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Donnerstag, 23. Dezember 2021

Der Markt Kötzting vor 110 Jahren

 

Kötzting im Jahre 1912


Im Kötzting der Gegenwart ist es der Arbeitskreis Heimatforschung, der sich in den unterschiedlichen Arbeitsgruppen die Aufgabe gestellt hat vergangene Zeiten festzuhalten, dies auch häufig mit Zeitzeugen durchführt und so längst vergangene Lebensbilder versucht festzuhalten. Vor 100 Jahren hat sich in dieser Hinsicht der Kooperator Peter Riederer sehr verdient gemacht; er befragte ältere Mitbürger und berichtete dann über deren Leben in der Tagespresse, er ackerte sich durch die Pfingstakten des Kötztinger Marktarchives und forschte in den Pfarrmatrikeln.. Für uns, 100 Jahre später, ist dies in manchen Fällen ein richtiger Sprung in weit zurückliegende Zeiten.
Die zitierten  Zeitungsausschnitte und Zusammenfassungen stammen aus den alten Exemplaren des Kötztinger Anzeigers, der in der Bayerischen Staatsbibliothek in  München unter der Signatur  4Eph.pol.3cel 1900 ff zu finden ist.


Zwei große Ereignisse, mit einem langen organisatorischen Vorlauf, prägten das Jahr 1912:



Der 500. Pfingstritt, das große Jubiläum 

und

Die Einweihung des Kriegerdenkmals in der Bahnhofstraße




Darüber hinaus aber gab es noch viel anderes zu berichten aus dem Jahresreigen von 1912. Eine zentrale Person - auch beim Jubiläumsritt - war 

 






der Kooperator Riederer

Peter Riederer rechts, die beiden anderen Personen sind noch unbekannt.



Peter  Riederer, 1879 in Stockhof bei Regensburg geboren, wurde 1904 zum Priester geweiht. 
Anschließend war er Kooperator in Schönthal (1904), Eschlkam (1907), Blaibach (1907) Kötzting (1909-Sommer 1913), Pfarrprovisor in Wettzell und Dalking (1913) und schlussendlich Expositus in Zenching.
"Mit dieser Beförderung" - auf die Expositurstelle nach Zenching - "ist das längst ersehnte Begehren meines Herzens in Erfüllung gegangen. Denn von Kötzting aus rechnete ich längst auf die Idylle von Zenching."
Leider konnte er seine Traumanstellung nicht lange genießen. Bereits in Kötzting hatte er sich, so scheibt er selber an anderer Stelle, mit Tuberkulose angesteckt und verstarb 4 Jahre nach seiner Ernennung als Expositus von Zenching mit 38 Jahren im Jahre 1917.

Ausschnitt aus der Zenchinger Chronik :l

StA Landshut Rep 166N-12 Schachtel 60 Nr. 60  von 1917 Zenching Riederer Peter
Nachlassakt

Liste der nächsten Verwandten - und Erben - Peter Riederers
Peter Riederer hatte ein handschriftliches Testament beim Kötztinger Notar hinterlegt





Zum Alleinerben bestimmte er die Kirchenstiftung Bernhardswald, um einen Kirchenneubau mitzufinanzieren. Aus den Zinsen seines Kapitals sollten seine Angehörigen eine jährliche Zinsrente beziehen.
Wie man an seinen obigen "beruflichen" Stationen ersehen kann, war er eigentlich nur in Kötzting für eine längere Zeit angesiedelt gewesen und eben dort hatte er auch seinen "kurzen Draht" zur Zeitungsredaktion des Kötztinger Anzeigers.
Aus heutiger Sicht zumindest bemerkenswert, sind auch seine meist namentlich gezeichneten politischen Artikel über Wahlversammlungen einzelner Kandidaten. Diese  waren regelmäßig durch eine, heute unvorstellbare, Vermischung von Bericht und Kommentar, und durch eine unverhohlene und sehr polemische Einseitigkeit zugunsten der katholischen Kirche gekennzeichnet. Die katholische Kirche, vor Ort in der Person des H.H. Pfarrers, hatte bis zum Ende des Ersten Weltkrieges eine wesentlich stärkere Einflussmöglichkeit als danach, geschweige denn heutzutage.


So hatte zum Beispiel der Kötztinger Pfarrer als Oberschulinspektor die Aufsicht und die  Kontrolle über schulische Lern- und Prüfungsinhalte und damit natürlich auch über die Lehrer selber. Unter anderem dieses Monopol wollten liberale Parteien abschaffen und dagegen wehrte sich die Kirche bereits im Vorfeld der Wahl, 1911, vehement. Es wurden prominent auf der ersten Seite des Kötztinger Anzeigers Aufrufe der bayerischen Bischöfe abgedruckt, der Eschlkamer Dekan lancierte ebenfalls auf der Frontseite einen Offenen Brief der Priester des Dekanats wegen des Modernisteneids, den alle Priester zu schwören hatten,  und vor Ort war es der Kooperator Riederer, der mit allen redaktionellen Mitteln in den Wahlkampf eingriff.  

So unglaublich die politischen Artikel Riederers mit ihrer unausgewogenen Wortwahl und der tendenziösen Einseitigkeit aus heutiger Zeit auch zu lesen sind, umso dankbarer können wir ihm sein, für seine Feldforschungen vor Ort und für die Befragung der damals älteren Mitbürger.

Was heutzutage in Bad Kötzting Frau Rabl-Dachs und Frau Kretschmer machen, indem Sie versuchen, unsere älteren Mitbürger als Zeitzeugen zu Ereignissen ihrer Jugend zu befragen und damit Kötztinger Geschichte erfahrbar zu machen, führte in fast gleicher Weise 1911 Peter Riederer durch, und berichtete dann davon in der Tagespresse. Aus heutiger Sicht sind diese Augenzeugenberichte ein Sprung zurück in die Vergangenheit bis hin - ja sogar manchmal hinter die Zeit Napoleons zurück.
Während er im Jahre 1910 nur ein paar wenige Artikel veröffentlichte, ging er mit dem Jahr 1911 in die Vollen und lief zu seiner Höchstform im Jubiläumsjahr des Pfingstrittes 1912 auf.
In dieser Überschau über die Ereignisse des Jahres 1912 finden sich überall Spuren von Peter Riederer und ermöglichen uns einen detailreichen Blick zurück in Kötztings Vergangenheit.

Da er sich mit den alten und ältesten Einwohners Kötztings unterhielt, bekam er auch viele Hinweise :
"Am 9. Januar 1912 jährte sich der Todestag des im Alter von 83 Jahren im Dimpflhaus in der Metzstrasse  verstorbenen säkularisierten Franziskanerpaters Nikolaus Maurer, im Volksmund auch Pater Nikl genannt. Die beiden 1912 ältesten noch lebenden Mitbürger, der Blindengirgl von Haus und Anton Bablick aus Kötzting, waren noch von  ihm in Grafenwiesen getauft worden. Dieser Anton Bablick, genannt der Bucherer Toni,  am 8. September 1819 zu Schönbuchen geboren, war später lange Jahre auch Wirt in Schönbuchen, und lebte nun schon lange Jahre bei seiner Tochter  der Frau Pfeffer von Kötzting. 1912 wurde er mit seinen 92 Jahren  von seiner Kgl. Hoh. dem Prinzeregenten am Gründonnerstag zur Fußwaschung zugelassen."

