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Dienstag, 21. Dezember 2021

Kötztinger Strafprozesse - ein Pferdediebstahl

 Hier ein weiterer Beitrag zum Thema Kötztinger Strafprozesse


Um die manchmal komplizierten Abläufe bei der "Verhaftung - Überstellung - "Wahrheitsfindung" - Urteilsverkündung Strafausübung" besser zu verstehen, ist eine allgemeine Einführung und ein Überblick über die bei uns relevanten Herrschaftsstrukturen vor dem Beginn des 19. Jahrhunderts  sicherlich von Vorteil. >>>>>>>>>> hier geht's zum Überblick über die Niedere und Hohe Gerichtsbarkeit.

Nun also ein weiterer  "Malefizprozesse", also eine Verhandlung, über Menschen, die laut der damals vorherrschenden Meinung "Bösewichter" gewesen waren. Um diese Verhandlungen führen zu dürfen, benötigte der jeweilige Richter die "Hohe Gerichtsbarkeit". Nichts desto trotz wurden die Verhandlungen, die Befragungsergebnisse und die Urteile in enger Abstimmung mit der Regierung in Straubing durchgeführt und protokolliert.
Solche Malefizprozesse mit ihre komplexen Abläufen und häufig tragischen Urteilsverkündungen finden sich immer wieder in den Kötztinger Pfleggerichtsdokumenten und werden dann immer wieder Inhalt eines Blogs werden.

Die bisher bereits veröffentlichten Prozess finden sich hier >>>>> im Blog über das Kötztinger Amtshaus und seine Bewohner 

Nun also zum nächsten Gerichtsverfahren, wir sind im Jahre 1649 in Warzenried an der Grenze und der Kastenamtmann nimmt nach Anzeige eine Verhaftung vor.

StA Landshut Rentkastenamt Straubing Pfleggerichtsrechnung Kötzting von 1649

"Ausgab auf gefangne Mallefiz Persohnen"


"Den 19- 7bris ist ain Redo Khiehietter aus Behamb, der sich Michaeln Trembel von Viechtach gebirttig genannt, durch den Castenambtman zu Wärzenrieth, deren Ursach willen zuverhafft genommen, weillen durch ainen Underthan glaubhafft angeben worden, daß selbiger wegen entwenter Pferdt verdechtig gestalten es sich hernach also befundten, derrwegen ist ime Ambtman vermög seiner Zötl N. .1. ds gebraichig empfang gelt bezalt worden 
1 fl (
Gulden)
Ein: und Ausschlussgelt     17 Kr(euzer)
Zween Tag Sizgelt bis selbiger in das Landgericht geantworttet   7 kr 3 1/2 H(eller)
In Yberantworttung dessen mir Castenam,btman   34 kr  3 1/2 H
Vier Persohnen, die ihme Trembel herauß zu Gericht begleittet für Zöhrung iedem 17 xr                      tuet 1 fl 8 xr 4 H
Latus (summe der Seite) 3 fl 7 xr 4 H"


Was steckt hier drin in der ersten Seite:

Zusammenfassung:
Michael Trembl aus Böhmen kommend und angeblich in Viechtach geboren, machte sich verdächtig, als Pferde gestohlen waren und wurde daher verhaftet und nach Kötzting ins Amtshaus gebracht.

In dem Text stecken aber auch ein paar Ortsangaben,  Abkürzungen und Floskeln:

1. Der Verhaftete Michael Trembl  ist ein Kuhhirte - Khiehietter - und solch ein Wort, das mit Gestank und Schmutz verbunden ist, schreibt man nicht einfach in ein offizielles Dokument, ohne ein "mit Verlaub" voran zu setzen. "Redo" bedeutet solch ein "mit Verlaub" . 

2. Anders als in anderen Landgerichten ist die Aufteilung in ein Pfleggericht und ein Kastenamt nicht nur eine unterschiedliche Aufgabenverteilung, hier die Rechtsgeschäfte und dort die Verwaltung der Urbarsgüter mit ihren Natural- und Geldabgeben. Im LG  Kötzting gab es darüber hinaus auch eine  räumliche Auftrennung, es gab sogenannte kastenamtliche und pfleggerichtische Untertanen. 
Von den Bewohnern - von Kötzting aus gesehen - hinter dem Hohenbogen benannten sich selber die "Kastenamterer". Auch Chamerau z.B. gehörte zum Kastenamt.
Nun hatte des Kastenamt auch seinen eigenen Amtmann (Gerichtsdiener, Scherge, Polizeidiener) und dieser nahm auf Aufforderung eine Verhaftung vor.

