Das "alte Kötzting" bei der Uraufnahme bei der beginnenden Landvermessung hatte 159 Anwesen. Der Geschichte dieser Bürgerhäuser und ihrer Bewohner nachzuspüren und sie zu dokumentieren, ist das Ziel dieser Häuserchronik.
Die Anfänge und die Entwicklung unserer Heimatstadt können von der Teilung der Urhöfe bis hin zur Auswahl als Landgerichtsort in einem einleitenden Blog nachgelesen werden.
Alte Hausnummer 90das Kamplmacherhaus
Vermessungsamt Cham: 5168-2100-LiquiP_Bad_Koetzting_1831_Beilage_M2500_1_1-01 |
Foto Mathias Heilmeier |
Foto Josef Barth: Hier bereits mit dem deutlich abgeflachten Dach und dem balkonartigen Ausbau. |
.Von allen alten Häusern des Marktes Kötztings gehört dieses Anwesen zu den eher jüngeren und verdankt seine Entstehung einer sehr einfachen Kalkulation bzw. der gemachten Erfahrung als Bauleiter des damaligen Kötztinger Kammerers Wolfgang Samuel Luckner.
Am 30.11.1772 findet sich in den Kötztinger Pfarrmatrikeln der Sterbeeintrag des Wolfgang Gusterers, Mauerers und Bürgers.
Ein Jahr drauf - die damalige und übliche Trauerzeit von einem Jahr wurde nur in Ausnahmefällen unterschritten - heiratete die Witwe Barbara Gusterer den aus Kastel stammenden Steinmetzsohn Johann Adam Hummel.
Johann Adam Hummel und Barbara Gusterer
PfA Kötzting Matrikelband 14 Heiratseintrag des Johann Adam Hummel mit der Witwe Barbara Gusterer. |
StA Landshut Rentkastenamt Straubing A 79 |
Aus dem Rath= und Verhörs Prothocoll des churfürstl. Baan Marckts Koetzting, so separat gehalten worden den 6ten 9bris ao 1773
Maurmaisters Aufnahm
Da Johann Adam Hummel Mauer Polier von Amberg, sonsten aber von Kastel aus der obern Pfalz gebürttig, von der alhiesig verwittibten Maurmeisterin als ein Subjectum zur hiesig vacanten Maurmeister Stelle im Vorschlag gebracht worden, und selbiger seiner Fähigkeit willen, sovill nehmlich auch hiesigen Marckt zufordern, durch dem verfaßten Riß Satisfaction gegeben. Als würdet derselbe für ainen Marckts Maurmeister hiermit zwar aufgenohmen, doch dergestalten, daß selber anvor noch seine Geburttslehr= und andere attestata seiner Fähigkeit willen beybringen= sodann die gewöhnliche Pflicht prostieren, und bey den dissohrts herkommenen Lohn verblieben, auch bey ainem Recipierten Handwerch die Meisterschaft, wie auch für dermahl den burgerlichen Beysiz an sich bringen = und all bürgerliche Treu= und Gehorsam erzeigen...."
StA Landshut Rentkastenamt Straubing A 79 |
"solle, wo übrigens in Ansehung seiner Unvermögenheit ihme der burgerliche Beysiz dahin limitiert worden, daß sich selber bey gemeinen Marckts in Feuersgefahren, in Löschung des Feuers, und andern Umständen, gebrauchen lassen solte, iedoch fahls er sich Häuslich anrichten solte, iedoch das Burgerrecht nach der disorthigen Observanz an sich zubringen.
Anmerkung:
Ao 1772 vi Raths Protocoll fol 15 ist der vorige Maurmeister Wolfgang Gusterer unter den nehmlichen Bedingnüssen aufgenohmen worden.
Churfürstl.er Baan Marckt Koetzting"
StA Kötzting Marktrechnung von 1782 |
"Vermög der orginaliter zu gegen ligend wohlloblichen Rentamtsresolution..."
Zusammengefasst hatte der Marktmagistrat Jahre zuvor den Entschluss getroffen, einem Kötztinger Insassen, Wilhelm Fink, einen Baugrund nahe der heutigen Gehringstraße zuzuweisen. Nachdem der Beschluss bereits gefasst war, wurde er noch einmal abgeändert und dem Antragsteller eine "Seuchte", also ein nasser Fleck, zwischen dem feuchten Schlossgraben und dem Regenfluss zugewiesen.
Wilhelm Fink trat seine Rechte an Adam Hummel ab und dieser legte sofort mit dem Bau los.
StA Kötzting Marktrechnung von 1781 |
Fol 78: Die HandfeurSprizen enthalten.
StA Kötzting Marktrechnung von 1781 Seite 78 |
"Johann Adam Hummel burgerlischer Maurermeister hat über den hiesigen Baanmarkt einen Plan resp. Grundriß verfaßt, welche man ad Conservatorium gelegt hat, für solche Arbeith musste man dann behalt Scheins bonificieren 10 fl. Auch dieses besondere Stück wurde anschließend ins Inventarverzeichnis aufgenommen.
StA Kötzting Marktrechnung von 1788 Seite 60 |
Schon wenige Jahre später war Adam Hummel wegen dieses Hauses Gegenstand einer größeren Protestbewegung.
Der Magistrat plante im Jahre 1790 anstelle der Furt und des Steges über den Regenfluss eine richtige Brücke zu bauen. Der Marktmüller Amberger zusammen mit 12 anderen Bürgern Kötztings, in der Mehrzahl alle Anlieger am Fluss protestierten gegen dieses Vorhaben und beschrieben ihr Leben am und mit dem Fluss, wo sie immer schon bey Brechung des Eisstoßes und bey Schwellung des Wassers der größten Gefahr ausgesetzet seien, dass die bei dem weissen Regenfluss erbauten Häusel weg gerissen würden. Eine der Hauptursachen der Wassergefahren wäre, dass von dem vormaligen Kammerer Luckner um seine Wiese gleich unterhalb der Häuser eine große Mauer abgeführt worden ist. Eine Brücke würde mit den Dammaufschüttungen die Situation noch verschärfen. Schon bey ietzigen Zeiten, wenn sich ein Hochwasser ergiebt, und wenn der Eisstoß bricht, werden wir genöthiget, mit Weib und Kindern, mit unseren besseren Fahrnis(=Möbel), ja sogar mit dem Viehe auf die Böden unserer Häuser, vorzüglich wegen der vom Luckner erbauten Mauer und wegen des neu erbauten Mauererhauses (=Kamplmacherhaus) zu ziehen.
StA Landshut Rentkastenamt Straubing A 97 |
"Die Ursache dieser Wassergefahren und uns bevorstehende Ve3rderbnis bestehet darinn, weil
a) Von dem vormaligen Kammerer Luckner um seine Wiese gleich unterhalb unseren Häusern eine große Mauer abgeführt und
b) In eben dieser Gegend ein Maurermeister Haus neu erbaut worden ist, wodurch das große Wasser sehr eingesperrt wird."
Die Rentdeputation in
Straubing wurde gebeten, den bereits angelaufenen Bau sofort einstellen zu
lassen um Zeit für eine Untersuchung zu haben und die Bürger baten um eine
Ortsbesichtigung, ausdrücklich stellten sie dabei den Antrag, die unterlegene
Partei sollte die anfallenden Kosten dieser Kommission tragen. Der Ortstermin
verlief aber nicht im Sinne der Beschwerdeführer und ging, nachdem sich dies im
Verlauf der Besichtigung herauskristallisiert hatte, in einen offenen Tumult
über. Da die Vertreter
des Magistrats und
des Bürgerausschusses mit
vor Ort waren, machten sich die Beschwerdeführer gleich bei diesen Luft mit, wie
der Kammerer Windorfer anmerkte, mit „Grobheiten erster Güte“.
Hier einige der protokollierten Beleidigungen:
"Der Magistrat und Ausschuß übe Bosheiten wider sie (die Beschwerdeführer) aus, die nicht zu ergründen sind.
Was Recht ist, ist recht, aber das gegenwärtige Verfahren ist gelgenmäßig.
Der Marktschreiber habe gar nichts zu reden.
Der Magistrat hätte wegen dieser Brücke zur wohlloblichen Stelle Schwänk und Unwahrheiten vorgeschrieben.
Die Kläger werden nicht wie Bürger, sondern standmessig behandelt, sie geben auch künftig keine Marktssteuern und der Marktdiener soll nur kommen, so wird er eine Ehre erfahren.
Kammerer und Rath, wie er auf dem Rathaus zusammenkommt, soll man verbrennen."
Das Pfleggericht Viechtach war als neutrale Stelle eingeschaltet worden, war nach Zeugenbefragung und Ortsterminen zum Schluss gekommen, dass die Befürchtungen grundlos wären und stellten eine stolze Rechnung von fast 100 Gulden für ihre Bemühungen.
Jetzt wollten die Beschwerdeführer natürlich nichts mehr von der Kostenübernahme wissen
und diese dem Markt, der den Prozess ja gewonnen hatte, aufbürden. Allein
die Räte weigerten sich und wurden nun in aller Öffentlichkeit wüst
beschimpft, sagten aber mit Recht, wo käme man denn hin, wenn jemand den Markt vergeblich verklagte und dann aber trotzdem verlange, dass dieser die Kosten tragen solle.
StA Landshut Rentkastenamt Straubing A 97 |
"Da wir uns auf unseren in Eingang angezogenen Gehorsamsten Bericht nochmal bezoiehen, stellen wir die unterthänigste Bitte, durch Abordnung des Rentbothen, sammentlich Kosten ad 108 fl 1 xr executiva beytreiben zu lassen, weil wir dises Geschäft ohne Beleidigungen blos gesetzt zu werden nie befolgen können."
Auf dem folgenden Plan, der dem Prozess beigelegt ist, ist links oben - unter "A" - die "Boschingers Wiese" beschrieben, an deren Grenze zur Straße Luckner eine Mauer errichtet hatte. Johann Michael Poschinger ist seit dem Jahre 1774 der Schwiegersohn WS Luckners.
StA Landshut Rentkastenamt Straubing A 97 |
Jetzt, als alles
nichts mehr half und die protestierende Bürgerschaft einsah, dass sie den
Brückenbau nicht
aufhalten konnte, drehte sich auch deren Argumentation. Nun war plötzlich nicht
mehr Luckners Mauer die Ursache all ihren Übels, sondern, um den Magistrat zu
beschämen, hieß es von Seiten der Gegner plötzlich, das was die vorigen
Kammerer erhauset haben würde der jetzige Rat unnützer Weis und boßhaft
vergeuden. Die Brücke wurde
erbaut und die Mauer blieb stehen, aber wieder standen sich Bürgergruppen vor
Gericht gegenüber. Luckner schaffte es, im Hintergrund bleibend, den Streit um
das Haus des Mauerers Hummel in
den Mittelpunkt eines beginnenden Rechtsstreites zu setzten und blieb mit
seiner Mauer außen vor.
