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Freitag, 17. November 2023

Der Räuber Heigl - der "Heigl-Bande" wird der Prozess gemacht.

 

Michael Heigl

der Schwurgerichtsprozess 1854

Zuerst jedoch ein Hinweis auf die Teile der Dokumentation, die bereits veröffentlicht sind:
Hier der link auf die bisher veröffentlichten Teile zum Thema Räuber Heigl.

Foto Kretschmer; Kinderfestzug 1954
zwei königlich bayerische Gendarmen und ein böse blickender Räuber Heigl




Michael Heigl war nun also - nach einigen Wochen angeketteter Wartezeit im Kötztinger Gefängnis - unter strenger Bewachung nach Straubing gebracht worden. 

Die Hinweise auf die in diesem Beitrag angeführten Druckerzeugnisse habe ich ausnahmslos von Herrn Alfred Silberbauer aus Rimbach erhalten, der mir auch sonst immer viel an zusätzlichem Material für meine Veröffentlichungen beisteuert, Vielen Dank dafür.

In der "Allgemeinen Schwurgerichtszeitung", einem ausgesprochenen Fachblatt für Juristen, wird der Prozess gegen Michael Heigl vom Staatsanwalt Steinle aus Aichach kommentiert- auch wenn er seine Veröffentlichung erst nach Heigls Tod fertiggestellt hatte.
Von ihm erfahren wir nicht nur einen kurzen Lebenslauf, sondern - viel wichtiger - auch eine genaue Personenbeschreibung der einzelnenBandenmitglieder.
Michael Heigls "Werdegang" vom Müßiggänger hin zum Verbrecher schildert er gleich am Anfang seines mehrseitigen Beitrags. 

"Große Körperkraft, Verwegenheit und Verschmitzheit machten ihn zum gefährlichsten Verbrecher - zum Schrecken der Besitzenden. Meistens mit grauer Jägerjoppe und grünem Jagdhut bekleidet, den sicheren Stutzen übergehängt, bisweilen zum Schein einen Geschirr- oder Gemüse=Handel treibend, besuchte er ohne Scheu nicht nur Einöde, sondern auch ganze Ortschaften und was so der Mehrzahl der Wäldler, mit ihnen wo und wie sich´s ergab verkehrend, persönlich bekannt. Die reichen und Wohlhabenden fürchteten ihn und seine Rache, die Ärmeren waren ihm meistens geneigt."
Es scheint, dass sich der Staatsanwalt Steinle in seiner Einleitung - woher hätte er es auch wissen können - an den Veröffentlichungen bei den Sonntagsbeilagen bediente, weil er selbst bemerkt, dass "der Räuber von Handwerk, der sein Gewerbe mit einer gewissen wilden Romantik betreibt ...eine äußerst seltene Erscheinung geworden" sei. "Zu dieser, mehr in Räuberromanen und Spinnstuben=Erzählungen als in der Wirklichkeit existierenden Spezies gehöre jedoch Michael Heigl"
Er stellte also durchaus selber fest, dass vieles was "man" von Michael Heigl kolportierte, durchaus in die Kategorie von Räuberromanen und Spinnstubenerzählungen passte.

Diese Kategorie befeuerte er aber durchaus selber, als er mit dem Zusatz: "Man erzählte sich", solche romantisierenden Geschichten selber anführte.



Weiter beschrieb er sogar Heigls Ausweichen nach Ungarn:

Nach der - bekannten - Schilderung der Gefangennahme Heigls, berichtet Steinle - anders als der Kötztinger Gendarm Suffa in seinem Bericht - auch von er Gefangennahme der Therese Pritzls:
"Auch seine Zuhälterin Therese Pritzl, die jedoch ohne Jemand zu treffen, eine Pistole auf ihre Verfolger abgefeuert hatte, wurde mit ihm gefangen. Die Gefangenen wurden in die Fronfeste nach Straubing gebracht, um dort vor das niederbayerische Schwurgericht gestellt zu werden."
Diese Darstellung des Ablaufes ist definitiv falsch, denn die Fronfeste Straubing war damals hoffnungslos überfüllt und weigerte sich kategorisch, MH überstellt zu bekommen, was Carl von Paur in Kötzting in der Folge sicherlich viele schlaflose Nächte bereitete.

