr
gleich den Bildausschnitt zugesandt und um Ihre Meinung gebeten, ob ich
mit meiner Vermutung richtig läge. Frau Rosmus hat sich an ein paar
Spezialisten für jüdische Kleidung in den USA gewandt und wenige Wochen
später kam die Bestätigung:
"The dark hat may be a
Shtreimel. Basically, this is a hat worn by Hasidic men on
special occasions. It is traditionally made of fur. That is my guess.
The other man may also have some type of Hasidic dress on. I am
sending you some pictures to look at comparisons. Of
course this is only my educated speculation."
Da
wir den Familienverband der Kirschners um die Jahrhundertwende genau
kennen, war es wohl so, dass sich Besuch aus Böhmen angekündigt hatte,
um das Kötztinger Spektakel zu bewundern. Die Mädchen und Buben,
festtäglich gekleidet, waren sicherlich nicht in der Kötztinger - katholischen - Volksschule
eingeschult und daher auch nicht Teilnehmer des Kötztinger
Kinderfestzuges.
Dieser
Bildausschnitt ist ein unbezahlbarer Beleg über unsere damaligen jüdischen
Mitbürger, die sich hier sichtlich gefreut haben und den Festzug und die
festlichen Tage in Kötzting sicherlich auch genossen haben.
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Kriegsarchiv Ingolstadt Kriegsstammrollen der
bayerischen Armee für den Unteroffizier Alfred Kirschner |
Nun also weiter mit der großen Familie, die Kinder wuchsen heran und die drei Buben wurden als junge Männer zur bayerischen Armee eingezogen.
Alfred Kirschner, der älteste, 1886 in Modlin geboren und mittlerweile als Zollinspektor in Ludwigshafen in Lohn und Brot, diente bereits 1908 als Einjährig Freiwilliger beim 11. Infanterieregiment und wurde 1 Jahr nach Dienstantritt wegen Dienstunbrauchbarkeit entlassen, hatte allerdings lange Zeit am Offiziersunterricht teilgenommen. Im ersten Weltkrieg diente er 1915 zuerst bei der 2. E(isenbahn) Trainabteilung, später dann beim Grenzschutzbataillon. Im Herbst 1918 wechselte er dann zur bayerischen Fuhrparkkolonne. Seine Teilnahme am Stellungskrieg in Flandern wird ausdrücklich erwähnt.
Viel schlimmer erwischte es seinen jüngeren Bruder Max Kirschner, zwei Jahre nach Alfred, aber auch noch in Modlin geboren.
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Kriegsarchiv Ingolstadt Kriegsstammrollen der
bayerischen Armee für Max Kirschner |
Am 15.8.1914 eingezogen
am 16.8. vereidigt
am 20.9. nach Fürth versetzt
am 21.10. weiter an die Front.
am 16.11.1914 in Frankreich gefallen
In seiner Kriegsstammrolle ist nur noch erwähnt, dass er vom 30.10.-16.11. an der Schlacht bei Ypern teilgenommen hatte und dass er wegen seines Einsatzes in dieser Schlacht sogar beim Bataillon zur Beförderung vorgeschlagen wurde.
Der nächste Eintrag sagt ganz nüchtern: am 16.11.1914 im Reservelazarett 68,25 Res.Div. in Comines infolge Verwundung (Bauchschuß) gestorben.
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Auszug aus der Kriegsstammrolle für Max Kirschner Quelle: Ancestry.com, die amerikanische Genealogieseite, welche die Dokumente vom Hauptstaatsarchiv München digitalisieren konnte und nun weltweit gegen Bezahlung nun anbietet. |
In den Kötztinger Zivilstandsregistern ist sein Tod erst am 24.3.1915 eingetragen, als die schriftliche Benachrichtigung aus dem Reservelazarett seinen Tod schriftlich gemeldet hatte.
Max war schon Jahre vor dem Krieg beim Militär gewesen, als sogenannter "Einjährig Freiwilliger". Im Stadtarchiv befinden sich zwei Telegramme, in denen der Vater Moritz Kirschner um Auskunft bittet, in Welchem Krankenhaus sich im Jahre 1909 sein Sohn befindet.
