Kötzting vor 110 Jahren
in mittlerer weile guter Tradition möchte ich zu Jahresanfang einen Überblick geben, wie und was es in unserer Heimatstadt vor 110 Jahren so Alles gegeben hat. Warum 110 Jahre? Ganz einfach, in der Pfingstbeilage der Kötztinger Zeitung schreibe ich seit 16 Jahren eine Rubrik "
Kötzting vor 100 Jahren" und mit diesem Zeitungsdatengerüst und der Möglichkeit dieses Blogs, fast unbegrenzt Bilder und Dokumente hinzuzuladen, betreibe ich im besten Sinne ein Datenrecykling.
Gleichzeitig sehe ich hier natürlich ein klitzekleines Problem......ich bearbeite zZ. im Archiv sehr intensiv die Nachkriegszeit bis in die Mitte der Sechziger Jahre und wenn ich jetzt den kleinen mathematischen Dreisatz anwende dann müsste ich noch mindestens 50 Jahre warten, bis ich diese erarbeitete und dichte Information in dieser Rubrik auswerten kann. Nun kurz gerechnet....... 120 Jahre alt zu werden ist vlt. eine etwas unsichere Basis für einen Heimatforscher, wer weiß denn mit Sicherheit ob es das Internet bis dahin überhaupt noch gibt und was mache ich dann....
Also werde ich wohl vlt. zur Jahresmitte eine neuen Jahresrückblick einführen, der so ca. um 1947 einsetzt. Die direkten beiden Nachkriegsjahre werde ich wohl unter dem Aspekt des Kriegsendes und der Militärregierung dauerhaft separat in thematischen Einzelbeiträgen immer wieder aufgreifen. Doch nun geht's erst mal in altbekannter Weise weiter mit
dem Jahresreigen in Kötzting im Jahr 1907
Die Auswanderung nach den vereinigten Staaten von Amerika war seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ein stetes Thema und es gab seriöse und unseriöse Agenturen und Agenten. Zeitgleich gab es in den Kötztinger Zeitungen Anzeigen für lokale Vermittlungsbüro und die Warnung vor einer solchen Auswanderung.
Auch die billige Masche - heutzutage zu Zeiten des Internets die Nigeriamethode genannt - leichtgläubige Menschen mit Geldsummen zu ködern gab es schon vor 110 Jahren und auch damals war es schon eine in der Bevölkerung bekannte Methode: die spanischen Schatzschwindler
Fasching des Lichtenegger Bundes
Kurzer Fasching im Jahre 1907. Einem ersten Mummenschanz des
Lichtenegger-Ritterbundes erlebte der Gasthof „Zur Post“. Die Motive zu diesem
Feste sollten zur Eröffnung der
Lokalbahn „Kötzting – Viechtach – Bodenmais“
passen. In dem als „Wartsaal III. Klasse hergerichteten Ballsaal entwickelte
sich bald eine fröhliches und reges Treiben und „
so walzten und rheinländerten nun Bahnpersonal, Bürgersleute, Bauern
und reiselustige Fremde, Brotweiber, Wascherlmadeln und alte Schachteln, alle kreuzschnackerlfidel
von Station zu Station“. Der Abend
verlief so erfolgreich, dass noch im Laufe des Abends der Wunsch aufkam noch im
selben kurzen Karneval einen zweiten Abend folgen zu lassen und so konnte
bereits in der Woche drauf eine Folgeveranstaltung in den „Gumbierlschen Sälen“
angekündigt werden.
Bis weit in die 70er Jahre hinein gab es in Kötzting eine
andauernde Tradition der verschiedensten Bälle. Viele der Leser werden sich aus
eigener Erfahrung an diese Abende erinnern können und können sich in der
folgenden originalen Schilderungen wiederfinden.