 Dann beginnt er "seinen" Jahresreigen an Berichten mit einer Beschreibung eines mir bis dahin vollkommen unbekannten Brauches am Karfreitag Nachmittag, der offensichtlich eine Attraktion für viele Umlandbewohner gewesen war. Zuschauer gabs am Karfreitag ins Kötzting lt. Riederer fast mehr wie an Pfingsten....

 

Unseres Herrgotts Leiche:

 

Unter dieser Überschrift  berichtete er über einen alten Brauch, den man in Kötzting bis in die 1870er Jahre noch hat erleben können.

Serwuschok556 Ölbergszene mit Figuren in der
Pfarrkirche Kötzting

Wenn man eine schöne Leich bekommen will, soll man trachten in Kötzting begraben zu werden, wo selbst dem Sarg des ärmsten Bettelweibleins eine Schar teilnahmsvoller Leidtragender folgt….

Wenn an erst gar unserem lieben Herrgott selber mit der Leiche gehen könnte! Hier in Kötzting konnte man das bis vor 40 Jahren alle Jahre einmal am hl Karfreitag Nachmittag; da war „unseres Herrgott´s Leiche…..da muß natürlich alles mit und jedes Haus muß vertreten sein. So entsteht denn ein endlos langer Leichenzug, von der Pfarrkirche ausgehend, durch den Markt hinauf bis zur St. Veithskirche und wieder zurück bewegend. Natürlich trägt alles Trauerkleider, ist tiefer Ernst auf allen Gesichtern zu lesen, erschallt lautes Gebet von den Lippen ist jedermann sich bewusst, dass es den geliebten Herrn zum Grabe zu geleiten gilt. Das ist durchaus keine Komödie, sondern die Kundgebung inniger aufrichtiger Teilnahme für den um unsertwillen gemordeten Heiland, es ist kein Theater sondern Gottesdienst. Aus Nah und Fern sind Landleute da um zu schauen und sich zu erbauen, fast mehr als zum Pfingstritt. Sieh, wie auch die Zuschauer tief ergriffen sind und vielen die Tränen in den Augen stehen beim Anblick eines solchen Leichenzuges. 
Schon kommt die Musikkapelle (Denk)näher und ihre Trauermärsche mischen sich mit dem Gebet der Andächtigen. Nun kommt die Geistlichkeit - heute ist ja Kondukt - der würdige Pfarrer Henneberger mit seinen Hilfspriestern, brennende Kerzen in Händen.

Es folgt als Mittelpunkt der Leichnam unseres Herren, sichtbar auf einer Bahre getragen, dargestellt durch eine Holzfigur(Letztere wird in der Gruft in St. Anna aufbewahrt und zum hl. Grab verwendet) Das Vorrecht , den hl. Leichnam zu tragen genießt nur die ehrsame Zunft der Schneider (Sperl, Sagmeister, Liebl, Saurer, Köppl, Schulz etc.) Sie sind sich aber auch ihrer Würde bewusst und tragen mit Zylinder und schwarzer Schärpe ausgerüstet, mit Stolz ihre kostbare Last. Der Leiche ihres einzigen, unschuldig hingemordeten Sohnes folgt die schmerzhafte Mutter Gottes, in schwarze Trauerkleider gehüllt. Diese Figur tragen zu dürfen, rechnen sich die Bürgerstöchter zur Ehre an. Sie entbehren aber heut ihres jungfräulichen Schmucks und sind gekleidet in einer Tracht  ähnlich jener, der Klosterfrauen.
Wie das Evangelium erzählt, waren es zwei Ratsherren, die den Leichnam des Herrn bestatteten: Nikodemus und Josef von Arimathäa. Ihrem Beispiel folgend, schreiten auch zu Kötzting die weisen Ratsherren als erste hinter der Bahre. Nach ihnen die Scharen der Bürger und Bürgersfrauen. 
Ueberkluge Besserwisser mögen ja an den Straßenecken gestanden haben, mögen gespottet haben, über solchen Aberglauben des "Dummen" Volkes; sie mögen auch den Vorwurf erhoben haben, als beteten die Leute :"O Herr gib ihm die ewige Ruhe". Teilnehmer versichern jedoch, daß dies nicht der Fall war und das Volk soweit belehrt war, daß der Herrgott seiner unserer Fürbitte nicht bedarf. Leider, so Kooperator Riederer, hätten die Spötter Recht bekommen und die Prozession wurde in den 70er Jahren abgeschafft, zum großen Leidwesen des frommen Volkes. "Mit allen älteren Leuten, die „unseres Herrgott´s Leiche“ noch selber beiwohnten, sagen wir: Es ist schade darum." Unsere Zeit nimmt Gott sei Dank wieder mehr Bedacht auf die Wünsche des Volkes und pflegt solche fromme Bräuche wieder treuer., heutzutage[2] würde wohl auch die Kötztinger „Herrgottsleiche“ geduldet werden.

Kötztinger Neubauten und Hausverkäufe

 

Im Januar wurde der Neubau der Metall=Warenfabrik W.G. Dinkelmaier fertiggestellt. 

s



Passend dazu, habe ich erst im November 2021(!) die dazu gehörigen Baupläne im Staatsarchiv Landshut entdecken können. Es war ein Zufallsfund, weil deren Bauunterlagen eben nicht bei den Bauakten, sondern einem Zivilakt beigelegt waren.

Fotografierplatz im Lesesaal des Staatsarchives Landshut

BZA/LRA Kötzting Nr. 4405 Ansicht Dinkelmaier
DIA-Repro 1575 von 1926 Neubau Turnhalle mit Dinkelmeyer im Hintergrund.
Rabl Stadel im Vordergrund
Wie toll einige Details sich selbst nach 110 Jahren und vielen Umbaumaßnahmen noch darstellen, kann man gut an den folgenden Bildern erkennen, die unser Stadtbaumeister Christian Kopf bei einer Baubegehung geschossen hat.

Photo  Christian Kopf: Glasfenster im Treppenhaus

Photo  Christian Kopf: historischer Treppenaufgang

Photo  Christian Kopf: Licht und Gegenlicht im Treppenhaus

Photo  Christian Kopf: Eine geschmiedete Türe

:Rechtzeitig vor der Veröffentlichung dieses Blogbeitrages habe ich vom Kötztinger Fotografen Erich Stauber eine ganze Serie an Bildern bekommen. Es ist einfach schön zu sehen, dass es in Kötzting noch solche Beispiele von alter Handwerkskunst gibt und, dass ,am früher bei manchen Details großen Wert auch auf die Kunstfertigkeit gelegt hat.
Photo von Erich Stauber

Photo von Erich Stauber Treppenhaus mit dem geschmiedeten Treppengeländer
über drei oder vier Stockwerke


Photo von Erich Stauber Detail der (Blei)Verglasung


Photo von Erich Stauber 110 Jahre alt und schön wie am ersten Tage


Photo von Erich Stauber


Photo von Erich Stauber das andere Treppenhaus, auch hier eine tolle Handwerksleistung
mit den geschwungenen Treppenwangen.