Noch bevor er sein eigenes Haus beziehen konnte, findet er sich in den Kötztinger Marktrechnungen mit einem besonderen Detail. Nach dem Österreichischen Erbfolgekrieg, in dessen Zusammenhang das "Straubinger Landl" - und damit auch das Landgericht Kötzting - für kurze Zeit richtige österreichische Untertanen geworden waren, wurde das Obere Tor neu rapariert und auch die dort angebrachten österreichischen Wappen wieder übermalt.
Fast 4 1/2 Gulden erhält der bürgerliche Maurermeister Johann Adam Hummel im Jahre 1779 "von Abweissung der obern Thor Thurm Wohnung , dan neuer Verwerff- und Neubuzung der zweyen stück zu denen Wappen , so anderer Arbeith bei dem Packoffen zum Ratthaus".
Aus dem Jahre 1780 erfahren wir, dass die "Staffeln zw. Schlossgraben und Kürchengang" von ihm neu hergestellt wurden. Geht man diese ganz besondere Treppenanlage heute hinauf, könnte man den Eindruck gewinnen, als ob dies noch der Zustand von 1780 sei, als man noch keine DIN-Normen für Auftritt und Steigungen von Treppenanlagen kannte.
Im Jahre 1792 kam es wieder einmal zu einem Versuch, den großen - hölzernen - Brunnengrand am Marktplatz neu zu errichten und diesen nun aus Stein herzstellen zu lassen. Der Magistrat erkannte sehr deutlich dass ein"steinernes Brunnenkar gering gerechnet ein Tauer von mehr als hundert Jahren hält, wie das Beispiel die zwey vorhandenen Steinernen Brunnen geben, wo dagegen ein hölzernes alle 8 bis 10 Jahr zusammen fault."
So kommt es also nun zu Verhandlungen zwischen Magistrat und Hummel:
StA Landshut \Rentkastenamt Straubing A 78 Brunnenbau Markt Kötzting von 1791 |
Sein Angebot - auch für die übrigen Baufälle des Marktes im Jahre 1791 - unterschrieb und siegelte er auch standesbewusst.
StA Landshut \Rentkastenamt Straubing A 78 Brunnenbau Markt Kötzting von 1791 |
Siegelabdruck des Maurermeisters Adam Hummel |
219 Gulden und50 Kreuzer solle der Bau kosten, jedoch mit einer Einschränkung: " Was die Schmiedarbeith betrifft, und das Fuhrlohn, wie auch den Grund zu graben und herauszumauern, das kan ich eigentlich nicht wissen.".
Hier nun der Plan des Marktbrunnens, den er mit seinem Angebot eingereicht hatte.
Der Plan des neuen Marktbrunnens mit der Figur des hl. Johannes |
Im selben Jahr waren auch wieder Reparaturen am Kötztinger Rathaus - heute das Alte Rathaus - angesagt und auch hier hatte der Maurermeister Hummel gut zu tun, der auch Reparaturen an den Kötztinger Straßenpflaster ausführte, was sicherlich eine schier unendliche Geschichte gewesen war, angesichts der fehlenden Kanalisation und des idR. nicht vorhandenen standfesten Unterbaus.
HStA München Landshuter Abgabe Rep 92 Verz. 8 Fasc. 70/244 vom Ende des 18. Jhdts. |
StA Kötzting AA VII-14 Frontansicht des Häuschens für Reitenstein von A. Hummel 1791 |
HStA München GL Fasc. Nr. 1820-26 |
Über Kösten welche auf Umänderung des Pfarrhofes für Landrichters Wohnung erlaufen möchten. Verfasst den 29. 9bris 1803
Maurer
HStA München GL Fasc. Nr. 1820-26 von 1803 Plan der Kirchenburg von Adam Hummel |
StA Landshut LGäO Kötzting Nr. 793 Magistratswahlen von 1803 |
Windorfer (als Bürgermeister)
Peter Kraus - Anton Mack - Paul Piendl - Heinrich Leszkier (Magistratsräte)
Lorenz Müllbauer - Hiosef Drickl - Johann Pfeffer - Johann Gulder (für den Ausschuss)
Hier nun folgend der persönlich formulierte und ausgefüllte Wahlzettel des Adam Hummel
StA Landshut LGäO Kötzting Nr. 793 Magistratswahlen von 1803 |
Die folgenden Textteile des Beitrags, so sie aus der Zulassungsarbeit stammen, sind mit grauem Farbton hinterlegt.
Der Übergabebrief zum Kammacherhaus vom 21. Mai 1813, als früheste Quelle für die Geschichte der Bewohner, nennt als Übergeberin eine "Barbara Hummlin". Barbara Hummel, die Tochter des "Tonsors" (Friseurs) Simon Hölzl aus Eschenbach/Oberpfalz, war zuerst mit dem Kötztinger "Bürger" und Maurer Wolfgang Gusterer verheiratet.
Anlässlich der Geburt seines Sohnes Aloys im Jahr 1775 wird dieser als "civis et fabrorum murarium magister h.L. ..." , also als Bürger und Maurermeister dieses Orts, tituliert.
PfA Kötzting Matrikel Band 4 Seite 103 |
Bei der Übergabe im Jahr 1813 bedenkt Barbara Hummel auch die "... Kinder erster Ehe - namens Christoph, Anna Maria, u. Helena Gusterer." Zumindest diese drei Kinder brachte die Witwe schon mit in die Ehe. An gemeinsamen Kindern werden vom Übergabebrief und einem späterem notariellem Schreiben Aloys, Theresia, Barbara und eine zweite Helena erwähnt. Das Ehepaar zog in seinem Haus also zusammen sieben Kinder groß. Uber den weiteren Werdegang von vieren der sieben geben die schriftlichen Quellen Aufschluss. Der Sohn Aloys trat in die Fußstapfen des Vaters und wurde ebenfalls Maurermeister - die Tochter Barbara heiratete den Advokaten Frisch in Kötzting, die Tochter Theresia und Helena heirateten nach Furth - die eine den Tuchmacher Reiner, die andere den Bürger Kolbeck. Als nach 40 Jahren gemeinsamer Ehe am 18.Januar 1814 ihr Mann verstarb ', leitete sie - " ... dermal bey ihrer Tochter in Furth aufgenommen..." - im Mai des Jahres die Übergabe an den Sohn Aloys ein.
An baulichen Maßnahmen dürften auf Adam Hummel die aufwendige barocke Stuckdecke der Stube und der reichverzierte steinerne Türstock, der neben seinen Initialen "AHM", die römische Jahreszahl "MDCCLXXXI" (1781) trägt, zurückzuführen sein. Beides lässt auf Wohlstand und gehobenen Lebensstandard schließen. An Grundbesitz und Rechten gehören 1813 zum Haus: " ... großen und kleinen Wies, eine Holzloos, einem Feld der Waselhof (vermutlich der bis 1803ff markteigene Watzlhof bei Grafenwiesen, dieser wurde 1803 aufgeteilt und die Kötztinger Bürger konnten sich Anteile erwerben am Wald und and er landwirtschaftlichen Grundstücken)) genannt, ...Die Größe dieses Besitzes ist nicht angegeben.
800 Gulden muss der Sohn grundsätzlich für das Haus bezahlen, wobei er 200 Gulden als sein väterliches Erbe abziehen darf. 200 weitere Gulden muss er seiner Schwester Barbara bezahlen, 200 Gulden für die Schwester Helena und schließlich 200 Gulden an die Mutter, die er allerdings in jährlichen Raten von 30 Gulden abstottern darf.
Seiner Mutter muss er "das Stübl und Kammerl nebst den Regen zur lebenslänglichen Wohnung anlassen und ihr unetgeldlich waschen und backen, und falls sie das Stüberl und Kammerl nicht benützen wollte, ihr jährlich hiefür 8 fl Heerbergszins bezhahlen."
StA Landshut LGäO Kötzting Briefprotokoll 1812/1813 |
"Sie erklärt, daß dieser ihr freyer ungezwungener wohlüberdachter Wille sei und unterzeichnet sich mit Wiederhollung obiger Bitte eigenhändig
StA Landshut Häuser und Rustikalsteuerkataster von 1811 |
"Nro LXXXVIII (= 88, das war die vorläufige Hausnummer; die Hausnummer 90, die später bis 1952 galt, wurde erst ca. 1840 festgesetzt) a: das gemauerte Haus - b: mit einem kleinen gartl
Nutzantheil an den noch unvertheilten Gemeinde Gründen
Gemeindsantheil am Herrnweiher ao 1803 zur Wiese cultiviert."
Hummel Alois und Magdalena Breu
Am 7. September 1813 schloss der junge Hausbesitzer - und auch per Vertrag verpflichtet, seine Schwestern auszuzahlen - einen Heiratsvertrag mit seiner angehenden Ehefrau, die versprach, 500 Gulden als Mitgift in die Ehe einzubringen.
StA Landshut LGäO Briefprotokolle 928 |
2. Heurathsbrief ad 500 fl.
Alois Hummel lediger Bürger und Maurermeister von Kötzting hat sich anheut mit Magdalena Breuin, Krämerstochter von da unter Assistenz des hiesigen Bürgers Anton Magg ehelich versprochen und hierauf nachstehenden Heurathslichen Kontrakt abgeschlossen...."
Der 40-jährige Aloys Hummel heiratete, nachdem er nun Haus- und Grundbesitz hatte, am 12. September 1815 die ledige - um vier Jahre jüngere - Magdalena Breu, Tochter eines Maurers und Kötztinger Bürgers ( Im Ehevertrag wird sie als Krämerstochter bezeichnet). Die Ehe blieb kinderlos.
In den Folgejahren ist er auch zusammen mit dem Kaminkehrer Karl Diermeier zuständig für die Feuerbeschau, für die Überwachung laufender Baustellen in Hiunblick auf die Feuersicherheit und sogar im Vorfeld bei der Beurteilung von Bauanträgen.
StA Kötzting AA IX/3 Bauplan des neuen Leichenschauhauses an der Ecke des Alten Friedhofes |
1829 kommen - wieder einmal - Pläne auf für einen Schulhausneubau im Kötztinger Spitalgebäude.
StA Kötzting AA III/9 Man beachte den "Klohäuselanbau" in Richtung Pfeffergraben..... |
1839 wurde der Grundbesitz des Kammacherhauses im Liquidationsprotokoll, das steuerliche Zwecken diente, unter lit B als " ... Gemeindetheile vom Jahre 1803 Pl.Nr. 505 Herrnwiese ..." beschrieben. Die anderen Grundstücke, die im Übergabebrief von 1813 nur allgemein als "Wazlhofsheile, Felder, Wies" beschrieben wurden, hatte Aloys Hummel vermutlich in der Zwischenzeit verkauft.