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Urkunde für den Ritter des Lichtenegger Bundes Franz Grassl
mit dem Aliasnamen: Ignaz von Damersberg |
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s.o. hier für Josef Amberger |
Beim „Gumbierl“ also in den „
Etablissements Wagner“ fand am Faschingsdienstag eine „
Unterhaltung der Lichtenegger statt, die der
ersten Veranstaltung in diesem Jahr nichts nachgab. Bei feenhafter Beleuchtung
flutete eine Menge Menschen – Männlein und Weiblein – durch die Räume,
ununterbrochen verlockten die einschmeichelnden Melodien eines starken und noch
verstärkten Streichorchesters zum Tanz und im Hintergrund des Saales erhob sich
ein mächtiges Zaubertheater a la Schichtl, dessen Besitzer, ein gewisser
Rothmayr, dem Publikum die unglaublichsten Sachen vormachte. Sehr viele hübsche
weibliche Masken, darunter sehr viele nette Dominos, hatten sich eingefunden
und waren bestrebt, aus den Herren Lichtenegger=Rittern die alte Schneid
hervorzulocken und diese attaquierten (
zum Entsetzen ihrer vielleicht anwesenden Gattinnen) auch fest drauf los. Als
um 12 Uhr Prinz Karneval schied, war der Tanz, - die Unterhaltung aber noch
nicht zu Ende, es soll so lange gedauert haben, wie das letzte Mal. Am andern Tag
aber war keine Katzenjammer=Aschermittwochsstimmung, sondern mit viel Humor
wurde allenthalben manches nette Ereignis des vergangenen gelungenen Abends
besprochen“.
Laut der Satzung des Ritterbundes Lichtenegg, die auf der
Ruine Lichtenegg im Jahre 1879 beraten und auf dem Rittertage zu Kötzting am
27.10.1880 verbessert und beschlossen worden war verpflichteten sich die
Mitglieder der Förderung des vaterländischen Sinnes durch Pflege von
Denkmälern, Kunst, Musik und Dichtung. Sie wollten die landschaftliche und
geschichtliche Eigenart des Gaues hervorheben und nicht zuletzt zur
ritterlichen Geselligkeit beitragen. Dieses letzte Ziel sollte durch Veranstaltungen
auf der Ruine Lichtenegg und durch Abhaltung von Rittertagen in Kötzting
erreicht werden.
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s.o. für Wolfgang Kolbeck |
Die Aufnahme in den Ritterbund geschah durch eine geheime
Wahl, nach Prüfung der Eignung eines Bewerbers durch den Großmeister. Bei einem
Ergebnis von 2/3 der Stimmen war der Kandidat als Trossbube aufgenommen. Beim
nächsten Rittertag konnte dann der Aufstieg zum Knappen erreicht werden um nach
einem weiteren verstrichenen Vierteljahr dann am folgenden Rittertag zum Ritter
geschlagen. Der Kandidat entschied sich für einen Ritternamen und erhielt
diesen dann auch durch eine Urkunde bestätigt. Viele Kötztinger Bürger finden
sich in den Urkunden als Ritter wieder.
Der Gasthofbesitzer Josef Amberger zum Beispiel war der
Ritter Leoprecht von Viehhausen, Julius Krämer nannte sich Ritter Urach von
Münsterburg und der Gastwirt Franz Graßl lies sich als Ritter Ignaz von
Hamersberg ansprechen.
Um im Thema des Lichtenegger Bundes zu bleiben, auch über das Jahr verteilt verstanden es deren Mitglieder die Feste zu feiern, wie einige ausgewählte Presseberichte beweisen:
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Bild aus dem Bestand des Arbeitskreises für Heimatforschung, um 1900 Mann in der Mitte hält ein Modell der Ruine Lichtenegg mit der Aufschrift: Zur Restaurierung der Burg Lichtenegg |
Ein kurioses Kartenspiel in Miltach
Immer wieder wird in den Kurznachrichten von ausgefallenen
Kartenspielen berichtet, eingebettet zwischen den Sitzungsprotokollen des
Zuchtstierverbandes und Schilderungen von besonderen Schicksalsschlägen, die
einzelne Personen zu erleiden hatten. Gleich anschließend an die Schilderung
der Not, die eine Familie Wensauer aus Lederdorn zu ertragen hatte aus deren
Mitte im Laufe der letzten Jahre alle erwachsenen Kinder an Tuberkulose
verstorben waren, wird vom Postexpeditor Helfer aus Miltach berichtet der am
Ende eines Schafkopfabend beim vorletzten Spiel alle „8 Ober bekam“ und dass dann „beim
letzten Spiele wiederum 8 Ober bezahlt wurden“. Ein Schelm, wer dem Mann, der dieses Spiel gemischt
hatte, Böses unterstellt, aber wenigstens war die Partie dann finanziell
ausgeglichen.
