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Freitag, 22. Juli 2022

Michael Heigl eine Dokumentation Teil 2 die Heigls in Beckendorf

Heigl Michael wurde wohl aufgrund der Tatsache, dass er bzw. seine Eltern das Beckendorfer Heimatrecht besaßen, auch immer als lediger Inwohnersohn von Beckendorf bezeichnet, obwohl er nachweislich in Ramsried auf die Welt gekommen war. Nachdem noch einige seiner nachfolgenden Geschwister ebenfalls als Geburtsort Ramsried angegeben hatten, steht auch zu vermuten, dass er seine Kindheit ebenfalls dort verbracht hatte.
Später jedoch ist er, wie auch seine Brüder und seine erste Geliebte, eher im Raume Beckendorf-Arndorf-Reitenstein zu verorten, weshalb es auch immer schon ein - durchaus umstrittenes - Thema gewesen ist, wo denn die "Heigls" - zwischendrin und am Ende vielleicht dauerhaft - in Beckendorf dann gewohnt haben könnten.

Zuerst jedoch ein Hinweis auf die Teile der Dokumentation, die bereits veröffentlicht sind:

Zum Einstieg:  ein Bild und seine Geschichte: das Laumerhaus von Gotzendorf
Teil 1 der Dokumentation: Der Familienverband des Michael Heigl

Beckendorf aus der Ansicht von Kreuzberg aus aufgenommen. Da die Beckendorfer Dorfkapelle selbst auf diese Entfernung so aussieht, wie sie im Jahre 1949 eingeweiht worden ist, vermute ich, dass diese Aufnahme aus den 50er Jahren stammt.
Der begleitende Zeitungsartikel allerdings bringt den Vorläuferbau mit einer kleinen Geschichte mit unserem Michael Heigl in Verbindung, die aber selbst als Anekdote nicht haltbar ist.  

Auf dem historischen Plan der Uraufnahme - entstanden um 1831 - auf welchem jede Hütte und jeder Backofen eingezeichnet ist, die in der weiten Dorfflur gestanden hatten, findet sich keine Spur eines wie auch immer gearteten sakralen Gebäudes.

Detail aus Bayernatlas.de hier Beckendorf

Die Häuser mit den Nummern 1-3 sind hier abgeschnitten, diese befinden sich bereits auf der Anhöhe Richtung Kreuzberg, sind aber deutlich erkennbar erst im Aufbau.


Wo wohnte Michael Heigl?


Nach den kleinen Aktennotizen, die noch in der Zeit vor seiner Flucht behördlicherseits angelegt worden waren, kann man eines durchaus annehmen, dass er seine Kinder- und Jugendzeit in Beckendorf verbracht hatte. Wo aber haben er bzw. er und seine Eltern dann gewohnt?

Einschränkend muss ich natürlich vorausschicken, dass Inleute häufig nicht einmal innerhalb ein und derselben Gemeinde an einem Platz geblieben sind. Aber es gibt erstens nicht viele Anwesen in Beckendorf, die groß genug gewesen wären, dass auf einem dieser zusätzlich noch eine ganze Familie hätte unterkommen können und es gibt darüber hinaus auch noch Hinweise und Gerüchte, die die Zeiten überdauert haben und die es auf ihren Wahrheitsgehalt abzuklopfen gilt. 

1. Er soll auf dem Kreuzberg gewohnt haben.

Faktencheck: Gleich zu Beginn des 19. Jahrhunderts wird Bayern vermessen und die erste richtige Karte Bayerns wird um das Jahr 1830 erstellt, in der jedes, aber auch wirklich jedes Gebäude – Stall – Stallung – Stadel, ja selbst jeder Backofen eingezeichnet ist. Auf dem Kreuzberg ist nur der eine Bauernhof (im Urkataster mit der Nummer 1 vorgetragen). Bei diesem Anwesen ist  nachweislich kein Inhaus vorhanden.
Dann gibt’s noch die Anwesen 2 und 3, die zumindest auf der Anhöhe in Richtung Kreuzberg liegen. Bei der Nummer 3 ist erwähnt, dass es erst 1809 erbaut ist und bei beiden Anwesen ist noch im Plan von 1830 zu ersehen, dass die Häuser erst im Entstehen sind. 