Im  März kam es zu einem doppelten Besitzwechsel in der Marktstraße. Das Anwesen des Spediteurs Franz Graßl dahier  (Marktstraße 15) ging mit Stall und Stadel durch Kauf in den Besitz des Eierhändlers und Bürgermeisters von Haus Joseph Semmelbauer und seines Schwiegersohnes, des Kaufmanns Schiedermeier (besaß vorher das jetzige Schuhhaus Liebl im unteren Markt und hat einen Großvater, der von einem Napoleonischen Offizier abstammt) dahier . Spediteur Graßl hat das Wohnhaus nebst Stall und Stadl sowie die damit verbundene Wirtschaft des Communebrauers Wolfgang Stoiber dahier käuflich erworben. Gastwirt Stoiber wird sein schon früher erworbenes an der Bahnhofstrasse gelegene Privathaus beziehen.

Das Haus, das wir als das des Spediteurs Graßl kennen, am oberen Markt, war also bis 1912 in Besitz des Wolfgang Stoiber. 

Karl Schiedermeier
   
Frontansicht der neuen "Handlung Karl Schiedermeier"
später Max Schrödel in der Marktstraße

Und noch eine große Veränderung fand statt:


 

DIA-Repro 1718 Herr Heinrich Lemberger mit Frau
Josef Barth U78023 Der Godl im unteren Markt, damals Bahnhofstraße

 
StA Landshut Baupläne Rep 162-8 Sch. 22 Nr. 3281
Keller des Lemberger in der heutigen Holzapfelstraße, Bauplan von 1885. Zwischen dem "Haus des Vogl" am rechten Rand und dem Lembergerkeller wird Jahre später ein Eiskeller erbaut werden, über dessen Eingang dann das Bräustüberl stand.

Frontansicht des "Lembergerkellers" - Brauerei mit Kegelbahn

Baupläne Rep 162-8 Sch. 21 Nr. 3146


Die Kötztinger Faschingsbälle 

Im Deckerschen Bräustüberl, in diesem Fasching zum letzten Male unter der Ägide von Anton Decker.
bereits im Spätherbst 1912 musste er Konkurs anmelden. 1913 war es dann schon das Bräustüberl des Franz Mühlbauer. 


Bei Vitus Oexler gabs alles, was man zu einer Maskerade benötigte.





Turnverein – Generalversammlung

 


69 Mitglieder und 2 Ehrenmitglieder zählte der Turnverein im Jahre 1912. Die Vorstandwahlen bestätigten den alten Vorsitzenden Karl Lindner, Hauptmann der Reserve und Bierbrauereibesitzer. Der Konditor Karl Klingseisen fungierte als Zeugwart. Für die damalige Faschingssaison wurde ein Tanzkränzchen mit turnerischen Vorführungen beschlossen.




Einzelstücke im Januar/Februar 1912


Eine Rückschau auf das vergangene Schlachtjahr 1911 zeigt eine ansprechende Anzahl an Schlachttieren im markt bei den Kötztinger Metzgern:

Schlachtstatistik für den Markt Kötzting des Jahres 1911:

78 Ochsen
76 Stiere, Kühe und Jungrinder
985 Schweine
550 Kälber
375 Schafe, Ziegen und Lämmer



Ich wüsste zu gerne, was hinter dieser "Klarstellung" steckte!

Der Zusammenhang zwischen Reichstagswahl und Fleischkonsum erschließt sich mir
nicht, aber vielleicht konnte dies einen wohlwollenden Einfluss in Richtung der klerikalen
Parteien ergeben.

"ein Schiff wird kommen....." aber dieses Schiff wird noch lange brauchen, da werden noch viele
"Warte-Wochen" in Kötzting zusammenkommen.

Groß war die Not in Kötztings Nasen....







An Lichtmess erhielten viele (landwirtschaftliche) Angestellte ihren gesamten Jahreslohn ausbezahlt und der Staat versuchte die Empfänger von einem etwas sparsameren Konsum zu überzeugen und sich 
Ersparnisse anzulegen.


Auch so etwas fand den Weg in die Zeitung.

Moritz Kirschner, der Vater des bekannteren Julius Kirschner, kam in eine finanzielle Schieflage.
Durch verwandtschaftliche Hilfe konnte dieses Verfahren abgewendet werden und Julius konnte nach dem Ersten Weltkrieg von seinem Vater das Geschäft übernehmen.



 

Rodeln auf dem Ludwigsberg


 


 

Eisgewinnung
 

Das einzige Kühlmittel, das den Menschen damals zur Verfügung gestanden hatte, war Eis aus dem Regenfluss. Am 19. Januar gab es  einen Zwischenbericht der 1912er  Eisgewinnung: 

Dieses Eis wurde in die Sommerkeller der brauberechtigten Kötztinger Bürger geschüttet, um das Bier,  so lange es nur ging, kühl zu halten und vor "Umkippen" zu bewahren.

 s

DIA Kreisfilmbildstelle Cham mit ziemlicher Sicherheit vom damaligen Oberlehrer Josef Bock
geschossen. Titel "Sonnenaufgang in Kötzting 1940". Hier werden im Weißen Regen Eisblöcke
geschnitten und mit dem Pferdefuhrwerk nach Hause geschafft.





Der erste "OGV" in Kötzting entsteht.

Bereits 2 Wochen später, bei der ersten Mitgliederversammlung, war die Zahl der Vereinsmitglieder auf 200 angestiegen und der "OGV" gab sich ein strammes Programm. Der erste Vorsitzende des Obstbauvereins Windisch war übrigens auch der Bauleiter des damals größten Kötztinger Neubauvorhabens: beim Dinkelmaier.
Hier der Bericht über die Mitgliederversammlung:




  



Touristenklub Kötzting - Eck

 Ein weiterer Verein wurde gegründet, der Touristenklub Kötztinger-Eck.

Angesichts des Rufes, den der Photograph Hamsa noch nach über 100 Jahren in Kötzting genießt, ist mir seine Rolle als "Klubhumorist" durchaus klar; was allerdings ein Clubograph ist bzw. macht kann ich mir nur ungenau vorstellen. Möglicherweise ist er für die Beschilderung der Wanderwege und deren graphische Ausgestaltung zuständig.


Der Zweck des neu gegründeten Vereins war ja,  die Touristen mit den interessanten Einzelheiten der Hochtour Kötzting – Eck – Arber bekannt zu machen. Nachdem der neu gegründete Verein sich die Bauereigaststätte Röhrl als sein Kötztinger Touristenheim ausgesucht hatte, steht zu vermuten, dass die Idee zu  folgendem Rekordversuch auf den Kaitersberg aus den Reihen dieses Wandervereins gekommen sein wird; dies um so mehr, als einer der ausgelobten Preise ein „Touristenhemd“ war.