Foto Pongratz |
Foto Erich Stauber: um diesen großen Keller geht es |
Foto Stauber: links an der Wand befindet sich die Marmortafel |
Nach dem Tod ihres Mannes hatte die Witwe in ihren Schwägerinnen Therese Reiner, Helena Stocker - in Furth lebend - und Barbara Frisch in Kötzting wohnend - keineswegs eine Stütze. Diese - auch schon in die Jahre gekommen - erwiesen sich als rechte "Streithanseln" und brachen eine Erbschaftsstreit vom Zaun.
Der verstorbene Aloys Hummel hatte keine Kinder zurückgelassen. Nun aber hatte er die erkleckliche Summe von 115 Gulden beim Tod seiner Mutter ausbezahlt bekommen, die die Schwestern der Witwe streitig machen konnten. Nach dem Erbgesetz gehörte nämlich "... während der Ehe durch Erbschaft, Schenkung, Vermächtnis ..." erhaltenes Gut nur dem einen Eheteil.
Witwe Hummel fühlte sich sicher als berechtigte Mitbesitzerin des Vermögens ihres Mannes und weigerte sich nachzugeben, wie die Schwestern Theresia, Helena und Barbara bei der gerichtlichen Klage schildern. "Wir gingen der zurückgelassenen Witwe Magdalena Hummel Maurermeisterswitwe in Kötzting schon in güte und uns die uns zu gefallenen 115 f. herauszubezahlen, allein vergebens".
Somit keinesfalls auf guten Fuß mit der Familie ihres Mannes und ohne eigene Nachkommen, wird die an Krebs schwer erkrankte Witwe zu Anfang des Jahres 1849 beschlossen haben, ihr Haus zu verkaufen. Am 7. Februar handelte sie mit Johann Nepomuk Zeitzler "••zwar etwas schwach, jedoch in ihren vollen Verstandeskräften, ..." den Kaufvertrag aus. Weiter im oberen Stock lebend, wurde die Schwerkranke von der Mutter des neuen Besitzers gepflegt, Frau Anna Maria Moosmüller. Als Entgelt dafür schenkte sie ihr - vier Tage vor ihrem Tod - die "Wies am Herrnweiher" im Wert von 150 Gulden, die sie noch für sich behalten hatte. Am 8.Juli 1849 starb Magdalena Hummel und das Haus ging nun vollends auf eine neue Besitzerfamilie über.
Sie lässt protokollieren, dass sie - nach dem Tode ihres Mannes vor 5 Jahren - keinerlei Nacherben habe und setzt als Universalerbin die Taglöhnerin Maria Gulder in Kötzting ein. Die allerdings viele Legate zu berücksichtigen habe. 80 Gulden sollten zur Abhaltung von Seelengottesdiensten in der hiesigen Pfarrkirche verwendet werden. 26 weitere Gulden sollten für "Jahrmessen" für den verstorbenen Ehemann und, wenn diese Messen alle gelesen sein würden, das Jahr drauf auch weitere 26 Gulden für sie selbst dann für die Feier von Jahrmessen aufgebracht werden.
Viele Legate gingen an Kötztinger Privatpersonen aber auch an den Amberger Landarzt Lindenmeier (50fl), die Weißenregner Mesnerin Barbara Haselsteiner (50 fl), die Wallfahrtskirche Weißenregen selber als Stiftung (50fl), an das Kötztinger Distriktskrankenhaus (20fl) .
Das Wohnhaus beabsichtige sie, laut dem Testament, an den Kammmacher Johann Zeitler um 1000 Gulden zu verkaufen. Sollte sich die Beurkundung des Verkaufes verzögern - und sie selber vorher versterben - so solle die Universalerbin hiermit verpflichtet sein, das Haus zu dem festgesetzten Preis an Herrn Zeitzler zu verkaufen.
Mit äußerst zittriger Hand unterschrieb Magdalena Hummel dann ihr Testament eigenhändig.
StA Landshut Rep 166N-12 Schachtel 5 Nr. 253 Hummel Magdalena |
"Hiemit wurde geschlossen, vorgelesen, bestättiget u. eigenhändig unterschrieben
Magdalena Hummel
Wird gegenseitiges Testament ad depositum für reale genommen
Commission des kgl Landgerichtes Kötzting
Paur"
Johann Zeitzler und Anna Zaglmann
Die Kammacherfamilie Johann Nepomuk Zeitzler (1849-1894
Für das Kammacherhaus mit Garten und Gemeinderecht hatten die neuen Besitzer Johann Nepomuk Zeitzler und seine Ehefrau Anna 1000 Gulden zu bezahlen.
Die Kammacherfamilie war aber nicht unvermögend. "Die kaufenden Eheleute besitzen Sparkassekapital im Betrage von < ... > vierhundert fünfzig Gulden ...". Anna Zeitzler hatte wohl - als Tochter des Schmids Johann Zaglmann aus Zandt - einiges an Mitgift bekommen. Auch die Kammacherei war damals ein lukrativer Erwerb. Somit konnten die neuen Besitzer mit einer zusätzlichen Barschaft von 50 Gulden die Hälfte des Geldes sofort aufbringen - die andere Hälfte des Kaufpreises von noch 500 Gulden blieb mit dreiprozentiger Verzinsung auf dem Anwesen liegen. Auch hatten sie der Witwe Hummel <... > für ihre Lebens < unleserlich > die Wohnung im oberen Stocke des Hauses nebst Antheil an der Holzlege und in Hausboden, nebst Wasch- u. Backgelegenheit <... > zu gewähren. Diese Verpflichtungen entfielen jedoch, als die schon beim Kaufvertag schwerkranke Magdalena Hummel fünf Monate später starb.
Johann Nepomuk Zeitzler ("Zeizler"), der neue Besitzer, wurde am 3. Februar 1823 in Kötzting unehelich geboren. Als Vater nennt das Geburtsmatrikelbuch "Konstantin Zeitzler Badersgesell zu Kallmünz." Seine Mutter die 1799 in Kötzting geborene Anna Maria Gulder war die Tochter des Kötztinger Bürgers und "Pileators" (Hutmachers) Johannes Gulder. Den Sohn allein aufziehend, heiratete sie erst 1844 mit 45 Jahren Johann Franz Moosmüller, mit dem sie zusammen das Flößerhandwerk ausübte. Sie starb 64 Jahre alt, am 23. Juni 1863, wie ein gewisser Doktor Robl bescheinigte, an Altersschwäche. Johann Nepomuk Zeitzler begann 17-jährig in Amberg das Kammmacherhandwerk zu erlernen und kehrte nach erfolgreicher Ausbildung und pflichtgemäßer Wanderzeit mit dem Meisterbrief nach Kötzting zurück, wo er 1846 die Erlaubnis erhielt, sich niederzulassen und sein Handwerk auszuüben. Im Jahr darauf, am 30. August 1847, heiratete er die am 22.Juli 1822 geborene Schmidsstochter Anna Zaglmann aus Zandt.
Das Ehepaar hatte gemeinsam fünf Kinder bekommen. Als erstes 1848 eine Tochter Carolina, hierauf 1851 einen Sohn Ignaz, 1854 folgten Anna, 1856 Johann und 1859 Joseph. 63 Der Jüngste der fünf - Joseph - starb den Eltern bereits mit einem viertel Jahr. Er hatte die "Froisen". Ein schwerer Schlag dürfte der Tod des ältesten Sohnes Ignaz am 27.Juni 1872 gewesen sein. Als Todesursache des 20-jährigen nennen die Sterbematrikel "Herzschlag".
Die Haupteinnahmequelle für die Familie war die Kammherstellung. Daneben sicherte eine "Kleinstlandwirtschaft" von ca. 2 Tagwerk die Selbstversorgung mit Lebensmitteln.
Im Haus dürfte von Johann Nepomuk Zeitzler im Großen und Ganzen nichts verändert worden sein - lediglich im Seitenflügel errichtete er einen Kamin und baute das Waschhaus so zu einem Wohnraum aus. 1858 erhöhte er, vermutlich um mehr Speicherplatz für Stroh und Heu zu bekommen, die schon bestehend Holzschupfe und baute sie so zu einem kleinen Stadel aus. Neu erbaute er als weiteres Nebengebäude am Flussufer eine zweiteilige, heute noch stehende, Holzschupfe zum Unterstellen von Wagen und Gerät.
Gleich im ersten Jahrzehnt, nachdem sie das Haus gekauft hatten, vergrößerten die Eheleute Zeitzler den Grundbesitz, also die landwirtschaftlich nutzbare Fläche des Hauses, in bescheidenem Umfang. Am 3. Dezember 1851, zweieinhalb Jahre nach dem Hauserwerb, kauften sie für 98 Gulden von Paul Gmeinwieser den "Strohhofacker" (Pl. Nr.743), der mit folgenden Naturalabgaben an den Grundherrn belastet war. "Großzehent 1/3 zum Kgl. Rentamte figirt, 2/3 20te und 30te Garbe dem v. Poschinger zu Frauenau. "
"Herrnwiese" tauschten sie 1857 gegen den günstiger gelegenen "Pflegacker auf den Flecken" (PI.Nr. 605) zu 0,76 Tagwerk. Die beiden 1853 erstandenen kleinen Ackerflächen "Steinackerl" veräußerten Johann Nepomuk und Anna Zeitzler 1866/67 weiter.
Im Jahre 1851 bekam Johann Zeitzler Ärger mit dem Magistrat, wegen "eigenmächtiger Uferveränderung am Weißen Regen in der Nähe seines Wohnhauses musste er mit 3 Reichstaler Strafe zunächst geradestehen und auch für alle Nachteile haften, die, die durch die Ufererhöhung entstehen würden.
Nach dieser Zeit nahmen sie keine Veränderungen mehr vor. Zusammengerechnet kauften sie in den ersten acht Jahren, seit sie in den Besitz des Hauses gekommen waren, ein rundes Tagwerk Grund zu dem Besitz dazu.
1894 entschlossen sich der inzwischen 71-jährige Kammmacher und seine Frau in den Austrag zu gehen. Um jeden Zwist mit den Übernehmern von vornherein zu vermeiden, ließ er sich die Naturalleistungen, die die beiden Eheleute zum Lebensunterhalt brauchten, mengenmäßig beurkunden: "... täglich einen Liter süße Milch < ...>, außerdem täglich zehn Pfennig, ferner jährlich zwei Hektoliter zweiundzwanzig Liter Kartoffeln und das erforderliche Gemüse aus dem Garten ".
Johann Nepomuk Zeitzler starb ein Jahr nach der Übergabe am 2. August 1895, während seine Frau Anna bis zu ihrem Tod am 31. März 1899 - noch vier Jahre - mit der Familie ihres Sohnes unter einem Dach lebte.
StA Landshut Rep 166N-12 Schachtel 41 Nr.35 Zeitzler Anna Kammmachersfrau von 1899 |
"Johann Zeizler Kammacher, Kötzting Maria Zäh, geb. Zeitzler, Baumeistersgattin München Schubertstrasse 8 Linba Limhauser geb. Zeitler Schreinersgattin in München Monstr. 17" |
Johann Zeitzler und Maria Straubinger
Erst zwanzig Jahre alt, brauchte sie noch die Zustimmung ihres Vaters zur Hochzeit.
