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Montag, 13. April 2020

Kötztinger Häuserchronik - Einleitung


Bei der Uraufnahme der Häuser Kötztings zu Anfang des 19. Jahrhunderts gab es in Kötzting 158 Anwesen, große, kleine, ganz große und winzige. Die fast einzigartige Struktur und Einteilung der Kötztinger Bürgerhäuser in Marktlehen, Sölden und Häuser lässt uns auch ein wenig die städtebauliche Entwicklung Kötztings bereits in der Frühzeit erahnen.

Ich habe nun vor - angeschoben durch die vielfältigen Möglichkeiten, die das Medium des Internetblogs bietet - in lockerer Folge ein Haus nach dem anderen hier vorzustellen. Um zu verhindern, dass die einzelnen Häuser im allgemeinen Kötztinger Geschichte(n) Blog verschwinden werde ich die Häuserchronik in einem eigenen Blog zusammenfassen und den jeweils einzelnen Beitrag beim Neuerscheinen im alten Blog verlinken. Zum zweiten wird der neue Blog ein etwas anderes, mehr tabellarisches, Erscheinungsbild haben um die einzelnen Häuser leichter finden zu können:

Aber zuerst einmal:



Die Struktur Kötztings nach der Aufteilung der Urhöfe:

Da die schriftlichen Quellen über Kötzting in den verschiedenen Archiven in der Mehrzahl mit der Neuzeit einsetzen, kann man leicht den Eindruck erhalten, die Struktur und Verteilung der Anwesen wäre über all die Zeit die gleiche gewesen. Es gibt aber einige Hinweise, die in manchen Fällen auf eine andere Häuserverteilung vermuten lassen. Vorab muss aber zum besseren Verständnis die Struktur der Kötztinger Einwohner beschrieben werden. Abgeleitet vom Besitz an Grund und Boden und damit abgestuft in den Rechten und Pflichten finden sich in Kötzting
·         Marktlehner
·         Söldner
·         Häusler
·         Inwohner
Schon im niederbayrischen   Herzogsurbar[1] (kurz nach 1301) ist Kötzting als Markt bezeichnet und aufgeführt mit 36 Lehen und 10 Sölden. In den Vorläuferbänden der Urbarien (1231 und 1237) ist noch von keinem Marktrecht die Rede, so dass, laut Piendl[2], von der Marktrechtsverleihung um 1255, nach der ersten Landesteilung, ausgegangen werden kann. Wenn Kötzting 1255 bereits groß genug und würdig war, ein Markt zu werden, dann kann man mit Sicherheit davon ausgehen, dass die Aufteilung der Urhöfe in die verschiedenen Anwesen schon lange zurück lag und Kötzting bereits eine zentrale Funktion für die Umgebung eingenommen hat. Dies gilt umso mehr, als ja bereits 1179 den Kötztingern eine Kirche[3] beglaubigt wird. Die historische Entwicklung und Ausbreitung des Ortes lässt sich nun anhand  vieler schriftlicher Quellen belegen. Diese Quellen lassen auch Rückschlüsse und Vermutungen auf die Lage der vier Urhöfe zu.
Im Marktrechtsprivileg Kaiser Ludwig des Bayern vom 11. November 1344 heißt es unter anderem: Von erst wan der Markt getheilt ist von dreu Höfen zu 36 Burglehen und in 12 Sölden, wollen wür, wer der Lehen eines mer oder minder inn hat, der soll arbeiten all die Arbeit, die den Markt angehört mit Fludern, Fleischwerken, mit Pachen, mit Schenken, mit Gastung und mit anderer Arbeit und Handwerken. [4]
 Aus dieser Anfangszeit stammt also die Aufteilung in 36 Marktlehen, 10 (an anderer Stelle 12) Sölden und 20 Teile. Dass diese sogenannten  "Teile" in Wirklichkeit die späteren Leerhäuser darstellen, kann später belegt werden.
Was war nun das Besondere an diesen unterschiedlichen Anwesen ?
Die Marktlehner waren gewissermaßen die Oberschicht in Kötzting. Ausgestattet mit allen Rechten, die das Marktprivileg erlaubte, einschließlich des uneingeschränkten Brau- und Schankrechtes. Das heißt in Kötzting hatten Besitzer von 36 Marktlehen und nur  diese die Erlaubnis im Kommunbräuhaus brauen zu lassen, ein Wirtshaus zu betreiben und sie nutzen dies auch weidlich. Die Söldner hatten dieses Braurecht nur eingeschränkt, das heißt, sie durften nur festgelegte Mengen brauen (1 Sud pro Jahr) und dieses Bier auch nicht ausschenken. Die (Leer)Häusler hatten weder Brau- noch Schankrecht, und nur wenn einer dieser Bewohner eine Handwerksgerechtigkeit besaß, so durfte er seinen Beruf in diesem Haus ausüben. Noch schlechter gestellt waren die Inwohner, die am besten als Mieter zu verstehen sind. Zu diesen Inwohnern waren auch die  Alteigentümer nach der Übergabe zu rechnen.
Am unteren Ende dieser abgestuften Rechtsskala standen die Knechte, Mägde und Kinder.
Außerhalb dieser Ordnung, aber mit ihren Rechten am ehesten mit den Inwohnern zu vergleichen, waren dann noch die Bewohner, die man heute als Beamte und Angestellte bezeichnen würde, also zum Beispiel die Angestellten des Pfleggerichts, der Messner, die Klosterherren (ab 1636), um nur einige zu nennen. 
Die Marktlehner und Söldner konnten auch Grundstücksverkäufe an Inwohner und Häusler verhindern oder einen bereits erfolgten Verkauf nachträglich zu ihren Gunsten rückgängig machen, sie hatten ein Einstandsrecht und übten dieses auch regelmäßig aus.. Sogar die Viehhaltung war bei den Häuslern stark eingeschränkt, teilweise ausdrücklich verboten. Dies hatte seinen Grund vor allem in den sehr stark begrenzten Weideflächen, die den Kötztingern zu Verfügung standen. Das Alleinehüten der eigenen Tiere war unter strenger Strafe gestellt und wurde auch regelmäßig bestraft. 
Nachdem die persönliche wirtschaftliche Stellung auch den Sitz im Magistrat und in den Ausschüssen beeinflusste, waren  die Marktlehner dort  sehr stark überrepräsentiert.
Wo lagen nun die Marktlehen, Sölden und Häuser? 