Detail aus Bayernatlas.de hier Beckendorf Richtung Kreuzberg, mit dem kleinen Anwesen mit
der Nummer 1 und den Neubauten der Nummer 2 und 3.

Welche mögliche Erklärung gibt es für diese "Verortung"?

Der "Heigl Christ", Christoph Gruber, der Sohn des Michael Heigl und seiner ersten Geliebten Marianne Gruber, wurde mehr als eine Generation später in einer Hütte auf dem Kreuzberg aufgegriffen, was nicht nur damals wegen der Begleitumstände für einige Aufregung sorgte, sondern, eben Jahrzehnte später - möglicherweise -  der eine "Heigl Christ" mit dem anderen "Heigl Michael", zumindest was den Wohnort betraf, in einen Topf geworfen wurde.  
Im Staatsarchiv Landshut unter den Akten des Bezirksamtes/Landratsamtes Kötzting steht auf dem Aktendeckel mit der Nummer 2906 ganz groß: „Sittenpolizei“.  Darin wird unter anderem vom Kötztinger Pfarrer bitterlich geklagt,  dass die Zahl der unehelichen Geburten immer höher ansteige und es nicht nur die „leichtfertigen jungen Leute“ seien, sondern durchaus auch die Witwen aus dem Bürgerstand und dass sogar "uneheliche Geburten von verheirateten Weibern, deren Männer im Zuchthause oder anderwerts sich befinden, vorkommen“

StA Landshut Rep 164-8 Nr. 2906
Gleichzeitig legt er aber den Finger in die Wunde, die vermutlich seit dem Ende des 18. Jahrhunderts für manche der Zustände ursächlich war: "Eine ganz besonders traurige Erfahrung heutzutage ist aber, daß viele ganz junge Eheleute eigenmächtig sich trauen, ohne eine geistliche, vielleicht auch ohne eine weltliche Behörde zu fragen, und dann sicher auf verderbliche Abwege gerathen
Hochachtungsvoll J. Exler Pf
[arrer]"


Im selben Akt  wird davon gesprochen, dass die sogenannte Kollerhütte auf dem Kreuzberg wegen Baufälligkeit im Jahre 1888 versperrt werden solle. Der Kötztinger Wachtmeister Georg Kerscher protokolliert auf demselben Blatt, wen alle er am 29. Oktober dort angetroffen hatte: eine illustre Truppe mit Heigl-Verbindung:

Franziska Brunner, Tochter der im Zuchthaus sich befindlichen Eheleute Martin und Therese Brunner, 19 Jahre alt.
Anna Vogl, 15 Jahre alt, Tochter der im Zuchthaus befindlichen Eheleute Georg und Creszenz Vogl von Arndorf
Franziska Vogl, 20 Jahre alt, ledige Tochter des im Zuchthaus büßenden Inwohners und Binders Josef Vogl vulgo Fendlsporn, von Arndorf
Theres Vogl, 38 Jahre alt, Ehefrau des nach Amerika geflüchteten Zuchthaussträflings Josef Vogl genannt Kemm von Arndorf.



"5. Christoph Gruber, genannt Heigl Christl, 49 Jahre alt, verheirateter Binder und Inwohner von der Gemeinde Arndorf und von seiner Ehefrau Katharina getrennt lebend."

Ludwig Hagl, 20 Jahre alt, Sohn der Malerseheleute Josef und Theres Hagl von Kötzting
Anton Hohenleitner, 25 Jahre alt, lediger Müller- und Sagknecht von Oberegling BZA München II

Franziska Vogl brachte in der Kollerhütte 8 Tage zuvor ihr Kind von Ludwig Hagl auf die Welt. Diese beiden und auch Heigl Christ mit seiner Freundin Therese Vogl bekommen alle eine Anzeige wegen Konkubinats. Möglicherweise sind diese verdächtigen Bewohner mit Heiglbezug in der Kollerhütte auf dem Kreuzberg der Grund, weshalb dort oben das Wohnhaus der Heigl verortet wurde. Therese Vogl sollte aus Arndorf ausgewiesen werden – was aber dann rechtlich nicht möglich gewesen war. Für den Heigl Christ, als gewalttätig bekannt, wird eine längere Zuchthausstrafe angestrebt, allerdings muss zuerst die Frage seiner minderjährigen Kinder geklärt werden, welche bei ihm wohnten.