Fünf Tage vor der Trauung am 11. September 1894 überschrieben die Eltern des Kammachers notariell den Besitz: "Johann Zeitzler " der ältere" übergibt hiermit sein Anwesen seinem Sohn Johann Zeitzler und dessen Braut Maria Straubinger." Ausbedungen hatten sie sich " ... das Zimmer im oberen Stock zur Wohnung ..." und die Versorgung mit Lebensmitteln.
... bei denm ersten gegebenen Zeichen, begab ich mich als Bzks Vertreter zur Stelle, eilte sofort am Entstehungsort im ersten Stocke linken Zimmer, fand den feuerherd links in der vordern Ecke in einer Bettlade. Ich suchte denselben auf dem Grunde und fand heraus, daß der Bettlade von unten brannte, worauf ich den ganzen Feuerherd zerstörte und beseitigte. Der Zimmerboden war unzerstört. Nach meinem dafürhalten wurde mit einem offenen Lichte unter dem bette etwas gesucht und so auf diese Weise das Bettstroh Feuer fing, was nicht beachtet wurde. Die Bettlade, die Bettbretter und das Bettstroh war im Brande, ich damste (?) mit wenig Wasser und entfernte es durch das Fenster ins Freie.
Die Feuerwehr brauchte nicht mehr in Aktion zu treten.
Einem kgl Bezirksamt gehorsamst
Kuchler
Bezirksfeuerwehr Vertreter
Die junge Familie wuchs nacheinander auf vier Köpfe an. Schon 1895 kam ein Sohn Johann zur Welt, 1897 wurde Maria, 1901 eine zweite Tochter Anna und schließlich 1907 der jüngste, Anton, geboren. Der älteste Sohn, Johann, verlor 1917 im ersten Weltkrieg die rechte Hand. Er hatte später das Glück, in den Postdienst eingestellt zu werden. Die beiden Töchter Maria und Anna begannen nach der Schule als Dienstmädchen "in Stellung" zu gehen - sie heirateten nicht.
Abb.4: Die Kammacherfamilie Johann Zeitzler (um 1914)
Im Familienleben habe, nach den Erinnerungen des Enkels Wilhelm Zeitzler, die Mutter die zentrale Rolle gespielt. Sie habe auch die geschäftlichen Dinge in der Hand gehabt. Die Großmutter sei eine stolze, eindrucksvolle Frau gewesen. So habe sie, beim Verkaufen der Kämme, nicht in Krämermanier hinter dem Stand gestanden, sondern habe selbstbewusst die Kundschaft abgewartet. Sie war zudem ansehnlich, von großer Statur und überragte ihren Mann. Auf den guten Ton habe sie - eine ehemalige "Herrschaftsköchin" - auch in ihrem Haushalt viel gehalten. Das drückte sich etwa bei den täglichen Mahlzeiten ihrer Familie und in den Wohnräumen aus. So wurde beispielsweise von ihr - im Gegensatz zu vielen anderen Häusern der damaligen Zeit - in einer eigenen Küche gekocht und zum "Auftragen" habe die Großmutter immer eine weiße Schürze angelegt.
Der Großvater sei eher ein stiller Mensch gewesen. Er kümmerte sich ausschließlich um die Kammmacherei, Stall- und Feldarbeit habe er in einer gewissen Art von Handwerkerstolz nicht angerührt.
Ein wichtiger Nebenerwerb zur Kammmacherei war das "Gärtnern". Die Kammmacherin zog im Gemüsegarten vor dem Haus Rübenpflänzchen, die die Bauern der Umgebung - am Sonntag nach der Kirche - mitnahmen. Sie baute weiterhin zahlreiche Würzpflanzen, die ihr, als kleine Bündel Suppengemüse, die Kötztinger Wirtshäuser abkauften. Vor dem 1. Weltkrieg, etwa zwischen 1910 und 1915, nahmen die Kammmacherseheleute - der Kammmacher war schon fast 60 Jahre alt - einen größeren Umbau am Haus vor. Besonders den rückwärtigen Teil, in dem die Stallungen lagen, brachen sie teilweise ab. In den Kuhstall kam eine neue Gewölbedecke und darüber erhielten sie, durch die teilweise Anhebung des steilen Daches, ein neues Zimmer und einen kleinen Balkon. Der Abtritt wurde ins Haus verlegt und für Stallabwässer und Fäkalien wurden ein Rohrleitungsnetz und eine Versitzgrube angelegt. Dem Material und der baulichen Ausfertigung nach zu schließen, wurde der Bau sehr billig und ohne Fachkräfte durchgeführt.
Im Grundbesitz gab es geringe Veränderungen: So kauften die Eheleute im Jahr 1900 das kleine "Gruberackerl am Strohhof" (Pl.Nr.777) zu 0,18 Dezimal hinzu - verkauften dieses bereits 1904 wieder weiter. Zu 0,815 Dezimal kauften sie im Jahr 1914 den "Fleckacker" (Pl.Nr.596), der in mittelbarer Nachbarschaft zu ihrem Wiesen- und Feldstück "Auf den Flecken" lag.
Im Jahr 1929 starb der Kammacher Johann Zeitzler. Nach einem Schlaganfall - regungslos im Garten an einem Zaun lehnend - fanden den 73-jährigen seine Angehörigen. Kurz darauf verschied er. Seine Witwe verkaufte weiterhin Kammwaren - bezog diese jetzt aber von einem Kammacher aus Bogen. Die Tochter Anna half bei der Landwirtschaft.
Eine besonders innige Beziehung hatte die Mutter zu ihrem Jüngsten Anton, der in Zirndorf bei Nürnberg Gärtner war. Zahlreiche Briefe zwischen 1930 und 1942 geben dafür Zeugnis. Niederschmetternd war deshalb die Nachricht von dessen Kriegstod in Russland 1942. Schon kränkelnd, habe sie sich davon nicht erholt und starb unerwartet ein Jahr darauf am 9. April 1943.
Die Geschwister Anna und Maria Zeitzler (1943-1989)
Nach dem Tod ihrer Mutter 1943 übernahmen Anna und Maria Zeitzler, die beiden 42-und 46-jährigen Töchter, den Besitz. Die alte Kammmacherin hatte als letzten Willen nur eine handschriftliche Notiz hinterlassen, die ihren Wunsch nach einer gütlichen Einigung und Beerbung durch ihre Töchter ausdrückte: "Mein letzter Wunsch ist; dass ihr Euch nicht streitet. Hans hat so sein gutes Auskommen." Dass dies ohne Schwierigkeiten gelang, war dem dritten Erben, dem älteren Bruder Johann Zeitzler, zu verdanken, der - mit seiner Familie in Straßkirchen lebend - zugunsten der beiden Schwestern auf jegliche Ansprüche verzichtete: "Die Übertragung der Erbanteile des Johann Zeitzler erfolgt unentgeltlich, also ohne jede Entschädigung." Während Anna Zeitzler bereits mit der Mutter im Kammmacherhaus gelebt hatte, kehrte Maria Zeitzler aus Nürnberg zurück, wo sie zuletzt beinahe 15 Jahre bei der gleichen "Herrschaft" in Stellung gewesen war.
Maria Zeitzler, am 17.Juli 1897 als zweites der vier Kinder in Kötzting geboren, war eine gute Schülerin. Im Abschlußzeugnis der Werktagsschule von 1910 bescheinigte ihr der Lehrer, sie habe die Schule "..., mit sehr großem Fleiße besucht und ein sehr lobenswertes Betragen gepflogen. <... > Hauptnote I sehr gut."73 Mit 13 Jahren, am 15. März 1911, tritt sie ihre erste Stelle bei Bezirksamtsassistentengattin Käthi Schwabl in Kötzting an. Im Dienstbotenbuch, das den folgenden Arbeitgebern Auskunft über das Können und Betragen geben sollte, heißt es beim Ausscheiden aus dieser ersten Stelle über sie: " ... ein sehr williges, fleißiges Mädchen, sehr ehrlich, treu, kinderlieb kann deshalb nur empfohlen werden." Ihr beruflicher Weg führte sie zu weiteren Stellen: 1913-1915 führte sie als Dienstmädchen den Haushalt bei Max Kroher in Kötzting; 1915/16 war sie beim Konditor Klingseisen ebenfalls für den Haushalt angestellt; 1916-1920 arbeitete sie in der Spezereihandlung Baumann als Köchin und Verkäuferin; 1921/22 ging sie in Straubing bei Oberlandesgerichtsrat Kimmerl "in Stellung"; von 1924-1926 zurück in Kötzting, hatte sie eine Haushaltsstelle bei der Sekretärsgattin Schachengruber, die ihr ein hervorragendes Zeugnis ausstellte: "Ihre Treue, Ehrlichkeit
u. Anhänglichkeit u. ihr überaus großer Fleiß, verbunden mit tadellosen Betragen, machen <... > sie zu einer Hausangestellten seltener Art." 1926/27 bekommt sie wieder Arbeit in der Konditorei Klingseisen. 1927, nun 30 Jahre alt, wird sie schließlich von der Fabrikantenfamilie Fackelmann in Nürnberg eingestellt, bei der sie nun 15 Jahre als Hausangestellte arbeitet. Als deren Haus zerbombt wird und in Kötzting die Mutter kurz darauf stirbt, kehrt sie nach Hause zurück, um deren Platz einzunehmen. In dem langen Arbeitsverhältnis bei der Familie Fackelmann wuchs eine lebenslange persönliche Verbindung der Hausangestellten mit den Familienmitgliedern, die sich sogar 40 Jahre nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses in regelmäßigen Besuchen der Geschwister Fackelmann im Kammmacherhaus und brieflichen Verkehr der Kinder und späteren Fabrikinhaber gezeigt hat.
Abb.5: Maria Zeitzler in der Stube des "Kampelmacherhäusls" (1986)
Anna Zeitzler, die jüngere Schwester, wurde am 2. September 1901 als drittes Kind geboren. Ihre erste Stelle hatte sie 1916 beim Lindnerbräu in Kötzting: sie hatte, 15-jährig, in dem Brauereigasthaus vor allem die Küche sauber zuhalten und Bier auszuschenken. Zwei Jahre danach wechselte sie die "Stellung" und arbeitet nun im Haus des Oberamtsrats Sedlmaier in der Nähe des Veitsplatzes. Kurzzeitig wurde sie in die Munitionsfabrik verpflichtet, aus der sie, wie sie erzählte, nachdem ihr Sprengmaterial heruntergefallen sei, sehr schnell entlassen wurde. 1919 verließ Anna Zeitzler die Heimatstadt und ging nach München. Dort, in der Landeshauptstadt, erlebte sie die Wirren der bayerischen Novemberrevolution und die blutige Niederschlagung der Räterepublik, wovon sie noch 70 Jahre danach empört und aufgeregt erzählte. Nach dem Tod des Vaters, die Mutter zuhause in der Landwirtschaft unterstützend, verließ sie Kötzting nicht mehr und arbeitet gelegentlich als Zugehfrau.