Bis hierher war der Bericht Steinles auch nur eine Wiedergabe vieler damals umlaufender "Räuberpistolen" über Michael Heigl, die er halt in der Prozessvorbereitung so gelesen hatte.
Nun aber wird er zum Zeugen des Prozessverlaufes:
Einschub
Da er am Ende seines Berichtes sogar bereits die Begnadigung und den Tod Heigls kurz erwähnt, wird nicht klar, ob er seine Berichte aus dem Prozess selber als Augenzeuge übermittelt, oder diese Details nur vom lesen oder Hören=Sagen kannte.
Einschub Ende

"So war also endlich Michael Heigl, der Rinaldo Rinaldidi des bayerischen Waldes, im Kampf mit der Obrigkeit, der er über ein Jahrzehnt Trotz geboten hatte, unterlegen. - Am 21.Juni 1854 fand die öffentliche Verhandlung gegen ihn und seine Genossen statt, zu der 87 Zeugen geladen worden waren.
Der bayerische Wald sendete Massen seiner Bewohner, um der Aburtheilung Dessen beizuwohnen, der so lange seine Geißel und sein Schrecken gewesen. Der zweite Saal faßte nicht die Kopf an Kopf dicht gedrängte Menschenmenge, die noch Vorplatz, Gänge und Stiegen anfüllten. Zahlreiche Sicherheitsmannschaft war aufgeboten und alle Eingänge mit doppelten Posten besetzt."

Einschub
Den Ausdruck "Rinaldo Rinaldini" könnte er von der Landshuter Zeitung abgekupfert haben, die ihren Prozessbericht mit diesem "Ehrentitel" überschrieb.
Einschub Ende

Auf der Anklagebank saßen: Michael Heigl, Therese Pritzl, Michael Rainer, Joseph Spiegelberger und Marianne Gruber.
Einschub: So wie Staatsanwalt Steinle bereits ganz am Anfang von "Benkendorf" als Heigls Geburtsort geschrieben hatte, macht er auch hier aus Josef Zitzelsberger einen Josef Spiegelberger.

Was aber Steinles Prozessbericht für uns so herausragend macht, ist seine genaue Personenbeschreibung der Angeklagten.

Michael Heigl

Staatsanwalt Steinle in seinem Prozessbericht


Wir haben also - damals waren Menschen nachweislich kleiner als heutzutage - einen für damalige Verhältnisse - Mann von mittlerer Größe, breit gebauter Brust und einem runden, bartlosen und vernarbten Gesicht vor uns.

Michael Rainer


Staatsanwalt Steinle in seinem Prozessbericht


Therese Pritzl und Marianne Gruber


Staatsanwalt Steinle in seinem Prozessbericht

Mir ist es in all den Jahren meiner Nachforschungen noch nicht gelungen, ab wann und weshalb, der Ausdruck der "Rout´n Res" für Therese Pritzl aufgekommen ist. Von der Personenbeschreibung des Staatsanwaltes Steinle  bis hin zu den Eigenschaften, die man der "Rout´n Res" mittlerweile angedichtet hat, ist jedenfalls ein sehr, sehr weiter Weg.
Therese Pritzl war von " kleinem gedrungenen Wuchs und voller Büste, hatte dunkle feurige Augen und braune Haare."
Interessant ist hier auch die Herausstellung der "schreiend bunten Farben", in denen Marianne Gruber gekleidet gewesen war. Selbst in Hinblick auf ihre Kleidung war Therese Pritzl damit wohl eher eine  unscheinbare Erscheinung. 

 Josef Zitzelsberger


Staatsanwalt Steinle in seinem Prozessbericht

Von den ursprünglich weit über 40 Anklagepunkten wurden hier nur noch 10 verhandelt, "theils weil die sie betreffenden Schuldanzeichen nicht für erheblich genug erachtet wurden, theils weil ihre Reate auf Ausmessung der zu verhängenden Strafe ohne wesentlichen Einfluß gewesen waren."