Nun also ein

Kini vom Kaitersberg von 1912

Ein Wanderrekord und eine Bierwette:

Vom Röhrl (Metzgerei Schoierer) bis zum Kreuzfelsen in 47 Minuten

Leider ist das Laufergebnis des Herausforderers, des Kötztinger Lehrers Schwanzer, nicht bekannt, ob aber unter 40 blieb, oder auch doch nur 47 Minuten brauchte, für mich ist das eine tolle Zeit. Ein kurzer Blick im Internet brachte die Siegerzeit des Laufes von 2015: 37 Minuten(!). Allerdings hatte der Sieger von 2015 auch einen kürzeren Laufweg, weil er nicht im Inneren des Marktes startete, sondern vom Jahnplatz aus, also etliche 100 m weniger zu laufen hatte. 

Ein "J.S." beschrieb in einem Beitrag über mehrere Seiten hinweg die genaueren Ziele dieses Vereins.
Regelmäßige Besteiger des Kötztinger Hausbergs wissen vielleicht auch, von welcher besonderen Höhle - neben der "Heigl-Höhle" in den Bericht die Rede ist, ich weiß es nicht.




 

 

 

Burschen und Wandererverein


Anfang Juli hatte Heinrich Lemberger sein Anwesen an Franz Mühlbauer verkauft und 2 Wochen später feierte der Kötztinger Burschen und Wandererverein sein 70jähriges Gründungsfest bereits beim neuen Besitzer des "Lembergerkellers".



 

DIA-Repro 529 Burschenverein 1912 Stadtarchiv/Huber  Zur Erinnerung an das 70-jährige Stiftungsfest des Burschen-Wanderer-Vereins 1842 am 28.Juli 1912,




Bemerkenswert, aus heutiger Sicht ist für mich, dass, bei allen Lobreden auf den Verein und bei all den Berichten über deren letztjährige Aktivitäten, kein einziger Hinweis fiel, der auf eine Verbindung zu den Pfingstfeierlichkeiten zeigt.  Der damalige Kötztinger Kooperator Schmidt hob in seiner Ansprache auch lediglich den guten Zusammenhalt der Burschen hervor. Auch bei der Generalversammlung des Vereins, am 8. Dezember im Vereinslokal Franz Mühlbauer, wurden die einzelnen Aktivitäten des vergangenen Jahres und die geplanten Veranstaltungen des neuen Jahres aufgezählt --- auch hier kein einziges Wort über eine Teilnahme an den Pfingstfeierlichkeiten. In den Berichten über das Pfingstgeschehen in den älteren Ausgaben des Kötztinger Anzeigers ist allerdings sowohl von der Bewirtung beim Pfingstbräutigam als auch vom Burschenzug die Rede.



Ansonsten kann man dem damaligen Burschen- und Wanderer-Verein durchaus bestätigen, dass er seinem satzungsgemäßen Auftrag, nämlich zu Wandern, (zu vielen verschiedenen Wirtschaften), durchaus nachgekommen ist. Seine Aufrufe zu Burschenkneipen decken die ganze Bandbreite der Kötztinger Wirtshäuser ab.







 
 

usw. usw.



Wahlkampf in Bayern




Ende Januar hielt der Bauernbund seine Versammlung in Kötzting ab und nun folgte in der Zeitung ein ganzseitiger sehr tendenziöser Bericht über diesen Wahlkampfauftritt. Auch wenn der Artikel nicht gekennzeichnet ist, so spricht nach mehreren vorhergehenden und gesichert vom Kötztinger Kooperator stammenden Artikeln vieles dafür, dass auch dieser vom Kooperator Riederer stammte.
Er nimmt, als Vertreter des romtreuen Zentrums, vehement Stellung für die katholische Kirche und kämpft gegen alle Versuche die Oberaufsicht der Kirche über den Schuldienst zu verwässern bzw. abzulösen. Als Antwort auf manche Vorschläge des Bauernbundvertreters Laux und dessen Forderung nach Einführung einer Simultanschule schrieb Riederers sich seine Empörung von der Seele: 

Katholische Eltern! Wollt ihr euere Kleinen von 6-10 Jahren wöchentlich 25 Stunden protestantischen oder ungläubigen Lehrern anvertrauen?

Viel ruhiger, ja geradezu staatstragend, berichtete er dann von der Zentrumsversammlung, die den Wahlkampf in Kötzting beendete und auf der sich der Abgeordnete Raab vorstellte.
Anfang Februar erfolgte dann die Wahl und erbrachte für den Markt einen ganz knappen Vorsprung des Zentrums vor dem Bauernbund 122 gegen 120 Stimmen.
Im Stimmbezirk Kötzting Land war es aber dann ganz eindeutig 127 Stimmen für den Abgeordneten Raab und nur 32 für Laux. Nur in Grafenwiesen konnte der liberale Bauernbund über das Zentrum triumphieren.






Katholischer Gesellenverein




Der Vorläufer des jetzigen Kolpingvereins, der katholische Gesellenverein, hielt Jahresversammlung und diese brachte neben den Vorstandswahlen auch eine soziale Neuerung.
Gewählt wurden als erster Senior Huber Xaver jr. Als 1. Ordner Oexler Vitus jr und als 2. Ordner Zitzmann Karl. Der Schriftführer wurde Kothbauer Albert.
Die Neuerung betraf eine Möglichkeit privat Geld anzusparen: „ es sollen die Aktiven Gelegenheit bekommen, kleinere Geldbeträge beim Präses zu hinterlegen und so zum Sparen angeleitet zu werden. Der Geselle bekam dafür Quittungsmarken. Der Betrag konnte jederzeit ganz oder teilweise wieder zurückgenommen werden.“
Der Verein, mit damals 45 aktiven und 60 Ehrenmitgliedern, besaß auch eine eigene Bibliothek mit ca. 300 Bänden nur litt diese an der schlechten Rückgabemoral der Ausleiher, so dass einige Bände bereits länger als 1 Jahr ausgeliehen waren.

Der katholische Gesellenverein trat vor allem mit seinen Theatervorführungen im Januelsaal in die Öffentlichkeit. Im März spielten sie das Stück „Der Paternosterkramer von Ettal“ Nicht nur die Spieler wurden für ihr flottes und natürliches Spiel gelobt. Besonders hervorgehoben wurde ein anders „ im Verborgenen blühendes Veilchen“ Herr Frisör Konrad Krämer der die Spieler durch seine Kunst erst für die einzelnen Rollen, oft in humorvoller Weise, zu präparieren weiß.




Einzelstücke im Frühjahr1912


Im Mai 1912 übernahm Franz Bleier /Pleier das Atelier des Anton Gläser und blieb bis hinein in
die 50er Jahre Kötztings Haus-und Hofphotograph. 

Der Radfahrverein, erst im Vorjahr gegründet, war sehr aktiv

Natürlich: der Untergang der TITANIK, auch Kötzting erfuhr davon auf Seite 1

Welche Kopfschmerzen eine "Methpartie" beim Konditor Franz Liebl in der Schirnstraße
hinterließ - Hausname Lebzelter - kann ich mir nur ausmalen....