Abb. 6: Anna Zeitzler am Eßtisch der Stube (1987)
45 Jahre lebten die Zeitzler-Schwestern in dem Haus. In ihren charakterlichen Eigenschaften ergänzten sie sich recht gut und verstanden sich. In ihrem alltäglichen Zusammenleben hatten sie feste Bereiche, die jede für sich behalten wollte. Beide führten eigene Kassen und in der Stube, die sie sich teilten, kochte jede für sich. Jede hatte auch ihren eigenen Eßplatz. Maria aß am großen Tisch in der Stubenmitte - Nandl am kleinen Fenstertischchen.
Ihren Lebensunterhalt erwirtschafteten sie sich durch die kleine Landwirtschaft und Anstellungen als Zugehfrau oder Köchin: Im kleinen Stall standen meist zwei Kühe, die sie kalben ließen. Gelegentlich zogen sie ein Schwein auf und hielten immer mehrere Hühner.
Anna Zeitzler kümmerte sich hauptsächlich um die Landwirtschaft - Maria verdiente durch Beschäftigung außer Haus dazu. Von 1943 bis 1946 arbeitete sie als Zugehfrau bei der Sparkasse - und später mehrere Jahre als Köchin in der nahegelegenen Konservenfabrik Soeffing & Ehemann. Im Frühjahr 1962 ging sie in Rente. Auch die Schwester Anna ging zu dieser Zeit in den Ruhestand.
Sammlung Serwuschok: Anna Zeitzler |
Nach und nach stellten sie die Landwirtschaft, die sie bis zuletzt mit Kühen als Zugtieren und ohne Mähdrescher allein mit einfachsten Mitteln betrieben hatten, ein: 1964 hatten sie die zwei Tagwerk Grund bereits verpachtet. Ein weiterer Anstoß war die Zerstörung des großen Stadels am 2.März 1967 durch einen Gewittersturm. Die Schwestern, bereits 69 und 65 Jahre alt, bauten ihn nicht wieder auf. 1970 schließlich bekunden sie am Finanzamt amtlich die Aufgabe der Landwirtschaft.
Während der Besitzzeit von Anna und Maria Zeitzler wurden keine baulichen Neuerungen vorgenommen. Nur die nötigen Reparaturen, die die Bewohnbarkeit des Hauses gewährleisteten, veranlaßten die Schwestern. So mußten sie Teile des 1967 durch den Gewittersturm schwer beschädigten Daches erneuern lassen. In den siebziger Jahren wurde der baufällige und veraltete Kamin durch einen anderer Gestalt ersetzt.
Der etwa 100 Jahre unverändert gebliebene Grundbesitz wurde fast völlig verkauft. Von der wachsenden Stadt Kötzting waren die Flächen in einen Bebauungsplan zum neuen Wohngebiet Zellertal aufgenommen worden und nachdem die beiden Schwestern die Landwirtschaft aufgegeben hatten, brauchten sie die Acker- und Wiesenflächen nicht mehr. Stück um Stück veräußerten sie die Nutzflächen "Pflegacker auf den Flecken" (Pl. Nr. 596/597). Bauland bekamen die Söhne des Bruders Hans, Willi und Hans jun.. Weitere Flurstücke verkauften die Kammmacherschwestern 1967-69 an Josef Aschenbrenner, Franz und Waltraud Piller, die Stadt Kötzting und 1977 schließlich die restlichen an die Familien Costa und Aschenbrenner. Übrig blieb ein Grundstück in der Größe eines Bauplatzes. Einen kleinen Zugewinn an Grund für den Hausgarten des Kammmacherhauses brachte die Hochwasserfreilegung 1980 - der Regenlauf wurde durch einen Damm begrenzt und die Grundstücksgrenze, nach Einwendungen und langwierigen Verhandlungen, regenwärts hinausgeschoben.
Ebenso wie zahlreiche andere Kötztinger Häuser hatte auch das Kammacherhaus in der Nachkriegszeit Flüchtlinge aufzunehmen. Eine "Beschwerde über die Wohnungsbeschlagnahme v. 29.8.50" zeigt dies auf. In der weist Anna Zeitzler eine erneute Beschlagnahme als ungerechtfertigt zurück - sie habe bereits jahrelange Einquartierung ertragen und mit " ... einem feuchten und kalten Zimmer ..." sich begnügen müssen. Erst fünf Jahre zuvor, 1945, waren die einrückenden Amerikaner im Haus gewesen und hatten für einige Aufregung gesorgt. Sie hätten sich jedoch sehr diszipliniert verhalten und zogen, ohne größere Beschädigungen gemacht zu haben, wieder ab.
Als Maria Zeitzler zu gebrechlich wurde, um von der ebenfalls bereits über 80-jährigen jüngeren Schwester versorgt zu werden, zog sie zur Familie des am Ort wohnenden Neffen Wilhelm Zeitzler sen.. Dessen Frau Franziska versorgte und pflegte sie bis zu ihrem Tod im Frühjahr 1990. Anna Zeitzler ging 1989 in ein Altersheim in Zandt. 1991 starb sie dort mit 89 Jahren.
Mit Zustimmung von Wilhelm und Franziska Zeitzler, die als Erben vorgesehen waren, wurden Haus und Grund 1989 an deren Sohn Willi und seine Frau Maria, geb. Geith, überschrieben.
Die Baugeschichte des Kampelmacherhauses
Die Außengestalt
Das "Kampelmacherhäusl" in Kötzting ist ein kleines bürgerliches Handwerkerhaus. Die frühesten Bewohner waren Maurermeister. Seit es in der 1 .Hälfte des 19.Jahrhunderts durch einen Anbau seine jetzige Gestalt erreicht hat, wurden auch Stallteile in dem Gebäude untergebracht. Das "Protocoll über Liquidation des Besitzstandes und der Dominicalien" , eine staatliche Bestandsaufnahme des Besitzes zu Steuerzwecken, beschreibt das Haus 1839 als "Ein Hausgebäude <... > Wohnhaus, Stall und Waschhaus aneinander mit Holzschupfe...".
StA Landshut Grundsteuerkataster Hausnummer 90 in Kötzting, beim Maurermeister, Alois Hummel "Ein Haus, Gebäude: Wohnhaus, Stall und Waschhaus aneinander mit Holzschupfe. |
Sammlung Massenbestand Bilder Umschlag 49 |
Foto Kretschmer das Kamplmacherhaus mit dem Werkskanal der Hammermühle |
Christian Zeitzler: Zulassungsarbeit von 1992 |
Foto Pongratz Dezember 2024 |
DIA-Repro 3611 Foto Kretschmer |
Während Wohnung und Stallteil unter einem Dach im breiten Hauptbau untergebracht sind, bildet der schmale Seitenflügel das Waschhaus. Der angebaute Flügel besitzt eine abgewinkelte Form, die dem Verlauf des früher etwa nur zwei Meter entfernten Regens entspricht.
Das Haus war innen und außen voll mit Kalkmörtel verputzt. Die Entfernung dieses Putzes, die für die Sanierung notwendig wurde, gab Einblick in die Baumaterialien.
Die Außenwände des Baukörpers, der ins 18. Jahrhundert zurückreicht, waren unten im wesentlichen mit Bruchsteinen errichtet worden. Einzelne Partien aus Ziegeln oder mit einem Mauerwerksgemisch aus Ziegeln, Bruch- und Hausteinen zeigten spätere Umbauten an. Für die Innenwände im Erdgeschoß fanden gebrannte Ziegel Verwendung.
Im Obergeschoß nahm man als Baumaterial der Außenwände ebenfalls Ziegel. Der Großteil der oberen Innenwände dagegen bestand aus Holz (die Mauern um den Kamin waren aus Ziegeln). Rohrmatten und gespaltene, diagonal befestigte Weidenäste sowie in die Holzwände gesteckte Stäbchen hielten den Putz an Wänden und Decken der Holzbauteile.
Für die Dachdeckung fanden zumindest für den überblickbaren Zeitraum des 20 Jahrhunderts im Anbau Biberschwänze, im Hauptbau Falzziegel und für den Walm Stahlblech Verwendung. Ein Foto, dass etwa 1910 aus ziemlicher Entfernung entstand, lässt undeutlich erkennen, dass das Dach zu dieser Zeit noch noch mit Falzziegeln, sondern wahrscheinlich mit hölzernen Scharschindeln eingedeckt war.
Andere Teile waren ganz aus Ziegeln, wobei ebenfalls kaum ein Fundament gegraben worden war. Schließlich gab es am Ende des Seitenflügels, an der östlichen Seite und der östlichen Ecke Mauerstücke aus massiven behauenen Steinblöcken, die tief in die Erde eingelassen waren. Ob diese für die allgemeine Bauqualität des Seitenflügels ungewöhnlich soliden Mauerstücke als Reste eines schon älteren Vorgängerbaus in das spätere Gebäude mit einbezogen wurden oder ob sie wegen der mauerbrechenden Kraft des oft hochwasserführenden nahen Flusses so erstellt waren, muss offen bleiben.
Wie es typisch für Bauten dieser Region ist, wurde in die Wand neben der Haustür ein kleines Flezfenster eingelassen.
Sammlung Stadt Bild wohl um 1960 |
Abb. 11: Der Restaurator legt eine "Farbtreppe" an, bei der er von oben nach unten zu den ältesten Farbschichten gelangt.
Legt man den über "20" Fassungen, die übereinander lagen, ein ungefähres Alter des Gebäudes von 200 Jahren zugrunde, so lässt sich in etwa sagen, zu welcher Zeit das Haus von den Bewohnern mit welcher Farbe gestrichen wurde.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wählten die Besitzer ein Rot. Mit kleinen Abwandlungen (3 weitere frühe Fassungen) behielt das Haus diese Farbe. In der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde für das Gebäude ein gänzlich neuer Farbton gewählt. Dieses Gelb findet sich in neun bis zehn Schichten, wurde also immer wieder erneuert. Ein grundsätzlicher Wechsel im Farbgeschmack ist Anfang des 20.Jahrhunderts festzustellen. Jetzt strichen die Bewohner das Haus Grün. Dieses Grün wird, nachdem es nur kurze Zeit das Äußere prägte, abgelöst von einem hellen Blau. Erhalten blieb diese Farbgestaltung über viele Jahre bis schließlich die weißen Kalkfassungen aufkamen und auch von den Bewohnern des Kammmacherhauses für die Farbgestaltung der Außenwände übernommen wurden.
