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Dienstag, 27. Mai 2025

Kötzting und das liebe Telefon

Vom "Fräulein vom Amt" zum Schaltkasten 


Heutzutage ist es für uns alle eine Selbstverständlichkeit, jederzeit und überall erreichbar zu sein und mit der ganzen Welt kommunizieren zu können. Es ist für viele der jüngeren Generation nicht einmal mehr vorstellbar, dass es noch bis vor wenigen Jahren hier Münztelefonzellen gegeben hatte, vor denen sich in den Anfangszeiten manchmal sogar Warteschlangen gebildet hatten. Diese Telefonzellen wurden in Kötzting erst nach langem Bitten und Drängen errichtet, da es vorher überhaupt keine Möglichkeiten gegeben hatte, außerhalb der Öffnungszeiten des Postamtes als Privatperson zu telefonieren.

Der Anlass für diesen Blogbeitrag war eine Nachricht in der Kötztinger Zeitung vom August 1955, dass es in Kötzting durch einen zu errichtenden Neubau bald möglich sein sollte, im "Selbstwähldienst" zumindest im Nahverkehr zu telefonieren mit über 49 Fernleitungen und 400 Telefonnummern, die im Ortsnetz Kötztings (= Kötzting und die umliegenden Gemeinden) verteilt werden konnten.






Foto Josef Bock. Das Kötztinger Postamt mit der "Funkantenne" auf dem Dach für den Kontakt hinaus in die weite Welt.

Im Jahre 1875 begann in Kötzting langsam das Zeitalter des "Fernsprechverkehrs" als ein Angebot eingeholt wurde zur Errichtung einer Telefonleitung. Dies jedoch zur Telegrafie und nicht zur Sprachübermittlung.  
Um die Jahrhundertwende hatten dann einige Betriebe einen Telefonanschluss und  1913 wurde ein solcher auch ins Rathaus gelegt, aber auch danach war die Versendung von Telegrammen noch eine normale Informationsübertragung. Die Gemeindeverwaltung in Weißenregen wartete sogar bis zum Jahre 1963, bis sie sich einen eigenen Telefonanschluss gönnte.
Auch wenn Kötzting nun - mit Hindernissen - theoretisch mit der ganzen Welt verbunden gewesen war, so steckte die Technik jedoch derart noch in den Kinderschuhen, dass es bis Ende der 50er Jahre herein einen eigenen Beruf gab, den der Telefonistin, eben dem "Fräulein vom Amt". (Bei anzumeldenden Ferngesprächen brauchte man diese in Kötzting sogar bis Mitte der Sechziger Jahre)
Die Erklärung ist sehr einfach, es gab zwar sternförmige Verbindungen  von Hauptdienstelle zu Hauptdienstelle aber die Verbindungen zu den Nebenstellen und weiter zu den Hausanschlüssen konnten - noch - nicht automatisch hergestellt werden und wurden von eben den "Fräuleins vom Amt" durch "Um und Einstöpseln" bewerkstelligt. 


Foto Josef Bock wohl Ende der dreißiger/Anfang der vierziger Jahre. Im ersten Stock des Kötztinger Postamtes war - bis zum Erweiterungsbau Mitte der 50er Jahre - der Arbeitsplatz der Vermittlerin, die mit ihren Kabeln die gewünschten Telefonverbindungen herstellte.

Wie hat man sich die Verbindung hinaus - und herein aus - in die weite Welt vorzustellen.
Nun es gab ein regelrechtes Netz von Verbindungen der großen Verteilerstellen (Regensburg, Amberg und hier bei uns Cham) von denen aus sternförmig die nächsten Ebene verbunden war, die wiederum dann an die Endstellen vermitteln konnte.
Da meine Mutter, Frau Inge Pongratz, Anfang der 50er Jahre als solch ein " Fräulein vom Amt" nach Kötzting versetzt worden war, habe ich in ihren Unterlagen einige Dokumente gefunden - vermutlich Reste aus ihren Schulungs- und Arbeitsmaterialien-, die dies gut verdeutlichen können. 
Sammlung Pongratz: Hier die Verteilerorte vom Zentrum Cham aus.

Sammlung Pongratz: Detail aus der obigen Karte mit der Unterverteilung von Kötzting aus wurden die Ortschaften: Blaibach, Lederdorn, Grafenwiesen, Traidersdorf, Wettzell, Haus, Reckendorf und Weißenregen "bedient".

Wie schwierig die Arbeitsverhältnisse in der Kötztinger Vermittlung und überhaupt im Kötzting in der Nachkriegszeit waren, verdeutlicht ein Textausschnitt, den meine Mutter in ihren Lebenserinnerungen über diese Zeit zusammengestellt hat. 


.....dann war es schon Dezember 1949 und auf einmal bekam ich das Angebot nach Waldmünchen, Cham oder Kötzting als englisch-sprachige Fernschreiberin oder in die Vermittlung dorthin zu gehen. Nach Kötzting sogar als zusätzliche Aufsicht.
Da ich ledig war und in Kötzting am dringendsten gebraucht wurde wegen Unstimmigkeiten mit der Militärregierung und der CIC bei der Vermittlung, entschloss ich mich dazu, zu dem gigsenden Mrle (kein Fehler soll Misterle heissen) zu gehen.
Also fuhr ich am Sonntag den 3. Januar 1950 nach Kötzting und trat meinen Dienst an. In Regensburg war mir gar nicht bewusst, wie „unmodisch“ ich angezogen war. Noch dazu hatte mein Vater mir geraten, da hinten das alte Zeug aufzutragen und meine „besseren“ Sachen in Regensburg zu lassen. Ich hatte also meinen Flüchtlingsmantel aus einer Amidecke und karierten Stoff gemixt von Tante Lene an, und stand mit dem schäbigen Koffer mittags um 12 Uhr am Bahnhof. Mich traf fast der Schlag als ich die Kötztinger Bürger sah. Wie in einem Film spazierten vor meinen Augen elegante Leute auf und ab in Pelzmänteln und Kostümen im New Look .
Die elegante Kötztinger Welt im  Jahre 1952. Vorne Mitte Inge und Clemens Pongratz, meine Eltern. Oben rechts Oexler Franz.