Auch ein österlicher Frühschoppen bei Bockbier im Gasthaus Wagner - heutzutage Heigl Theo mit Optikerladen in der Marktstraße - war sicherlich eine interessante Variante zum feierlichen Hochamt am Ostersonntag und -Montag

Ein "Hoch auf die Kötztinger Gemütlichkeit" in Reimform, im Nachgang zu einem
Konzertabend des Kötztinger MGOVs

Passend zur Gründung des Obstbauvereins, gleich eine Geschäftsanzeige einer Kötztinger Baumschule 
der Maria Plötz aus Gehstorf.





 






Der Jubiläumsritt - Pfingsten 1912







Bereits im Vorjahr waren die verschiedensten Arbeitsgruppen zusammengestellt worden, die nun im Vorfeld des Großereignisses ihre Ergebnisse präsentierten bzw. mit Aufforderungen an die Öffentlichkeit traten.

Zusammenstellung einer Liste der historischen Pfingstbrautpaare:




Diese Auflistung wurde dann rechtzeitig zum großen Ereignis auch in Druck gegeben. Manche Exemplare haben sich bis heute erhalten.
Erste und


 
letzte Seite der Auflistung mit dem Lebzelter-Sohn Franz Xaver Liebl als dem Pfingstbräutigam des Jubiläumsjahres am Ende der Auszählung. Als Verantwortlicher dieser Zusammenstellung zeichnet nun Peter Riederer.


Eben dieser Kooperator Riederer beginnt nach dieser obigen Ankündigung ab Anfang März mit ausführlichen Berichten über den Kötztinger Pfingstritt, die laufenden Vorbereitungen und über die geschichtlich belegbaren bzw. von ihm nur vermuteten Hintergründe der Rittentstehung.

Bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts  wurde der Beginn des Pfingstrittes aus 8.00
festgelegt. Jahrzehntelang war der beginn um 7.30 Uhr, aber das passte nicht mit dem Eisenbahnfahrplan zusammen. Noch früher begann der Ritt bereits um 6.00 Uhr morgens.
Dieser frühe Rittbeginn - mit dem dann einhergehenden Ritt hinein in die aufgehende Sonne - hinein ins östliche gelegene Zellertal - ist einer der Kleinigkeiten, die uns einen Hinweise geben, dass der Ursprung des Rittes möglicherweise einen frühchristlichen Hintergrund hatte. 

Auch Peter Riederer sieht den Ursprung unseres Rittes viel weiter in der Vergangenheit:




In der folgenden Veröffentlichung einer "Pfingstrittslegende" haben wir mit Peter Riederer die Person, die einer Romanvorlage aufgesessen ist, und es durch diese Veröffentlichung geschafft hat, dass diese "Fake"-Legende  bis herauf ins Jahr 2012 (dem Jubiläumsjahr für den 600 Jahre Pfingstritt) im Kanon der ernsthaften Erklärungsversuche über die Entstehung des Pfingstrittes geblieben war. Erst Ludwig Baumann konnte im Zusammenhang mit Recherchen für die Erstellung des großen Buches für das Jubiläum 2012 die ursprüngliche Romanvorlage entdecken und die "Legende des Pater Felix" als eine schriftstellerische Erfindung bloßstellen.

In den Kötztinger Pfingstakten haben wir eine schmerzliche Lücke. Es gibt/gab einen dicken Akt über die Begleiterscheinungen - manche Zeitgenossen sprachen von Exzessen - rund herum um den Pfingstritt des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Dieser Akt - gesichert zuletzt in Händen des Kötztinger Ehrenbürgers Eugen Hubrich, dem damals viele Archivalien nach Straubing angeliefert worden waren - besteht nur mehr aus einer leeren Hülle.
Ob Hubrich nun die Stelle war, bei der der Akt endgültig aus dem Bestand des Stadtarchives Kötzting verschwunden ist, ist nicht klar, aber von ihm haben wir dankenswerter Weise eine sehr detaillierte Zusammenfassung, teilweise wörtliche Transkription, des Inhalts, die auch in diesem Blog bereits als "Der Wilde Pfingstritt" veröffentlich worden ist. 
Peter Riederer jedenfalls hatte natürlich noch Zugang zu diesem Akt und brachte eine Zusammenfassung im Kötztinger Anzeiger.




Nun kam Pfingsten näher und Riederer beschrieb mehr die interessanten Details und Besonderheiten des Rittes nach der Wiedereinführung im Jahre 1820.





 





Es gab einen Wohnungsausschuss, der nicht nur versuchen sollte Zimmer und einzelne Betten in Kötzting aufzuspüren sondern sich auch um die Unterbringung von Pferden kümmern sollte.


In den Pfingstakten kann man gut die Ergebnisse des Wohnungsausschusses nachvollziehen. Offensichtlich gingen die Mitglieder von Haustür zu Haustür, um einzelne Schlafgelegenheiten aufzuspüren.

 
StA Kötzting 320/912 Wohnungsliste


Wie man aus der Liste ersehen kann, wurde penibel unterschiedlen, ob Betten oder Kanapees zur Verfügung standen. Der Wirt Franz Korherr zum Beispiel hatte ein Zimmer zu vermieten mit dann 4 Betten und 1 Kanapee. Moritz Kirschner dann ebenfalls ein Zimmer mit 4 Betten.
Am Ende der Liste standen dann nur noch die Einzelbetten, die in Kötzting sonst noch - als frei - aufzufinden waren.

Der Festausschuss machte sich so seine Gedanken über die Speisenangebote für den Pfingstmontag.

 




Nun wurde es ernst, der Termin kam näher und die einzelnen Ausschüsse wandten sich an die Öffentlichkeit.

"Den Bemühungen des Komiteevorsitzenden Herrn Pfarrers und Inspektors Nagler ist es gelungen, in dem Maler J.A. Sailer=München einen Künstler ausfindig zu machen, der uns ein würdiges Plakat schuf, einen Pfingstreiter mit dem wir uns sehen lassen können, es wurden 3000 Stück hergestellt von der Firma Consee in München. Desgleichen wurden 10000 Stück in verkleinertem Maßstab als Fest=Ansichtskarten besorgt und sind sowohl im Rathause als in den Wirtschaften und Kaufläden zu haben.....weiters besteht die Absicht, an alle diesjährigen Pfingstreiter zum Andenken eine Jubiläumsdenkmünze zu verteilen. 

 
DIA-Repro 521 Ansichtskarte und Pfingstplakat von J.A. Sailer aus München









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Erneute Ermahnung an die Wirte 

Der Vater des Pfingstbräutigams nutzt die Gelegenheit und lädt zu einem pfingstsonntäglichen Frühschoppen

Der Bischof kommt nicht - Die Teilnehmer erhalten eine Erinnerungsmedaille -
es gibt Sonderzüge aus beiden Richtungen und die Kötztinger Schützen
schießen auf eine Jubiläumsscheibe.

