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Sonntag, 10. Juli 2022

Ein neuer Fund aus Kötztings Geschichte.

 In den vergangenen zwei/drei Monaten kam es im Stadtarchiv zu umfangreichen Zugängen an Foto- und DIA-Material. Zum ersten waren es Funde aus dem eigenen Haus und zum anderen größere Abgaben von Privatpersonen oder Firmen.
Heute geht es um einen ersten - für mich - durchaus spektakulären Fund aus diesen Neuzugängen. Ende Juni 2022 hat das Architekturbüro Schnabel sich von Teilen seiner Bau-Dokumentationsbilder getrennt und mir einen großen Umzugskarton mit DIA-Aufbewahrungsschächten ins Büro gestellt.
Jeder dieser Doppelschachte hat Platz für ca. 100 DIA-Positive, womit ich die Anzahl der erhaltenen DIAs auf über 1000 schätze. Neugierig geworden durch die Überschriften, habe ich mich nun gleich daran gemacht, die ersten DIA-Schächte mir vorzunehmen und diese zu digitalisieren.

Schon beim ersten DIA-Schacht fanden sich Aufnahmen, die es nicht nur Wert sind, hier vorgestellt zu werden, sondern im Ergebnis sogar ein bisher unbekanntes Kleinod aus  Kötztings Geschichte darstellen.
In den 1980er Jahren kam es in Kötzting zu einem "Erdrutsch", bei dem der Gott sei Dank kein Mensch zu Schaden kam, sondern der nur die große Ummauerung des Alten Friedhofes mit einem Teil der äußeren Gräberreihe zum Einsturz und Abrutschen brachte.

Die folgenden Farbbilder stammen alle aus der Abgabe des AB-Büros Carl Schnabel.


AB Schnabel: die abgesicherte Stelle des Mauereinsturzes



Schaut man sich sowohl den Schüttkegel, als auch auf dem folgenden Bild die oben aufliegende Ziegelmauerabdeckung an, so ist vermutlich nach dem Wegrutschen des Untergrundes die Mauerkrone sogar nach innen gekippt und, oben aufliegend, zum Stillstand gekommen.





Am westlichen  Ende des Mauerabrisses blieb noch ein Teil des Grabes des Kötztinger Allgemeinarztes Dr. Albert Angerer stehen. Der als Mosaik gestaltete Hauptteil dieses Grabdenkmals stammt sicherlich vom Kötztinger Künstler August Philipp Henneberger. Ein Rest des Mosaiks fand sich später dann noch im Schutt.


Nun aber zu dem Fund, den ich nachgerade als Sensation ansehe:


Hier gut zu sehen links oben der alte Friedhofshaupteingang mit dem Gedenkstein für Carl von Paur, gleich rechts neben dem Eingangstor.
Rechts neben dem Denkmal befindet/befand sich eine leere Grabesnische. An dieser Stelle lag früher - als es den neuen Friedhof noch nicht gegeben hatte - die Familiengrablege der Familie Traurig.
Rechts im Friedhofwinkel, hinter einem schmiedeeisernen zaunartigen Gitter findet sich nun die Sensation.

Diese Grablege sieht wesentlich älter aus, als die vielen Gräber, die sich in der Umgebung
damals -  ebenso wie heute - noch finden lassen.
Hier liegt begraben Maria Anna Walburga im Alter 45 Wochen. Dessen Mutter Frau Maria Euphrosina Luckhnerin geweste kayl: (kaiserlicher)  Hopfenlieferant gestorben hier des Ehestands im sechsten ihres Alters im 29ten Jahr  geboren zu Stattamhoff
den 11. Aprill 1743

Wir finden hier also die erste Frau des großen Kötztinger Kammerers Samuel Luckner und mindestens eines seiner Kinder aus dieser ersten Ehe. Der Stein ist leider bereits so stark angewittert und gleichzeitig die Aufnahme so unscharf, dass es schwer ist/war die Inschrift genau zu entziffern; die Daten grundsätzlich sind aber bekannt. Was allerdings nicht bekannt gewesen war, ist, dass es im oberen Friedhof überhaupt eine Grablege der Luckners gegeben hatte. Deren (Haupt-) Ruhestätte wurde und wird von mir weiterhin im Bereich der heutigen Garage unseres Stadtpfarrers im Umgriff der Pfarrkirche verortet.
Luckners eigener Grabstein und der seiner zweiten Frau - mit der zusammen er 15 Kinder hatte und wohl zu deren Ehren und Andenken Kötzting auf dem linken Seitenaltar das Bildnis der Hl. Magdalena bekam-, befanden sich im Inneren der Pfarrkirche an der Wand neben den Beichtstühlen und hängen heute in der St. Anna Kapelle..


