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Dienstag, 26. Juli 2022

AC- Kötzting Geschicklichkeitsrennen Pfingsten 1970

   Es geht weiter mit Bildern aus der Zeitungsredaktion der Kötztinger Umschau, welche alle über eine private Sammlung von Frau Renate Serwuschok dem Arbeitskreis Heimatforschung übereignet wurden und nun im Stadtarchiv Kötzting verwahrt werden.

Vieles aus dem Bestand, den wir von Frau Serwuschok ins Stadtarchiv übernehmen durften, befindet sich in großen, nach Monaten sortierten, Briefumschlägen.  Manche/viele der Negativstreifen sind aber unsortiert,  haben aber einen kleinen beschrifteten Zettel anhängen, mit den Anweisungen für den Setzer in der Druckerei, oder sind, thematisch sortiert, in vielen Leitzordnern aufgehoben. wie auch in diesem Falle.  

Zum heutigen Thema haben wir eine ganze Bilderserie, die uns - mit vielen bekannten Personen - "zurückbeamt" ins Jahr 1970. Viel Spaß mit den Bildern.

Das Schiedsgericht - ich denke die meisten Personen sind den älteren Kötztingern gekannt




 


Das Zuschauerinteressa war jedenfalls sehr groß









 



Freitag, 22. Juli 2022

Michael Heigl eine Dokumentation Teil 2 die Heigls in Beckendorf

Heigl Michael wurde wohl aufgrund der Tatsache, dass er bzw. seine Eltern das Beckendorfer Heimatrecht besaßen, auch immer als lediger Inwohnersohn von Beckendorf bezeichnet, obwohl er nachweislich in Ramsried auf die Welt gekommen war. Nachdem noch einige seiner nachfolgenden Geschwister ebenfalls als Geburtsort Ramsried angegeben hatten, steht auch zu vermuten, dass er seine Kindheit ebenfalls dort verbracht hatte.
Später jedoch ist er, wie auch seine Brüder und seine erste Geliebte, eher im Raume Beckendorf-Arndorf-Reitenstein zu verorten, weshalb es auch immer schon ein - durchaus umstrittenes - Thema gewesen ist, wo denn die "Heigls" - zwischendrin und am Ende vielleicht dauerhaft - in Beckendorf dann gewohnt haben könnten.

Zuerst jedoch ein Hinweis auf die Teile der Dokumentation, die bereits veröffentlicht sind:

Zum Einstieg:  ein Bild und seine Geschichte: das Laumerhaus von Gotzendorf
Teil 1 der Dokumentation: Der Familienverband des Michael Heigl

Beckendorf aus der Ansicht von Kreuzberg aus aufgenommen. Da die Beckendorfer Dorfkapelle selbst auf diese Entfernung so aussieht, wie sie im Jahre 1949 eingeweiht worden ist, vermute ich, dass diese Aufnahme aus den 50er Jahren stammt.
Der begleitende Zeitungsartikel allerdings bringt den Vorläuferbau mit einer kleinen Geschichte mit unserem Michael Heigl in Verbindung, die aber selbst als Anekdote nicht haltbar ist.  

Auf dem historischen Plan der Uraufnahme - entstanden um 1831 - auf welchem jede Hütte und jeder Backofen eingezeichnet ist, die in der weiten Dorfflur gestanden hatten, findet sich keine Spur eines wie auch immer gearteten sakralen Gebäudes.

Detail aus Bayernatlas.de hier Beckendorf

Die Häuser mit den Nummern 1-3 sind hier abgeschnitten, diese befinden sich bereits auf der Anhöhe Richtung Kreuzberg, sind aber deutlich erkennbar erst im Aufbau.


Wo wohnte Michael Heigl?


Nach den kleinen Aktennotizen, die noch in der Zeit vor seiner Flucht behördlicherseits angelegt worden waren, kann man eines durchaus annehmen, dass er seine Kinder- und Jugendzeit in Beckendorf verbracht hatte. Wo aber haben er bzw. er und seine Eltern dann gewohnt?

Einschränkend muss ich natürlich vorausschicken, dass Inleute häufig nicht einmal innerhalb ein und derselben Gemeinde an einem Platz geblieben sind. Aber es gibt erstens nicht viele Anwesen in Beckendorf, die groß genug gewesen wären, dass auf einem dieser zusätzlich noch eine ganze Familie hätte unterkommen können und es gibt darüber hinaus auch noch Hinweise und Gerüchte, die die Zeiten überdauert haben und die es auf ihren Wahrheitsgehalt abzuklopfen gilt. 

1. Er soll auf dem Kreuzberg gewohnt haben.

Faktencheck: Gleich zu Beginn des 19. Jahrhunderts wird Bayern vermessen und die erste richtige Karte Bayerns wird um das Jahr 1830 erstellt, in der jedes, aber auch wirklich jedes Gebäude – Stall – Stallung – Stadel, ja selbst jeder Backofen eingezeichnet ist. Auf dem Kreuzberg ist nur der eine Bauernhof (im Urkataster mit der Nummer 1 vorgetragen). Bei diesem Anwesen ist  nachweislich kein Inhaus vorhanden.
Dann gibt’s noch die Anwesen 2 und 3, die zumindest auf der Anhöhe in Richtung Kreuzberg liegen. Bei der Nummer 3 ist erwähnt, dass es erst 1809 erbaut ist und bei beiden Anwesen ist noch im Plan von 1830 zu ersehen, dass die Häuser erst im Entstehen sind. 

Detail aus Bayernatlas.de hier Beckendorf Richtung Kreuzberg, mit dem kleinen Anwesen mit
der Nummer 1 und den Neubauten der Nummer 2 und 3.

Welche mögliche Erklärung gibt es für diese "Verortung"?

Der "Heigl Christ", Christoph Gruber, der Sohn des Michael Heigl und seiner ersten Geliebten Marianne Gruber, wurde mehr als eine Generation später in einer Hütte auf dem Kreuzberg aufgegriffen, was nicht nur damals wegen der Begleitumstände für einige Aufregung sorgte, sondern, eben Jahrzehnte später - möglicherweise -  der eine "Heigl Christ" mit dem anderen "Heigl Michael", zumindest was den Wohnort betraf, in einen Topf geworfen wurde.  
Im Staatsarchiv Landshut unter den Akten des Bezirksamtes/Landratsamtes Kötzting steht auf dem Aktendeckel mit der Nummer 2906 ganz groß: „Sittenpolizei“.  Darin wird unter anderem vom Kötztinger Pfarrer bitterlich geklagt,  dass die Zahl der unehelichen Geburten immer höher ansteige und es nicht nur die „leichtfertigen jungen Leute“ seien, sondern durchaus auch die Witwen aus dem Bürgerstand und dass sogar "uneheliche Geburten von verheirateten Weibern, deren Männer im Zuchthause oder anderwerts sich befinden, vorkommen“

StA Landshut Rep 164-8 Nr. 2906
Gleichzeitig legt er aber den Finger in die Wunde, die vermutlich seit dem Ende des 18. Jahrhunderts für manche der Zustände ursächlich war: "Eine ganz besonders traurige Erfahrung heutzutage ist aber, daß viele ganz junge Eheleute eigenmächtig sich trauen, ohne eine geistliche, vielleicht auch ohne eine weltliche Behörde zu fragen, und dann sicher auf verderbliche Abwege gerathen
Hochachtungsvoll J. Exler Pf
[arrer]"


Im selben Akt  wird davon gesprochen, dass die sogenannte Kollerhütte auf dem Kreuzberg wegen Baufälligkeit im Jahre 1888 versperrt werden solle. Der Kötztinger Wachtmeister Georg Kerscher protokolliert auf demselben Blatt, wen alle er am 29. Oktober dort angetroffen hatte: eine illustre Truppe mit Heigl-Verbindung:

Franziska Brunner, Tochter der im Zuchthaus sich befindlichen Eheleute Martin und Therese Brunner, 19 Jahre alt.
Anna Vogl, 15 Jahre alt, Tochter der im Zuchthaus befindlichen Eheleute Georg und Creszenz Vogl von Arndorf
Franziska Vogl, 20 Jahre alt, ledige Tochter des im Zuchthaus büßenden Inwohners und Binders Josef Vogl vulgo Fendlsporn, von Arndorf
Theres Vogl, 38 Jahre alt, Ehefrau des nach Amerika geflüchteten Zuchthaussträflings Josef Vogl genannt Kemm von Arndorf.



"5. Christoph Gruber, genannt Heigl Christl, 49 Jahre alt, verheirateter Binder und Inwohner von der Gemeinde Arndorf und von seiner Ehefrau Katharina getrennt lebend."

Ludwig Hagl, 20 Jahre alt, Sohn der Malerseheleute Josef und Theres Hagl von Kötzting
Anton Hohenleitner, 25 Jahre alt, lediger Müller- und Sagknecht von Oberegling BZA München II

Franziska Vogl brachte in der Kollerhütte 8 Tage zuvor ihr Kind von Ludwig Hagl auf die Welt. Diese beiden und auch Heigl Christ mit seiner Freundin Therese Vogl bekommen alle eine Anzeige wegen Konkubinats. Möglicherweise sind diese verdächtigen Bewohner mit Heiglbezug in der Kollerhütte auf dem Kreuzberg der Grund, weshalb dort oben das Wohnhaus der Heigl verortet wurde. Therese Vogl sollte aus Arndorf ausgewiesen werden – was aber dann rechtlich nicht möglich gewesen war. Für den Heigl Christ, als gewalttätig bekannt, wird eine längere Zuchthausstrafe angestrebt, allerdings muss zuerst die Frage seiner minderjährigen Kinder geklärt werden, welche bei ihm wohnten.


Einschub
Das Thema der unehelichen Geburten im Zusammenhang mit der zunehmenden Anzahl an Inwohnern wird bei der Erklärung der Ursachen der steigenden Kriminalität zu dieser Zeit noch eine eigene Rolle spielen. Das Thema der viel zu vielen Inleute im Kötztinger Raum und deren Auswirkungen wird uns noch oft begleiten.
Einschub Ende

2. Er soll im Hutterhaus gewohnt haben.

 
Das ist nun eine delikate Aufgabe. Viele Beckendorfer benannten das letzte Haus in Beckendorf auf der rechten Seite vor Beginn der Beckendorfer Höhe als das „Heiglhaus“.. Diese Aussage hat schon mal zu einer hitzigen Gegendarstellung in der Kötztinger Zeitung geführt, weil die Besitzer des Hauses sich dagegen verwahrten, das ihrige als das des Räubers Heigl bezeichnet zu bekommen.
Frau Maria Stephanie, eine geborene Hutter aus Beckendorf schrieb an die Kötztinger Zeitung, die dann am 9.9.1969 eine Art Gegendarstellung veröffentlichte, weil die Besitzerin darauf bestand, dass festgehalten wurde, dass der Geburtsort des Heigls der Kreuzberg gewesen sei und eben nicht das Hutteranwesen. 

Abweichend vom Wissenstand  im Jahre 1969 kennen wir mittlerweile den Geburtsort Michael Heigls, nämlich Ramsried. Dass es nicht der von Frau Hutter angegebene Kreuzberg gewesen sein kann, glauben wir auch zu wissen, und das Hutter-Anwesen darf es nicht gewesen sein, was also nun?

3. Und es war vielleicht doch EIN Hutteranwesen..... 

.....nur eben nicht das in der Zeitung abgebildete, sondern genau gegenüber. 

Manchmal hilft mir wirklich der Zufall in den anderen Archiven und natürlich habe ich für diese Dokumentation auch versucht, Nebenwege zu gehen, um indirekt zum Zuge zu kommen. Und wieder sind es die Akten des Bezirksamtes/Landratsamtes Kötzting. Diesmal geht es um die Straßenkreuzung der abknickenden Straße nach Grafenwiesen. Mitten dort, wo jetzt eine breite Straße abbiegt, war bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts ein bis zum Boden aus Holz errichtetes Inhaus gestanden, das zu diesem Zeitpunkt noch der Familie Hutter gehört hatte. Die Straße nach Grafenwiesen sollte nicht nur breiter gebaut werden, sondern auch das Abbiegen sollte geschmeidiger und dem steigenden KFZ-Verkehr angepasst werden. Diesem Vorhaben stand das Holzhaus im Wege. Was aber zunächst die Sache erleichterte, war die Tatsache,  dass es in einem äußerst baufälligen Zustand war. Dieses wiederum führte dazu, dass das Bezirksamt Kötzting im Juni 1933 zuerst einmal das Haus kurzerhand abreißen ließ. Und wie es der Zufall so wollte, waren der Zwangsverkauf und der Abbruch strittig, weshalb für den Akt eine Bilderserie beigelegt wurde, die zur Rechtfertigung des Abrisses dienen sollte.

StA Landshut  Rep 164-8 Nr. 3532 von 1932-37 Beckendorf 
Beschriftung: Bild links: von Kötzting
Bild mitte: Pfeil nach links Grafenwiesen
Bild rechts: nach Hohenwarth

Aus den dreißiger Jahren haben wir einen Schriftwechsel um die Entschädigungszahlung von Seiten des Straßen- und Flussbauamtes Deggendorf.  Franz Hutter, der Besitzer schickte eine Petition an die Führerkanzlei in Berlin – eine damals durchaus geläufige Methode, gleich ganz oben anzuklopfen –, welche die Angelegenheit an den NSDAP-Gau in Bayreuth delegierte.   
In einem weiteren Schreiben an das Kötztinger Bezirksamt bezeichnete Hutter zwar selber das Haus als baufällig, jedoch hatte er die Absicht gehabt, selbiges wieder zu reparieren.