Schlussprüfung der königlich landwirtschaftlichen Winterschule.
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Bild aus dem Bestand des Arbeitskreises für Heimatforschung, rechts die Holzschnitzschule in der Bahnhofstraße |
In den Räumen der ehemaligen Schnitzschule in der
Bahnhofstraße fand die Schlussprüfung
der königlichen landwirtschaftlichen
Winterschule statt. Für insgesamt 25 Schüler fand sich eine Prüfungskommission
ein, die die Schülerzahl an Köpfen überragte. Angefangen vom Regierungsrat, der
die Prüfung leitete, übernahmen auch der Herr Kreissekretär, der Kötztinger
Pfarrherr und Distriktsschulinspektor HH Pfarrer Elser, der Bezirksamtmann v.
Fuchs, der Landrat Geiger, Vertreter des landwirtschaftlichen Kreisausschusses und
alle Mitglieder des Lehrerkollegiums ihr Aufgaben bei der Prüfungsabnahme. Auch
Mitglieder des Kötztinger Magistrats du viele Eltern fanden sich ein und
konnten eine erfolgreiche Prüfung erleben. Unter den Lehrern der Winterschule
fanden sich auch bekannte Kötztinger Persönlichkeiten wie unter anderem der königliche
Oberleutnant der Reserve Lindner, der königlich Forstmeister Hubrich, der
Volksschullehrer Drunkenpolz. Sie alle wurden, wie das gesamte Kollegium, vom
Regierungsrat Bader hoch gelobt für ihr aufopferungsvolles Wirken und mit einem
dreifachen Hoch auf den Regenten in München endete die Versammlung.
Aus dem Bestand des Arbeitskreises für Heimatforschung stammt eine Ansichtskarte aus der Druckerei Oexler, die wohl um die Jahrhundertwende gefertigt worden ist (die Eisenbahnlinie nach Lam ist bereits angedeutet. Die idealisierte Darstellung zeigt aber einige Details, die den Betrachter direkt ins Bild hineinzieht, aus diesem Grund habe ich das Bild auch in der großen Auflösung gelassen, es wirkt schöner so.
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Bild aus dem Bestand des Arbeitskreises für Heimatforschung, künstlerische Ansicht von Kötzting mit vielen liebevoll eingezeichneten Details, vor Allem sieht man dass der obere Teil der Gehringstraße, also ab der Ecke Metzstraße Gehringstraße damals noch weitgehend eine Gartenlandschaft war. |
Pfingsten 1907
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Stadtarchiv Bad Kötzting Pfingstakten von 1907 Pfingstplakat
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Seit dem Pfingstritt 1906 gelten für die Aufstellung neue, genauere Regeln, das Protokoll der Sitzung des Pfingstkommitees vom Mai 1906 liegt - vermutlich um Doppelarbeit zu vermeiden - im Akt des 1907er Rittes und dieses legt fest dass der Aufstellungsort der Reiter vor der Veithskirche in der Torstraße beginnt und der Priester dann von zwei Reitern am Pfarrhof abgeholt wird. Mit dem Eintreffen dieser Rittspitze beginnt dann der Pfingstritt. Die Zugordner, durch Achselschleifen kenntlich gemacht, mögen bitte dafür Soge tragen, dass die sich aufstellenden Pfingstreiter nicht bis vor die St. Veithskirche vordringen sollten. Feuerwehrmänner an den Eingangsstraßen des Marktes postiert sollten den eintreffenden Pfingstreitern den Weg zum Aufstellungsort zeigen. Interessant ist hier eine Platzanweisung für einen der Feuerwehrmänner: "1 M(ann) auf die Straße beim sogenannten Auwasser".