Einschub
Das Thema der unehelichen Geburten im Zusammenhang mit der zunehmenden Anzahl an Inwohnern wird bei der Erklärung der Ursachen der steigenden Kriminalität zu dieser Zeit noch eine eigene Rolle spielen. Das Thema der viel zu vielen Inleute im Kötztinger Raum und deren Auswirkungen wird uns noch oft begleiten.
Einschub Ende

2. Er soll im Hutterhaus gewohnt haben.

 
Das ist nun eine delikate Aufgabe. Viele Beckendorfer benannten das letzte Haus in Beckendorf auf der rechten Seite vor Beginn der Beckendorfer Höhe als das „Heiglhaus“.. Diese Aussage hat schon mal zu einer hitzigen Gegendarstellung in der Kötztinger Zeitung geführt, weil die Besitzer des Hauses sich dagegen verwahrten, das ihrige als das des Räubers Heigl bezeichnet zu bekommen.
Frau Maria Stephanie, eine geborene Hutter aus Beckendorf schrieb an die Kötztinger Zeitung, die dann am 9.9.1969 eine Art Gegendarstellung veröffentlichte, weil die Besitzerin darauf bestand, dass festgehalten wurde, dass der Geburtsort des Heigls der Kreuzberg gewesen sei und eben nicht das Hutteranwesen. 

Abweichend vom Wissenstand  im Jahre 1969 kennen wir mittlerweile den Geburtsort Michael Heigls, nämlich Ramsried. Dass es nicht der von Frau Hutter angegebene Kreuzberg gewesen sein kann, glauben wir auch zu wissen, und das Hutter-Anwesen darf es nicht gewesen sein, was also nun?

3. Und es war vielleicht doch EIN Hutteranwesen..... 

.....nur eben nicht das in der Zeitung abgebildete, sondern genau gegenüber. 

Manchmal hilft mir wirklich der Zufall in den anderen Archiven und natürlich habe ich für diese Dokumentation auch versucht, Nebenwege zu gehen, um indirekt zum Zuge zu kommen. Und wieder sind es die Akten des Bezirksamtes/Landratsamtes Kötzting. Diesmal geht es um die Straßenkreuzung der abknickenden Straße nach Grafenwiesen. Mitten dort, wo jetzt eine breite Straße abbiegt, war bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts ein bis zum Boden aus Holz errichtetes Inhaus gestanden, das zu diesem Zeitpunkt noch der Familie Hutter gehört hatte. Die Straße nach Grafenwiesen sollte nicht nur breiter gebaut werden, sondern auch das Abbiegen sollte geschmeidiger und dem steigenden KFZ-Verkehr angepasst werden. Diesem Vorhaben stand das Holzhaus im Wege. Was aber zunächst die Sache erleichterte, war die Tatsache,  dass es in einem äußerst baufälligen Zustand war. Dieses wiederum führte dazu, dass das Bezirksamt Kötzting im Juni 1933 zuerst einmal das Haus kurzerhand abreißen ließ. Und wie es der Zufall so wollte, waren der Zwangsverkauf und der Abbruch strittig, weshalb für den Akt eine Bilderserie beigelegt wurde, die zur Rechtfertigung des Abrisses dienen sollte.