StA Landshut  Rep 164-8 Nr. 3532 von 1932-37 Beckendorf 
"An das Bezirksamt Kötzting
Abruch meines Hauses Nummer 5 in Beckendorf.
Mir wurde im Juni 1933 in Beckendorf Gemeinde Arndorf mein Haus No 5 infolge Baufälligkeit auf Veranlaßung des Bezirks Kötzting zwangsweise abgebrochen.
..."
Hutter beschrieb das Objekt in seinem handschriftlichen Bittgesuch als für ihn unverzichtbar und meinte, er habe bereits seit Jahren einen Reparaturplan eingereicht, der ihm aber nicht genehmigt worden war. Das Haus habe als Schuppen für seine landwirtschaftlichen Geräte gedient und es hätte sich innerhalb des Hauses ein guter Brunnen, ein fester Keller und eine Schmiedewerkstatt für seinen Sohn befunden. 3000 Reichsmark würde er für eine angemessene Entschädigung halten.

StA Landshut  Rep 164-8 Nr. 3532 von 1932-37 Beckendorf 

StA Landshut  Rep 164-8 Nr. 3532 von 1932-37 Beckendorf 

Dem Akt, in dem Franz Hutter als ein sehr „robuster“ Charakter dargestellt wird, ist auch zum besseren Verständnis ein Lageplan beigefügt, der das abgerissene Haus als das „INHAUS des Hutter“ bezeichnet und das in den 50er Jahren fälschlicherweise als das Heiglhaus bezeichnete Gebäude als das Anwesen des Hutter.

Stellungnahme des Windisch an das BZA


Der Kötztinger Bautechniker Windisch beschrieb in seinem Schreiben an das Bezirksamt, dass die Abbrucharbeiten wohl unter Polizeischutz vorgenommen werden mussten.

StA Landshut  Rep 164-8 Nr. 3532 von 1932-37 Beckendorf 
Blick von der Grafenwiesener Seite her auf das Hutter-Inhaus. Im Hintergrund das Hutter-Haus, das wohl von manchen Beckendorfern in den 60er Jahren fälschlicherweise als das Heigl-Haus bezeichnet worden war.

In der Uraufnahme im Liquidationsprotokoll ist dieses Gebäude noch dem Anwesen Nummer 5 zugeordnet. Es wurde wohl später praktisch über die Straße hinweg verkauft.
Auch wenn der letzte Beweis fehlt, und angesichts der großen Mobilität im Nahbereich, die die Inwohnerfamilie Heigl an den Tag gelegt hatte, um ihrem Broterwerb nachzugehen war es vermutlich auch später nicht der „Dauerwohnsitz“ gewesen/geblieben. Es spricht jedoch in meinen Augen manches dafür, dass Michael Heigl mit seinen Eltern und Geschwistern (auch) in diesem Hause gelebt hat.
Nun können wir also das Geburtshaus - einigermaßen sicher - und das Wohnhaus in seiner Kindheit - möglicherweise - verorten. Zum Zeitpunkt der Geburt seines ersten Kindes war er noch als Inwohnersohn aus Beckendorf angegeben. Bereits beim zweiten Kind wird er als ein „Inwohnersohn, derzeit in Reitenstein“ beschrieben. Aber Michael Heigl und seine Kinder (zumindest die mit der Marianne Gruber) sind ist ein anderes Kapitel.
StA Landshut  Rep 164-8 Nr. 3532 von 1932-37 Beckendorf 

Am Ende noch einmal eine Zusammenstellung der bereits erschienenen Beiträge, die sich mit Michael Heigl befassen:

Mittwoch, 20. Juli 2022

Ein Bild und seine Geschichte - die spektakuläre Thenrieder Bürgermeisterwahl

In den 60er Jahren veröffentlichte die Kötztinger Umschau unter der Rubrik - die sich heutzutage niemand mehr so zu nennen trauen würde - : "Unsere Alten im Landkreis" immer wieder Interviews mit bekannten Persönlichkeiten aus dem Landkreis, fortschrittlichen Alters. 
Diese Zeitzeugen konnten dann von ganz besonderen Ereignissen berichten und eines dieser, auch überregional bekannt/berüchtigt gewordenen Vorkommnisse, war das gewaltsame Eindringen einiger Thenrieder Wähler ins dortige Wahllokal - nach erfolgter Auszählung - und das Vernichten der Wahlunterlagen, um ein unerwünschtes Ergebnis zu annullieren.
13 Thenrieder wurden verhaftet und landeten vor Gericht in Straubing, die meisten wurden zu einer Gefängnisstrafe auf Bewährung, zwei Männer aber auch tatsächlich zu einem Gefängnisaufenthalt verdonnert.
Die Haft bzw. Untersuchungshaft schildert einer der Beteiligten Jahrzehnte später noch als ganz passabel.


KU vom September 1968
Auch der spätere Ortspfleger Franz Hollmeier erinnert sich an das Spektakel, mehr allerdings noch an das Erlebnis des ersten Autos, das durch Thenried fuhr.


Einer der - zumindest laut Johannes Linke - Hauptantreiber des Aufstandes soll der Fischer Karl - vulgo Balsen Karl - gewesen sein, dem die KU in ihrer Rubrik auch einen Platz einräumte.







Hier die Zusammenfassung der Ereignisse aus den Akten im Staatsarchiv Landshut von Frau Renate Silberbauer, veröffentlicht in der Kötztinger Zeitung im Jahre 2009 und auch in den Gelben Bänden.
KÖZ vom 14.3.2009 von Frau Renate Silberbauer

Natürlich war das Geschehen - und vor allem die Verhandlung in Straubing - ein Thema in der Presse, die sogar die einzelnen Zeugenaussagen veröffentlichte.
Die zwei in den 60er Jahren als "Unsere Alten in Stadt und Land" vorgestellten Männer, finden sich  auch in den beiden Zeitungsberichten vom Januar 1930.
KÖZ vom 29.1.1930

 Interessant ist hier die Zeugenaussage des Karl Fischer, alias Balsen Karl.




KÖZ vom 30.1.1930




Johannes Linke verarbeitete dieses Geschehen über ganze 10 Seiten hinweg in seinem Buch "Ein Jahr rollt übers Gebirg", verlegt allerdings den Ort der Handlung nach Rimbach.
Linke, ein begnadeter und wortmächtiger Analyst und Beobachter der Menschen und deren Sitten und Gebräuche unserer engeren Heimat, kann bei der Beschreibung des Sturm auf das Wahllokal und der Vernichtung der Unterlagen erzählerisch aus dem Vollen schöpfen.
Für diejenigen, denen dieses Buch neu und unbekannt ist: Johannes Linke  - in den letzten Wintermonaten des Zweiten Weltkrieges an der Ostfront verschollen - wohnte, aus Sachsen stammend, als Wahlbayer in Lichtenegg und veröffentlichte - häufig zusammen mit seiner Frau, die eine sehr gute Fotografin gewesen war - einige betextete Bildbände, Gedichte und eben auch Romane.
Johannes Linke
Frau Käte Linke
   


In diesem Roman -" Ein Jahr rollt übers Gebirg" -  stellte er eine Reihe von Ereignissen, die er in seinem Nahbereich vermutlich selbst miterlebt oder eben am Wirtshaustisch erzählt bekommen hatte, in Form eines Jahreszyklus zusammen. Viele - eigentlich fast alle - seiner Personen- und Ortsnamen sind verschlüsselt. Es ließen sich jedoch in der Vergangenheit die Wichtigsten  dieser Verschlüsselungen auflösen und den richtigen Personen und Orten zuweisen. Vor allem Herrn Silberbauer aus Rimbach hat von einigen dieser - manchmal sehr derben - Anekdoten den wahren, manchmal aber auch traurigen, Wahrheitskern herausfinden können. Sein Vorfahr, ebenso wie er selber mit dem Namen "Gwasch" bekannt, ist im Buch sogar mit diesem "Hausnamen" unverschlüsselt verewigt.



Hier nun ein Auszug aus seiner - literarischen - Version des Aufruhrs, als es nach der Ergebnisbekanntgabe dann sehr schnell ernst wurde. In dem Transkript sind die im Original verwendeten Kunstnamen der Ortschaften bereits "entschlüsselt" .

........Da muss ein Betrug dabei sein! Anders ist das gar nicht möglich!“
Wie der Hauptlehrer merkte, dass er seine amtliche Kundmachung auf diese Weise nicht zu Ende bringen konnte, denn er war ja noch gar nicht damit fertig, sah er sich nach Hilfe um, aber er fand keinen, der ihm vertrauenswürdig erschien, und so zog er sich denn zunächst zur Tür, und von da aus ins Wahllokal zurück.
Die Rimbacher Dörfler hielten das für ein Zeichen seines schlechten Gewissens und fingen nun erst recht an, zu toben und zu schelten. Überdies hatte der Lärm, der über das ganze Dorf hinhallte, die abtrünnigen Musikanten und die ortsbekannten Aufwiegler und Lärmbrüder aus der Kastanie herübergelockt, und noch ehe sie recht begriffen hatten, worum es sich eigentlich handle, mischten sie sich mit ihren Mäulern und Fäusten in den Streit. Nur mit Mühe drängte der Wirt unter dem Beistand des alten Schmiedes und einiger ehrenfester Männer die erhitzten Burschen von den Einödern ab, auf die sie sich in ihrer Wut gestürzt hatten.
„Zerreißt denest das ganze Wahlgeraffel!“ schrie Balsen Karl, der sich in dem Getöse wohlfühlte wie ein Vogel in der freien Luft. „Werft es auf den Mist! Hernach habens nichts in der Hand, und die Wahl ist ungültig!“
„Recht hat er, der Karl!“ schimpfte Berzl Johann. „Verbrennen sollt man den ganzen Dreck, daß er aus der Welt geschafft wär!“
Der alte Nickelbauer verschaffte sich Gehör.
„Manner!“ rief er, „führts nicht solche Reden. Wenn enk einer anzeigt, könnt ihr eingesperrt werden für enkere Sprüch, enkere saudummen!“
„Was, Schmatz!“ hetzte der Bladerer Girgl. „Eine solche Wahl lassen wir uns einmal nicht gefallen. Wir schaffen uns selber ein Recht.“
Aschenbrenner Franz kreischte: „Schauts nicht so lang! Ziehts die Wahlpapierdeln, die gestunkenen, überdüber!“
Schon begann eine Horde gegen die Tür zu drängen.
„Einen Rimbacher wollen wir! Einen Rimbacher!“
Der Schafbauer rief über die erregte Gesellschaft hin: „Manner, schauts auf! Laßts die rotzigen Buben nicht Herr werden!“
„Gehts zurück, Bürscheln!“ drohte der alte Martin Hans. „Gebts eine Ruh!“
Aber es war zu spät zum Ruhestiften. Schon polterten einige Halbwüchsige die Stiege hinunter.

Balsen Karl spuckte sich in die Hände und rieb sie schmunzelnd:
„Das gibt eine Hetz! Bou! Das gibt eine Hetz!“
Lachend und grölend schoben die Lüsternsten; andere ließen sich halbwillig fortzerren, endlich kam die ganze Menge in Fluss, und nur ein paar Alte setzten dem Geschiebe ernstlichen Widerstand entgegen.
„Manner!“ rief der alte Bürgermeister beschwörend, „hörts auf! Das tut kein gut!“ Aber im allgemeinen Aufruhr wurde seine Warnung verweht. Einzig die Männer aus den Weilern und Einöden, die für den Goverhöll gestimmt hatten, blieben oben im Saale.
„Gegen eine Herd wilde Büffel kann ein Gescheiter nichts ausrichten“, sagte der Hastreiter von Thürnhofen. „Warten wir’s halt ab, wie's ausgeht.“
Aber auch die jüngeren Einöder hielten es nicht oben aus. Ihre Neugier trieb sie in das Getümmel.
Unten pochte schon der Aschenbrenner Franz mit seinen Zimmermannsfäusten an die verschlossene Wirtsstubentür und schrie: „Sperrts auf!“ Die Tür blieb versperrt. Von drinnen rief jemand etwas heraus, aber bei dem Getöse konnte kein Mensch ein Wort verstehen. Schon pochten zehn Fäuste bedrohlich an das Holz.
Der Wirt zwängte sich mühsam durch die Menge. In seinen geröteten Augen saß die Angst. „Männer“, sagte er flehentlich, „seids gescheit! Drückts mir meine Tür nicht zusammen!“
Wahrscheinlich hatte kein einziger ernstlich im Sinne, die Stubentür aufzubrechen, aber die sechs oder sieben jungen Leute, die mit den Schultern an dem Türrahmen lehnten, konnten den Druck der hundert Männer nicht aufhalten, splitternd gab das Föhrenholz nach, und krachend flog eine Füllung in die Stube.
Jetzt konnten sie nimmer zurück. jetzt waren sie alle vom Zerstörungstaumel gepackt. Durch das aufgebrochene Türfenster sahen sie, wie drin am langen Tische der Hauptlehrer ratlos vor den Akten stand, während die beiden Beisitzer, Gregori Toni vom Dorfe und der Stadelbauer von den Einöden, an die Öffnung stürzten und mit heftigen Armbewegungen die Andrängenden zurückzuhalten suchten.
Aber das musste vergeblich bleiben. Knatternd barst die ganze Tür, Friese und Füllungen stürzten auseinanderfallend in den Schenkraum, und unter Geheul quoll die Sturzflut den Vordersten nach. Die beiden Böhmischmüllnerbuben wurden von dem plötzlichen Schub zu Boden geworfen, und nur mit Mühe konnten sie ihre Glieder vor den Stiefeln der Nachdrängenden retten. Der Stadelbauer zischte dem Brunner Karl, der mit herausfordernder Gebärde zuvorderst stand, eine Maulschelle ins Gesicht, packte den Berzl Johann bei den Schultern und suchte ihn zurückzustoßen. Aber die Masse der Neugierigen, die auch etwas sehen wollten, schob die Ersten immer weiter vor.