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Bild aus dem Bestand des Arbeitskreises für Heimatforschung, Michael Staudinger und Anna Schötz |
Ich vermute, dass es sich dabei um die Furth handelt, an der jetzt die Brücke vom Hallenbad hinüber zum Jahnplatz führt, kann es aber nicht beweisen nur beurteilen, dass man unterhalb des Marktmüllerfalles eher noch nicht vom Auwasser sprach, auch wenn noch weiter regenabwärts die Auwiesen kommen. Es gibt aber in Kötzting den Begriff der "Auwasserer" und damit sind meines Erachtens alle Regenanlieger ab Fessmannsdorf/Grafenwiesen bis hinauf nach Arrach bezeichnet.
Weiter wünschte das Komitee, dass die in den Vorjahren ausgezeichneten Pfingstreiter ihre Ehrenfahnen mit brächten und vor allem solle der Zug bis zum Eintreffen bei der Pfarrkirche beisammen bleiben. Die Veitskirche und der umliegende Platz solle besonders effektvoll dekoriert werden und im Markte hauptsächlich auch bei der Veitskirche und am Bleichanger Triumpfbögen aufgestellt werden. Wenn nötig kann auf dem Platze bei der St. Veitskirche am Vorabend während des Zapfenstreiches bengalisches Feuerwerk angezündet werden. Das Abbrennen von bengalischen Hölzern durch Kinder ist gegen Strafe verboten. Weitere Regeln betreffen die Aufstellung der Hengste und Anweisungen für den Bräutigam und die Gendarmen. Diese 1906 aufgestellten Regeln werden für 1907 übernommen, aber natürlich traf sich das Pfingstkomitee auch im Jahre 1907, welches, geleitet vom Bürgermeister Liebl und
dem Pfarrer Elser auch aus den Magistratsräten Stauber und Stoiber, den
Herren Drunkenpolz, Carl Lindner, Georg Dreger, dem Commandanten Karl
Vogl, Franz Schmidt und abschließend noch aus Karl Obermeier bestand
Pfarrer Elser wählte aus der Vorschlagsliste des Magistrats den Elektrizitärsbesitzerssohn Michael Staudinger aus, der sich die Bürgerstochter Anna Schötz als Pfingstbraut auserkor.
Im Stadtarchiv befindet sich die Einverständniserklärung, unterschrieben vom neuen Pfingstbräutigam, darin erklärte er sich bereit: die Pfingsthochzeit am Pfingstdienstag pünktlich um Mitternacht beenden zu lassen und den (früher immer üblichen) Ausflug aller am Pfingstgeschehen Beteiligten am Dreifaltigkeitssonntag nach Grafenwiesen zu unterlassen. Darüber hinaus hat er Sorge zu tragen, dass sich die "Brautführer und sonstige junge Leute in der Behausung der Pfingstbraut" nicht "zu größeren Unterhaltungen zusammen gesellen" und dass keine auswärtigen Personen zur Hochzeit eingeladen würden.
Unterschrift: Staudinger
Die Wahl fiel auf Michael Staudinger, schrieb Pfarrer Elser in seiner Stellungnahme, weil er erstens einer der beiden vorgeschlagenen Kandidaten des Magistrates gewesen war und weil zweitens der Andere schon längere Jahre ortsabwesend sei. Es müsse in Aller Interesse sein, dass nur ein Jüngling ausgewählt werde, "welcher sichere Garantie für ein einwandfreies Vorleben gewährleiste. Das kann aber nur geschehen, wenn die Genannten auch hier unter den Augen der Bevölkerung leben, so daß die Wahl eines nicht Würdigen möglichst ausgeschlossen erscheint."