Unter dem Epitaph für Mutter und Kind befand sich noch eine zusätzliche Gedenkplatte, wohl für ein weiteres Kind der beiden.



Stadtarchiv Bad Kötzting AA IX-3 Anbau eines Leichenschauhauses an die Friedhofskapelle


Im Jahre 1867, beim letzten großen Marktbrand Kötztings war das "nordlichste" Opfer dieses Feuersturms, die alte Seelenkapelle, an die wenige Jahre zuvor das erste Kötztinger Leichenschauhaus angebaut worden war,
Eben diese Seelenkapelle war von Herrn Krieger und dessen Frau gestiftet worden und diese Frau Krieger war die Großmutter Wolfgang Samuel Luckners.
Und schaut man sich nun diese speziellen Lage der Grabnische an der Außenmauer an, dann wird es plötzlich ganz logisch, warum hier - und genau hier - eine Grabstätte der Luckners hatte existieren können.


Verlängert man die beiden Friedhofmauern im Plan, so lag die damalige  Grablege im Inneren der Seelenkapelle. 
Hier noch einmal das Bild der Grablege zum Vergleich der Orte:
 

Ich würde vermuten, dass die Frau Luckner - als Mitglied der Stifterfamilie - in der Kötztinger Seelenkapelle am oberen Friedhof beerdigt worden war. Auch war es war damals durchaus üblich, das Angehörige Verstorbener regelmäßig Seelenmessen in der oberen Seelenkapelle lesen ließen, was damit auch dem Seelenheil der verstorbenen Frau Luckner zugute kommen konnte..
Nach dem Untergang dieser Kapelle wurde diese zwar nicht mehr errichtet, sehr wohl aber die Friedhofsummauerung geschlossen und danach das Epitaph der Frau Luckner an geeigneter Stelle im Grundrissbereich der früheren Kapelle in einer Grabesnische aufgestellt.
Leider - und dies ist mehr als bedauerlich - existiert dieses Denkmal aus Kötztings Geschichte nicht mehr, zumindest ist es bis heute nicht mehr aufgetaucht.

Eine Quersuche in den Büchern der alten Kötztinger Friedhofsverwaltung erbrachte dann noch den zusätzlichen beweis fpr den Zusammenhang Luckner - Kapelle - Grablege



Grab Nr. A 629  früher 501
Luckner

"Die Luckner´sche Grabstätte bleibt immer bestehen als Entgelt der früheren Kapelle"

vgl. § 38 Gdesatzung vom 20.02.1947

Auch im Vorläuferband, nun unter der Nummer der Grablege 501 findet sich ein wortgleicher Zusatz.

 "501 Luckner´sche Grabstätte     bleibt immer als Entgelt der früheren Kapelle"

QED !



Wie sehr diese "obere Seelenkapelle" in den Kötztinger Alltag eingebunden war, zeigt auch folgende Notiz:
 

Der nasse Sommer im Jahre 1782.

Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts gab es verheerende Missernten, die im Markt von den vorausschauenden Kammerer Wolfgang Samuel Luckner mit großem persönlichen und finanziellen Einsatz einigermaßen abgefedert werden konnten. Trotzdem wurde die Hilfe von ganz Oben angefleht und dafür die "obere Seelenkapelle ge/benutzt.
Diese, von Luckners Großmutter und ihrem zweiten Mann gestiftete Seelenkapelle war so ziemlich das nördlichste/oberste Opfer des großen Marktbrandes von 1867.
MR 1782

"Wegen angehalten üblen Witterung Ist man an seithen der burgerschaft in die obere Seelen Kapeln processionaliter abgegangen, wo man zugleich 2 heyl Mess zu Trost der armen Seelln lesen lassen, diss aber, da eine Samlung nicht allerdings schicklich, ex cassa bezallt, mit 1 fl."

Warum in diesem Zusammenhang eine Geldsammlung als nicht "schicklich" empfunden wurde ist mir nicht klar, wo die Kirche doch im Rahmen ihrer Gottesdienste immer auch den Klingelbeutel bzw. die Körbchen herumreichen lässt.











Als der Untergrund wegrutschte, ist die Mauer nach innen gekippt, wie die Dachziegel 
auf der Grabebene beweisen.

Die Mauerrest rechts und links des Einbruchs waren in einem Maße einsturzgefährdet, dass
weitere teile zur Sicherheit abgetragen werden mussten.
Seiter klafft eine Lücke in der Ummauerung, die hoffentlich durch die Sanierungs/Umbaumaßnahmen in der Zukunft geschlossen werden kann.




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