Die Honoratioren Kötztings werden ebenfalls per Zeitungsannonce eingeladen 

Und dann war er da, der langersehnte große Tag, und eine "Else Friedrich" verfasste ein Gedicht, als einen "Willkommengruß" .

StA Archiv Kötzting 320-912



StA Archiv Kötzting 320-912





Dachbodenfund im Rathaus Kötzting IMG_7059
rechts die Anwesen Bankhaus Liebl und Heinrich Rothmayr, vermutlich aufgenommen am Pfingstsonntag, alle Häuser sind geschmückt und die Kinder Kötztings warten auf den großen Tag.


Krämerarchiv Glasnegativ 47
    Im Pfingstbericht des Kötztinger Anzeigers ist die Rede, dass "20 frühere Pfingstbräutigame" im Zug mitgeritten seien. Dieses Bild zeigt uns einen Teil dieser ganz besonderen Gruppe, alle mit ihren Pfingstkranzln am Arm.

Krämerarchiv Glasnegative Rittspitze. Im Vordergrund der Brunnen
vor dem alten Rathaus. Links das Anwesen Moritz Kirschner und oberhalb
das neu erworbene Haus des Handelsmannes Karl Schiedermeier
Krämerarchiv Glasnegativ 57: Teilnehmer an der Feldmesse am Pfingstmontag.


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Krämerarchiv Glasnegative Kranzlübergabe am Bleichanger, heute Jahnplatz.
Die Aufnahme ist nicht datiert, könnte also auch aus einem anderen Jahr stammen.


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DIA-Repro 439: Dieses Bild ist aber ganz sicherlich das der Kranzlübergabe 1912, erkennbar an dem großen Festtor im Hintergrund. Auch der Pfingstbräutigam ist rechts gut zu erkennen.



Kranzl und Favorit des Jubiläumspfingstbräutigams Franz Xaver Liebl, Konditorenssohn





DIA-Repro 435 Pfingstbrautpaar von 1912 mit Brautführern
v.l. Siegmund Kammermeier - Maria Liebl - Franz Liebl - Josef Kasparovsky



"Bis Sonntag herrschte dann schlechtes Wetter vor, aber am Abend heiterte sich der Himmel auf und wir sagen es heute mit Dank gegen Gott: Ein besseres Wetter für Roß und Reiter, für Bürgerschaft und fremde Gäste konnte der Himmel uns gar nicht bescheren.

Beim Ausritt waren es 420 Pferde gewesen, zu welchen sich noch 30 weitere gesellten. Ein völlig unübersehbarer, schier nicht enden wollender Zug bewegte sich ins maiengrüne Zellertal hinein. Zwanzig frühere Pfingstbräutigame, mit ihren Kränzchen am Arm, verliehen dem Reiterzug erhöhte Feierlichkeit, darunter der zweitälteste aller noch lebenden, Konditor Liebl (Lebzelter), Vater des heutigen Ehrenkränzchenempfängers. Zu Hause aber rang einer, unser guter Posthalter, mit dem Tode. Vier Geistliche begleiteten zu Pferde die Jubelprozession nämlich die 2 früheren Kooperatoren Späth und Senft und die gegenwärtigen Riederer und Schmidt.
Die Feldmesse am oberen Markt wurde vom früheren Kötztinger Pfarrherrn und jetzigen Stadtpfarrer von Deggendorf Elser gehalten.
Ohne Unglück kehrten die Wallfahrer zurück. Die Festpredigt des H.H. Kooperators Schmidt bot einen Überblick über die 500 Jahre seit der Pfingstritt besteht. Er sprach die Männer um sich herum an, die im letzten Krieg (1870/71) gekämpft hatten und schlug dann den Bogen zur Napoleonischen Zeit mit den Freiheitskriegen bis hin zum Dreißigjährigen Krieg und zu der Zeit der Entdeckungen im 15. Jahrhundert. Und so reiten die Kötztinger nunmehr ein halbes Jahrtausend so reiten unsere Söhne von heute, so sollen sie reiten für und für. Warum 
reiten wir? Das ist längst bekannt. Ein Gelöbnis aus großer Drangsal, das ist der Pfingstritt, das halten wir, ein Erbe unserer Väter aus grauer Vorzeit.
Von Magistrat und Pfarramt ausersehen wurde dem Notariatsbuchhalter Franz Liebl das  Ehrenkränzchen überreicht.
Eine Fahne für langjährige Ritteilnahme erhielten Herr Kastl aus Leckern für 27jähriges Mitreiten und Herr Michl Mühlbauer aus Traidersdorf für 26 jähriges Mitreiten. Herr Johann Plötz und Herr Franz Kirschbauer - . es war im Jahre 1867, nur wenige Tage nach dem schrecklichen Brand, der halbe Markt rauchte in Trümmern, da ritt unser Kirschbauer, damals ein Dreizehnjähriger zum ersten Male aus..- erhielten beide für die 45jährige Ritteilnahme ein Ehrenband wie auch der Herr Johann Kauer, Signalist in Kammern für sein 38jähriges Mitreiten.
Mit einer hübschen Überraschung hatte die Expositur Steinbühl die Pfingstreiter begrüßt, gerade noch pünktlich zum Fest waren am Freitag zwei neue Glocken vom Meister F. Hamm aus Regensburg angeliefert und am Samstag noch aufgezogen worden. 9 Zentner wog die große und 3 1/3 Zentner die kleinere Glocke, die eine dem Hauptpatron dem heil. Nikolaus, die andere der heiligen Katharina geweiht."

Im Verwendungsnachweis über die Ausgaben bei diesem Jubiläumsritt finden sich dann auch die einzelnen Ausschüsse und deren Mitglieder wieder.



StA Archiv Kötzting 320-912
Verwendungsnachweis: 2500 Markt kosteten die Sonderausgaben für Musik, Dekoration und die Denkmünzen.


 Rechtzeitig zur Zusammenstellung dieser Jahreschronik fand sich bei der Digitalisierung der Kötztinger Zeitungsausgaben ein kleines Detail über den damaligen Pfingstbräutigam, der im April 1968 seinen 80ten Geburtstag feiern konnte.


 

KU vom April 1968

Wie im Rittbericht bereits angedeutet, gab es am Pfingstmontag 1912 aber nicht nur eitel Freude. Einer der führenden Köpfe bei der Organisation dieses Jubelrittes mitsamt seinem Begleitprogramm war der Kötztinger Bierbrauer Karl Schmidt und dieser lag, von einem Schlag getroffen, am Pfingstmontag 1912 in einem Sterbebett.




StA Landshut Rep 166N-12 Schachtel 53 Nr. 41 von 1912 Hanr 98 Schmidt Karl  verstorben am
27.5.1912, Pfingstmontag.


Ganz überraschend war der Schlaganfall vielleicht doch nicht gekommen, denn in den Verlassenschaftsakten im Staatsarchiv Landshut findet sich bei Karl Schmidt auch eine Halbjahresabrechnung von Januar bis Juni 1912, in der der Bezirksarzt Dr. Clemens Weber
"46 Besuche inkl 2 Concilien mit Injektionen" verrechnen konnte.