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Stadtarchiv Kötzting Familienstammbogen Moritz Kirschner
Regensburg 13.1.1909 Überführung des Einjährig Freiwilligen Kirschner in die Privatanstalt Hratzen gemäß dem Antrage des Vaters desselben genehmigt.
dem Kirschner Kenntnis gegeben : Unterschrift M Kirschner |
In einem zweiten Telegramm erkundigt sich Moritz Kirschner nach dem Namen des leitenden Arztes und wo sich die Heilanstalt Hratzen überhaupt befinden würde. Die Antwort des kgl 11. Infanterieregimentes mit der 7. Compagnie in Regensburg wird über den Magistrat Kötzting weitergeleitet und erläutert, dass sich die Heilanstalt bei Staab in Böhmen befinden würde..
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Album Frau Ida Sailer |
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Gedenktafel auf dem Friedhof in Windischbergerdorf Aufnahme Heinrich Frank, Wiesing |
Moritz Kirschner hatte, wie oben angeführt, drei Buben und fünf Töchter und auch der dritte Sohn, Julius Kirschner, musste zur Armee:
Schon im Jahre 1913 bis Juli 1914 hatte er im Infanterieregiment 10 seinen "Wehrdienst" abgeleistet. Danach dauerte es bis zum Frühjahr 1915, Anfang März zum Landsturm eingezogen wurde er bereits 1 Woche später als dienstunfähig entlassen. 1917 aber gings dann wieder zur Infanterie und gegen Ende des Jahres sind bei ihm die Stellungskämpfe zwischen Maas und Mosel und die Schlacht in Flandern protokolliert.
Bis zum Frühjahr 1918 musste er in der Gegend von Cambrai auch die neue Angriffswaffe der Alliierten - die Tanks, die Panzer - erleben. zwei Tage lang dauerte die Tankschlacht, weitere 2 Wochen die weiteren Angriffe der Alliierten.
In der Folge kam es dann zuerst zu Stellungskämpfen in der "Siegfriedstellung" und dann spricht sein Eintrag von Vorbereitungszeiten für die "große Schlacht in Frankreich".
Ende Februar durfte er für 2 Wochen in die Etappe, aber dann ging es gleich wieder zurück an die Front, wo am 21.3 23.3. ein erster Durchbruch gelang, aber schon bald danach gings wiederum nur um Stellungskämpfe an der Somne, Arne und bei Metz, nun schon im Sommer 1918.
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Aus dem Jahre 1910 kennen wir dieses Bild aus dem Privatalbum von Frau Ida Seiler
es zeigt Moritz Kirschner mit seiner Frau und zwei ihrer Mädchen |
Wie wenig sich die Kötztinger damals aus den Religionsunterschieden machten sieht man schon daraus, dass im Hause Kirschner auch Mietwohnungen belegt waren. Einige Familienstandsbögen im Stadtarchiv zeigen dies. So wohnte z.B. die Familie des Bezirksoffizianten ( mittlerer Beamter beim Bezirksamt, heutzutage wäre dies das Landratsamt) mit Frau, zwei Töchtern und einem in Kötzting geborenen Sohn im Hnr 127, beim Kirschner, ebenso, wie die Hilfslehreren Mittelmaier Maria aus Wallerdorf, beide ausdrücklich als "katholisch" in den Familienstammbögen aufgeführt.
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Geschäftsanzeige im Kötztinger Anzeiger von 1914 |
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Werbetafel über dem Geschäfteingang
Sammlung Voithenleitner |
Die zweite Generation
Nach dem (ersten Welt-) Kriege findet im Hause Kirschner dann der Generationswechsel statt.
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Stadt Bad Kötzting Standesamt
Hochzeit Josefine Kirschner |
In Kürze vorab: Alfred macht Karriere im Staatsdienst, Julius übernimmt den Betrieb des Vaters, Amalia nun eine verheiratete Freiwirth eröffnet in Kötzting, ein paar Häuser weiter die Marktstraße hinunter, ein Textilgeschäft, Ida heiratet den Kötztinger Beamten beim Bezirksamt Hermann Sailer, Josephine heiratet am 11.10.1922 in Kötzting den Postschaffner Sally Landau aus Frankfurth am Main, das Paar zieht offensichtlich dann nach München, wie es bei Josephine in der alten Einwohnermeldekartei Kötztings eingetragen ist. Vermutlich blieb sie aber nicht lange bei ihrem Mann, denn im Standesamt Kötzting liegt direkt bei der Seite des Heiratsprotokolls eine Anfrage des Ehemanns vom 12.1.1925, also gerade mal 2 Jahre nach der Hochzeit, dass er erfahren möchte wohin sich seine Frau abgemeldet hat. Helene, Fanny und Josefine wandern aber peu´ a peu´ in den nächsten Jahren nach Amerika aus. Helene machte dabei wohl den Anfang und die anderen beiden folgten.