Ein Schrot an der südwestlichen Giebelseite war nicht vorgesehen. An seiner Stelle errichteten die Baumeister ein kleines Vordach, das die Wand des Erdgeschosses vor der Witterung schützte. Das Dach des Hauptbaues wurde in der Form eines Steildaches mit einem Schopfwalm an der südwestlichen Seite errichtet. Diese Dachform ermöglicht, zusammen mit anderen Elementen der Bauweise, wie den aus Stein errichteten und verputzten Wänden, das Gebäude als "Böhmerwaldhaus" zu charakterisieren. Die Lage Kötztings im inneren Bayrischen Wald und in Grenznähe zu Böhmen, wo diese Häuser hauptsächlich vor-kommen, dürfte den Baustil der Handwerker mitgeprägt haben.
Die Aufsteilung des Daches in einem Teil der südöstlichen Dachfläche und das Anbringen eines Balkons erfolgten erst um 1912 im Verlauf einer größeren Renovierung des darunter liegenden Stallteils. Neben dem Wunsch, dadurch mehr Wohnraum zu gewinnen, wird auch das Motiv eine Rolle gespielt haben, mit dem Balkon das Gebäude zeitgemäß zu gestalten, in dem alten Haus auch etwas "Schönes" wie es die anderen neugebauten Häuser dieser Zeit vormachten, zu bekommen.
Baupläne dazu konnten im Hauptstaatsarchiv München nicht gefunden werden, Da zu dieser Zeit, nach Auskunft des Archivars, selbst der Einbau eines Backofens genehmigungspflichtig war, handelte es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen "Schwarzbau" .
Foto Mathias Heilmeier um 1900. Anstelle des Balkons waren um 1912 noch zwei Dachgauben an der südöstlichen Seite des Hauses |
Der Seitenflügel weist ein noch steileres Dach als der Hauptbau auf. Entsprechend dem Grundriss winkelten die Handwerker dabei den First in einem leichten Bogen ab. Die Dachflächen sind aus diesem Grund völlig unregelmäßig.
Die Innenräume
Bereits die Maurersfamilie Hummel, die das Haus bis 1849 besaß, hatte das Haus als Wohnstallhaus genutzt. Wohnung und Stall befanden sich im Hauptbau unter einem Dach. Dass dazu der große Gebäudeteil des angebauten Seitenflügels als "Waschhaus" bezeichnet wurde, wirft Fragen auf. Gingen die Maurermeistersfrauen Hummel in der 1. Hälfte des 19.Jahrhunderts der gewerbsmäßigen Wäscherei nach?
Der geringe Umfang des Grundbesitzes der Hummel ermöglichte nur eine Landwirtschaft in kleinstem Umfang und erforderte keinen Stadelbau. Eine Holzschupfe genügte.
Dies änderte sich ab 1850 unter den neuen Besitzern, der Kammmacherfamilie Zeitzler.
Diese erweiterte den Grundbesitz in der Mitte des 19.Jahrhunderts auf etwa zwei Tagwerk. Neben dem Kuhstall waren im Haus auch ein Schweinestall angelegt.
Ein freistehender Stadel wurde nun an der nordwestlichen Seite des Hauses anstelle der Holzschupfe errichtet, der bis 1966 stand. Zusätzlich wurde nordöstlich des Gebäudes, am Regenufer, im Verlauf der 2. Hälfte des 19 .Jahrhunderts eine Holzschupfe gebaut. Auf einem alten Bild von 1855 ist diese noch nicht zu sehen. Als weiteres Nebengebäude dürfte außerhalb des Hauses im Hof früher ein kleiner Backofen gestanden haben. Die Karte des Uraufnahmekatasters von 1831 zeigt den Standort eines kleinen Gebäudes an. Der Kamin im "Kesselofen" des Seitenflügels findet sich auf einer alten Ansicht von 1855 noch nicht. Er taucht erstmals auf einem Foto von ca. 1910 auf. Der Backofen im Seitenflügel wurde also in diesem Zeitraum errichtet. Brot dürfte, im 19. Jahrhundert und früher, von den Maurers- und Kammmacherfamilien außer Haus in einem eigenen kleinen Backofen gebacken worden sein.
Der Wohn- und der Stallbereich mit dem anschließenden Waschhaus waren klar räumlich durch den vorplatzartigen Flez getrennt. Dieser erschloss das Haus traufseitig von Nordwesten her.
Christian Zeitzler: Zulassungsarbeit von 1992 |
In seiner verlängerten Achse wurde als eigener Raum die "Rauchkuchl" angelegt, in der sich der Kamin, zentral in der Hausmitte gelegen, befand. Die innere Hälfte dieser Rauchkuchl mit dem Kamin wird noch heute von einer Halbtonne überwölbt, deren Decke mit Ruß überzogen ist. Der enge "russische" Kamin war deshalb ursprünglich ein weiter "deutscher" Schlot, in den der Rauch, der sich in der Halbtonne sammelte, durch ein Loch abzog.
Für einen Herdtisch unterhalb des Gewölbes gab es keine Spuren mehr. Eine offene Feuerstelle in der 2.Hälfte des 19.Jahrhunderts ist aber mit Sicherheit anzunehmen, da die Kammmacher die Rauchküche zur Hornzubereitung nutzten, wofür offenes Feuer nötig war. Eine eigene Küche in der heutigen Kammer ist bis Mitte unseres Jahrhunderts belegt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wurde von den Mauerersfamilien Hummel in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts und früher in der Rauchkuchl gekocht. Für die Verwendung als Küche sprachen Reste eines Herdes in der eingelassenen Wandnische unterhalb des Gewölbes.
Das Ersetzen des "deutschen" Kamins durch den engen "russischen" Schlot dürfte in den 30er Jahren unseres Jahrhunderts erfolgt sein. Bis zu dieser Zeit übte der letzte Kammmacher Johann Zeitzler sein Handwerk aus, für das die offene Feuerstelle unbedingt vonnöten war.
Die Stube liegt an der Giebelseite des Hauses und hat zum Flez eine Tür. Das Haus wurde als "Breithaus" angelegt, neben der Stube befand sich eine Kammer, die spätere Küche. Die Stube war Arbeitsraum der Kammmacher und Aufenthaltsraum. Kleintiere wurden darin nach Aussage von Wilhelm Zeitzler von den Kammmachern nie gehalten.
Eingeflicktes Mauerwerk an der Wand zur Rauchkuchl, das nach Abschlagen des Putzes zum Vorschein kam, belegt, dass sie im 19. Jahrhundert wahrscheinlich von einem "Hinterlader", der von der Rauchkuchl aus beschickt wurde, erwärmt worden war. Der Zeitpunkt für den Abbruch dieses Ofens ist nicht belegt. Kachelfunde die beim Abbruch des Mischmauerwerks des Stalls, das nach 1910 entstand, zum Vorschein kamen, legen den Schluss nahe, dass der Ofen kurz zuvor, also Anfang des 20.Jahrhunderts, abgetragen wurde.
Zwar wurde von den letzten Bewohnerinnen Anna und Maria Zeitzler in der Stube etwa ab Mitte dieses Jahrhunderts auch gekocht, es ist aber unwahrscheinlich, dass in früherer Zeit jemals ein Koch-Heizofen, ein "Vorderlader" , in diesem Raum stand. Zum einen
ist eine Küche der Kammmacher in der angrenzenden Kammer belegt, zum anderen waren Reste eines früheren Herdes, der den Familien Hummel zum Kochen diente, in der Rauchkuchl. Außerdem wäre die reichhaltig verzierte Stuckdecke verrußt. Es fanden sich aber bei ihrer Freilegung keinerlei Rußspuren.
Der Küchenofen der Kammacherfamilie war nach Erinnerung von Wilhelm Zeitzler ein Sesselherd. Der baufällige Herd wurde erst in den 60er Jahren dieses Jahrhunderts abgetragen. Der Herd hatte, wie oftmals üblich, keinen eingemauerten Wasserkessel. Eine eigenen Feuerstelle mit Wasserkessel zum Waschen und Sautrank kochen befand sich im sogenannten Kesselofen, im Seitenflügel des Anwesens.
Christian Zeitzler: Zulassungsarbeit von 1992 |
Im Obergeschoß wies das Haus reichhaltig Räumlichkeiten für Familienmitglieder und in diesem Jahrhundert auch Mietsleute auf. Sowohl die "Schöne Stube" als auch die "obere Stube" und die "hintere Stube" hatten einen eigenen Kaminanschluss und waren damit beheizbare wohnstubenartige Räume. Daneben gab es mehrere kleine Kammern. Eine heizbare Stube befand sich, als die Kammacherfamilien das Haus bewohnten, auch in der späteren "Hühnerstube". Der Raum hatte einen Kaminanschluß, war auch verputzt und farbig angestrichen. Diese Stube, in der vorher das Waschhaus untergebracht gewesen sein dürfte, wird vermutlich zum Zeitpunkt des zweiten Kaminbaus, in der
2. Hälfte des 19.Jahrhunderts, als zusätzlicher Wohnraum ausgebaut worden sein.
Das Kammmacherhaus wies also im 19.Jahrhundert zusammen vier Stuben auf.
Die Innenräume des "Kampelmacherhäusls" wurden von den früheren Bewohnern farbenfroh gestaltet.
Beim vorsichtigen Abspachteln der bröckeligen Kalktünchungen kam Farbschicht um Farbschicht zum Vorschein. Unter den untersten Farbschichten wurde in der Küche im Erdgeschoß eine frühe Dekoration entdeckt, die die ganze Wandfläche überzog. Sie bestand aus nachgeahmten breiten rötlichen Säulen, die vom Boden bis zur Decke reichten und ein breites umlaufendes Band trugen. Während die Säulen mit wellenförmigen stärker rötlichen Pinselstrichen plastisch gestaltet waren, verwendete man für die regelmäßigen ebenfalls stärker rötlich abgesetzten Blattranken wohl Vorlagen. Die Säulenkapitelle waren durch zweifarbige unregelmäßige Punktung mit der Hand hervorgehoben. Die Bewohner gestalteten sich den Raum durch diese Dekoration geradezu zu einer kleinen Säulenhalle.
Abb. 15: Säulendekoration der Küche/Kammer
Einige Beispiele für Schablonenmuster, die die Kammacher wohl Mitte 19. Jahrhunderts auf den buntgefassten Wandflächen anbrachten, konnten ebenfalls mit Hilfe der Spachtel freigelegt werden. Der Befund wurde fotografiert, sowie an der Wand maßstabsgetreu abgezeichnet. Die Neufassung stellt eine maßstabs- und farbgetreue Rekonstruktion der Schablonen dar, die die Kammmacher zur Schmückung ihrer Wohnräume verwendet haben.