Dieser Prozess zog nicht nur viele interessierte Besucher an, sondern auch die Presse war entsprechend vertreten und so gibt es zum Beispiel auch von der Landshuter Zeitung einen ausführlichen Bericht über den Prozessbeginn.

Aus der Landshuter Zeitung erfahren wir zunächst die genaue Zusammensetzung des Straubinger Schwurgerichts.
Beilage zu Nro. 145 der Landshuter Zeitung

Auch dem Reporter der LZ fällt die Zuschauermenge und die umfangreichen Sicherungsmaßnahmen rund herum um den Prozess auf.


Beilage zu Nro. 145 der Landshuter Zeitung


Der Reporter der LZ beschäftigt sich ebenfalls mit dem äußeren Erscheinungsbild des Michael Heigl, versucht aber sogleich aus dessen Verhalten und Aussehen gleich noch auf  Heigls Charakter zu schließen.

Beilage zu Nro. 145 der Landshuter Zeitung


Auch von ihm findet sich eine kleine Beschreibung der Therese Pritzl und ihres Verhaltens gegenüber Michael Heigl. Eine Beschreibung, die sich erneut im Gegensatz zu den Eigenschaften befindet, die in den letzten Jahrzehnten einer  - offensichtlich konstruierten - "Routn Res" zugeschrieben wurden. Hier die Einschätzung der Landshuter Zeitung zum Auftreten der Therese Pritzl.

Beilage zu Nro. 145 der Landshuter Zeitung


Interessant an der Prozessbegleitung - ob selber gehört, oder den Prozessakten entnommen sei dahingestellt - durch den Staatsanwalt Steinle ist besonders, dass er bei den einzelnen Anklagepunkten auch Michael Heigl zu Wort kommen lässt, wenn dieser auf Aussagen von Zeugen oder Betroffenen reagiert. Über sieben der zehn  Anklagepunkte gegen Michael Heigl berichtete er dann genauer:

1. Der Versuch des Todschlages an Josef Mühlbauer von Haselstauden

Josef Mühlbauer war der erste - und wohl entscheidende - Verfolger, der Heigl bei seiner schlussendlichen Ergreifung hatte aufhalten können und dafür mit seiner Gesundheit büßen musste.


Staatsanwalt Steinle in seinem Prozessbericht


2. Der Raub dritten Grades an Anna Pritzl 

Die Beweisführung - gegen MH - in diesem Anklagepunkt erwies sich als schwierig, da Heigls Beteiligung nur auf einer Aussage Rainers beruhte, die dieser gegenüber einem Mitgefangenen in der Kötztinger Fronveste gemacht hatte und diese Aussage nun zurücknahm.
Dafür war die ausführliche Schilderung des nächsten Falles angefüllt mit tränenerfüllten Aussagen Heigls und einer überraschenden Vermutung von Seiten des Staatsanwalts über Heigls Motive bei seiner Aussage. Zur Erinnerung, der berichtende Staatsanwaltschaft schreibt anstelle von Zitzelsberger immer von Spiegelberger.

3. Der Raub vierten Grades an den Santlischen Eheleuten 

Staatsanwalt Steinle



In direktem Zusammenhang mit dem dritten Anklagepunkt steht auch der nächste Vorwurf, der der schweren Körperverletzung. Ursprünglich wurden die Schüsse auf den Brigadier Sommer in Pirka als Mordversuch gewertet, nun also nur noch eine schwere Körperverletzung. Die Verbindung zum Punkt 3 besteht im Fund von Gegenständen, die bei dem "Santlschen Ehepaar" entwendet worden waren.


4. Mordversuch am Brigadier Sommer - abgeändert in schwere Körperverletzung 


Staatsanwalt Steinle


Den folgenden Fall hatte MH offensichtlich vollumfänglich gestanden:

5. Raub dritten Grades an Barbara Winter  




6. Raub vierten Grades an Katharina Dachs  

Staatsanwalt Steinle


Vor dem nächsten Anklagepunkt fügte Staatsanwalt Steinle noch einen eigenen Kommentar ein:
"Alles bisher Vorgekommene an Brutalität und Grausamkeit überbot aber..."


