Ein
Eiskeller wird
das
Bräustüberl wird
das
Monokel und wird ein
Wohnhaus
und manchmal sogar eine
Filmkulisse
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Repro von Ludwig Baumann, veröffentlicht im Buch: Kötzting
1085-1985
Gemalt vom Kötztinger Prior und Pfarrvikar Pater Thomas Stifler für
seinen Bruder in Südtirol.
Während Kötzting topographisch sehr korrekt dargestellt ist, platzierte der
Künstler all die, auch zum Kloster Rott gehörigen Schlösser und Hofmarken
einfach - gleichmäßig verteilt - in die umliegende Landschaft.
Die hellbraune Landstraße im Vordergrund ist die heutige Holzapfelstraße
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Es war einmal eine lehmige Hohlgasse, außerhalb der Kötztinger
Marktbefestigung gelegen, unbebaut und schlammig. Nach dem 30jährigen Krieg
entwickelte sich die heutige Peffergasse und der untere Teil der heutigen
Holzapfelstraße zu Kötztings damaligen Neubaugebiet.
Von dort aus breitete sich die Bebauung in den folgenden Jahrhunderten
immer
weiter aus und vor allem im 19. Jahrhundert wurden dort die Sommer- bzw. Eiskeller
der Kötztinger Privatbrauereien errichtet.
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Dr. Müller, genannt Saumüller, der Kötztinger Amtsarzt,
beschreibt solch eine Situation in einem Schmähgedicht aus
dem Schrankenkeller (später Schmidtbräukeller) |
Die schon jahrhundertelang existierende Privatbrauerei der Familien
Billich-Luckner-Poschinger-Schrank - nun Hotel zur Post - hatte dort mit dem
heutzutage sogenannten Schmidtbräukeller bereits eine Vorläuferrolle gespielt.
Mit der Gewerbefreigabe im zweiten Teil des 19. Jahrhunderts explodierten
regelrecht diese Privatbrauereien und - so wie es im königlich bayerischen
Amtsgericht filmisch korrekt dargestellt ist- wurden an diese Sommerkeller
dann, wenn es der Platz erlaubte, Kegelbahnen angebaut.
Die Holzapfelstraße entwickelte sich zu Kötztings Amüsiermeile mit Kegelbahnen und mit Gartenlokalen: Schrankengarten mit Kegelbahn, die Lemberger Kellerwirtschaft mit Kegelbahn und dann noch das Bräustüberl von der Deckerbrauerei.
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Bei einem Bauantrag des Schlossers Anton Haas wurde die benachbarte Kegelbahn des Schmidtbräus eingezeichnet. |
Spätestens. als dann die Kötztinger Volksschule (nun Parkhaus) errichtet wurde, musste sich der Magistrat in Kötzting erstmals Gedanken über den Zustand der Straße machen, die zu dem Zeitpunkt auch immer noch eine namenlose Hohlgasse war.
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StA Landshut LGäO Kötzting Nr. 97 Schulhausbau und Umbau Hohlgasse von 1857 |
Herein ins neue 20. Jahrhundert, der Hohlweg wurde nun zu Ehren des
Kötztinger Lehrers und Förderer des Ludwigsbergs Holzapfel in die Holzapfelstraße
umgewandelt, bekam diese nun eine beiderseitige Bebauung, was dann mit der
Errichtung des zweiten Schulgebäudes seinen Abschluss fand.
Die Brauerei Decker - nun das Kaufhaus Frey am Marktplatz - benötigte für
sein Bier eine umfangreiche Lagermöglichkeit und errichtete, ausgehende vom
Straßenniveau der Holzapfelstraße einen weit in den Berg und vor allem sehr
tief in den Boden reichenden Eiskeller.
Im Februar 1876 (AA 602/1) kann er dann das Grundstück kaufen und aus dem Oktober
desselben Jahres kennen wir einen Bauantrag über die Aufführung einer
Stützmauer durch Ignaz Decker
"am Wallgraben". Vom November 1900
kennen wir dann auch noch einen kleinen Akt, als es offensichtlich beim
Aufstellen eines Baugerüstes zu einem Unfall gekommen ist.