3. Bevor er diesen aber nach Kötzting ins Amtshaus einliefern konnte, musste erst dort nachgefragt werden und erst nach dem OK von Kötzting konnte der Verdächtige unter Bedeckung von 4 weiteren Personen nach Kötzting "heraus" begleitet werden. Es wäre in diesem Zusammenhang interessant zu erfahren, ob die Bewohner Warzenrieds oder Atzlern auch heute noch davon reden, dass man nach Kötzting "heraus" geht/fährt.

4. Die Summen, die bezahlt wurden sind in einer genauen Gebührenordnung geregelt.

5. 7bris und 9bris sind die damals gebräuchlichen Abkürzungen für September und November.




Am Rande steht: "Ain Manspersohn wegen entwenter pferdt 55 täg in Verhafft gelegen und ohne bezallung endlassen erloffen 29 fl 41 xr 6 H"

"Den 21 7bris ist ermelter Trembl nach Közting geliefert worden und bis uf den 12. 9bris alda verhafft gewesst. Under diser Zeit er aber 2 mall giettlich und ainmall painlich EXAMINIERT, underschidliche Erfahrung aus Behamb eingeholt. Endlich aber vermög von Churfrtl: Hochlobl: Regierung Straubing sub dato 3 9bris Ervolgten Genedigen Bevelchs, davon Abschrifft N: 2 hirbey ligen, ohne Bezallung des Uncostens, an ainem Tag da vill Leuth beysammen, durch den Scharpfrichter auf den Pranger gestölt. Und gegen ainer geschworenen Urphedt, des Landts uf Ebig verwisen, hirvon aber dem Landgerichtsambtman Georgen Perlender lauth seiner Nr .3. auf 53 Tag des Aztungs gelt teglich 11 kr bezallt tuett 9 fl 43 xr

Zwaymall zum giettlich, und ainmall zum Painlichen EXAMEN fürgefiert 52 kr

Aus dem Ambtshaus zue deme Pranger, und dem Scharpfrichter zeybeantwortten. 34 xr
Ein: und Ausschlussgelt  17 xr
Latus 1 fl 26 xr
"


Zusammenfassung
Michael Trembl wurde in Kötzting inhaftiert und dreimal verhört, davon einmal unter Folter.
Anschließend wurde er auf Befehl der Regierung in Straubing an einem Tag, als viele Menschen beisammen waren, öffentlich an den Pranger gestellt und, nach dem Schwur einer Urfehde, auf alle Zeit aus dem Lande Bayern verwiesen.

Der Kastenamtmann von Warzenried hatte die Verhaftung vorgenommen und den Verdächtigen dem Kötztinger (Pfleg-)Gerichtsamtmann übergeben.
Im Amtshaus in der heutigen Schirnstraße lag der Beschuldigte angekettet in einer der Keuchen genannten Gefängniszellen.
Die Ergebnisse einer jeden Befragung erbrachten neue Botengänge nach Straubing und nach Böhmen.
Als auch die "painliche Befragung" (=Folter) keine absoluten Beweise erbrachte, wurde er öffentlich an der Pranger des Pfleggerichts gestellt. Dieser befand sich links neben dem  Zugang zur Kirchenburg. Ausdrücklich ist erwähnt, dass der Scharfrichter einen Tag zur Ausführung zu benutzen hatte, an dem viele Menschen im Markt waren.
Bevor er aber des Landes auf ewig verwiesen wurde, musste Michael Trembl noch die Urfehde schwören. Mit diesem Schwur versprach Trembl, sich erstens an die Landesverweisung zu halten und keinerlei Vergeltung an den in diesem Prozess handelnden Personen verüben würde.



Am Ende wurde auch noch der Scharfrichter für seine Bemühungen bezahlt.
"Vorbesagten Michael Trembel mit dem Painschrauffen zu torwuiren, dem Scharpfrichter Michael Schejstainer lauth seiner Zetl N.4. sambt der Zöhrung bezalt 8 fl

"Erstbedeuttem Scharpfrichter wegen er Obbesagten Trembel auf den Pranger gestölt, und auß dem Landt gewisen sambt seiner Zöhrung inhalt der Zötl N. 5. richtig gemacht 7 fl 8 xr 2 H;:

Latus 15 fl 8 xr 2 H.

Summa Ausgab auf gefanngne Mallefiz Persohnen

29. fl 41 xr 6 H"

Zusammenfassung:
Auch der Scharfrichter - hier ist sogar seine Name angegeben: Michael Schejstainer - rechnete nach seiner Gebührenordnung ab. Die Folter bestand aus dem Festziehen einer Knochenschraube - möglicherweise der Daumen.