Es folgte noch eine Bekanntmachung von Seiten des Magistrats nach Aufforderung durch das Pfarramt. Hintergrund ist wohl das Ärgernis für den Pfarrer, dass die Gäste der verschiedenen Wirtshäuser am Marktplatz den Feldgottesdienst bei der Veitskirche wohl gerne aus den Fenstern heraus betrachteten, womöglich auch nicht mit einem Glas oder einer Flasche Bier in der Hand.
Jedenfalls mussten alle Wirte am oberen Markt
Stoiber
Irlbeck (Apotheke Adamek)
Korherr
Kermer (Bäckerei Pongratz)
Greisinger
Mühlbauer (Osl)
Decker (Kaufhaus Wanninger)
Miethaner
Amberger (Amberger Hof)
diese Bekanntmachung unterschreiben und es stand die Drohung im Raum, dass bei erneuter Zuwiderhandlung es niemals mehr eine Feldmesse auf dem Marktplatz geben würde.
Nun konnte es endlich Pfingsten werden und die Zeitungen waren voll von Ankündigungen und Werbeanzeigen der Kötztinger Wirte:
„Die Feldmesse musste
heuer wegen der vorherrschenden regnerischen Witterung unterbleiben, jedoch
wurde eine hl. Messe in der Pfarrkirche gehalten. Gegen ½ 1 Uhr kam die
Prozession wieder aus Steinbühl nach Kötzting zurück, wo eine Menge Menschen
anwesend war. Die Glocken läuten, die Böller knallen während die Pfingstreiter
unter lautem Gebete einziehen – ein seltener erhebender Anblick. Auf dem
sogenannten Bleichanger nahm die Prozession Aufstellung, allwo der amtierende Geistliche
Herr Kooperator Späth, eine Ansprache hielt und am Schluße seiner Rede die
Überreichung des Tugendkranzes (Filigranarbeit aus Gold) an den Bürgerssohn
Michael Staudinger von hier, vornahm Außerdem wurde eine Ehrung durch den
Magistrat zuteil Herrn Franz Kirschbauer von hier für 40 jährige und Herrn
Josef Bergbauer von Gmünd für 25jährige Beteiligung am Pfingstritte. Der Zug
nahm seinen Weg bis zur Pfarrkirche wo er sich auflöste. An diese Feierlichkeit
reihte sich die Pfingsthochzeit.
Der dekorierte Jüngling erwählte sich die
Bürgerstochter Fräulein Anna Schötz als Braut. Gegen 5 Uhr nachmittags folgte
der übliche Burschen- und Brautzug und abends der Ehrentanz. Wenn auch die
regnerische Witterung viele vom Besuche des Pfingstrittes abhielt, so war die
Beteiligung doch eine gute“.
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Bild aus dem Bestand des Arbeitskreises für Heimatforschung, Burschenzug in der Jahnstraße |
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Bild aus dem Bestand des Arbeitskreises für Heimatforschung, Burschenverein beim Pfingstbräutigam 1907 |
Tragische Unglücksfälle
Im Mai wird aus Miltach berichtet, dass ein 13jähriger Junge
aus Anzenberg, der in Pulling bedienstet war, sich in Kötzting eine
Flobertpistole gekauft hatte. Beim stolzen Herumzeigen seiner Erwerbung löste
sich ein Schuss und drang dem jungen Besitzer in den Unterbauch. Am Abend
desselben Tages verstarb der Bub und die Zeitung ermahnt die Eltern und
Kaufleute solches Spielzeug nicht zu dulden.
In Kötzting ereignete sich ein Unfall im Zusammenhang mit
dem Böllerschießen am Fronleichnamstag. Der Hausbesitzer Josef Wensauer
besorgte dieses wie immer und machte sich daran die letzten vier Böller zu
laden. Leider ging ein Schuss zu früh los und verletzte den Unglücklichen
derart am linken Auge, dass dessen Sehkraft verloren ging.