Doch nun zuerst zum eindrucksvollsten Bierkeller, den ich in Kötzting
kenne:
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StA Landshut Baupläne 162-8 Sch. 22 Nr. 3333: Hier sieht man deutlich, dass der Eiskeller nicht UNTER dem Bräustüberl liegt sondern dort nur der Zugang zu der ausgedehnten Kelleranlage liegt. |
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Querschnitt und Draufsicht der Kelleranlage, unter dem Bräustüberl nur das Vorhaus |
Der Kötztinger Meisterphotograph Erich Stauber als Künstler und Fritz Hollmaier als Hausbesitzer haben mir die Erlaubnis gegeben die folgenden Bilder zu veröffentlichen:
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der Treppenabgang vom Vorhaus hinunter |
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dasselbe nur von unten |
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Blick vom Lagerkeller 1 in den Vorkeller und die Treppenanlage |
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der große Lagerkeller mit einem eindrucksvollen Tonnengewölbe |
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am Ende des Lagerkellers geht's rechts um die Ecke in den zweiten Teil der Kelleranlage |
Sind das nicht tolle Bilder, meine Hochachtung vor dem Können des
Photographen und seiner Ausrüstung. Die Originalbilder sind 25 MB groß(!)
So, nun verlassen wir den Kötztinger Untergrund und kommen wieder an die
Oberfläche und wenn dann gleich richtig, in den turmartigen Bau des
Bräustüberls.
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StA Landshut Baupläne 162-8 Sch. 22 Nr. 3333: |
Es gibt historische Postkarten, auf denen auch das Bräustüberl von innen dargestellt ist:
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Arbeitskreis Heimatforschung DIA Repro 1168 man erkennt deutlich die - im oberen Teil - runden Fensterbögen.
Interessamt wäre es, die hinteren Bilder zu analysieren, die Kirche könnte die Kötztinger Pfarrkirche sein. Beim linken Bild habe ich keine Idee |
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eine zeitgenössische, kolorierte Darstellung zeigt ein Postkartenidyll. Man beachte die Schießscheiben aushängend in der oberen Balustrade. |
Dieses Bräustüberl - auch die Brauerei Lindner etablierte bald eine
ebensolches - entwickelte sich sehr bald zu einem Treffpunkt für die
Kötztinger.
Conrad Krämer der Alte, der Ostmarkonkel, hat uns eine dickes,
schreibmaschinen geschriebenes Manuskript hinterlassen mit dem Titel
"Kötztinger Klein und Kurzgeschichten". Viele der Streiche und
Erzählungen sind mehr von der derben Sorte aber es bringt uns doch ein
Lebensbild der Kötztinger Gesellschaft nach der Jahrhundertwende näher:
Decker Bräustüberl in Kötzting:
Eines Abends war wieder einmal die ganze Konsorte im Bräustüberl beim
lustigen Zusammensein: das Bräustüberl war das "Eltorator"(!) von
Kötzting, denn wer anregende Gesellschaft haben wollte, war gezwungen dorthin
zu gehen, ja selbst die Fremden frugen ständig nach dem Bräustüberl und man war
nicht in Kötzting gewesen, wenn man nicht den Decker Toni, als echten Wald und
niederbayerischen Wirtstyp und seine vorzügliche Frau, die als Köchin weit und
breit bekannt war, kennen gelernt hatte. Ein Fremdenbuch lag auf. Alle
Kötztinger Typen und Stammgäste waren hier naturgetreu nachgezeichnet. Wie zum
Beispiel Leo von Sperl (Sperlhammer)
, Karl Obermeier (Mesner Karl),
Heinrich
Rottmeier (Apotheke Wieser)
, Alois Kolbeck (Gams), Toni Schreil
Friedhofsverwalter (ein schöner Name für einen Totengräber)
Hans Singer
Hauptlehrer (eine Berühmtheit in Kötzting, da er sein gesamtes Berufsleben lang,
als Lehrer in Wettzell tätig und wohnhaft in Kötzting, die lange Strecke
täglich zwei mal zu Fuß zurücklegte)
, Josef Wagner, Gumbierl (heutzutage Heigl
Schlosser Marktstraße)
..... Forderung auf Schläger:
Um auf Hamsa wieder zurück zu kommen, war eines Abends im Bräustüberl wieder
Hochbetrieb: unter den vielen Gästen befand sich ein neuer Gast. (es stellte
sich heraus, dass es Herr Obersekretär Dirscherl war, der neu am hiesigen Finanzamt
angestellt war.) Eugen Hubrich blies den inneren Teil einer Zündholzschachtel
von sich und wollte den Krämer Anderl treffen, doch verfehlte er das Ziel und
flog den neuen Gast an den Hinterkopf. Entsetzt sah er sich um und
bemerkte das grinsende Gesicht von Eugen und bat denselben, mit ihm hinaus
zu gehen. Draußen vor der hintern Tür, machte Dirscherl klar, dass er keine
Späße mit sich treiben lassen und fasste es als eine schwere Beleidigung aus,
und als Reserve Offizier, könne nur durch eine Forderung auf Schläger die
Beleidigung ausgeglichen werden. Ganz bleich im Gesicht kam Eugen herein und forderte
uns auf, zur Schlichtung dieser unangenehmen Sache. Alles Entschuldigen war
zwecklos, alles erklären, dass auf keinen Fall die harmlose Geschichte ihm
Dirscherl gegolten hätte, erfolglos.