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Von Georg Pongratz, Möbelschreiner vom oberen Markt, stammt der Sarg


Seine Witwe Katharina Schmidt, geborene Höchstetter aus Cham, musste nun den Riesenbetrieb in
Kötzting ganz alleine führen und hatte noch 3 kleine Kinder aufzuziehen.

Jeder Pfingstbräutigam hatte zu Anfang des 20. Jahrhunderts eine ganze Reihe von Bedingungen zu unterschreiben, darunter eine ganz spezielle, nämlich zuzusagen, dass die Beteiligten an der Pfingsthochzeit sich NICHT am Wochenende nach Pfingsten sich auf den Weg nach Grafenwiesen machen würden. Der jeweilige Kötztinger Pfarrherr schrieb dies alljährlich auch in seine Forderungsliste an den Magistrat während des Auswahlverfahrens des Pfingstbräutigams.
StA Kötzting 320-909

"II. Der Ausflug, welchen die Beteiligten an der Pfingsthochzeit in früheren Jahren am Dreifaltigkeitssonntag unternahmen wird auch heuer wieder auf Anordnung des kgl. Pfarramtes Kötzting verboten."
Nun was steckt da wohl dahinter:
Die Pfingsthochzeiten waren bis in die Nachkriegszeit sowohl von den Teilnehmern als auch von der Sperrstundenzeit sehr stark reglementiert und vermutlich für die Gefühle aller Beteiligten um Mitternacht am Pfingstdienstag VIEL zu schnell vorbei.
Was lag da näher, als an eine kleine Verlängerung zu denken und bereits 4 Tage danach stand ja die Grafenwiesener Kirchweih an UND Grafenwiesen lud ausdrücklich auch die Kötztinger Bürger ein zum Tanze.


Was lag also näher, in der Euphorie der Pfingstfreuden, als die Feierlichkeiten einfach und ohne Reglement - Ehehalten und andere Angestellte waren vom Magistrat Kötzting von der Teilnahme an der Pfingsthochzeit ausgeschlossen - noch um ein kurzweiliges langes Wochenende zu verlängern. (Die Grafenwiesener Kirchweih ging weiter bis einschließlich Montag)
Inwieweit sich der jeweilige Pfingstbräutigam an seine Verpflichtungsunterschrift gehalten hat, ist uns nicht bekannt, aber man kann sich ja, unabhängig davon, - ZUFÄLLIG - in Grafenwiesen über den Weg laufen....
Peter Riederer jedenfalls schrieb einen eigenen Artikel für dieses Fest "der heiligen Dreifaltigkeit" und über die Schlosskapelle und das Schloss in Grafenwiesen.









Einzelstücke und Kuriosa vom Sommer 1912


Der Anschluss an die große weite Welt, für 1 Markt pro 3 Minuten

Das "Hüttenbad" bei der "Hütwöhr" - später das Kötztinger Freibad -  war im Sommer wieder eröffnet. Interessant ist hier die soziale Komponente. Von 6-8 Uhr abends war das Flussbad kostenlos für Arbeiter geöffnet.

Der Vereinszweck des Stopfelklubs ist mir zwar nicht bekannt, aber es war sicherlich
etwas "Geselliges"


Der Postgarten und ein öffentlicher Leseraum im Komplex des Hotels zur Post luden bereits 1912
die Besucher ein.

Den Dampf im Bauer´schen Kuhstall möchte ich mir gar nicht vorstellen, die armen Kühe....

Eine Gruppenfahrt Kötzting-Roding; zur Not mit der Bahn.

Noch waren sich die Reitensteiner bewusst, dass sie eine einmal Sitz einer Burg/Schlosses
gewesen waren und feierten mit 1912 mit Feuerwerk und einer "italienischen Nacht".

Der Dregerkeller lag in der Pfingstreiterstraße. An seiner Stelle steht heutzutage der Kreisbauhof.

Der Spitalplatz war früher einer der Aufstellungsorte für Volksfeste, Karussells und Sondervorstellung
Der Kötztinger Anzeiger berichtete weiter: "Seit zwei Tagen schon wird der Spitalplatz in ein großes Zelt umgewandelt in welchem Jean Lindners weltberühmter Palastcinematograph aus Nürnberg aufgestellt ist. Eine Sehenswürdigkeit , wie sie Kötzting noch nie zu verzeichnen hatte, verspricht diese Schaustellung schon im Voraus genannt zu werden, in Anbetracht der großzügigen Betriebs und Beleuchtungsanlage, welche durch eine Dampfmaschine mit 35 Pferdestärken unterhalten wird. Ein Orchestrion, dass eine Musikkapelle von 2o Mann ersetzt, sowie die durch elektrische Bogenlampe feenhaft beleuchtete Vorderfront des Kinos bietet schon für sich eine Überraschung für jeden Besucher."
Ich vermute mal.... zu viele offenes und brennende Kerzen.
"Während des Frühgottesdienstes am 15. August geriet der Hochaltar in Brand. Wahrscheinlich durch einen herabgefallenen, noch glühenden, Kerzendocht. Das Gnadenbild wurde noch rechtzeitig gerettet, und das Allerheiligste in die Sakristei verbracht. Der Brand wurde bald gelöscht, so dass der Hauptgottesdienst schon wieder in der Kirche abgehalten werden konnte. Der Altar wurde stark beschädigt."

Die nächste Vorführung.... diesmal am Marktplatz


Doch nun zur zweiten Großveranstaltung im Jahre 1912









Die Krieger=Denkmals=Enthüllung



Schon im April kamen die ersten Meldungen über das bevorstehende Großereignis.


Diese Einweihung hat natürlich eine lange Vorgeschichte. Konkret begannen die Arbeiten an diesem Denkmal bereits im Sommer des Vorjahres:

Einschub 1911


KA von 1911

"18. Mai: Die weithin bekannten Granitsteinbrüche in Hetzelsried bei Arnbruck sind dazu ausersehen worden, die Steine für das Kriegerdenkmal zu liefern. Ein mächtiger Steinkoloss von ca. 160 Zentnern wurde unter schwierigen Verhältnissen jedoch ohne Unfall durch ein Gespann von 10 Pferden am vergangenen Sonntag (=14.05.)  aus dem Bruche an seinen Bestimmungsort verbracht. Aus diesem Steine wird die Hauptfigur des Denkmals, ein überlebensgroßer Löwe hergestellt werden. Der ganze Transport wurde photographisch aufgenommen und wird auch den beteiligten gewiss in steter Erinnerung bleiben."

Zwei Monate nach dem Transport wird das Projekt Kriegerdenkmal in der Zeitung vorgestellt.

Den Platz unterhalb des Winterschulgartens erhält der Kötztinger  Krieger und Veteranenverein vom Bezirk unentgeltlich. Nun werden auch Details über die Schwierigkeiten des Transports bekannt. Unter der umsichtigen Aufsicht und aktiven Mithilfe des Kötztinger Spediteurs Graßl wurde der Einsatz unter mithilfe fast aller Pferdebesitzer aus Kötzting und des Zellertals möglich gemacht. Am ersten Tag konnte kam das große Gespann ganze 50 m weit. Die bekannte Aufnahme auf der auch veröffentlichten Postkarte wurde auf der Straße bei Traidersdorf vom Kötztinger Photograph (und Original) Hamsa angefertigt.