7. Der Raub vierten Grades an den Greil´schen Eheleuten  

Staatsanwalt Steinle

Die Landshutern Zeitung berichtete zusätzlich bei diesem Anklagepunkt folgende Details:
Landshuter Zeitung



Von weiteren Anklagepunkte gegen MH, die es dem Staatsanwalt nicht wert gewesen waren in seinem Bericht erwähnt zu werden, wurden von der Landshuter Zeitung  ihren Lesern vollständig übermittelt.
 

8. Verbrechen des ausgezeichneten Diebstahl an dem Hutmacher Jos. Gulder von Kötzting

Landshuter Zeitung

9. Diebstahl an dem Bauern Jos. Aschenbrenner von Vordereschlingen(!)

Landshuter Zeitung

 

10. Diebstahl an dem Gärtner Paul Dimpfl von Grub


 


Auch einzelne Punkte gegen Marianne Gruber wurden verhandelt, die zum Zeitpunkt seiner Raubzüge eher in Gegensatz zu MH gestanden hatte und sich nun auch gegen einzelne Aussagen Michael Heigls zur Wehr setzte.
Landshuter Zeitung

Am Ende der Beweisaufnahme stand das Plädoyer des Anklagevertreters, der - wie es sich gehörte-   versuchte, bei Heigls verbrecherischen Handlungen auch den einen oder anderen positiven Ansatz herauszustellen: 
 
Staatsanwalt Steinle in seinem Prozessbericht



Dann waren die Verteidiger am Zuge und die Landshuter Zeitung berichtete ausführlich über die einzelnen Plädoyers der Strafverteidiger.

 Michael Heigls Verteidigung:

Landshuter Zeitung


 Die Verteidigung der Therese Pritzl:

Landshuter Zeitung

Die restlichen Plädoyers waren der Zeitung nur eine kleine Zeile wert, und dann zogen sich die Geschworenen zur Beratung zurück.

Landshuter Zeitung
Gerade noch rechtzeitig vor Beginn des Andrucks der Zeitung, konnte die LZ - entgegen der obigen Ankündigung - doch noch in derselben Ausgabe vom Urteil gegen Michael Heigl berichten.

 
Landshuter Zeitung


Staatsanwalt Steinle wollte es nicht einfach bei einer knappen Urteilsverkündigung bleiben lassen, sondern ging hier ins Detail und beschrieb auch Heigls kurze Reaktion bei der Urteilsverkündung.
:

Das Urteil


Steinles Großbericht in der "Allgemeinen Schwurgerichtszeitung" ist erst Jahre nach dem Prozess erschienen, weil sein Beitrag am Ende nicht nur kurz von Heigls Begnadigung sondern sogar noch von dessen späteren gewaltsamen Tod spricht und dann zu einem allgemeinen Kommentar überführt, über die Grundsätze dieser Prozessführung.
Es ist also durchaus möglich, dass der Staatsanwalt Steinle selber gar nicht Ohren/Augenzeuge des Heigl-Prozesses gewesen war, sondern einfach die Prozessprotokolle einsehen hat können und sicherlich auch die, den Prozess begleitenden, Zeitungsberichte gelesen hatte.







Dienstag, 21. Dezember 2021

Kötztinger Strafprozesse - ein Pferdediebstahl

 Hier ein weiterer Beitrag zum Thema Kötztinger Strafprozesse


Um die manchmal komplizierten Abläufe bei der "Verhaftung - Überstellung - "Wahrheitsfindung" - Urteilsverkündung Strafausübung" besser zu verstehen, ist eine allgemeine Einführung und ein Überblick über die bei uns relevanten Herrschaftsstrukturen vor dem Beginn des 19. Jahrhunderts  sicherlich von Vorteil. >>>>>>>>>> hier geht's zum Überblick über die Niedere und Hohe Gerichtsbarkeit.