„Außerdem wurde er an
einer Schulter verwundet und sein Schurz fing zu brennen an; wäre seine Ehefrau
nicht des Weges gekommen, welche die Flammen erstickte, so hätte Wensauer auch
noch Brandwunden wenn nicht den Tod erlitten. Der Verunglückte machte den
Feldzug 1870/71 mit und wird allgemein bedauert“.
Waldschmidtdenkmal
„Am Sonntag den 13.
Mai wurde in Kötzting der Ausschuss für Errichtung eines Denkmales für Herrn
Hofrat Maximilian Schmidt, genannt Waldschmidt, königlicher Hauptmann a.D.
gewählt und zugleich beschlossen, dass das Denkmal für unseren berühmten
Waldler am 11. August auf dem Riedlstein enthüllt werden soll. Leider sind bis
jetzt freiwillige Beiträge noch wenig eingegangen und die Kosten noch nicht zum
10. Teil gedeckt. Es ergeht also ein Aufruf fleißig zu spenden und diese
Beiträge in der Buchdruckerein zu hinterlegen“
Nach wenigen Wochen war dann der Entwurf eingetroffen und so
konnte festgestellt werden, dass aus dem vorher beabsichtigten Obelisken ein
Turm geworden war, mit einer quadratischen Grundfläche von 2,60 m Kantenlänge
und einer Höhe von 6 Metern. An einer Wand wird ein Bronzemedaillon im Wert von
1500 Mark befestigt. Die Namen aller Guttäter (=Spender) sollen in einer Dose
im Grundstein hinterlegt werden. Da allein der Antransport des Materials einen ansehnlichen
Betrag verschlingen wird, ergeht erneut ein Aufruf fleißig zu spenden.
Der Plan für die Denkmalserrichtung
geht zunächst aus von dem Konservenfabrikanten Biller in Arnbruck und dessen
Buchhalter, verdankt also seine Entstehung mehr geschäftlichem Reklamebedürfnis
als ideellen Gesichtspunkten" schreibt der Viechtacher Bezirksamtmann
Wißling am 19. Juni 1907 an das Regierungspräsidium in Landshut.
Es gab freilich noch andere Beweggründe. 1906 war Hofrat Schmidt auf Einladung
von Alois Biller für einen Tag, 1907 für mehrere Tage in Arnbruck. Beim zweiten
Besuch überraschte ihn abends ein Kreis von Verehrern mit der Mitteilung,
"dass geplant sei, ihm ein würdiges Denkmal für seine hohen Verdienste zu
errichten". Der Ausdruck hohe Verdienste meint wohl die Tatsache, dass der
Schriftsteller auch den Bayerischen Wald zum Schauplatz seiner Romane und
Erzählungen gewählt, die Waldheimat dadurch gleichsam auf eine höhere Ebene
gehoben und einem großen Publikum bekannt gemacht habe. Noch höher
dürften seine Verdienste um die Regionalförderung geschätzt worden sein.
Maximilian
Schmidt jedenfalls war von den Arnbrucker Plänen gerührt und sehr angetan. Er
ist "den Arrangeuren auch mit Ratschlägen über die Durchführung zur Hand
gegangen; es soll ein Bronzemedaillon von Überlebensgröße in den Felsen
eingelassen werden. Die Fertigung des Entwurfs hat Professor Hauberrisser in
München zugesichert und zwar als Freund des zu Ehrenden unentgeltlich".
Der Guss des Bronzemedaillons erfolgte in der Gießerei Rupp, München.
Primiz in Kötzting
Im Juli diesen Jahres hatte die Pfarrei Kötzting wieder
einmal Grund einen Primizianten aus ihrer Mitte zu feiern. Herr Primiziant
Josef Aschenbrenner aus Ried wurde von Reitern und der freiwilligen Feuerwehr
seiner Heimatgemeinde Liebenstein in Kötzting begrüßt und in die Pfarrkirche
begleitet wo er den zahlreichen Gläubigen als Neupriester seinen Segen
spendete.