Dirscherl blieb auf seinem Standpunkt stehen. Hamsa legte sich in kurzen Worten
ein, als Mensch müsse er doch einen solchen Scherz mitmachen können. Als auch
unsere Vermittlungsversuche zwecklos waren, da sagte der Krämer Philipp: „Wissen
sie was sie sind. A rechter Aff! So jetzt können sie mich fordern. Ich bin
Schlachtermeister, habe bei der Artillerie gedient und bin mit einer Forderung
auf Säbel voll und ganz einverstanden“. Hamsa sagte darauf: „aber guter Herr!
--- wenn sie in Kötzting bleiben wollen und das auch nur für kurze Zeit, so müssen
sie sich die Hörndln erst abschleifen lassen. Selbst unsere besten Beamten
waren gerne hier und haben sich mit unseren Tun und Treiben recht gut
abgefunden und ich bin schon heute überzeugt, dass sie sich bei uns recht bald
heimisch fühlen und a recht zünftige Maus(!) werden“. (was auch tatsächlich zutraf)
Derselbe Dirscherl - er hatte seine Wohnung beim Schötz
genommen und sein Stammlokal sich gleich um die Ecke ausgesucht) gewann 1/4
Jahr später 1000 Mark in der Lotterie, forderte seine Mitzecher in der
Klosterschmiede (Metzgerei Schoierer) auf, das gesamte Mobiliar und Geschirr zu
zertrümmern und bezahlte anschließend dem Wirt Röhrl eine komplette
Einrichtung.
Im Hochsommer - um Mitternacht - kam er auf die Idee sofort einen
Faschingsumzug zu veranstalten, und, da Konrad Krämer unter anderem auch als
Perückenmacher tätig war, konnten sie sich bald verkleiden und den Markt
unsicher machen.
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die Unterschriftenliste läßt vermuten, dass die Karte vom "Stammtisch" aus geschrieben worden ist. |
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Ein Bild aus "neuerer" (vermutlich 70er Jahre) Zeit, links am Rande kann man noch
Teile des Lemberger Anwesens erkennen |
Nach einem längeren Dornröschenschlaf wurde das Bräustüberl dann in der 90ern als MONOKEL wieder erweckt und erst in den Nullerjahren dann zu einem Wohnhaus umgebaut.
In diesem außergewöhnlichen Haus, das vom tiefsten Keller bis hinauf zur Empore eine einmalige "Lokation" darstellte, war dann für einige Jahre Party angesagt.
Von der damaligen Wirtin, Frau Wilma Anderle, habe ich die folgenden Bilder erhalten, die von den Burschen in Smoking, zur Halloweenparty im Eiskeller bis hin zum Fasching-Eingraben reichen.
Die Bilder, schnell mit einer Handykamera aufgenommen, sind zwar von einer geringen Auflösung, zeigen aber das außergewöhnliche der Feiern in diesem besonderen Lokal.
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Nach einem Burschenball oder der Pfingsthochzeit? |
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Im obersten Bereich |
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Im Raum des früheren alten Bräustüberls, siehe die Rundbogenfenster |
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Zwischen unten und Oben |
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Von oben nach unten, Sängerfreunde |
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Es wird Halloween |
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Partytime an Halloween im Eiskeller |
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hier haben wir die steile Treppe zum Eiskeller |
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Grob man ei oda grob man ned ei... Mitternacht am Faschingsdienstag. |
So das wars, nach einer langen Reise ist das Haus nun endlich zur Ruhe gekommen und hat als ein ganz besonderes Wohngebäude seinen endgültigen Platz in Kötztings Geschichte gefunden.
Im Jahre 2019 diente der Eiskeller dann sogar als Filmset für einen Gruselschocker mit Namen
"Die Zahnfee" .
Niederbayern TV begleitete die Filmaufnahmen.
Hier zum Abschluss ein Bild des Eiskellers als Rückzugsort des Serienkillers.
Womit wir wieder am Anfang des Berichtes und des Gebäudes wären, beim Eiskeller.