Die ursprüngliche Form der Rosette war, zu Beginn der Sanierungsarbeiten 1990, durch die zahlreichen Neufassungen nicht mehr zu erkennen. Zuletzt war der Blumenzierat der Mitte in hellem Ockerfarbenen Gelb, Braun und Goldbronze bemalt. In einem Abstand von 5-7 Zentimetern umkreisten schwarze Punkte die Rosettenform. Nach dem Abnehmen eines Ausschnitts aus den Übertünchungen und Übermalungen, die ein Kirchenmaler im Auftrag des Denkmalschutzes vornahm, kam die eigentliche Gestaltung und Form zum Vorschein. (Vgl. Untersuchungsbericht der Restaurierungswerkstätten Gebr, Preis (Regensburg/Parsberg) vom 13.9.1991
In der Mitte der Rosette befand sich eine Stuckornamentik in Blumenform mit einer kräftig Roten Halbkugel, die von Hellgrünen Blütenblättern und Gelben Stängeln mit drei Kugeln an den Enden umgeben war. Der Blütenhintergrund wiederum war in kräftigem Rot. Die anschließende kreisrunde Fläche wurde Braun gehalten. Schließlich umgaben die Form ein doppelter Halbrundstab der innen kräftig Blau und außen kräftig Rot bemalt war. Abgesetzt zur Decke war der Halbrundstab mit einem kräftigen Gelb.
Die Stuckrosette (frz. Röschen) ist eines der ältesten und verbreitetsten Ornamentmotive. Sie kann plastisch ausgeführt sein, aber auch flach vorkommen.
Eine flache Rosette befand sich an ebenderselben Zimmerdecke. Sie besaß keine plastische Ornamentierung in der Mitte.
Die Freilegung von neun übereinanderliegenden Schichten erbrachte eine gänzlich andere frühere Farbfassung. Die eigentlichen Farben, die die Kammmacher für die Bemalung gewählt hatten, waren, von der Mitte ausgehend, ein kräftiges Grün, ein helles und dunkles Rot, Rosa, ein helles Grün, sowie zum Abschluss ein helles und dunkles Braun.
Abb.29: Flache Stuckrosette mit Ausschnitt aus neun früheren Fassungen
Die Decke des Flezes im Erdgeschoß war von einer kreisrunden Stuckierung, die in der Mitte das Auge Gottes, umgeben von vier Strahlen enthielt, verziert.
Das "Auge Gottes", später übertüncht, war, wie der Untersuchungsbefund ergab, ursprünglich kräftig Gelb. Die innere Kreisform war kräftig Rot und die Stahlen in einem hellen Grün-Gelb bemalt. Der Hintergrund der Strahlen war kräftig Grün ausgeführt worden. Die äußere Kreisform wurde mit einer 0.5 Zentimeter breiten Linierung in kräftigem Rot von der Decke getrennt.
Abb.30: Das von zahlreichen Farbschichten bis zur Unkenntlichkeit verlegte " Auge Gottes"
Abb.31: Der freigelegte Ausschnitt zeigt die frühere Farbfassung der Stuckoramentik
Das Auge Gottes, ein christliches Symbol, versinnbildlicht die Dreifaltigkeit in ihrer Allgegenwart und Allwissenheit. Die ursprüngliche Form ist die eines Dreiecks, in volkstümlicher Interpretation wurde in die Mitte dieses Dreiecks ein naturhaftes Auge eingefügt.
Eine besonders reichgestaltete Stuckornamentik mit mehreren Emblemen weist die Stube auf. Sie geht auf die Zeit des Barock (18.Jahrhundert) zurück und dürfte von der Maurermeistersfamilie Hummel eingerichtet worden sein. Sie wurde, nachdem sie durch die vielen Kalktünchungen kaum mehr zu erkennen war, vollständig durch das Landesamt für Denkmalschutz freigelegt und zeigt, wie repräsentativ sich die Bewohner im späten 18.Jahrhundert und frühen 19. Jahrhundert ihre Wohnstube einzurichten wussten.
Die Stuckornamente entstammen alle der christlichen Symbolik.
Insgesamt befinden sich an der Deckenfläche neun weißgefasste Stuckmedaillons:
Christian Zeitzler: Zulassungsarbeit von 1992 |
A: Symbol: Fuß
B: Buchstaben: "CMB"
C: Symbol: Hand
D: Buchstaben: "INRI"
E: Symbol: Hand
F: verschlungene Buchstaben: "MARIA" (Marienmonogramm)
G: Symbol: Fuß
H: keine Stuckierung mehr vorhanden (früherer Standort des Ofens!)
I: kreisrundes Medaillon mit den Buchstaben "IHS" (Christusmonogramm), das "H" in der Mitte als Pfeil, der ein Herz durchbohrt. Das Ganze ist umgeben von Ornamenten und Bögen, die eine stilisierte Blüte bilden.
Christian Zeitzler: Zulassungsarbeit von 1992 |
Seit dem Spätmittelalter erscheint das "IHS" immer häufiger. Am meisten verbreitet und am vielfältigsten verwendet wurde es von den Jesuiten, die es in eigener Interpretation als "Jesus Habemus Socium" oder "Jesu Humilis Societatis" verstanden.
Seit dem 16.Jahrhundert findet sich das Namenszeichen beim einfachen Volk stark vertreten.
Die räumliche Anordnung der Füße und Hände zum "IHS" (Die Füße rechts und links in den Ecken unter dem Christusmonogram der Mitte, die Hände rechts und links in den Ecken über dem Monogramm) verweist auf eine, vom Gestalter gewollte, Sinneinheit der fünf Stuckornamente. Darstellungen des Christusmonogramms mit den verwundeten Händen und Füßen sind auch aus anderen Werken dieser Zeit bekannt. Man nennt sie
"Arma Christi" - Bilder. Diese Darstellungen rücken die Leiden Christi durch die Abbildung der Wunden in den Mittelpunkt. Diese Leiden waren sinnbildlich die Waffen (arma), mit denen er den Tod und den Satan besiegte.
Der ältere Baukern
Gestalt
Das Kammmacherhaus war bis in die 1. Hälfte des 19.Jahrhunderts ein kleines bürgerliches Handwerkerhaus. Erst zu diesem Zeitpunkt wurde es durch einen Anbau auf den heutigen Umfang erweitert. Die Sanierungsarbeiten erbrachten aufschlussreiche Befunde:
- Für die Trockenlegungsarbeiten war 1990 ein Erdaushub in den Innenräumen des Hauses bis zu einer Tiefe von 60 Zentimetern erforderlich. Dabei wurden im Bereich des "Saustalls", im Arbeitsgang und an der Wand des "Kuhstalls" Fundamente entdeckt. Diese Stücke bildeten eine von Nordwesten nach Südosten verlaufende Linie, die, im Bereich der "Hühnerstube" , auffällig mit einem Mauereck schloß.
Sie hatte eine Breite von ca. 60 Zentimetern, die der Mauerdicke des Hauptbaus entspricht.
Christian Zeitzler: Zulassungsarbeit von 1992 |
Aus diesen Befunden lässt sich schließen, dass das gefundene Fundament eine ältere Außenmauer des Hauptbaus war, der, von seiner Bauform her, ein kleiner Einfirstbau war.
Erst nach dem Abbruch dieser Außenwand wurde das Haupthaus durch eine Verlängerung des rückwärtigen teils der nordwestlichen Wand und durch den Bau eines Seitenflügels erweitert und in die heutige "L"-Form gebracht. Das Fenster im Kuhstall wurde versetzt.
Weitere Aufschlüsse zur Bauweise dieser Nordostseite des Vorgängerbaus ergab die Öffnung des Balkenlagers im Obergeschoß. Über die Fundamente der älteren Außen-mauer standen Balken etwa einen Meter hinaus. Bei genauerer Untersuchung wurden an der Unterseite gerundete Verzierungen an den Enden entdeckt. Da diese Balken statisch keine dachtragende Funktion haben konnten, kann der Schluß gezogen werden, daß sie an dieser Seite dem Anbringen eines Schrots dienten.
Die Dachfläche dürfte an der Nordostseite, wie es bei diesem Baustil die Regel ist, genauso abgewalmt worden sein, wie die gegenüberliegende vordere Seite.
Meist war ein Schrot bei der Walmdachbauweise mit Brettern zu einer Art Laube verschlagen.
Christian Zeitzler: Zulassungsarbeit von 1992 Das Haus vor 1835 von Norden her gesehen |
Christian Zeitzler: Zulassungsarbeit von 1992 Das Haus vor 1835 von Süden her gesehen |
- Im "Kuhstall" fand sich hinter den Steintrögen bemalte Wandverputzung. Demnach war der Raum vorher Wohnraum.
- Unter dem Ziegelboden des "Kuhstalls" lag in einer Ecke ca. 10 Zentimeter unter dem späteren Niveau ein zweiter Ziegelboden (ca. 1,50 Meter x 1,50 Meter). An der darüberliegenden Wand war eine Öffnung zum Kamin der Rauchkuchl vermauert. Offenbar war dies der Standort eines Ofens.
Somit lässt sich schließen, dass der "Kuhstall" im älteren Vorgängerbau eigentlich eine beheizbare zweite Stube war.
- Auf der gegenüberliegenden Seite wurde unter der Treppe ein rechteckiges, längliches Ziegelfundament entdeckt. Dieses erstreckte sich über den "Keller" in den "Saustall" bis zur älteren Außenmauer. Auffällig dicke Kalkreste an Wänden und Boden des Fundaments legen den Schluss nahe, dass es sich um eine Kalkgrube gehandelt hat. Wurde von den Maurermeistern Hummel in diesem Raum des älteren Baus Kalk abgelöscht und für die tägliche Arbeit gelagert, ein Teil des Hauses also als Materiallager angelegt?
Der Anbau des Seitenflügels läßt sich zeitlich eingrenzen. Einen ersten Hinweis auf den Zeitraum gibt eine Brandversicherungsurkunde: Während 1826 "ein Wohnhaus" mit 300 Gulden versichert ist, waren 1835 ein Wohngebäude, ein Waschhausgebäude und eine Holzschupfe zu 380 Gulden eingetragen.
Im Übergabsvertrag von 1813 ist von einem "... gemauerten Häuschen ..." ein andermal von "... einem Haus ..." die Rede.
Da 1813 und 1826 das Anwesen nur als ein Haus genannt ist, dürfte der Anbau nach diesen Zeitpunkten und vor die anderslautende Nennung von 1835 zu datieren sein.
b) Erbauung
Wann das Hauptgebäude genau erbaut wurde, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden.
Über dem Türstock sind in römischen Ziffern die Jahreszahl 1781 ("MDCCLXXXI") und die Initialen "AHM" eingemeißelt, die ein Anhaltspunkt sind. "AHM" dürfte die Namensabkürzung des Maurermeister Adam Hummel sein, des damaligen Bewohners.
Ob aber die Jahreszahl 1781 mit der Erbauung übereinstimmt, ist ungewiss. Der Türstock mit dieser Datierung könnte auch, wie es oft geübter Brauch war, von Adam Hummel nach dem Erwerb des Hauses oder nach einer Umbaumaßnahme eingesetzt worden sein.