„So nehmt’s halt einen Verstand an!“ sagte Gregori Toni und machte ein Gesicht, in dem sich Abscheu und Behagen seltsam vermischten.
„Nichts ist’s!“ schrie Lenzen Toni, „Gebts die lumperten Papierdel her!“
„Meine Herren!“ stammelte der Hauptlehrer mit weinerlicher Stimme und spreizte seine Finger über die Schriftstücke, „meine Herren, das sind amtliche Akten!“
„Gewesen!“ schrie Aschenbrenner Franz und schleuderte das Hauptbuch gegen das Fenster, daß es die vereiste Scheibe zerschlug und auf den Hof hinausklatschte.
Der Hauptlehrer war aschgrau geworden und zitterte an allen Gliedern.
Draußen ging ein vielstimmiges Jubelgeschrei an. Im Augenblicke war das Buch zerfledert, und die einzelnen Blätter wurden über die Straße, auf den Misthaufen, in die Odelgrube, über den Hof zerstreut.
Die amtlichen Wahlakten!“ klagte der Hauptlehrer.
„Wir scheißen auf deine amtlichen Wahlakten!“ brüllte Balsen Karl, riß einen Stoß Papiere vom Tische, warf sie auf die Diele, knöpfte seinen Hosenlatz auf und hockte sich darüber.
Ein ungeheures Beifallsgelächter brach los. In der allgemeinen Begeisterung wurden die vereinzelten Warner und Tadler überschrien. Um den aufsteigenden Gestank zu vertilgen, fasste der Lenzen Toni ein Dutzend Stimmzettel aus der Mappe und zündete sie an, daß der Rauch beizend durch die Stube drang.
Von der Küche her, wo die Wirtin mit ihren drei ältesten Töchtern durch den Türspalt lugte, erscholl ein verzweifeltes Kreischen.
„Zuerst stoßen sie uns Türen und Fenster ein, die Hammel, hernach sauen sie uns die Stube voll, die Bärner - und jetzt kendeln sie uns das Haus an! Jegers Mari!“
Die zwei Wahlbeistände gingen mit erhobenen Fäusten auf die Störenfriede los. Einige Burschen hatten sich Wahlzettel zu einem Fidibus zusammengedreht und setzten damit ihre Tabakspfeife in Brand.
„Hörts auf mit Lichteln!“ riefen etliche Besonnene von hinten.
Wie es nichts mehr von den Wahlakten zu vernichten gab, wichen die Burschen und Männer langsam aus der verwüsteten Wirtsstube zurück.
„Das wird etwas geben! Das wird etwas geben! Mein Gott!“ jammerte der Hauptlehrer hilflos vor sich hin.
Der Nickelbauer, der, in die Masse eingekeilt, mehrfach versucht hatte, seine Dörfler zur Vernunft zu bringen, zwängte sich jetzt mit ein paar älteren Männern, die das Treiben nicht billigten, in den Wahlraum.
„Panduren, unnatürliche!“ rief er und drängte die Burschen hinaus, „meints denn, ös könnts mit dem ganzen Gefetz eppes bezwecken? Eingesperrt werdet ihr!“
Der Hauptlehrer hatte endlich, da er sich von nüchternen, ehrengeachteten Männern umgeben sah, seine Haltung wiedergefunden. Er schaute mit ergrimmten Blicken um sich.
„Und überhaupt“, ereiferte er sich, „ist das alles ja ein Unsinn, weil ja die Wahl noch gar nicht gültig gewesen wäre!“
„Noch gar nicht gültig?“ rief der alte Benno Hans und griff sich in seinen langen weißen Bart.
„Freilich war sie noch nicht gültig!“ wetterte der Hauptlehrer. "Es muss doch für einen Bewerber eine vollständige Mehrheit da sein. Dazu hätte es noch eine Stichwahl gebraucht.“
Der alte Bürgermeister geriet in Wut.
„Du bist denest ein rechter Aff, Herr Hauptlehrer!“ schrie er. „Warum hast denn das hernach nicht gleich gesagt? Ha?“
Der hagere Schulmeister duckte sich und sah die Dorfalten schief an.
„Immer wieder hab ich’s versucht! Natürlich hab ich’s ihnen sagen wollen! Aber sie haben mich ja überhaupt nicht reden lassen“
„Man hält’s nicht für möglich“, sagte der Franzenbauer geringschätzig, „was es für Leut auf der Welt gibt, und im voraus bei den Schullehrern.“
Der Wirt kam hinzu und besah sich grinsend das Trümmerfeld.
„Was soll es nun werden?“
„Wir müssen sofort eine Anzeige erstatten!“ schimpfte der Nickelbauer. „Nichts anders bleibt uns nicht übrig! Spann gleich dein Roß an, Wirt, und zieh den Schlitten aus der Schupfe! Du fahrst mit mir und mit dem Herrn Hauptlehrer direkt nach dem Markt aufs Gericht. Sonst wird die Viecherei noch ärger.“
Als sie nach einer halben Stunde zu dritt unter Schellengeläut abfuhren, war das Wirtshaus von Wählern und Trinkern geräumt. Einzelne Trupps standen lachend oder scheltend vor den Hütten. Vom Kastanihause herüber erscholl die schrille, unausgeglichene Musik der Bader Kapelle und das Lärmen der Zecher.
„Das ist, wie ich mich auskenne, ist das Landfriedensbruch!“ schimpfte der alte Bürgermeister vor sich hin. „Das wird eppes werden! Bou, das wird eppes werden!“
Bis zur Wöhrmühle hin lagen überall Blätter und Fetzen der Wahlakten auf der Dorfgasse verstreut.

Am andern Vormittage fuhren zwei Lastkraftwagen durchs Dort. Sie waren mit schwer bewaffneten Landespolizisten stark besetzt, die mit schussbereiten Pistolen in die meisten Häuser eindrangen und die Hauptschuldigen abführten. Siebenundzwanzig Rimbacher wurden aufgeladen, und von Thenried herüber holten sie den Balserer.

Anfangs hing über dem verängstigten Dorfe eine ungewohnte Stille. Kein Mensch sprach ein lautes Wort, und sogar die Weiber verkniffen sich ihre Scheltgelüste. Nur die Schulbuben der Oberklasse liefen neugierig und begeistert über das große Ereignis den langsam die Dorfgasse daher rollenden Wagen nach. Aber wie sich die beiden Autos immer mehr mit Häftlingen füllten, brach der unverwüstliche Lebensübermut, der sich eine Weile verkrochen hatte, wieder durch.
Als alle verladen waren und die Wagen zur Abfahrt nach Straubing bereit standen, kam der Berzl Gang mit seinem unbändigen Bombardon angekeucht, und der Saurerbub folgte ihm mit dem Horn. Auf dem Dorfplatz vor den zwei Linden, wo sich alles, was nur laufen konnte, angesammelt hatte, stellten sich die beiden Bläser auf und schmetterten einen Tusch.
„Hoch! Hoch! Hoch!“ schrien die Unverdächtigen, und die armen Sünder schwenkten von den Wagen herunter die Kappen und schrien mit: „Hoch! Hoch! Hoch!“, während die Landjäger nicht wussten, ob sie schelten oder lachen sollten.

Die beiden Lastkarren ratterten an. „Jetzt geht’s dahin mit uns!“ riefen die Burschen und Männer herab. Die Buben rannten nebenher und warfen Schneeballen hinterdrein.
Über das Stampfen der Motore brüllte Balsen Karl: „Singen wir noch eins zum Abschied!“
Und mit großem Stimmaufwand, siegesfreudig, sangen die achtundzwanzig Friedensstörer, während sie dem Untersuchungsgefängnis entgegenfuhren:
„Der Waldler vertraut halt auf Gott!
Drum leidt er aa selten a Not!“

Hier ein Beispiel für die "Entschlüsselung dieses Romans". Franz Loeschke, Winfried Neppl und Kurt Kühlmeier haben sich die Arbeit gemacht, einige Personen aus dem Roman zu dechiffrieren und echten Menschen zuzuordnen.  Der - im Text öfters genannte - Balsen Karl, dem im Buch jeder Schabernack und Streich angedichtet worden ist, war im richtigen Leben der Thenrieder Karl Fischer.  




Hier noch einmal zum Abschluss die Würdigung des Balsen Karls zu seinem 75. Geburtstag in der Kötztinger Umschau.
KU vom November 1960

Vielen Dank an Herrn Silberbauer, Rimbach, von dem ich viele Hinweise und Dokumente von und über Johannes Linke bekommen habe.


Donnerstag, 14. Juli 2022

Kötztinger Häuserchronik .... beim Hofmann-Seiler

 Das "alte Kötzting" bei der Uraufnahme bei der beginnenden Landvermessung hatte 159 Anwesen.

Der Geschichte dieser Bürgerhäuser und ihrer Bewohner nachzuspüren und sie zu dokumentieren, ist das Ziel dieser Häuserchronik.
Die Anfänge und die Entwicklung unserer Heimatstadt können von der Teilung der Urhöfe bis hin zur Auswahl als Landgerichtsort in einem einleitenden Blog nachgelesen werden. 




Alte Hausnummer 46
Beim Hofmann-Seiler


Ausschnitt aus dem Lageplan von 1831 von Bayernatlas.de
Die Geschichte dieses Anwesen, obwohl es keines der großen Marktlehen, sondern nur ein sogenanntes Leerhaus gewesen war, kann wegen seiner besonderen Lage doch bis an die große Brandkatastrophe im November 1633 im Dreißigjährigen Krieg zurückverfolgt werden. Dies ist außergewöhnlich, weil "Häuser" in dieser frühen Zeit bei vielen Steuerlisten gar nicht besonders berücksichtigt worden waren, da wohl für die Erfassung irrelevant.
Das zentrale Nachweisdokument stammt vom 9.Januar 1654:
StA Landshut Markt Kötzting P1 von 1651ff

"Kauf: Andree Billich des Raths et Consortes als Schleglsche Porgen verkhauffen die Schleglische Prandtstatt, das Khärchhaus genannt, zwischen denn Rathaus"  und Schlossers Prandtstatt gelegen an Andreen Weiss dem Jüngern und Margaretha seinem Eheweib um 90fl.
Mit Blick auf den obigen Lageplan und dem Wissen, dass früher auf der Hausnummer 47 sich eine Schlosserwerkstatt befunden hat, kann man somit mit Sicherheit darauf schließen, dass das abgebrannte Schlegl-Kärchl-Haus das spätere Haus der Nummer 46 gewesen war.

Wir haben also als ersten nachgewiesenen Besitzer Hans Schlegl, über dessen Laben wir bereits ausführlich berichtet haben (Hier der link zur Häuserchronik seines Hauptanwesens) 
Von seinem Vorbesitzer, Kärchl, der dem Haus seinen Namen gegeben hatte, findet sich kein Hinweis in den frühen Namenslisten.

Hans Schlegl


Anhand des Kloster Rottischen Verwalters Hans Schlegl und dessen Grundschuld bei der Pfarrkirche Kötzting kann man gut die verfahrene Situation für die Kötztinger "Kapitalgeber"  erkennen, welche damals die verschiedenen Kirchen, Spitäler und fromme Stiftungen gewesen waren.
1631, noch im tiefsten Frieden in Ostbayern, hatte Hans Schlegl 200 Gulden bei der Pfarrkirche Kötzting aufgenommen und eine Reihe von angesehen Kötztinger Bürgern als Bürgen stellen können.
Dann kam Ende November 1633 die "Schreckensnacht" im Dreißigjährigen Krieg und nichts war mehr wie vorher.
Bild Sperl Poidl: Darstellung des sogenannten "Schwedensteins" im Rahmen des Festzuges zur 900 Jahrfeier Kötztings im Jahre 1985.

Durch sein Einkommen als Rottischer Verwalter konnte Hans Schlegl seinen Schuldendienst dann noch selber bedienen, als er jedoch um das Jahr 1640 herum verstarb, war es vorbei mit den Zahlungen, weil auch die ursprünglichen Bürgen verstorben waren.
PfA Kötzting Kirchenrechnung von 1640
"Ain gleiche Mainung hats mit dißer Suma
Johann Schlegl des Eissernrhats alhir seel: hat 200 fl Hauptsach entlehnet und mit Josephen Miller Leittenant, Georgen Zaglmann, und Adamen Khluegen bedeb des Eissernrhats, dann Mathiasen Khiener Marckhtschreibern und Marthin Wasserern Praunen Pier Preuen sambentlich burgern alhir seel: undder Dato den 3. January Ao 631 verprogt. Giltzeit Liechtmessen, dis Jars eingenommen! NIHIL
(= Nichts)

In der Kirchenrechnung von 1646 wird der gleichlautende Text erneut aufgeführt, nun mit dem Randvermerk:
PfA Kötzting Kirchenrechnung von 1646

"Weilen von der Khluegischen wittib - ihr verstorbener Mann war ja einer der Bürgen - nichts mehr noch weniger bei andern Porgischen Erben zuerhollen, ist zuerwartden, wie das verhandne Prantstätl verkaufft werden mechte.
So einfach war dies aber in diesen schlechten Zeiten nicht. Im Jahre 1650 wird der Text zwar wiederholt und erneut eine fehlende Einnahme protokolliert, jedoch nun mit dem Zusatz, dass die verantwortlichen Kirchenprobste nun andererseits aktiv geworden waren.
"Dahero seindt der verstorbenen Porgen hünderlassne Erben durch die Kürchenbröbst hierumben beclagt und denselben geschafft worden sich mit den Kürchpröbsten diser schulden halber abfündtig zumachen...."
Die Klage hatte Erfolg, denn im Jahre 1650 bekommt die Pfarrkirche Kötzting endlich wieder die 5 Prozent an Schuldzinsen, die ihr aus der Grundschuld von 200 Gulden zustanden. Als die neuen Bürgen werden nun - ohne Namensnennung - einfach die jeweiligen Erben verpflichtet, die nun ihrerseits wohl versuchten, diese Objekte loszuschlagen, was ihnen zumindest bei dem Kärchlhaus im Januar 1654 dann auch gelang.