Nun also ein weiterer  "Malefizprozesse", also eine Verhandlung, über Menschen, die laut der damals vorherrschenden Meinung "Bösewichter" gewesen waren. Um diese Verhandlungen führen zu dürfen, benötigte der jeweilige Richter die "Hohe Gerichtsbarkeit". Nichts desto trotz wurden die Verhandlungen, die Befragungsergebnisse und die Urteile in enger Abstimmung mit der Regierung in Straubing durchgeführt und protokolliert.
Solche Malefizprozesse mit ihre komplexen Abläufen und häufig tragischen Urteilsverkündungen finden sich immer wieder in den Kötztinger Pfleggerichtsdokumenten und werden dann immer wieder Inhalt eines Blogs werden.

Die bisher bereits veröffentlichten Prozess finden sich hier >>>>> im Blog über das Kötztinger Amtshaus und seine Bewohner 

Nun also zum nächsten Gerichtsverfahren, wir sind im Jahre 1649 in Warzenried an der Grenze und der Kastenamtmann nimmt nach Anzeige eine Verhaftung vor.

StA Landshut Rentkastenamt Straubing Pfleggerichtsrechnung Kötzting von 1649

"Ausgab auf gefangne Mallefiz Persohnen"


"Den 19- 7bris ist ain Redo Khiehietter aus Behamb, der sich Michaeln Trembel von Viechtach gebirttig genannt, durch den Castenambtman zu Wärzenrieth, deren Ursach willen zuverhafft genommen, weillen durch ainen Underthan glaubhafft angeben worden, daß selbiger wegen entwenter Pferdt verdechtig gestalten es sich hernach also befundten, derrwegen ist ime Ambtman vermög seiner Zötl N. .1. ds gebraichig empfang gelt bezalt worden 
1 fl (
Gulden)
Ein: und Ausschlussgelt     17 Kr(euzer)
Zween Tag Sizgelt bis selbiger in das Landgericht geantworttet   7 kr 3 1/2 H(eller)
In Yberantworttung dessen mir Castenam,btman   34 kr  3 1/2 H
Vier Persohnen, die ihme Trembel herauß zu Gericht begleittet für Zöhrung iedem 17 xr                      tuet 1 fl 8 xr 4 H
Latus (summe der Seite) 3 fl 7 xr 4 H"


Was steckt hier drin in der ersten Seite:

Zusammenfassung:
Michael Trembl aus Böhmen kommend und angeblich in Viechtach geboren, machte sich verdächtig, als Pferde gestohlen waren und wurde daher verhaftet und nach Kötzting ins Amtshaus gebracht.

In dem Text stecken aber auch ein paar Ortsangaben,  Abkürzungen und Floskeln:

1. Der Verhaftete Michael Trembl  ist ein Kuhhirte - Khiehietter - und solch ein Wort, das mit Gestank und Schmutz verbunden ist, schreibt man nicht einfach in ein offizielles Dokument, ohne ein "mit Verlaub" voran zu setzen. "Redo" bedeutet solch ein "mit Verlaub" . 

2. Anders als in anderen Landgerichten ist die Aufteilung in ein Pfleggericht und ein Kastenamt nicht nur eine unterschiedliche Aufgabenverteilung, hier die Rechtsgeschäfte und dort die Verwaltung der Urbarsgüter mit ihren Natural- und Geldabgeben. Im LG  Kötzting gab es darüber hinaus auch eine  räumliche Auftrennung, es gab sogenannte kastenamtliche und pfleggerichtische Untertanen. 
Von den Bewohnern - von Kötzting aus gesehen - hinter dem Hohenbogen benannten sich selber die "Kastenamterer". Auch Chamerau z.B. gehörte zum Kastenamt.
Nun hatte des Kastenamt auch seinen eigenen Amtmann (Gerichtsdiener, Scherge, Polizeidiener) und dieser nahm auf Aufforderung eine Verhaftung vor.

3. Bevor er diesen aber nach Kötzting ins Amtshaus einliefern konnte, musste erst dort nachgefragt werden und erst nach dem OK von Kötzting konnte der Verdächtige unter Bedeckung von 4 weiteren Personen nach Kötzting "heraus" begleitet werden. Es wäre in diesem Zusammenhang interessant zu erfahren, ob die Bewohner Warzenrieds oder Atzlern auch heute noch davon reden, dass man nach Kötzting "heraus" geht/fährt.