Eröffnung des neuen Januel=Saales
„Das Januelgasthaus
ist nun bis auf den äußeren Verputz vollendet; die Lokalitäten und auch die
Gänge sind äußerst geräumig und zweckmäßig gebaut und besonders hat der Saal
dadurch, dass die Theaterbühne in einem eigenen den Saal beherrschenden Raum
verlegt worden ist; eine bedeutende wohltuende Vergrößerung erfahren; er ist
den Flächeninhalt nach der größte Saal des Marktes.“
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Bild aus dem Bestand des Arbeitskreises für Heimatforschung, Theatergruppe: "die Chinakrieger" an der Treppe beim Gasthof Januel: aus dem Treppenpodest 1.v.re Oexler max, 2.v.re. Krämer Julius, untere Reihe Mitte m-. weißem Kniestrümpfen Krämer Konrad, 2. Reihe v.li. Huber Drechsler neben den 3 Frauen, untere Reihe 3.v.re Traurig |
Wenn nun, wie bis vor wenigen Jahren üblich, bei der Pfingstkneipe der Kötztinger Burschen und Wandererverein die Pfingstfeierlichkeiten beim Januel eröffnete, so konnte er im Januelsaal noch genau
die Strukturen erkennen, die vor 100 Jahren dem katholischen Gesellenverein
(=Vorgänger des Kolpingsvereines) als Theaterbühne dienten. Am Mittwoch den 24.
Juli 1907 wurde der neue Januelsaal
durch eine Namensfestvorfeier seines Vizepräses Jakob Elser eingeweiht.
Die Firmreise des Regensburger Bischofs von Henle:
Lichteneggfeier
„Lange angekündigt
veranstaltete der Kötztinger Lichtenegger Bund am letzten Juli Wochenende sein
Burgfest. „Bei schönem Wetter kann ein jeder auf den Hohenbogen aber im größten regen darartige Spaziergänge
zu machen bringen nur die Todesmutigen vom Lichtenegger Bund zustande. Sogar
die Musikkapelle spielte trotz des größten Ungemachs zum Tanze auf.“ Im von Forstmeister
Hubrich geschmücktem Forsthaus und mit dem guten Kötztinger Deckerstoff
entwickelte sich eine rührende Gemütlichkeit und als die Sonne einige Minuten
lächelte waren sogar ein paar Tänze auf dem grünen Rasen möglich. Dann aber
prasselte der Regen wieder und nur „tanz
und puff=feste“ Wesen drehten sich dann weiter im Saale. Viele wackere
Ritter versammelten sich um die Humpen und nach den Festreden der Herren
Hubrich und Bergmann folgte ein flotter Marsch und „bergab gings durch dick und dünn, durch Naß und Trocken dem harrenden
Extrazug entgegen. Ein schriller Pfiff, ein letztes feuriges Halloh und in
wenigen Minuten waren alle Teilnehmer des Ausfluges in Kötzting!“ „ So ein
Extrazug ist eine Wohltat, kein Heidelbeer=Verladen, kein Rangieren“
Das neue Schulhaus
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Bild aus dem Bestand des Arbeitskreises für Heimatforschung, das 1907 neu erbaute Schulhaus |
Im September wurde das neu erbaute Schulhaus, „die Perle des
aufstrebenden Marktes“ mit einem Gottesdienst, einem Festzug der Schulkinder mit dem gesamten Lehrpersonal
und einem Festakt. Der königliche Bezirksamtmann v. Fuchs, der Bürgermeister
Liebl und der Kötztinger Pfarrherr und gleichzeitig Schulinspektor HH Pfarrer
Elser sprachen auf dieser Feier. Mit einem Toast auf den Prinz=Regenten
Luitpold endete die Veranstaltung.
„Das neue Schulhaus
ist eine Zierde unseres lieben Marktes und macht auf den Beschauer einen
großartigen Eindruck. Ein solemner Festfrühschoppen im Weinrestaurant Rothmayr
reihte sich an die schön verlaufene, denkwürdige Feier.“