 Andreas Weiss der Jünger und Margaretha


Die Kaufsumme von 90 Gulden reichten die Bürgen dann sofort an die Kirchenpröbste weiter und Andreas Weiss, der neue Besitzer, musste über die restlichen 100 Gulden - möglicherweise kamen die alten Bürgen dann für die, zur Gesamtsumme von 200 Gulden noch fehlenden, 10 Gulden auf - einen eigenen Schuldschein unterschreiben


PfA Kötzting Kirchenrechnung von 1672

"Ander Weiss der Jünger alhir hat in erkhauffung der Käzlerischen Pranndstatt 100 fl ybernommen, welche er auferpaut, und selbige inhalt Schuldbriefs des dato 23 Febr ano 1654 den Kürchenbröbsten , dabey sein hausfrau sich der weiblichen gerechtigkeiten gegen verschrieben, hernach Marthin Grienberger iezt Mathias Streicher burger und Schneider und sein weib mit ebenmässer verzeht, zallen den Zinß auf Liechtmessen 5 fl"

Einschub
Die weiblichen Freiheiten
Die Ehefrau des Andreas Weiß hatte sicherlich bei ihrer Heirat ein Heiratsgut mit in die Ehe gebracht, welches ihr beim Tode ihres Mannes als alleiniges Vermögen besichert blieb, bevor das Gesamterbe verteilt wurde. Diese Sicherung trat die Ehefrau nun an die Kirche ab. Auf heutige Verhältnisse übertragen entspricht dieses Vorgehen einfach einer "vorrangigen" Eintragung der Schuld im Grundbuch, bei dem die Ehepartner als gleichberechtigte Schuldner aufgeführt werden.
Einschub Ende

Über einen Andreas Weiss lassen sich in den Kötztinger Dokumenten einige Einträge finden, jedoch der Namenszusatz "der Jüngere" macht die eindeutige Zuordnung sehr schwierig.
Im Jahre 1642 findet sich eine Heirat eines Andreas Weiss mit der Witwe Anna Pain und im Jahr drauf die eines Bürgers Andreas Weiss mit einer Kötztinger Bürgerstochter Maragretha Inkhoffer. Bei der zweiten Heirat dürfte es sich um den gesuchten Andreas Weiss - den Jüngeren - gehandelt haben.
Leider finden sich jedoch noch vor dem Jahre 1642 eheliche Geburten mit den Elternangaben eines Andreas Weiss als Vater und einer Margaretha als der Mutter.
Daher beschränken wir uns hier auf Aktenstellen, die eindeutig einem Andreas Weiss dem Jüngeren zugeordnet werden können, wie z.B. ein Beleidigungsprozess aus dem Jahre 1655.
StA Kötzting Verhörsprotokoll von 1655

"Verhör gehalten den 18. Jenner sein gesessen die 4 Cammerer dann Sigmundt Raith, Andree Billich und Wolf Kholbinger.
Clag
Andree Weiss der Jünger Contra Andreen Lehner burger und Schreiner alhir, umb dass er negst verwichnen Pfinztag, den cleger ohne Ursach einen khuppleten Schelmen und Dieb verscholten, und solche wortt zum öfftern repedirt, es würche Ime Cleger der Michael Knöll 3 Stuckh Leinwath umsonsten, das er solche Heurath zusammen gekhupelt, begehrt der entwegen die Prob oder widerruef und protestiert die uncosten."
Einschub
Es geht hier offensichtlich um eine "Eheanbahnung" und deren Begleitumstände.
Bei der geforderten "Prob" handelt es sich um vorzulegende Beweise für die jeweiligen Behauptungen/Anklagepunkte und bei dem "Protest gegen die Uncosten" geht es darum, dass zunächst keinerlei Kosten der Verhandlung akzeptiert werden würden, eher eine formale Floskel sämtlicher Prozessbeteiligten
Einschub Ende

Der Beklagte verteidigt sich damit, dass er vorher bereits, vor Zeugen, vom Kläger beleidigt worden wäre und er sich sozusagen nur verteidigt hätte und sich das Recht auf eine Gegenklage vorbehielte, ansonsten protestiere auch er gegen mögliche Unkosten.
Beide Seiten verharren auf ihren Positionen und so ergeht ein "Beybschaidt", also ein vorläufiger Bescheid, der dem Beklagten auferlegt, innerhalb einer festgesetzten Frist seine Gegenbeweise zu führen.
In derselben Sitzung wird eine Beleidigungsklage der Margaretha Weiss, also der Ehefrau des Andreas Weiss, gegen den obigen Andreas Lehner verhandelt.
Als "sie zu solchem Gereiff und Rauffhanl khommen, sye zu Irem Mann in der Guette vermelt, was er doch mit ainem solchen Lappen anfangen wölle"
Lehner beschimpfte sie dann gleich darauf als "Schörgenhur", "sie sei eine Hur und bleibe eine Hur" und " schaue du Hur, schaue du Hur wie du aldorten stehest in deiner praunen Joppen"
Auf ihre Antwort, sie sei keine Hure, gab er ihr gleich zurück: "Ja du Hur, wann du khein Hur werst, wo muesst du ein solche Joppen nemmen?"
Sie selber antwortete darauf: "Ich hab mein Joppen mit Ehren, daß dein Weib gahr kheine hat"
Frau Weiss möchte nun auch diese Beleidigungen zurückgenommen wissen.
Auch hier widerspricht der Beklagte Lehner , er wäre gleich zu Anfang von ihr als "Fressbrueder und Leithansezer" tituliert worden.
Auch in seiner Replik finden sich einige interessante Ausdrücke, die nun von Frau Weiss stammen:
"Er lasse sein Weib und Khündt zu Hausnoth und Hunger leiden"
"Er solle lieber nach Hause gehen und ein Brodt khauffen"
"Er solle seinem Weib was an den Leib trachten"
" Er fülle seinen Schelmenkhropf im Schörgenhaus an
"
Auch hier beendete der Marktsrat diese Verhandlung mit einem vorläufigen "Beibescheid" und verweist auf den obigen Terminvorschlag.

Andreas Lehner lässt die Vorwürfe nicht nur nicht auf sich sitzen, sondern antwortet mit einer Gegenklage, ebenfalls wegen Beleidigung.
Andreas Weiss hätte sich vorher unterstanden, ihn" nächtlicher weill besuecht, mit gwalt aus seiner aignen Stuben hinaus gerissen, zu dessen Schwechern hinein gebracht, zu hinderist an den Tisch gestossen, und zugleich zu greinen mit ihme angefangen, nemblichen er hause nit als ein ehrlicher Mann, sondern sein clegers Weib hätte ihme cleger 70 fl heuratsguet zuegebracht, welche er verspilt, verfressen und versoffen, dabey auch redo (=mit Verlaub) Schelm, dieb und Leithansezer injuriert.

Auch in diesem Falle verweist der Magistrat mit einem Beibescheid auf einen neuen Termin von 14 Tagen, zu dem die Parteien ihre Beweise vorlegen sollten.

Ein Endbescheid in dieser Klageserie lässt sich leider in den Protokollbänden nicht finden, ändert aber nichts an den illustren Wortbildungen der Streitparteien aus dieser Zeit.

Einschub über einen der beiden Bürgen des Andreas Weiss
Von
Grienberger Martin, einem der beiden Bürgen, findet sich eine seltene Gefängnisstrafe beim Pfleggericht, sein Vergehen nannte sich "Gotteslästerung"

StA Landshut Rentkastenamt Straubing Pleggerichtsrechnung R 2371 von 1667 
"Gottslesstern bei dem Hundert 1000Stern Sacra  3 Stundt an der Schandtsaul abgebiesst
Marthin Grinberger burger zue Közting ist umb daß er in anno 1659 bei dem Hundert 1000 Stern Sacra Gottsgelestert, zemahlen solche abstraffung dem gericht zuerkhennt, 3 Stundt lang an der Schandtsaull abgebiesst worden, aber an Geldt NIHIL"
Einschub Ende
Da, wie oben bereits angeführt, es in diesem Zeitraum mehrere Kötztinger Bürger mit diesem Namen gegeben hat, können keine weiteren Aktenfunde dieser "Weiss-Linie" gesichert zugeordnet werden. 
Im Jahre 1675 jedenfalls kam es dann zum erneuten Verkauf dieses "Käzlerischen" Hauses. Dieser "Hausname" hatte damit über drei Besitzergenerationen hinweg seinen Bestand behalten.

Aumüller Martin und Anna


PfA Kötzting Kirchenrechnung von 1675

"Marthin Aumüller burger und Hafner alda und Anna sein Eheweib, haben auf von Mathesen Streicher burger und Schneider in Erkhauffung ihrer Käzlerischen Behausung 100 fl an sich gebracht, auch umb selbige lauth deß umb dato 23. April ao 1675 aufgerichten Schuldbriefs mit verzeichnung weiblicher Fresyheit ernannte Behausung verschrieben geben zue Lichtmessen zinß 5 fl."
Der Text ist für mich nicht eindeutig zu interpretieren. Es ist durchaus möglich, dass der Vorbesitzer Andreas Weiss mit seinen Zahlungen ausgefallen war und das Haus in der Zwischenzeit von einem der beiden ursprünglichen Bürgen - Mathias Streicher - übernommen wurde und es dieser nun an Martin Aumüller und dessen Frau weiterverkauft hatte. Es ist auch möglich, dass es hier nur um eine erneute Schuldverschreibung geht und damit der Bürge Streicher nun auch als solcher bei Aumüller fungiert.
Gesichert ist allerdings, dass es hier um das Käzlerische Haus in der heutigen Rathausgasse geht.
Viel ist es aber nicht, was sich von Martin Aumüller erhalten hat.
1675 findet er sich zunächst mit dem Erwerb des Kötztinger Bürgerrechts in den Marktrechnungen.
StA Kötzting Marktrechnung von 1675
"Desgleichen Marthin Aumüller Hafner alda, gegen dem ihme verblichnen Burgerrecht entricht 6 fl."
Ansonsten sind es nur noch kleine Belege in den Marktrechnungen, in denen er mit seinen Handwerksleistungen aufgeführt ist. 1678 für Ausbesserungsarbeiten am Ofen im Rat- und Marktdienerhaus, zwei Jahre drauf, 1680, sind es 15 Kreuzer für  "5 neue Ofenkacheln am Ratsdienerofen" und 9 Kreuzer dafür, dass er "den Ofen in der Ratsstube in und auswendtig ausgepessert" hatte.
Noch im selben Jahr, am 30.11.1680 verstirbt der Hafner Martin Aumüller.
PfA Kötzting Sterbematrikel Band 2
"30. Ist alhir zu Erden bestattiget wordten, Martin Aumüller Bürger und Haffner alhier"
Bis 1690 - also auch 10 Jahre nach seinem Tode - wird allerdings in den Kirchenrechnungen noch das Ehepaar Aumüller - ohne den Zusatz, dass der Mann bereits verstorben ist- als der Schuldner bezeichnet und offensichtlich ist die Witwe - oder deren Erben - in der Lage gewesen, die Schuldzinsen zu begleichen.
Dies ändert sich erst 1690, als das Haus erneut den Besitzer wechselte.
Dengscherz Hans, ein Mauerer, und seine Frau kommen nun auf das Anwesen.


PfA Kötzting Kirchenrechnung von 1690 Schuldverschreibung für Dengscherz Hans und seine Frau


"Marthin Aumüller burger und Hafner alda und Anna dessen Ehweib Crafft Schuldbriefs de dato 23ten April 1675 schuldig gewestes Capital mit 89 fl hat aniezt Hanß Dengscherz burger und Mauerer lauth aufgericht absonderlichen Schuldverschreibung sub dato 5. Juny ao 1690 mit Verzeichnung weiblicher Freiheiten in erkhauffung seiner Burgersbehausung ybernomben und daraus versichert, warvon dann der Zünß zu heyl: Liechtmessen eingehet mit. 4 fl 27 x"


Denscherz Johann und Maria Hofmann




PfA Kötzting 22.11.1689 Heiratseintrag Hans Denscherz und Maria Hofmann Band 2

"am 22. November wurden verheiratet ........Johann Denscherz, ehelicher Sohn des Herrn Kammerers Georg Denscherz und seiner verstorbenen Ehefrau Anna und Maria Magdalena Hofmann, eheliche Tochter des Bürgers und Sagmüllers Paulus Hofmann und seiner Frau Apolonia, die beide noch am Leben waren. Die Trauzeugen waren der Ratsbürger Johann Billich und der Bürger Mathias Denscherz."