4. Die Summen, die bezahlt wurden sind in einer genauen Gebührenordnung geregelt.

5. 7bris und 9bris sind die damals gebräuchlichen Abkürzungen für September und November.




Am Rande steht: "Ain Manspersohn wegen entwenter pferdt 55 täg in Verhafft gelegen und ohne bezallung endlassen erloffen 29 fl 41 xr 6 H"

"Den 21 7bris ist ermelter Trembl nach Közting geliefert worden und bis uf den 12. 9bris alda verhafft gewesst. Under diser Zeit er aber 2 mall giettlich und ainmall painlich EXAMINIERT, underschidliche Erfahrung aus Behamb eingeholt. Endlich aber vermög von Churfrtl: Hochlobl: Regierung Straubing sub dato 3 9bris Ervolgten Genedigen Bevelchs, davon Abschrifft N: 2 hirbey ligen, ohne Bezallung des Uncostens, an ainem Tag da vill Leuth beysammen, durch den Scharpfrichter auf den Pranger gestölt. Und gegen ainer geschworenen Urphedt, des Landts uf Ebig verwisen, hirvon aber dem Landgerichtsambtman Georgen Perlender lauth seiner Nr .3. auf 53 Tag des Aztungs gelt teglich 11 kr bezallt tuett 9 fl 43 xr

Zwaymall zum giettlich, und ainmall zum Painlichen EXAMEN fürgefiert 52 kr

Aus dem Ambtshaus zue deme Pranger, und dem Scharpfrichter zeybeantwortten. 34 xr
Ein: und Ausschlussgelt  17 xr
Latus 1 fl 26 xr
"


Zusammenfassung
Michael Trembl wurde in Kötzting inhaftiert und dreimal verhört, davon einmal unter Folter.
Anschließend wurde er auf Befehl der Regierung in Straubing an einem Tag, als viele Menschen beisammen waren, öffentlich an den Pranger gestellt und, nach dem Schwur einer Urfehde, auf alle Zeit aus dem Lande Bayern verwiesen.

Der Kastenamtmann von Warzenried hatte die Verhaftung vorgenommen und den Verdächtigen dem Kötztinger (Pfleg-)Gerichtsamtmann übergeben.
Im Amtshaus in der heutigen Schirnstraße lag der Beschuldigte angekettet in einer der Keuchen genannten Gefängniszellen.
Die Ergebnisse einer jeden Befragung erbrachten neue Botengänge nach Straubing und nach Böhmen.
Als auch die "painliche Befragung" (=Folter) keine absoluten Beweise erbrachte, wurde er öffentlich an der Pranger des Pfleggerichts gestellt. Dieser befand sich links neben dem  Zugang zur Kirchenburg. Ausdrücklich ist erwähnt, dass der Scharfrichter einen Tag zur Ausführung zu benutzen hatte, an dem viele Menschen im Markt waren.
Bevor er aber des Landes auf ewig verwiesen wurde, musste Michael Trembl noch die Urfehde schwören. Mit diesem Schwur versprach Trembl, sich erstens an die Landesverweisung zu halten und keinerlei Vergeltung an den in diesem Prozess handelnden Personen verüben würde.



Am Ende wurde auch noch der Scharfrichter für seine Bemühungen bezahlt.
"Vorbesagten Michael Trembel mit dem Painschrauffen zu torwuiren, dem Scharpfrichter Michael Schejstainer lauth seiner Zetl N.4. sambt der Zöhrung bezalt 8 fl

"Erstbedeuttem Scharpfrichter wegen er Obbesagten Trembel auf den Pranger gestölt, und auß dem Landt gewisen sambt seiner Zöhrung inhalt der Zötl N. 5. richtig gemacht 7 fl 8 xr 2 H;:

Latus 15 fl 8 xr 2 H.

Summa Ausgab auf gefanngne Mallefiz Persohnen

29. fl 41 xr 6 H"

Zusammenfassung:
Auch der Scharfrichter - hier ist sogar seine Name angegeben: Michael Schejstainer - rechnete nach seiner Gebührenordnung ab. Die Folter bestand aus dem Festziehen einer Knochenschraube - möglicherweise der Daumen.