Ihr jeweiliges väterlichen resp. auch mütterliches Erbe, nach dem Tode der Mutter 1934, ließen sie offensichtlich, in Teilen oder ganz, als Hypothek auf dem Hause stehen, wie sich bei der Enteignung im November 1938 zeigen sollte.
Das Schicksal der Familie Alfred Kirschners
Im Zusammenhang mit der
Aktion der Stolpersteine des Künstlers Gunther Demnig landete bei mir im Stadtarchiv Kötzting 2013 eine Anfrage des Stadtarchives Würzburg wegen Informationsmaterial über die Familie Alfred Kirschners. Ich konnte helfen und konnte folgends daher auch die bereits im Stadtarchiv Kötzting vorhandenen Bilder aus dem privaten Fotoalbum von Frau Ida Seiler besser zuordnen. Was mir damals auf den Bildern gleich auffiel, waren die kleinen silbernen Kreuzchen, welche die beiden Mädchen als Halsschmuck trugen. Erst in der Kurzbiographie der Familie bei der Dokumentation der ihnen gewidmeten Stolpersteine wurde mir die Lösung präsentiert, Alfred war mit seiner Familie aus der jüdischen Gemeinde ausgetreten und seine beiden Töchter wurden danach evangelisch getauft. Die Bilder ähneln denen, welche ich aus meiner Familie von den Schulbildern kenne.
Da die "Würzburger", speziell Frau Dr. Ries, den Lebenslauf und das Schicksal der Familie bereits gründlich erforscht haben, hier der Wortlaut der Würdigung Alfred Kirschners und seiner Familie, wie es auf der Homepage der "
Würzburger Stoplersteine" zu finden ist.
Anfang des Zitats, entnommen aus:
Rotraud
Ries, Biographie Albert Kirschner, Stolpersteine Würzburg, 2014,
https://www.stolpersteine-wuerzburg.de/wer_opfer_lang.php?quelle=wer_opfer.php&opferid=572&filter=K
(16.10.2019)
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Albert Kirschner
"© Stadtmuseum/-archiv Baden-Baden"
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Am 24.12.1886 wurde Albert Kirschner in Modlin im Westen Böhmens als 2. Kind von Moriz Kirschner und seiner Frau Theres, geb. Hahn geboren. Von seinen sieben Geschwistern kamen drei ebenfalls in Modlin und die anderen vier ab 1890 nach dem Umzug ins benachbarte Kötzting (heute LK Cham, Bayern) zur Welt. Der Vater war Kaufmann und besaß in Kötzting seit 1896 ein Haus.
Mit 22 Jahren trat Albert Kirschner 1909 in die Bayerische Zollverwaltung ein, wo er bis zum Zollfinanzrat aufstieg, bevor er 1935 aus dem Amt ausscheiden musste. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Soldat und wohnte anschließend in Ludwigshafen am Rhein. Im Mai 1921 zog er nach Kitzingen und heiratete nur zwei Monate später, am 5. Juli 1921, Renate Goldschmidt (geb. 23.4.1894 in Meiningen). Die Hochzeit fand in Nürnberg statt. Der Zollamtmann Albert Kirschner und seine Ehefrau wohnten im Zollgebäude am Kitzinger Flugplatz. Wie viele andere jüdische Frauen dieser Zeit brachte Renate Goldschmidt jedoch ihre beiden Töchter Ingeborg und Margot 1922 und 1923 in Würzburg – höchstwahrscheinlich im Jüdischen Krankenhaus - zur Welt, bevor die Familie dann im Januar 1925 auch dorthin zog.
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Kirschner Manfred
"© Stadtmuseum/-archiv Baden-Baden"
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Als Zollamtmann bekam Albert Kirschner für sich und seine Familie eine Dienstwohnung im linken Flügel des Hauptzollamts an der Veitshöchheimer Straße 1a in Würzburg. 1928 wurde der Sohn Manfred geboren.