Nur 10 Jahre verblieb der Mauerer Hans Denscherz auf dem Haus. Bereits am 27.8.1700 verkaufte er das Anwesen "zwischen Rathaus und Hans Lehner ohne Grund" an den Bürger und Schneider Wolf Hofmann um 188 Gulden.
StA Landshut MKarkt Kötzting Briefprotokoll Band 2 vom Juli 1700

"Kauf per 188 fl sambt 1 fl 30 xr Leykauf
Die Vorbesitzer verkaufen das "derselben ain zeitlang ingehebt und aigenthümblich besessenes Burgersheusl zwischen dem gemainer Marckhts Rhathaus und Hannsen Lehners auch buurger und Schreiners Heusl liegent, sovil selbst an Schar: und Dach an sich haltet, davon nichts besondert noch ausgenomben.
"
Einschub
Schar und Dach
Das "Hausrecht" des Besitzers dieses Anwesens ging nur soweit, wie sein eigener Dachüberstand hinausreichte. In anderen Fällen war sogar die Rede davon. es reiche genau soweit, wie der Regen vom Dach tropfe. 
Bei diesem Haus war also keinerlei Grundbesitz verbunden.
Einschub Ende

Hofmann Wolf und Maria


Das Ehepaar Hofmann, dessen Heiratseintrag nicht in den Kötztinger Pfarrmatrikeln zu finden ist, findet sich aber bei den Taufeinträgen mit 11 Kindern zwischen 1677 und 1686.
Zeitgleich mit dem Hauskauf werden auch "Grundschuldeintragungen" (sprich Schuldverschreibungen) protokolliert.  Auf 100 Gulden ist nun  die Schuldensumme bei der Pfarrkirche angestiegen und zusätzlich 50 Gulden leihen sich die beiden vom Birnbrunner Bräumeister Michael Schmid.
PfA Kötzting Kirchenrechnung von 1703

"Wolf Hofmann burger und Schneider alhir und Maria sein Eheweib haben in erkhaufung ihrer Burgersbehausung die vorhero schon von Wolfen Hofmann burger und Schneider alhir hieraufgelegene 89 fl ybernommen und noch darzue 11 fl entlehnt also das selbe zesamben 100 fl Capitall zethuen schuldig worden seint umb welche sye dann angeregte burgersheusl annemblich zu ainem Underpfandt neben Verzicht der Weiblichen Freyheit de dato 11. Juli 1700 verschrieben und zahlen uf Liechtmessen züns 5 fl."
Als Häusler ohne jede landwirtschaftliche Fläche und Schneider versuchte er wohl zusätzlich sich auf eine andere Weise seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Im Jahre 1702 findet er sich mit einer Strafe von 1/2 Pfund Regensburger Pfennige in den Marktrechnungen.
StA Kötzting MR von 1702
"Unbeschautes Fleisch im Markht bringen
Wolf Hofmann burger und Schneider alhir umb er unschlachtmessiges Fleisch im Markht gebracht, neben ernstlichem Verweis gestrafft worden per 1/2 Pfund thuet 34 xr 2 H."
Einschub
Auch in diesen frühen Zeiten gab es in Kötzting eine Art von Lebensmittelkontrolle.
Schlachttiere wurden im lebendigen Zustand geprüft und danach in der Kötztinger Fleischbank geschlachtet und das Fleisch auch dort verkauft.
Aus diesem Grund bezahlten die Kötztinger Metzger auch eine jährliche Miete für die einzelnen Fleischbänke.
Siehe den Beitrag für unsere Schilderaktion: Die Kötztinger Fleischbank
Einschub Ende

StA Kötzting MR von 1706
Vier Jahre später - wir befinden uns im Spanischen Erbfolgekrieg - findet sich unser Schneidermeister als Besitzer eines Gewehres, das er dem Markt zu Verteidigungszwecken zur Verfügung stellt.
"Wegen ainer von Wolfen Hofmann hergelichen Flinden, ist deme heurige Steur nachgelassen worden mit 30 Kreuzer."
Die Möglichkeit, sich mit einem Fleischhandel einen Zusatzverdienst zu verschaffen, war wohl zu verführerisch. Nun allerdings, als Wiederholungstäter, setzte es von Seiten des Magistrats eine empfindliche Strafe. Gleich die 5-fache Geldbuße musste er nun blechen, weil er "widerumben wider das obrigkeitliche Verbot Fleisch pfundweise zu verkaufen" verstoßen hatte. 2 1/2 Gulden kann man grob mit heutigen 400 Euros gleichsetzen.
Die Flinte, für die er im Jahre 1706 als Leihgebühr noch 30 Kreuzer - ungefähr der 1 1/2 fache Tageslohn eines Arbeiters - an Steuernachlass bekommen hatte, war im Folgejahr offensichtlich den Österreichern in die Hände gefallen. 1707 findet sich in den Marktrechnungen der Eintrag über den Schneider Wolf Hofmann: "hat zu gemainer marckht ain Flinden gegeben ,  aber beim kayl: (=Kaiserlichen) Völckher einfahll zu verlusst ganggen" .
Am 14.3.1708 verkaufte die Witwe Maria "das Bürgershäusl mit Scharr und Dach umpfaengt  so negst an des Hans Lehners Häusl entlegen" an den bürgerlichen Beisitzer Georg Dirnberger um 180 Gulden. 

Georg Dirnberger 

Der Kaufvertrag enthielt jedoch den Zusatz: "sollte innerhalb von 14 Tagen ein höheres Gebot vorliegen, so ist dem Erstkäufer die Möglichkeit zu geben, den Kaufpreis nachzubessern." 
Dieser Zusatz wurde nur deshalb in den Kaufvertrag eingeführt, weil es ein Zwangsverkauf von Seiten des Magistrats gewesen war. Die Witwe Hofmann war also auf die "Gandt" gekommen.
Als nun der Bürger und Metzger Martin Räbel mit einem Angebot von 190 Gulden für der Haus herausrückte, konnte - oder wollte - Georg Dirnberger nicht nachziehen, weshalb danach der ursprüngliche Verkauf rückgängig gemacht werden musste und nun das Haus an den Metzger Räbel/Rabl ging. Anschließend musste der Kötztinger Neubürger Rabl noch 4 Gulden für das Kötztinger Bürgerrecht bezahlen.

Räbl Martin und Anna Barbara Raith


PfA Kötzting Matrikel Band 3 Seite 639


"Am 21. April gaben sich ein Eheversprechen Martin Räbel, ehelicher Sohn des Dingolfinger Metzgers Hieronymus Räbel und seiner Frau Maria, und Anna Barbara, die eheliche Tochter des Kötztinger Ratsbürgers Veit Raith und seiner Frau Barbara, die bereits beide verstorben waren."
Als Trauzeugen fungierten der Färber Balthasar Schöllinger und der Bader Andreas Hindersteiner. 
Drei Söhne wird das Paar bis zum Jahre 1714 bekommen, die auch alle das Erwachsenenalter erreichten,  und nun, ab 1708, alle zusammen im eigenen Haus wohnen konnten.
StA Kötzting MR von 1710


Mit 2 Gulden Jahrespacht für die Kötztinger Fleischbank findet sich Martin Räbl als einer der damals 5 Kötztinger Metzger auf der Liste.
Als er von einem anderen Kötztinger Bürger beleidigt wurde, kam es vor dem Magistrat zu einem Prozess, der für die andere Seite mit einer kurzen Gefängnisstrafe endete.
StA Kötzting MR von 1714

"Marthin Hofmann Burger alhir, umb Er Marthin Räbel auch Burger und Mezger alda vorgeworrfen, Er hezze von Miller von Löckhern erkhauffte Kue geschlachtet, so nit gerecht gewesen, nebst Ernstlichen Verweis zur Straff 3 Stundt lang in burgerlichen Gehorsamb. id est 3 Stund in gurgerlichen Gehorsamb."
Einschub
Der Kötztinger Kammerer war auch Richter und der Magistrat hielt regelmäßig bei seinen Sitzungen auch Gerichtsverhandlungen ab. Zu diesem Zwecke hatte der Markt Kötzting im Rathaus auch seine eigene Arrestzelle, eine Schandsäule an der Außenwand und beschäftigte einen eigenen Amtsdiener, der auch Verhaftungen vornehmen konnte.
Einschub Ende
HStA München Landshuter Ablage Kirchentrachtliste von 1727-1736

Martin Räbel steht in der Liste mit der Abgabe der Kirchentracht in Höhe von 2 Kreuzern, was genau die Summe für ein Haus ist. Ein Marktlehen hätte 3 Kreuzer bezahlen müssen.
Auch seine Naturalsteuern für Flachs, Korn (=Roggen), Gerste, Weizen und Hafer sind aufgeführt. 
Am 11.8.1729 verstirbt der Metzger Martin Räbl und 5 Jahre später findet sich in den Kötztinger Briefprotokollen ein Vergleich über eine Erbauseinandersetzung.
Anna Raith, die Schwester der Witwe Rabl, war verstorben und die drei Rablkinder Jakob, Martin und Josef erhielten das Erbe der Tante von 50 Gulden in gleichen Teilen.

Rabl Jakob und Dürr Maria Franziska

Die Kötztinger Briefprotokolle weisen eine Lücke auf zwischen 1728 und 1732, in welchem Zeitraum der Besitzübergang des Hauses erfolgt sein muss. Dies ist umso sicherer, als wir den Heiratseintrag des Sohnes Jakob Rabl mit seiner zukünftigen Ehefrau Maria Franziska Dürr kennen, der das Datum des 30.1.1730 trägt.
PfA Kötzting Band 14 Seite 54

Kopie des Heiratseintrags des ehrenwerten Jünglings Jakob Räbel mit der tugendsamen Maria Franziska Dürr., einer Kötztinger Kammererstochter. Die Trauzeugen waren die beiden Bürger und Schuster Andreas Prey und Michael Mayr.
Rabl Jakob, auch er ein Metzger so wie sein Vater, steht mit einer Metzgerstrafe in den Kötztinger Marktrechnungen.

StA Kötzting MR von 1732 Seite 11

"Und Jacob Räbl burgerlicher Mezger der orthen ist umb Selber von seinen alhir zum Schlögl guettgehietten Schaffen ainem Regenpurger Mezger 10 Stuckh verkaufft, gleichfahls mit obrigkeitlich gemessenen Verweis gestrafft worden per 1 Pfund Pfennige oder 1 fl 8 xr 4 H:"
In eine ähnliche Richtung ging dann ging eine weitere Metzgerstrafe, die ihn - zusammen mit dem Metzgerkollegen Michael Vogl - erneut dieselbe Strafsumme einbrachte.
"In Ansechung dem gesambten Handwerch der Mezger alhier der Auftrag beschechen, das ain Maister zu seinem Schlögl mehrers nit dan ieder höchstens wegen des diesorthigs bekhandt engfengigem Plumbbesuech 20 Stuckh Schaf halten und abwaidten solle. So hat sich aber Jakob Räbel und Michael Vogl , beede Metzger alda, unterstanden zu Beschwerung der ganzen Gemain und wider gedachten Auftrag ieder bey 50 bis 60 Stuckh abzuwaidten."

Einschub
Was ist hier der Hintergrund dieser Metzgerstrafen?
Den Kötztinger Metzgern war es - in engen Grenzen - erlaubt, eine Anzahl von Schafen mit der Kötztinger Viehherde austreiben zu lassen, sie  zu füttern und dann peu a´ peu zu schlachten. Die Kötztinger Weidefläche war sehr begrenzt und mit Sicherheit vollkommen überweidet. Ein Metzger, der dann nicht für den Markt sein Vieh schlachtete, sondern es gewinnbringend, nachdem er es längere Zeit auf Kosten des "Kommunalweideverbandes" durchgefüttert hatte, nach Auswärts verkaufte, beging schlichtweg eine Straftat an der Marktgemeinde, die er schamlos ausgenutzt hatte.
Im zweiten Falle wurde die erlaubte Anzahl an Weideschafen deutlich überschritten.
Der im Text benutzte Ausdruck "Pluembbesuech" (Blumenbesuch)  bezeichnet einfach den Weidegang.
Einschub Ende 
Auch seine beiden Brüder, Martin und Josef, lebten im Jahre 1735 noch, weil Jakob im Namen dieser Brüder dem Georg Dirnberger eine Quittung ausstellte. 100 Gulden hatte dieser sich von Anna Raith, der Tante der Rabl-Brüder ausgeliehen und nun zurückbezahlt, die dann an die drei Erben verteilt wurden. 
Rabl Jakob und seine Frau waren offensichtlich wirtschaftlich sehr erfolgreich, da sie es sich leisten konnten am 30.4.1737 von ihrem Haus auf ein großes Marktlehen zu wechseln, das mit einer Kaufsumme von 600 Gulden zu Buche schlug (=alte Hausnummer 128 und damit gleich in der Nachbarschaft gegenüber der Marktstraße.)
Am 3.5.1738 dann trennte sich Rabl Jakob von seinem Elternhaus und verkaufte das "Häusl under dem Rathaus entlegen" um 220 Gulden an den "churfürstlichen Landleutnant Johann Georg Pruckhmeier" und dessen Frau Anna Katharina.

Johann Georg Pruckmayr und Anna Katharina


Der Herr Landleutnant musste nun für das Kötztinger Bürgerrecht als Häusler bereits 6 Gulden und 30 Kreuzer bezahlen. 30 Jahre vorher, bei Rabl Martin, waren es noch 4 Gulden gewesen.
Über HG Pruckmeier findet sich nichts in den Akten, am 27.9.1747 verstirbt er.
PfA Kötzting Pfarrmatrikel Band 18 

"Am 27. desselben (Monats) wurde begraben, der mit allen Sakramenten versehene hiesige Landleutnandt, Herr Johann Georg Pruckhmayr".
In einer "Repartionsliste" - einer Umlage der Ausgaben des Marktes im Rahmen des Österreichischen Erbfolgekrieges - findet sich dann auch noch die Witwe Pruckhmayr.

StA Kötzting AA IV 1von 1746
"Verwittibte Frau Landtlieutn. ingleichen 2" (Gulden)

Wenige Jahre nach dem Tode ihres Mannes, am 14.4.1751 verkaufte seine Witwe das "Haus under dem Rathaus" an den Bürger Anton Franza und dessen Frau Anna Maria um 200 Gulden.