StA Landshut  Rep 164-8 Nr. 3532 von 1932-37 Beckendorf 
Beschriftung: Bild links: von Kötzting
Bild mitte: Pfeil nach links Grafenwiesen
Bild rechts: nach Hohenwarth

Aus den dreißiger Jahren haben wir einen Schriftwechsel um die Entschädigungszahlung von Seiten des Straßen- und Flussbauamtes Deggendorf.  Franz Hutter, der Besitzer schickte eine Petition an die Führerkanzlei in Berlin – eine damals durchaus geläufige Methode, gleich ganz oben anzuklopfen –, welche die Angelegenheit an den NSDAP-Gau in Bayreuth delegierte.   
In einem weiteren Schreiben an das Kötztinger Bezirksamt bezeichnete Hutter zwar selber das Haus als baufällig, jedoch hatte er die Absicht gehabt, selbiges wieder zu reparieren.

StA Landshut  Rep 164-8 Nr. 3532 von 1932-37 Beckendorf 
"An das Bezirksamt Kötzting
Abruch meines Hauses Nummer 5 in Beckendorf.
Mir wurde im Juni 1933 in Beckendorf Gemeinde Arndorf mein Haus No 5 infolge Baufälligkeit auf Veranlaßung des Bezirks Kötzting zwangsweise abgebrochen.
..."
Hutter beschrieb das Objekt in seinem handschriftlichen Bittgesuch als für ihn unverzichtbar und meinte, er habe bereits seit Jahren einen Reparaturplan eingereicht, der ihm aber nicht genehmigt worden war. Das Haus habe als Schuppen für seine landwirtschaftlichen Geräte gedient und es hätte sich innerhalb des Hauses ein guter Brunnen, ein fester Keller und eine Schmiedewerkstatt für seinen Sohn befunden. 3000 Reichsmark würde er für eine angemessene Entschädigung halten.

StA Landshut  Rep 164-8 Nr. 3532 von 1932-37 Beckendorf 

StA Landshut  Rep 164-8 Nr. 3532 von 1932-37 Beckendorf 

Dem Akt, in dem Franz Hutter als ein sehr „robuster“ Charakter dargestellt wird, ist auch zum besseren Verständnis ein Lageplan beigefügt, der das abgerissene Haus als das „INHAUS des Hutter“ bezeichnet und das in den 50er Jahren fälschlicherweise als das Heiglhaus bezeichnete Gebäude als das Anwesen des Hutter.

Stellungnahme des Windisch an das BZA


Der Kötztinger Bautechniker Windisch beschrieb in seinem Schreiben an das Bezirksamt, dass die Abbrucharbeiten wohl unter Polizeischutz vorgenommen werden mussten.

StA Landshut  Rep 164-8 Nr. 3532 von 1932-37 Beckendorf 
Blick von der Grafenwiesener Seite her auf das Hutter-Inhaus. Im Hintergrund das Hutter-Haus, das wohl von manchen Beckendorfern in den 60er Jahren fälschlicherweise als das Heigl-Haus bezeichnet worden war.

In der Uraufnahme im Liquidationsprotokoll ist dieses Gebäude noch dem Anwesen Nummer 5 zugeordnet. Es wurde wohl später praktisch über die Straße hinweg verkauft.
Auch wenn der letzte Beweis fehlt, und angesichts der großen Mobilität im Nahbereich, die die Inwohnerfamilie Heigl an den Tag gelegt hatte, um ihrem Broterwerb nachzugehen war es vermutlich auch später nicht der „Dauerwohnsitz“ gewesen/geblieben. Es spricht jedoch in meinen Augen manches dafür, dass Michael Heigl mit seinen Eltern und Geschwistern (auch) in diesem Hause gelebt hat.
Nun können wir also das Geburtshaus - einigermaßen sicher - und das Wohnhaus in seiner Kindheit - möglicherweise - verorten. Zum Zeitpunkt der Geburt seines ersten Kindes war er noch als Inwohnersohn aus Beckendorf angegeben. Bereits beim zweiten Kind wird er als ein „Inwohnersohn, derzeit in Reitenstein“ beschrieben. Aber Michael Heigl und seine Kinder (zumindest die mit der Marianne Gruber) sind ist ein anderes Kapitel.
StA Landshut  Rep 164-8 Nr. 3532 von 1932-37 Beckendorf 

Am Ende noch einmal eine Zusammenstellung der bereits erschienenen Beiträge, die sich mit Michael Heigl befassen:

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