Karriere im Staatsdienst zu machen, war für einen Juden zu dieser Zeit jedoch immer noch mit vielen Hindernissen verbunden. Vielleicht lässt sich so erklären, dass Albert Kirschner im Mai 1930 mit seinen drei Kindern, aber ohne seine Frau aus der Jüdischen Gemeinde austrat. Dass die Familie nicht aus der Würzburger Gemeinde stammte, dürfte diesen Schritt erleichtert haben. Vermutlich wenig später wurden die drei Kinder evangelisch getauft – und der Vater 1931 zum Zollfinanzrat in der Abt. III des Landesfinanzamts für Zölle und Verbrauchssteuern befördert.
Wie andere jüdische Beamte, die im 1. Weltkrieg als Soldaten gedient hatten, wurde Albert Kirschner infolge der NS-Gesetzgebung nicht gleich 1933, sondern 1935 aus dem Dienst entlassen. Offensichtlich verfügte er jedoch über so hohe Kompetenzen in seinem Tätigkeitsbereich, dass man ihn noch einmal für eine begrenzte Zeit zurückholte, um seinen Nachfolger einzuweisen. Infolge der Entlassung musste die Familie auch aus der Dienstwohnung ausziehen und fand in dem Haus von Paul von Hirsch auf Gereuth in der Ludwigstraße 6 eine neue Bleibe.
Doch nicht für lange. Denn Albert Kirschner entschied sich, mit seiner Familie in Baden-Baden einen Neuanfang zu wagen. Wie einige andere Zuwanderer, meist allerdings Rentner, hoffte er, in dem international renommierten, bis 1938 politisch relativ ruhigen Kurort unter besseren Bedingungen als in Würzburg leben zu können. Er kaufte dort im April 1937 sogar ein Haus (Kronprinzenstr. 4), in das die Familie im Juni einzog.
Spätestens im November 1938 zeigte sich jedoch auch in Baden-Baden das wahre Gesicht der Nationalsozialisten. Wie andere Männer wurde Albert Kirschner am 10. November verhaftet, gedemütigt und in einem erniedrigenden Zug durch die Stadt getrieben. In der Synagoge zwang man die Männer, den Ort und ihre Religion zu schänden, bevor man sie im Bus ins Konzentrationslager Dachau verschleppte.
Nach der Entlassung etwa einen Monat später konzentrierte Albert Kirschner seine Bemühungen darauf, die Auswanderung der Familie in die USA vorzubereiten, wohin mindestens zwei seiner Schwestern emigriert waren. Zur Finanzierung verkaufte er das Haus, während seine Töchter im Sommer 1940 für eine Ausbildung oder einen Vorbereitungskurs nach Berlin zogen. Im Oktober kehrten sie von dort zurück – möglicherweise, weil die Auswanderung unmittelbar bevorzustehen schien. Doch die Familie verlor den Kampf gegen die Zeit.
Denn am 22. und 23. Oktober 1940, ein Jahr vor dem allgemeinen Beginn der Massendeportationen, wurden in einer minutiös geplanten Aktion mehr als 6.500 Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland abgeholt und in mehreren Zügen in das südfranzösische Lager Gurs und in weitere Lager abgeschoben. Sie bekamen nicht mehr als 1-2 Stunden Zeit, das Nötigste zu packen. Nur weil Albert Kirschner bereits KZ-Erfahrung hatte, wusste er, was ins Gepäck gehörte.
Die Lebensbedingungen in dem Internierungslager Gurs am Fuß der Pyrenäen, wohin die Familie Kirschner gelangte, waren unsäglich, weil es an allem fehlte. Die Menschen vegetierten in primitiven Holzhütten, die durch den häufigen Regen in der Region im Schlamm versanken. Einige starben an Krankheiten und Unterernährung, es gab kaum etwas zu tun. Die Grenzen des Lagers waren jedoch, wenn man Hilfe von außen organisieren konnte, durchlässiger als die in den Lagern in Osteuropa. Hilfsorganisationen oder die regionalen jüdischen Gemeinden konnten in gewissem Umfang Unterstützung gewähren. Einigen Menschen gelang die Flucht, andere, die dafür bezahlen konnten, durften in von den Behörden bewachten Hotels wohnen.