Franza Anton und Anna Maria Haselsteiner



Mit dem Datum seines Hauskaufes ist auch seine Einzahlung bei der Marktkasse für das Kötztinger Bürgerrecht verbucht. Auf 10 Gulden für einen Häusler war diese Errungenschaft nun bereits geklettert.
Ausdrücklich ist im Rechnungseintrag zusätzlich erwähnt, dass er das Haus der verwitweten Frau Landleutnantin Pruckhmayr erworben hatte.
Anton Franza stammte aus Pavia in Italien, wie aus seinem Heiratseintrag hervorgeht.

Pfa Kötzting Matrikel Band 14

"Am selben Tag schlossen den Bund zur Ehe der ehrenwerte Herr Anton Franza, ehelicher Sohn des Herrn Karl Franza und seiner Frau Maria aus Pavia, die beide noch am Leben waren, mit Anna Maria, der ehelichen Tochter der bereits verstorbenen Andreas Haselsteiner, Bäckers und Bürgers, und seiner Frau Margarethas. Als Trauzeugen fungierten Karl Sigmund Reinhold, Riemer, und der Schuster Michael Mayr, die beide Kötztinger Bürger waren."
Aus dem Ehevertrag, den die beiden am selben Tag unterschrieben, geht hervor, dass er Heiratsgut in die Ehe mit einbringt und sie ihm das am selben Tag erkaufte Haus widerlegt.
Noch im selben Jahr, 1751, findet sich in den Kötztinger Briefprotokollen eine Quittung über 100 Gulden. Diese Summe hatte die nunmehr verheiratete Frau Franza, geborene Haselsteiner, dem Kramhändler und Bürger Franz Ganzine geliehen, die dieser nun zurückbezahlte.

Beim folgenden Besitzübergang scheint dem Marktschreiber ein Fehler unterlaufen zu sein.
Mit Datum des 15.9.1751 wird der nächste Hausverkauf protokolliert bei dem eine "Anna Maria Ganzine" das Haus an den Hutmacher Hans Gulder um 255 Gulden verkauft.
Nun gibt es ja, siehe der Absatz gleich oben, in Kötzting eine Familie Ganzine jedoch heißt dort die Ehefrau Ursula, von der wir wissen, dass sie erst im Jahre 1761 versterben wird. Also auch eine theoretische Wiederverheiratung einer Witwe Franza mit Herrn Ganzine scheidet aus.
Nachdem es sich aber nachweislich um das "richtige" Haus handelt, die Kaufsumme und die Umstände auch stimmen, bleibt nur noch eine Namensverwechslung durch den Marktschreiber übrig.

Hans Gulder und Anna Maria Reithmeier


255 Gulden muss Hans Gulder für sein neues Haus bezahlen, wobei er mit Datum desselben Tages sein vorheriges Haus (Hausnummer 153 vor dem oberen Tor) um 148 Gulden verkaufen konnte. 
Am 16.1.1736 bereits hatte der Hutmacher Johann Gulder die Tochter des Kötztinger Sagmüllers Anna Maria Reithmeier geheiratet und mit ihr 6 Kinder bekommen, von denen 3 bereits im Säuglingsalter starben.
Auch über dieses Besitzerehepaar haben wir nur die wenigen Beiträge außer den Einträgen in den Pfarrmatrikeln.
Johann, der einzige Sohn des Paares, der überlebt hatte, wurde nun, noch ledig, zum neuen Hausbesitzer.


Hans Gulder und Magdalena Kollmaier


Noch als Junggeselle hatte er am 4. Januar 1770 das Haus von seinen Eltern um 450 Gulden erworben, bevor er dann am 5. Februar Magdalena Kollmaier heiraten konnte. Magdalenas Vater, Johann Michael Kollmaier, war zu dieser Zeit der Stifter auf dem Gschwandhof. (Siehe der Beitrag der Schilderaktion zum Gschwandhof)
In der Verkaufsurkunde wird ausdrücklich das Haus, "zunegst dem Rathaus entlegen", erwähnt, einschließlich "der großen Mehltruhen, dem Badhäusl und dem Pachtroch". Seine beiden überlebenden Schwestern, die er abzufinden hatte, waren die ledige Katharina Gulder und die verheiratete Anna Maria Dirnberger. Ausdrücklich ist hier noch eine Flinte erwähnt, die ebenfalls mit dem Haus verkauft wurde.
Um diese Kaufsumme schultern zu können, blieb dem Paar nichts anderes übrig, als sich Geld zu leihen. 100 Gulden bekamen sie 1773 von der Kirche in Steinbühl.
1776 standen weitere Zahlungsfristen an, die sie offensichtlich nicht bedienen konnten und so blieb dem Paar nichts anderes übrig, als sich erneut Geld zu leihen; dieses Mal von der St. Laurentius Kirche in Wettzell und erneut ging es um 100 Gulden. Vier angesehene Kötztinger Bürger stellten sich als Bürgen mit ihrem ganzen Vermögen zur Verfügung.
Im Jahre 1778 verstarb dann die Mutter Magdalena, und als sie der Vater erneut verheiraten wollte, musste zuerst den beiden Kindern aus seiner ersten Ehe das mütterliche Erbe sichergestellt werden.
150 Gulden betrug das Heiratsgut der Magdalena, geborene Kollmaier, und diese Summe wurde nun durch das Haus und die nun darauf ruhende Hutmachersgerechtigkeit den beiden Kindern, Karl 4 und Walburga 2 Jahre alt, per Vertrag zugesichert.
Nun konnte, zwei Jahre später am 5.5.1778, dann der Witwer Hans Gulder seine zweite Ehe eingehen. Dieses Mal heiratete er Anna Maria Henneberger, die Tochter des Kötztinger Kaufmanns Joseph Henneberger, die ihm 200 Gulden an Heiratsgut einbrachte..

Hans Gulder und Anna Maria Henneberger


Im Hauptstaatsarchiv in München liegt eine Kirchentrachtliste vom Kloster Rott, in dem unser Johann Gulder aufgeführt ist.
HStA München Landshuter Abgabe KL Rott B5

Johann Gulder Hueder
Joseph  Schneider Seiler
Dieses Durchstreichen des "Johann" bedeutet, dass in dem 10 Jahres-Zeitraum, den diese Steuerliste umfasst, ein Besitzwechsel von Johann auf Josef eingetreten ist.
Im Jahre 1785 leiht sich das neue Ehepaar erneut Geld aus und diesmal ist die Ursache eine ganz besondere.
StA Landshut Markt Kötzting P 47 von 1785

Für ihre "Hausnotturft und in specie zu Bezallung der auf Execution beruhenden Pfleger Dennerlischen Schuldforderung" nehmen die beiden erneut 100 Gulden bei der Pfarrkirche Kötzting auf.
Von diesem Herrn hatte sich Hans Gulder offensichtlich Geld geliehen - die Hofmark Runding führte eine eigene Briefprotokollreihe - und war nun so weit mit den Zahlungen in Verzug gekommen, dass Dennerle seine ausstehenden Gelder mit angedrohten Zwangsmaßnahmen einforderte. (=Execution)

Johann Michael Schneider


Am 2.12.1786 verkaufen Johann und Anna Gulder das Haus "hinter dem Rathaus" an den Krämersohn, Seilergeselle und angehenden 2. Seilermeister Kötztings um 600 Gulden. 
Im Einzelnen wird noch aufgeführt, dass der Verkauf  "mit Ausschluss der Hütergerechtigkeit, als welche sie Verkäufer  auf das neuerbaute Häusl zu transferieren  gedenken", erfolge dafür aber mit "einem Hirschgwey und dem eingemauerten Kasten im Flez"
An zu übernehmenden Grundschulden schlugen 100 fl bei der Kötztinger Pfarrkirche und weitere 100 fl bei der Kirche in Steinbühl zu Buche.
Johann Gulder hatte sich auf dem Kötztinger Schussanger (eine Halbinsel am Regenfluss im Bereich des heutigen Spitalplatzes) ein kleines Hause erbaut. Die Rückzahlung der noch verbliebenen 100 Gulden Grundschuld bei der Kirche Wettzell  - für die sie - Anna Gulder -  ja auch ihr Haus in der Rathausgasse verpfändet hatte, lösten sie dadurch, dass sie auf ihr neues Haus 100 Gulden bei der Kapelle Grafenwiesen aufnahmen und die Schuld aus Wettzell damit tilgten.  



Josef Schneider und Anna


Weniger als 2 Jahre blieb das Haus in Besitz Johann Michael Schneiders, dann veräußerte dieser das Anwesen weiter an seinen Bruder Josef, einen früheren Kötztinger Marktlehner und dessen Frau Anna. Die Kaufsumme blieb dieselbe, 600 Gulden. 
Die Inneneinrichtung, die nun ausdrücklich erneut erwähnt wurde, hatte sich jetzt um zwei Gegenstände erweitert: "mit dareingab eines Kruzifix , zweyer Schisslkorb , einen  Hirschgewey einen im Hausflöz eingemauerten Kastens"
Der Verkäufer, der Seilermeister JM Schneider kann nach dem Verkauf des Hauses noch keinem anderen Anwesen zugeordnet werden, übt aber nachweisbar sein Handwerk als Seiler in Kötzting aus, weshalb die Möglichkeit besteht, dass er weiterhin bei seinem Bruder wohnte.
Im Jahre 1791 jedenfalls steht er als Seilermeister in einer Vertragsvereinbarung, bei der es um die Benutzung einer Stampfmühle am Regen geht, die er auch mitbenutzen darf.
Josef Schneider und seine Frau Anna verkauften aus ihrem Privatbesitz den sogenannten "Bothen Kristl Garten, welcher ein frey Eigen waltzendes Stuck ist, und bey Fesmansdorf inner dem Burggeding ligt". an den Kötztinger Hufschmied Josef Kuchler.  Innerhalb der Fläche dieses Flurstücks liegt auch noch der sogenannte "Weegacker", der mit besonderen Ernteabgaben belegt ist. Beide Grundstücke zusammen erbringen einen Verkaufserlös von 482 Gulden.
Mit diesem Verkauf war es nun endlich möglich, dieses Flurstück in den alten Lageplänen zu lokalisieren. Kuchler Josef, der Hufschmied, saß zu diesem Zeitpunkt auf der späteren Kugelmeierschmiede und im Urkataster von 1811 sind bei seiner Grundstücksauflistung von späterer Hand mit Bleistift die später benutzten Plannummern hinzugefügt worden.
Aus dem  historischen "Botenchristlgarten"  und dem "Weegacker" wurde im 20. Jahrhundert das Kötztinger Flussschwimmbad. PlNr. 531
Vermessungsamt Cham LiquiP_Bad_Koetzting2_1-01

Ende des 18. Jahrhunderts kommen wirtschaftlich schlechte Zeiten auf die Kötztinger Bürger zu und es häufen sich die Anträge um Steuernachlässe. Auch dem Häusler Josef Schneider wird ein solcher gewährt.
Auch bei der Kirche kommt er mit seinen Jahreszinsen in Verzug und dort wird ausdrücklich vermerkt, dass er und seine Frau "öfters in misslichen gesundheitlichen Umständen gewesen" sei.
Im Jahre 1804 verstirbt Anna Schneider, und der Witwer muss sich mit seinen erwachsenen Kindern über deren mütterliches Erbe ins Benehmen setzen.
Obwohl die Mutter nur 188 Gulden mit in die Ehe gebracht hatte, möchte der Vater seinen Kindern aber 200 Gulden als Muttergut sicherstellen.
Bei jeder zukünftigen "Standesveränderung" seiner 5 Kinder - sprich Verheiratung - solle dieses 40 Gulden ohne weitere Verzinsung in bar ausbezahlt bekommen. 
Georg 29 Jahre
Katharina 27 Jahre
Anna 25 Jahre
Martin 22 Jahre und
Magdalena mit 12 Jahren sind aufgeführt.
Am selben Tag wird ein Heiratsvertrag geschlossen zwischen dem verwitweten Josef Schneider und der ebenfalls verwitweten Ursula Lohner aus Forst von der Hofmark Falkenfels.
Genau die benötigten 200 Gulden für das mütterliche Erbe der Kinder erster Ehe bringt die neue Frau als Heiratsgut mit in die neue Verbindung. Für dieses eingebrachte Kapital wird der Witwe auch eine lebenslange Herberge auf dem Haus per Vertrag gutgeschrieben.
1804 konnte JS bereits den Schuldzins bei der Pfarrkirche Kötzting nicht bedienen, im Jahr drauf musste er auch den bei der Kirche in Steinbühl schuldig bleiben, wie dem Kirchenadministrationsrat in München gemeldet werden musste, der im neuen Königreich Bayern auch ein genaues Auge auf die ausgegebenen Kapitalien der Pfarreien zu werfen hatte.
1805 nun versuchte sich JS an einer Umschuldung. Der neue Kapitalgeber war jetzt die Marktkammerkasse Kötzting und der neue Zinssatz betrug nur noch 4 Prozent (vorher waren es 5 Prozent gewesen)
150 Gulden lieh er sich nun vom Markt, "zu Abzahlung einer anderen Schuldpost und Ankaufung des nöthigen Speisgetreidt". Durch diese Beurkundung erfahren wir auch, dass sein Haus nun eine Feuerversicherung für eine Schadenssumme von 200 Gulden besaß.

Am 3.10.1806 dann verkauften Josef Schneider und seine Frau Ursula das Haus "zunegst dem Rathaus" um 1300 (!) Gulden an den Sohn Martin Schneider. Die Grundschulden, die mit übernommen werden mussten, verteilten sich nun auf 100 Gulden bei der Pfarrkirche Kötzting, 60 Gulden bei der Corporis Christi Bruderschaft und die neuen 150 Gulden bei der Marktkammer Kötzting.