Da aber der Verein trotz der vielen Hilfeleistungen die Kosten noch nicht beisammen hatte erging noch ein Hilfeaufruf an die Kötztinger Bürger, damit auch diese am Ende sagen konnten: „Auch wir haben unserer Feldzügler gedacht und ihr Ansehen mit einem Denkmal geehrt.“

 

 






DIA Repro 948 Arbeitskreis Heimatforschung


 

 Der Kötztinger Bildhauer Eberhard Schaefer:

Frau Serwuschok würdigte die Lebensleistung des Kötztinger Bildhauers Eberhard Schäfer in einem
Artikel im Juni 1973.
Statue an der Volksbankfassade

Der massive Löwe des Kiregerdenkmals






Einschub Ende


Dann kam auch dieser Tag näher und der Löwe - vielleicht auch nur noch der Steinblock - wurde in die Bahnhofstraße gebracht. 


DIA-Repro 461 1911 oder 1912
 








„Unser Markt versteht Feste zu feiern!“, meinte Kooperator Riederer und stellte damit die Denkmalseinweihung in eine Reihe mit dem Jubiläumsritt im Mai. Ausgerechnet der Mann, der all die Jahre die treibende Kraft hinter dieser Denkmalsidee gewesen war, fehlte nun bei der Verwirklichung. In Vertretung des erkrankten Vorstandes Dietrich begrüßte nun der Rentamtsdiener Kolbeck die erschienen Kameraden und Festgäste.
Herr BZAmann v. Fuchs brachte ein Hoch auf den Landesherren aus.
Frl. Marie Graßl sprach einen Prolog und der Bezirksarzt Dr. Weber hielt die Festrede.
Zeitgleich war ein Telegramm an den Prinzregenten abgesandt worden mit folgendem Inhalt:

"Die anlässlich der Kriegerdenkmalsenthüllung in Kötzting versammelten 76 Kriegervereine entbieten Ew. K. Hoheit Begeisterte Huldigung, unverbrüchliche Treue und Anhänglichkeit.
i. A. Lindner Hauptmann d.R. und Bezirksobmann"


Es traf folgende Antwort ein:

"Seine königliche Hoheit der Prinzregent lassen den zur Kriegerdenkmals=Enthüllung in Kötzting versammelten 76 Kriegervereinen für ihre treuempfundene Huldigung freundlichst danken.

Berchtesgaden, 28. Juni 1912

In allerhöchsten Auftrage

Freiherr v. Wiedemann, Generaladjutant"


Fast schwermütig beendete Kooperator Riederer seinen Bericht: "Der Festtag ist nun vorüber. Geblieben sind uns die Frohe Erinnerung und ---- das Krieger=Denkmal. Wie er droben thront, der granitene Löwe auf dem mächtigen, doch nicht schwerfälligen Sockel. Ja es ist, als ob er am Eingange Kötztings aufgestellt wäre als Wachposten, um unseren Markt und seine Bewohner zu beschützen."




Die   Abschiedsfeier des Bezirksamtmannes Ludwig v. Fuchs.






Im Josef Deckerschen Gasthaus – heute Kaufhaus Frey – versammelten sich am 30. September viele Kötztinger Beamte und Bürger, Geistliche und Lehrer, Gewerbetreibende und Bauern und viele Bürgermeister der Landgemeinden, um Abschied zu nehmen von ihrem langjährigen Bezirksamtmann. In seiner Amtszeit wurde die Kanalisation Kötztings zum großen Teil errichtet  und die elektrische Straßenbeleuchtung eingeführt. Das märktische Bad und ein zweites Schulhaus waren errichtet worden. Auch der landwirtschaftliche Bezirksverein und der Waldverein berichteten von bedeutenden Verbesserungen der Infrastruktur, die sie dem stetigen Bemühen des scheidenden Bezirksamtmannes verdankten. Angefangen von besseren Zugverbindungen bis hin zur Neuanlage von Wegen, Wegemarkierungen und der Verbesserung der Unterkunftsverhältnisse. Der Frauenverein vom Roten Kreuz verzehnfachte seine Mitgliederzahl in seinen Amtsjahren und verdankte seine Ausdehnung auch auf die entlegensten Dörfer des Bezirksamtes dem Bemühen des Bezirksamtmannes. Nach dem Dank vieler Bürgermeister der einzelnen Gemeinden wurde ihm für all diese Verdienste die Kötztinger Ehrenbürgerwürde verliehen. Sichtlich gerührt bedankte sich der Geehrte und hob hervor, dass er sich jederzeit des schönen Kötztings erinnern werde.

Herr von Fuchs ging, mit der Kötztinger Ehrenbürgerwürde dekoriert, und sein Nachfolger kam in Kötzting an. Am 4. Oktober wurde der neue BZAmann Oskar Keim in Kötzting vereidigt.





Eines der ersten Änderungen, die Herr Keim bei seinem Dienstantritt auf die Füße fiel, war der im August von oben befohlene  und nun gesetzlich vorgeschriebene Leichenhauszwang. Das Aufbahren und Betrauern eines lieben Verstorbenen in seinem eigenen Bett bzw. Haus war ab nun verboten. 48 Stunden musste nun eine Verstorbener im Leichenschauhaus aufgebahrt sein.




Einzelstücke und Kuriosa vom Herbst 1912

Mit großem Erfolg hatten die Kötztinger "Studenten" bereits im Vorjahr zugunsten des Jubiläumsrittes
einen Theater und Musikabend veranstaltet, 1912 wollten sie daran anknüpfen.

Die FFW Kötzting tanzt im Graßl Saal.

Die Turner wechseln von der Wiese vor dem Dregerkeller in den ersten Stcok des
Dimpfl-Wirtshauses.

EIne Wanderkinovorführung im Deckersaal.

Oberbayerische Folklore beim Michl Röhrl (Metzgerei Schoierer).

Winter in Sicht für den Wintersportverein.

Warum es beim Schlosser Anton Haas "griechische Weine" zu kaufen gab?

 Anton Decker, Mitbesitzer der Brauerei Decker musste mit seinem Bräustüberl Konkurs anmelden.

So wie zu Faschingszeiten Vitus Oexler das Maß aller Dinge gewesen war, ist es nun zu Weihnachten Karl Klingseisen. Deko über Deko und viel Süßes.



Ganz am Ende nun noch eine Neuerung, die damals sicherlich viele gefreut hat.

Busheizung: "12. Dezember Als eine erfreuliche Neuerung im Postverkehr darf die Beheizung der Omnibussse mittels Glühsteine gelten. Auch auf der Strecke Kötzting-Viechtach ist diese Neuerung ca 10 Tage eingeführt und bewährt sich vortrefflich. Die Steine befinden sich in Blechkästen unter den Sitzen und temperieren das Coupee ausgezeichnet."