Die Familie Kirschner wurde nach einem halben Jahr, wie andere Familien mit Kindern, in das Lager Rivesaltes am südöstlichen Rand der Pyrenäen verlegt. Die Lebensbedingungen waren hier nicht viel besser als in Gurs: Statt unter dem Schlamm litten die Menschen unter dem Wüstenklima. Immerhin wurde hier der Kontakt zwischen den Familienmitgliedern ermöglicht. Spätestens hier nahm Albert Kirschner seine Bemühungen um die Ausreise seiner Familie in die USA wieder auf. Als Zwischenerfolg ist zu verbuchen, dass er im Dezember 1941 die Erlaubnis erhielt, in das Lager Les Milles bei Aix-en-Provence überzusiedeln, während seine Familie in einem überwachten Hotel in Marseille unterkam. Er musste nur noch persönlich zum Generalkonsulat. Doch wieder verlor er den Wettlauf gegen die Zeit, denn ab Februar/März 1942 verbot die Französische Regierung die Ausreise von Flüchtlingen und die Deportationen über Drancy nach Auschwitz begannen.
So wurden alle Kirschners im Juli 1942 wieder interniert, nun im Lager Les Milles. Etwa eine Woche vor dem Transport nach Drancy gelang es hier einem Mitarbeiter der französisch-jüdischen Kinderhilfsorganisation OSE, die Familie davon zu überzeugen, ihm den 14-jährigen Manfred anzuvertrauen. Er versprach, ihn innerhalb weniger Monate in die USA zu retten. Manfred konnte das Lager verlassen, erhielt eine neue Identität und wurde in Waisenhäusern untergebracht. Bis 1948 blieb er noch in Frankreich und reiste dann zusammen mit seiner späteren Frau Ruth, die ebenfalls ihre Familie in Auschwitz verloren hatte, in die USA aus, wo er noch heute lebt.
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Margot Vera geb. 1923 Ingeborg geb. 1922
"© Stadtmuseum/-archiv Baden-Baden"
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Albert Kirschner, seine Frau Renate sowie die Töchter Ingeborg und Margot wurden nach Drancy und von dort am 17. August 1942 nach Auschwitz deportiert und vermutlich sofort ermordet.
Ende des Zitats |
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Renate Kirschner geborene Goldschmidt
"© Stadtmuseum/-archiv Baden-Baden"
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Wie im November 2018 im Blog über
Susanne Kirschner bereits beschrieben, habe ich bei der Recherche im Internet sehr schnell Hilfe in/aus Israel erhalten und anlässlich unseres Urlaubs im Februar/März in Jordanien und Israel war es mir ein Bedürfnis und Vergnügen mich mit meinen Unterstützern zu treffen. Für Elan Oren waren unsere Übernachtungsorte zu weit entfernt - das Land Israel ist dann doch nicht ganz soo klein - aber Shelly und Elli Feder holten uns spätnachmittags in unserem Übernachtungskibbuz ab und wir verbrachten amüsante, interessante und fröhliche Stunden in einem israelitisch-italienischen Café´.
In schöner Regelmäßigkeit erhalte ich von Shelly Briefe aus dem Besitz ihres Großvaters - zur Erinnerung: Shellys Großvater war gleichzeitig Susanne Kirschners Onkel und Familienersatz nach ihrer Flucht - und einer dieser Briefe stammt von Albert Kirschner und seiner Familie während sie in Frankreich in den Pyrenäen inhaftiert waren.
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Unser Zusammentreffen in Israel, rechts Shelly und Elli Feder, ein tolles Paar, wir hatten unterhaltsame Stunden miteinander verbracht |
Inhalt des Schreibens von Albrecht an seine Schwägerin Alice, (ihr Mann, Julius Kirschners war zu diesem Zeitpunkt schon lange auf der Flucht aus Deutschland nach Palästina in Bulgarien auf einem Donaudampfer nach einem Herzanfall verstorben) ist eine Bitte um Unterstützung durch eine regelmäßige Überweisung von Geld aus dem Vermögen Albert Kirschners, über dessen Konten er Alice eine Vollmacht erstellt.
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Vollmacht für Alice Kirschner
Privatbesitz von Frau Shelly Feder, Israel |