Jedoch zuerst zurück zu einer seiner Schwestern, Anna Schneider.
Von der obig angegebenen Anna Schneider, Seilerstochter aus Kötzting, haben wir im Stadtarchiv einen Akt, der wieder einmal aufzeigt, wie unbarmherzig die damalige Zeit gewesen war, die wir so gerne als die "Gute Alte" verbrämen.
Einschub
Da Anna Seiler immer auch als Kötztinger Seilerstochter bezeichnet wird, ist die Zuordnung zu dieser Familie für mich als gesichert anzusehen, auch wenn das rechnerische Lebensalter für eine Schwangerschaft in den 1820er Jahren doch etwas extrem erscheint.  
Einschub Ende

Im Frühjahr 1828, genauer am 16. März 1828,  schreibt Anna Schneider, damals Köchin beim Hauptmann Schrott in München, an das LG Kötzting und bittet um die Ausstellung eines "Armutsattestes".
In ihrem Bittschreiben an das Landgericht, welches dieses postwendend an den Markt Kötzting weiterreicht, erklärt sie ihre Situation folgendermaßen:
StA Kötzting AA X9

"Ein unglückliches Liebesverhältnis hat mich in tiefster demueth Unterzeichnete schon im verflossenen Jahre zur Kindesmutter gemacht.
Mein Schwängerer will nunmehr von mir und seinem Kinde nichts mehr wissen; derselbe überläßt mir die Erziehung desselben ganz alleinig und ob ich gleichwohl schon gerichtlich Klage wider ihn erhoben habe, so konnte ich es dennoch bisher nicht so weit bringen, einen sustentations Beytrag von ihm für das unschuldige Kind zu erhalten......"
Ich habe nunmehr von gutherzigen mitleidenden Menschen das Versprechen erhalten, mein unterlassenes - armes - Kind in irgendein Wohltätigkeits -Institut dahier zur Erziehung unterzubringen, wenn ich mich nämlich über meine Armuth legal auszuweisen haben werde
Da ich nun von Zuhause nicht das geringste älterliche Vermögen besitze, - mich im D>ienste fremder Menschen fortbringen muß, und daher wahrhaft arm und höchst unglücklich bin; so bitte ich ein könig, bay. Landgericht Kötzting diemithig gehorsam um gnädige legale Ausfertigung eines Armuths Attestes Behufs der Aufnahme meines armen Kindes in irgend eine Wohl- und Mildthätigkeits Institut dahier, - und empfehle mich zur baldmöglichst
 ......
Das LG Kötzting reicht ein Ersuchen am 31.3.1828 an den Magistrat weiter und dieser bestätigt mit seinem Antwortschreiben die prekäre Situation der Bittstellerin.

Der Magistrat des Marktes Kötzting 
bezeugt hiemit, das Anna Schneider Sailerstochter v. Kötzting, dermalen Köchin zu München ein ausgezeigtes Aelterngut nicht besizt, ihre Mutter von Wohltätern lebt, sie also auch kein Vermögen zu höffen hat, den 5. April 1828

Mit dieser Einstufung endet der Akt im Stadtarchiv (AA II37)



Schneider Martin und Anna Maria Kern


StA Kötzting AA II 18 Bürgeraufnahmprotokolle

"den 3. Octb(er) Martin Schneider lediger Bürgerssohn eben das väterlich häusliche Anwesen"
2 Gulden Bürgertax, 1 Gulden Exerziergulden und 37 1/2 Kreuzer Kanzleitax mussten an den Staat abgeführt werden. 10 weitere Gulden kostete das Kötztinger Bürgerrecht, 2 1/2 Gulden waren für den/die Feuereimer zu bezahlen und "die Magistratspersonen" erhielten 2 Gulden dafür, dass sie gewillt waren einen neuen Marktbürger aufzunehmen.
Bei der Übernahme des Hauses war Martin Schneider noch ledig gewesen, am 25.2 1810 heiratete er dann Anna Maria Kern aus Weißenregen.

StA Landshut Rentamt Kötzting B 27 
"Martin Schneider: das gemauerte Haus"
Nutzungsanteil an den noch unverteilten Gemeindegründen, dann ein Gemeindeanteil vom Galgenberg und 1 Ackerl vom verteilten Strohhof bei Grub.

Von dem hier noch vorgetragenen Gemeindeanteil im Galgenberg trennte sich Martin Schneider dann bereits im Jahre 1817
StA Landshut Briefprotokolle LGäO von 1817-18

"Martin Schneider Bürger in Kötzting, verkaufte unter heutigem Dato seinen durch vertheillung an sich gebrachten ludeigenen Gemeindstheil am Galgenberg, welcher in dem Rustikal-Steuer-Kataster des Distrikts Kötzting mit dem Besitz Nr 394 und im Umschreibbuch mit dem laufenden Nr 73 einkömmt an Joseph Seiderer Inmann am Klowichhuf um die pactirte Summe pr: 60 fl...."
Beim Haus verblieb danach nur noch das Grundstück aus dem historischen Gruber Hof.


Einschub
Hier kommt es nun zum ersten Mal zu einer Auflösung des bisher unbekannten Begriffs "Boschinger", dessen Bedeutung uns vom Lesestammtisch bereits seit Jahren ein Rätsel gewesen war.

Hier heißt es bei der Giltbeschreibung der Anteile des Gruberhofes:
a: Gerichtbar zum Landgericht Kötzting
b: giltbar zum k: Rentamt Kötzting
c: Getreid=Zehent:
1/3 zum k: Rentamt
2/3 Poschinger zu Frauenau
Grünen Zehent frei.
Im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts kam es zu einem Deal zwischen dem Kloster Rott, als Besitzer des Strohhofes (nun die Gärtnerei in Grub), und dem Markt.
Das Kloster Rott stimmte dem Verkauf zu, obwohl dieser einen dauerhaften Einnahmeverlust für das Kloster bedeutete, weil - einen durchschnittlichen Generationswechsel von 25 Jahren zugrunde gelegt - dem Kloster viele Abgaben zukünftig entgingen, die bei einer Übernahme/Verkauf eines Gutes für den Besitzer anfielen. Solch ein Besitzwechsel fiel ja zukünftig weg, da der Markt Kötzting nicht verkaufte, sondern die umfangreichen Grundstücke gleichmäßig an ALLE seine Bürger verteilte.

HStA München Landshuter Ablage Kirchentrachtliste von 1727-1736  hier "BOSCHINGER"

Bei diesem Strohhof, gab es offensichtlich eine eine besondere Zehentvereinbarung mit den Poschingers von Frauenau, die trotz des Verkaufs weiter Bestand hatte, so dass nun alle Kötztinger Bürger für ihre Anteilsfläche, die aus dem alten Strohhof stammten, auch an die Poschinger eine Abgabe zu bezahlen hatten.
Einschub Ende.

Im Jahre 1821 stellte Schneiders Nachbar, der Goldarbeiter Leszkier, einen Bauantrag, auf dessen Lageplan das Haus des Martin Schneider schön zu erkennen ist. Beide Nachbarn, Schneider und Weiß, stimmen den Erweiterungsarbeiten des Leszkier zu und haben keinerlei Einwände.
StA Kötzting AA XI 70




In Kötzting gab es bis weit herauf ins 20. Jahrhundert unterschiedliche Arten von Bewohnern. Neben den Bürgern, also Marktlehnern, Söldnern und Häuslern, gab es noch weitere Klassifizierungen und Eingliederungen, die deren Mitgliedern in einem unterschiedlich hohen Maße soziale Sicherheiten gewährten oder eben nicht.
StA Kötzting AA II 19 Bürgerlisten 


Die Kinder ehemaliger Kötztinger Bürger bzw. die Altenteiler gehörten zu den Inwohnern, "die zwar keine Gemeindeglieder [mehr] sind, jedoch ihr Heimatrecht begründet haben im Markt Kötzting"
Im Jahre 1826 finden sich in dieser Gesamtbürgerliste 129 Personen, die in diese Rubrik fielen, darunter der Altenteiler Josef Schneider und dessen zwei ledige Töchter Katharina und Magdalena.
Am 8. August 1844 kommt es vor dem Magistrat Kötzting zu einer Vergleichsverhandlung, einem neuen Werkzeug der bayerischen Rechtsprechung, um im Vorfeld teure Prozesse abzufangen.
Durch dieses "Protokoll" hat sich auch die persönliche Unterschrift des Martin Schneider erhalten.
StA Kötzting AA VIII-12 Vergleichsverhandlungen

"Martin Schneider Hausbesitzer dahier tritt gegen den Sailermeister Mathias Perzl klagbar auf, weil  ihm dieser nicht zur rechten Zeit die Wohnung gekündigt  habe, weshalb er auch den Mietzins auf ein halbes Jahr voraus in Anspruch nehmen, wenn der Beklagte nicht vorziehen will die gemietete 
Wohnung bis dahin zu benützen. Die Teile einigen sich dahin, dass Mathias Perzl für das letzte Vierteljahr einen Herbergszins von 9 fl bezahlt, womit sich Kläger zufrieden stellt. "
Ein Blick ins Mieterkataster im Staatsarchiv Landshut zeigt uns die Verhältnisse in diesem Haus.
StA Landshut Grundsteuerkataster Nr. 5045 Mieterkataster

"Hauptgebäude

1. Martin Schneider, Häusler /:Hausbesitzer:/
unter der Erde 1 Keller
II Etage (=heutzutage 1. Stock) 2 Wohnzimmer
Unterschrift Schneider

2. Mathias Perzl. Seiler, /:Mieter:/ 
I: 1 Wohnzimmer und 1 Kammer
II: 1 Bodenkammer
Unterschrift Mathias Perzl 

3. Magdalena Schneider, Inwohnerin /:Mieterin:/ 
I: 1 Wohnzimmer
II: 1 Bodenkammer
Handzeichen der Magdalena Schneider

2. Nebengebäude

4. Martin Schneider, Eigenthümer  1 Holzschupfe, darin befindlich Stallung und Futterboden"

Fast zeitlich mit der Erstellung des Mieterkataster entstand auch der Grundsteuerkataster, in dem das Leerhaus des Martin Schneider nun mit der dauerhaften Hausnummer 46 mit Wohnhaus, Schupfen und Stall unter einem Dache aufgeführt ist.
Das Ehepaar Schneider war kinderlos geblieben und, nachdem seine Frau, Anna Maria, geborene Kern, am 1.3.1846 an Krebs verstorben war, heiratete der Witwer ein zweites Mal, diesmal Anna Vogl aus Haus, ebenfalls verwitwet. 
Am 22.11.1874 verstirbt auch der Kötztinger Bürger Martin Schneider im Alter von 93(!) Jahren an Altersschwäche.
Bereits im Jahre 1853  hatte er seinen Gesamtbesitz um 1060 Gulden an Martin Hofmann verkauft.
StA Landshut Grundsteuerkataster Nr. 5041 Umschreibebuch
"Martin Schneider HsNr 46 in Kötzting verkauft an Martin Hofmann v.d. das Leerhaus Lit A u.B  K .f. 265 und 266 ohne Änderung pr 0,21 dz um 1060 fl.
Unterschriften
Martin Schneider
Martin Hofmann"



Hofmann Martin und Anna Maria Stiegler


StA Landshut Grundsteuerkataster Nr. 5047 von 1860

Am 14. Mai 1846 hatte Hofmann Martin, angehender Seilermeister zu Kötzting, seine "Verehelichungsbewilligung" und das Kötztinger Bürgerrecht erhalten, bzw. erwerben können.
10 Tage später heiratete der Seiler Martin Hofmann, Sohn des Josef und der Barbara - einer geborenen Neumayr aus Reckendorf, die beide bereits verstorben waren - Anna Maria Stiegler aus Seewies in Böhmen, mit der er bereits ein eheliches Kind erzeugt hatte, zu dessen Taufe in Kötzting zwei Taufpaten aus Seewies angereist gekommen waren. Insgesamt 4 Kinder bekam das Paar, Mathias 1841
Franz Xaver 1847, Michael 1850 und 1852 noch eine Todgeburt, die namenlos im Taufregister eingetragen ist.
Im Stadtarchiv befindet sich auch eine "Meisterrolle der Färber, Hutmacher, Tuchmacher, Seiler und Buchbinder", die auch die "Meisterwerdung" des Seilermeisters Martin Hofmann enthält. AA X/30
Der Seilermeister Martin Hofmann verstirbt bereits im jungen Alter von 36 Jahren und 3 Monaten an "Lungenerweiterung". Sein erstgeborener Sohn ist mit erst 15 Jahren noch zu jung, um das Anwesen zu übernehmen. Erst im Jahre 1867 erfolgt die Übergabe an den Sohn, der im selben Jahr dann auch im Gewerbekataster des Marktes mit seiner Konzession als Seiler vorgetragen wird..

Das Pfingstbrautpaar von 1864

Schon vorher, im Jahre 1864, taucht der junge Mann in der Liste der Pfingstbrautpaare auf, die im Zusammenhang mit dem 500 Jahr Jubiläumsritt 1912 erstellt wurde.

Anders als in der reinen Namensauflistung, die im Internet vom Kötztinger Burschen- und Wandererverein veröffentlich ist, enthält die historische Liste auch Details, die Sicherheit geben, dass es auch die richtige Person ist.
Das Haus in der Rathausgasse, das um 1860 noch mit dem Hausnamen "beim Hofmann-Seiler" bezeichnet wird, wird 1912 anscheinend bereits nicht mehr mit der früheren Besitzerfamilie "Hofmann" in Verbindung gebracht, sondern nun mit dem Namen "Bachl"
Seine Pfingstbraut Barbara Weiß stammte aus der direkten Nachbarschaft. Das Gasthaus "Weiß auf der Höh" - später noch Austragungsort "epischer" Wirtshausraufereien im Zusammenhang mit der Kirchenreform und nachfolgender Gerichtsverhandlungen - war das nun bereits abgerissene Wirtshaus mit Metzgerei Ritzenberger.
Anna Maria Hofmann, die junge Witwe, heiratete erneut einen Seilermeister, diesmal den Schustersohn Franz Hofmann aus Kötzting.