Wenn das Haus auch vor 1781 schon bestanden haben könnte, so dürfte es kaum ins 17. Jahrhundert oder weiter zurückreichen. Sein Standort liegt unmittelbar neben dem Wassergraben und im Vorfeld der Wehranlagen der Kirchenburg Kötztings. Eine Bebauung an dieser Stelle, im Vorfeld der Verteidigungsanlage, wäre, als die Burg noch ihren militärischen Zwecken diente, nicht zugelassen worden.
Bevor das Haus gebaut wurde, dürfte an dieser Stelle ein "Abfallplatz" des Marktes oder der Kirchenburg bestanden haben. Bei den Bodenarbeiten wurden an der Nordwestseite des Gebäudes zahlreiche Gefäßscherben entdeckt. Nach einer Untersuchung von Archäologen des Landesamtes für Denkmalpflege/Außenstelle Regensburg, stellten sich die Scherben als Keramik des 15. und 16.Jahrhunderts heraus. Restauratoren setzten die Gefäßscherben zusammen und ermöglichten damit ein Bild über die damalige Gestaltungsweise des Gebrauchsgeschirrs.
Christian Zeitzler: Zulassungsarbeit von 1992 |
Christian Zeitzler: Zulassungsarbeit von 1992 |
Der Kammmacher von Kötzting oder die Herstellung von Kämmen in Handarbeit
Herr Heinrich Reitmeier, Jahrgang 1937, wusste sich noch gut an die Herstellung von Kämmen in Handarbeit zu erinnern. (Interview vom 10.9.1992) Er ging dem Vater Christian Zeitzlers in seiner Jugend beim Kämmemachen zur Hand. Dieser, vielleicht der überhaupt letzte Kammmacher, übte sein Handwerk noch bis Mitte der fünfziger Jahre unseres Jahrhunderts aus.
Die Herstellung von Kämmen in Handarbeit zerfiel in zwei große Bereiche. Zuerst stellte der Kammmacher aus den Hörnern Hornplatten her. Darauf sägte er aus den Hornplatten die Kämme, die er mit Feilen verfeinerte.
Die Herstellung von Hornplatten:
Die Hörner, die der Kammacher gekauft hatte, "entschlauchte" er zuerst. Das heißt, er löste sie vom Knochenzapfen und entfernte den markigen Kern. Dies konnte auf verschiedenen Weise erfolgen. Das Bindegewebe, das Knochenzapfen und Horn verband, konnte er abfaulen lassen, aber auch ausbrennen oder auskochen.
Dabei stanken die Hörner sehr oft. Waren sie nämlich älter, konnte das Innere bereits in Verwesung übergegangen sein und im Mark fanden sich Würmer und Maden.
Die Hörner wurden dann sauber gewaschen.
Als nächstes sägte der Kammacher die Spitzen der Hörner ab. Diese konnte er ge winnbringend an Horndrechsler weiterverkaufen, die sie zu Pfeifenmundstücken oder auch Besteckgriffen verarbeiteten.
Mit der Schrotsäge teilte er die Hörner in kleine rohrförmige Stücke, die er dann auch der Länge nach aufschnitt.
Christian Zeitzler: Zulassungsarbeit von 1992 Abbildung: Schrotsäge |
Dann mussten die Stücke aufgemacht und gerade gebogen werden. Damit die Horn-stücke weich und biegsam wurden, gab der Kammmacher sie in einen großen Kessel, in dem sie siedend heiß gekocht wurden. Noch weiter erweicht wurden sie über offenem Feuer (Buchenholzfeuer!). Mit einem sogenannten "Wärmestock", auf den die Rohrstücke aufgesteckt wurden, drehte der Kammmacher sie 2-3 Minuten gleichmäßig über den Flammen. War man bei dieser Arbeit unachtsam, konnte die Hitze das Horn verderben. Es warf Blasen, verfärbte sich rötlich und wurde brüchig und unbrauchbar.
Wenn das Rohrstück genau richtig erwärmt war, konnte der Kammacher es leicht mit Zangen aufbiegen. Dies erforderte großes Geschick und viel Ubung, da beim Aufbiegen der rohrförmigen Stücke leicht Riße und Sprünge entstehen konnten.
Das nunmehr aufgebogene Rohrstück, kam noch heiß, schnell in einen massiven Schlosserschraubstock oder in eine Spindelpresse mit zwei Eisenplatten, wurde gepresst und behielt nach dem Abkühlen die Form einer mehr oder weniger flachen Hornplatte.
Die Platte für den späteren Kamm mußte etwa 5 Millimeter dick sein. War sie stärker, so zerlegte sie der Kammacher mit dem Meißel oder mit der Säge in mehrere dünne Platten.
Mit dem Haumesser rüstete er dann das Hornmaterial grob auf einem Block zu. Mit dem Schabmesser wurden die Platten noch weiter gereinigt und von größeren Unebenheiten, wie zum Beispiel Blasen befreit.
Christian Zeitzler: Zulassungsarbeit von 1992 Abbildung: Bockmesser oben - Schabmesser unten |
- Um die rauen Platten ganz eben und auch noch dünner zu bekommen, unterzog sie der Kammmacher einer zweiten Pressung. Dadurch sollte auch die dem Hornmaterial eigene Spannung völlig herausgedrückt werden, so dass die Rohplatte ihre Form endgültig behielt.
Die Hornplatten wurden erneut erhitzt, nun aber zwischen Eisenplatten gepresst, die mit nassem Filz bespannt worden waren. Damit war der erste Arbeitsgang beendet. Der Kammmacher hatte aus den Hörnern rechteckige Platten hergestellt, die zur weiteren Verwendung bereitstanden.
Im zweiten Arbeitsgang wurden aus den Hornplatten die Kämme gemacht:
Zunächst wurde die Rohform des Kammes, die sogenannte "Plakette" hergestellt. Der Kammmacher legte eine Schablone aus Holz, die als Muster diente, auf die Hornplatte und riss sie an. Derartige Schablonen besaß er für unterschiedliche Kämme in verschiedensten Formen und Größen. Die angerissene Kammrohform schnitt er mit einer Bogensäge aus der Hornplatte aus.
Der Kammrohling, die "Plakette", wurde nun mit einem Haumesser keilartig zugehauen. Das war nötig, damit später die Zähne des Kamms spitz zuliefen. Feiner bearbeitet wurde die "Plakette" anschließend. Mit Hornmessern, Schnitzern und einem sogenannten "Iler" , einem sensenartig gebogenen Messer, wurde möglichst viel unansehnliche, graue und spröde Hornmasse ausgeschabt und ausgekratzt, sowie die Hornseiten geglättet. Diesem Zweck diente auch das zweigriffige sogenannte "Bockmesser". Dabei musste darauf geachtet werden, die äußere "bessere" Hornseite möglichst wenig zu bearbeiten.
Christian Zeitzler: Zulassungsarbeit von 1992 Abbildung: Haumesser (oben, unten), Iler (Mitte) |
Christian Zeitzler: Zulassungsarbeit von 1992 Abbildung: Größerfeile |
- Nachdem der Kammmacher die Flächen des Kamms verfeinert hatte, ging er daran, dem Werkstück seine mehr oder weniger geschwungene Umrissform, die "Facon", zu geben. Dazu verwendete er die sogenannte "Bestossfeile".
Die Rohform des Kammes war damit fertig - als nächstes kam der schwierigste Teil der Arbeit, die zähne des Kammes zu fertigen. Dazu wurde zunächst mit der sogenannten "Rißplatte" die Länge der Zähne auf dem Rohling angerissen. Mit speziell konstruierten Doppelsägen, den sogenannten "Rumplern", wurden die Zähne bis an den Riss eingeschnitten. Diese Sägen hatten nebeneinander zwei Sägeblätter, von denen eines etwas zurückstand, so dass das tiefergestellte Sägeblatt den Zahn gleich heraussägte und das höhere den nächsten Zahn vorsägte. Der Zahnabstand war dadurch gleichmäßig. In den "Rumpler" konnten je nach den erforderlichen Zahnabständen verschiedene Sägeblätter eingespannt werden. Da sich im ersten Arbeitsgang nicht alle Zähne genau bis an den Riss durchsägen ließen, wurden die Zähne mit verschieden großen Sägen nachgeschnitten.
Christian Zeitzler: Zulassungsarbeit von 1992 Abbildung: Sägen zum Nachschneiden der Zähne |
- Das Werkstück sah dem Endprodukt jetzt bereits sehr ähnlich, musste aber noch
"fertig", wie es in der Kammmachersprache hieß, gemacht werden. Der Kamm-rücken, die Seitenflächen, das sogenannte "Feld" und die Zahnreihen waren noch gleich dick. Der Kamm würde jetzt noch mühsam durch die Haare gleiten. Die scharfen Kanten und Spitzen der Zähne würden die Kopfhaut verletzen.
Christian Zeitzler: Zulassungsarbeit von 1992 Abbildung: Aufbau eines Kammes |
- Mit dem sogenannten "Dreispitz" schabte der Kammmacher zunächst Rücken und Feld des Kammes glatt und rund.
Christian Zeitzler: Zulassungsarbeit von 1992 Abbildung: Schaber |
- Die Zahnspitzen wurden mit dreikantigen sogenannten "Garlierfeilen" gerundet. Die Feile wurde dabei vom Kammrücken zu den Zahnspitzen geführt. Die Zahnkanten konnten bei den großen Zähnen abgeschliffen werden, da diese so weit auseinander-standen, daß der Kammacher mit der Feile dazwischenfahren konnte.
Christian Zeitzler: Zulassungsarbeit von 1992 Abbildung: Galierfeilen |
- Die Zahngründe zwischen den groben Zähnen wurden mit dem sogenannten "Gründeisen" ausgefeilt. Dies geschah in Richtung auf das Feld zu. Der Zahngrund wird also nach hinten erweitert.
Christian Zeitzler: Zulassungsarbeit von 1992 Abbildung: Gründeisen |
- Die fertiggestellten Kämme, die noch unansehnlich waren, wurden, was zumeist Aufgabe der Meistersfrauen war, feingeglättet und für den Verkauf auf Hochglanz poliert. Dazu wurde Bimsstein oder auch eine leichtgeschmeidige Masse aus Kalk und Asche verwendet. Der Kamm wurde zwischen den Händen mit dieser Masse fest gerieben, darauf abgewaschen und schließlich glänzend poliert.
Von Conrad Krämer d.Alten, dem Ostmarkonkel haben wir ein Kompendium über die alten Handwerksberufe, die zur seiner Zeit in Kötzting ausgeübt worden waren und natürlich hat er auch einen Bericht über den Kammmacher Zeitzler verfasst, den ich hier im Original abbilden möchte, weil auch das Bild der altertümlichen Schreibmaschine des Herrn Krämer zu solch einem alten Beruf gut passt.
Interessant ist hier, dass er wohl mit der Schreibweise "Kammmacher" seiner Zeit weit voraus war und das Wort mit drei "m" schrieb, wie es der Duden heute vorgibt.
Sta Kötzting Archivalien digitalisiert/Personen/Krämer Konrad |