Hofmann Mathias und Fischer Anna


Wie in der obigen Zusammenstellung bereits erwähnt, heiratete der junge Seilermeister am 18.11.1867 die Bauerstochter Anna Fischer aus Nösswartling. Im Hofanlagsverzeichnis - siehe das Detail der folgenden Abbildung - aus dem Jahre 1752 ist der Hausname Fischer auf dem 1/1 Hof, bezeugt.

Einschub
In einem der ältesten Dokumente- auch in der gefälschten Gründungsurkunde des Klosters Rott von 1073 -, die wir aus der Geschichte Kötztings kennen, ist die Rede von einem "Nesvvettingen", der laut der Ansicht der meisten Geschichtsforscher dann zusammen mit Chostingen zum jetzigen Markt vereinigt wurde.
Dieses Konstrukt könnte auch für die Aufteilung des Marktes in 36 Marktlehen und 12 Sölden aus den ersten drei Urhöfen (möglicherweise Chostingen) und den 20 Teilen (=Häusern), die folglich dann aus dem "Ortsteil Nesvvettingen entstanden sein müssten.
Ich bin grundsätzlich ebenfalls der Meinung, dass diese Schlussfolgerung korrekt ist.
Es gibt jedoch eine Besonderheit in den Besitztümern der Kirche Kötzting, die in diesem Zusammenhang unter Umständen eine andere Bedeutung hat.
Die Kirche Kötzting, und somit aus dem Landgericht Kötzting Kötzting heraus, besitzt als rechtmäßiger Grundherr einen - und zwar den großen 1/1 Bauernhof - der 15 Anwesen in Nösswartling. Die anderen 14 Anwesen gehören ins Landgericht Cham, wo ja ansonsten dieses Dorf liegt.


Detail aus "Historischer Atlas von Bayern, Band Landgericht Kötzting"

Dieser "Ganze Bauernhof" mit dem damaligen Hausnamen "Fischer" aus Nösswartling und der überlieferte Name "Nesvvettingen" könnten der Gründungsurkunde auch eine andere Interpretation liefern.
Einschub Ende
Im Jahre 1877 stellt Mathias Hofmann einen Bauantrag zur Erweiterung seines Hauses, wodurch wir eine genauere Vorstellung von der Raumaufteilung im Gebäude erhalten, da auch der "Altzustand" dokumentiert wurde.

StA Kötzting 602-1
Der Planfertiger hatte bei der Ausführung der Legende einen anderen "Hofmann" im Sinne, da dessen Bauantrag für einen "Bäckermeister Franz Hofmann" nachträglich auf den Seilermeister Mathias Hofmann abgeändert wurde.
Dass wir - trotz der irreführenden Beschriftung - beim richtigen Haus sind, kann man gut am Lageplan erkennen.

Legende

a:  Wohnhaus welches repariert und erweitert werden soll.
b: Wohnhaus des Josef Dirnberger, Binder
c: Werkstätte desselben
d: Wohn und Nebengebäude des Josef Leszkeur
e: Hofraum und Garten desselben
f: Rathaus /Magistratsgebäude/
g: Wohnhaus des Josef Leibl, Fragner
h: Stallung desselben
i: Wohnhaus des Michael Huber Nagelschmidt
k: Marktgassen

Im "Altzustand" eine interessante Aufteilung mit den bevorzugten Lagen für die Stallung und die Holzlege und  dem langen Schlauch zwischen dem Wohnzimmer, einer Kammer und dem Schlafzimmer.


Im Neubau wurde nun auf den Stall mit seinem langen Vorhaus verzichtet und dafür ein neues Treppenhaus und ein Verkaufsladen eingebaut. Ein  kleiner Restvorplatz beim neuen seitlichen Hauszugang mit dem zentralen Backofen blieb bestehen. Auch der Laden erhielt einen eigenen Zugang von der Seitengasse aus.
Im ersten Stock blieb nun ausreichend Platz für einen Lagerraum.

Die neue Hausfront vom Rathaus aus gesehen.

Die Ansicht und der Schnitt von der Rathausgasse aus.

Auch Mathias Hofmann wird nicht alt werden, mit 38 Jahren, also nur wenig älter als sein Vater bei dessen Tod, stirbt auch er an Lungensucht.
Drei Kinder hatte das Paar bekommen, von denen nur die Tochter, Anna überlebte. Die beiden Buben starben beide im Alter von 1 1/2 Jahren; der eine an "häutiger Bräune" und der andere an den Masern.
Wenige Jahre vor seinem Tod - 1875 - kauft Mathias Hofmann zusätzlich zu seinem Anwesen von Franz Mittermeier dessen Haus und protokolliert vor dem Magistrat mit dem Verkäufer und dessen Eltern eine detaillierte Finanzplanung.
Franz Mittermeier war einer der Brandleider vom großen Marktbrand von 1867 gewesen und hatte seinen "Neubau" an der damals neu projektierten -  heutigen Gehringstraße - Marktstraße errichtet.
Aus dem Gärtner Mittermeier-Haus wurde nun zunächst der "Seiler Hofmann" und später dann die Gärtnerei Großmann. 
StA Kötzting AA VIII-12 Vergleichsverhandlungen





"Mathias Hofmann Seiler dahier hat am 8. Februar 1875 von Franz Mittermeier junior dessen Anwesen HsNr 116  dahier gekauft und ist dabei die Bestimmung getroffen worden, dass ein Teil des Kaufschillings mit 1250 fl so lange gegen 4  %ige Verzinsung liegen bleibt, als eines der Eltern des 
Franz Mittermeier am Leben ist. Die Zinsen aus diesen 1250 fl mit jährlich 50 fl zahlbar zu Jakobi, beziehen die Eltern des Franz Mittermeier junior. Diese Bestimmung wird nun wie folgt im Wege des Übereinkommens geändert: Franz Mittermeier junior ediert von seinem Guthaben 1250 fl den Betrag von 400 fl oder 685 Mark 71 Pfennig an seine genannten Eltern, wogegen diese mit dieser Summe sich für alle Ansprüche  auf den jährlichen Zehrpfennig mit 50 fl befriedigt erklären, das heisst, Franz 
Mittermeier junior löst mit der Summe von 400 fl bzw 685 Mark 71 Pfennig die Zehrpfennigansprüche seiner Eltern auf jährlich 50 fl für alle Zukunft ab. Die Eltern erhalten aus den 1250 fl noch den ì
halbjährigen Zins mit 25 fl oder 42 Mark 86 Pfennig bis Lichtmess1877. Von diesem Zeitpunkt an zahlt Hofmann den 4 %igen Zins aus 685,71 Mark an Mittermeier senior und aus 1457 Mark 14 ì
Pfennig oder 850 fl an Mittermeier junior alljährlich zu Lichtmess"

Bei seinem Tode hatte der junge Seilermeister dann gleich 2 Anwesen hinterlassen.
Das Haus in der Gehringstraße - Hofmann-Seiler - verblieb bzw. ging über in den Besitz der Witwe Anna Hofmann, von der wir aus dem Jahre 1881 auch ein Baugesuch für das Haus im Stadtarchiv haben.
Das Haus in der Rathausgasse wurde zuerst (1880) der überlebenden Tochter Anna als Vatergut überschrieben, dann aber, am 15.6.1883, an Georg und Vinzenzia Bachl verkauft.

Bachl Georg und Vinzenzia Bauer


Es ist nicht allzu viel von den beiden bekannt. Am 14.6.1870 hatte der Gutendorfer Bauernsohn Georg Bachl Vinzenzia Bauer aus Traidersdorf geheiratet und sich später wohl das Haus im Markt Kötzting kaufen können. (Als seine Eltern waren Josef und Katharina, eine geborene Hacker, angegeben.
Mehr als eine ganze Generation später, 1911,  findet sich eine erneute Heirat des Privatiers und Witwers Georg Bachl (die Angabe der Eltern ist identisch). Dieses Mal heiratete er die Kötztinger Köchin Theresia Innhofer, eine Musikerstochter aus Neuhaus bei Cham.

StA Kötzting 024 Familienbögen Buchstabe "B"

Bereits bei der Erstellung des obigen Familienbogen im Dezember 1890, wird Georg Bachl aus Gutendorf als Privatier angegeben, Er konnte also von seinem eigenen Finanzpolster leben.

Die weitere Entwicklung auf diesem Haus im 20. Jahrhundert ist kompliziert, da sich sowohl die Besitzverhältnisse als auch die Bewohner (=Mieter) häufig abwechselten.



In Landshut existiert ein Mieterkataster aus dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts.
Neben dem Hausbesitzer Georg Bachl, der eine kleine Wohnung mit angeschlossenem Laden belegte, finden sich noch der Glaser und Zinngießer Franz Zimmerer im Erdgeschoss, der  auch einen Laden angemietet hatte.
Aus einem Interview, das Frau Rabl-Dachs mit Franz Zimmerer ( dem Sohn des obigen) geführt hatte, wissen wir, dass dessen Vater später sowohl in der Marktstraße (Kirschner und Zigan) gewohnt hatte, bevor er 1952 dann das Leszkier-Haus erwerben konnte, in dem heutzutage (2022) das griechische Speiselokal Delphi beheimatet ist.
Bei der Häuserchronik dieses Nachbargebäudes wird dann näher auf diese Glaser und Zinngießerfamilie eingegangen.
Weitere Bewohner des Hauses im Erdgeschoss waren der Taglöhner Weber Michl und dann im ersten Stockwerk noch der Maschinist Karl Fischer und der Postbote Xaver Gmach.

StA Landshut Grundsteuerkataster Nr. 5058 Mieterfassion 1911-1936


Bei den Besitzverhältnissen ging es nicht weniger turbulent zu, auch wenn es dabei zumeist innerhalb des Familienverbandes blieb.


Nach Georg Bachl erhielt seine Frau Therese, eine geborene Inhofer/Inkofer das Haus.
Danach blieb es bei dieser Familie. Nach einem kurzen Besitzerwechsel im Jahre 1950 mit Frau Wienstorfer Anna, später wohl verheiratete Lummer, kam das Haus dann im Dezember 1952 in Besitz der Familie Kolbeck, genauer Anton und Rosa Kolbeck.
Dies ist deshalb interessant, weil die Familie Kolbeck, respektive die Ehefrau Rosa Kolbeck erst im November 1951 das in der Rathausgasse genau gegenüber gelegene Haus (alte Hausnummer 50 ) von ihrem Vater, dem Schreinermeister Wolfgang Brunnhofer - genannt Scheijsslschreiner - erhalten hatte.
Offensichtlich in einer Art von Ringtausch verkaufte Rosa Kolbeck das Elternhaus an die Frau Schödlbauer (Textil-Schödlbauer) und erwarb zeitgleich  das Eckhaus in der Rathausgasse.
Auch in der Karteikarte der ältesten vorhandenen Einwohnermeldedatei der Stadt Kötzting ist gut zu erkennen, wie die Bewohner/Besitzer die Straßenseite gewechselt hatten.
Stadtverwaltung Bad Kötzting Einwohnermeldeamt 


Wolfgang Brunnhofer hatte zuerst in der alten Hausnummer 50 gewohnt, aus der in Anfang der 50er Jahre dann die Rathausgasse 4 geworden war. Nach dem Verkauf des Hauses zog er dann ins gegenüber liegende Haus seiner Tochter Rosa, nun eine verheiratete Kolbeck.
 
Die Geschichte der Brunnhofers, aka Scheijsslschreiners,  wird dann ausführlich im Beitrag über das Haus mit der alten Hausnummer 50 geschildert.

Auf einem Bild des Kötztinger Künstlers August Philipp Henneberger kann man gut die Schreinerwerkstatt des Brunnhofer-Schreiners erkennen, der seine alten Tage danach bei seiner Tochter gegenüber - auf dem Gemälde leider nicht zu erkennen - verlebt hat.
August Philipp Henneberger Bild im Rathaus Stadt Bad Kötzting

In der Sammlung des Arbeitskreises haben wir eine tolle Aufnahme des Wolfgang Brunnhofer - Schejßlschreiner - und seiner Tochter Rosa Kolbeck, 
Die Bilder hatte damals Frau Kretschmer gemacht.
Arbeitskreis Heimatforschung Rathausgasse 3

Frau Rosa Brunnhofer hatte Anton Kolbeck geheiratet, der ebenso wie sein "hinterliegender Nachbar", der Dirnberger Mich täglich nach Feierabend auf der Bank unterhalb des Rathauses zu finden warn.
Anton Kolbeck, Bild Arbeitskreis Heimatforschung

Das alte Haus Rathausgasse 3, vor dem Abriss und dem Neubau. Foto Kolbeck Engelbert

Foto Kolbeck Engelbert: Anton Kolbeck vor dem Hause

Auch die nächste Generation können wir hier noch vorstellen. Von Engelbert Kolbeck haben wir folgende Bilder erhalten.

Foto von und mit ihm: Engelbert Kolbeck auf seinem Motorrad in der Rathausgasse

Wie der Vater, so der Sohn.
Engelbert Kolbeck und ein Berliner Feriengast auf der oben angesprochenen "Rathausbank"
Foto Kolbeck Engelbert






Noch vor dem Nachbargebäude - dem Dirnberger-Haus - musste dieses Eckhaus einem Neubau weichen und so sieht es heutzutage in der Rathausgasse aus.

Foto Pongratz  Rathausgasse 3 im Frühjahr 2022