Wie aus Plan (1) und zu ersehen ist sind die Marktlehen insbesondere im oberen Markt versammelt. Davon abweichend war auch noch der sogenannte Gschwandhof (heute TCM-Klinik Hnr 91) ein Marktlehen. Zwei weitere Marktlehen (Hnr 71 und 72) lagen vor der Oberberger Brücke auf dem Spitalplatz. Die Hammermühle (Hnr 89) und das Eckhaus an der Herrenstraße, das heute das Kaufhaus Gartner beherbergt  (Hnr 96), waren auch noch Sölden. Es gibt einen Hinweis, dass das Mesnerhaus einmal ein Marktlehen gewesen ist (Hnr 97). Auch die Metzgerei Ritzenberger, beim "Weiß auf der Höhe" (Hnr 48), wird als Marktlehen ausgewiesen. Es bleibt aber das grundsätzliche Bild, dass der obere Markt vor allem aus Marktlehen gebildet wurde, und der Bereich unterhalb des alten Rathauses hauptsächlich aus Leerhäusern bestand.(Plan (2))


Die Salbücher des Klosters Rott beginnen Anfang des 15. Jahrhunderts und führen in einer festen Reihenfolge, die von Band zu Band beibehalten wurde, die Besitzer der Marktlehen und Sölden auf. In manchen Bänden an diese Marktlehen anschließend, in anderen eingefügt in die Liste, folgen die sogenannten Teile, später (Leer)Häuser genannt.
Im Marktprivileg Kaiser Ludwigs des Bayern vom 11.11.1344[5] heißt es weiter dazu:
So ist ein Hof getheilt in 20 Theil in dem Markt, und derselben Theill einen oder mer soll kein Man nit haben, er habe dan ein Burglehen.
Max Piendl vermutet, dass diese Teile aus einem Hof in Grub entstanden sein könnten[6]. In späteren Jahren wurde tatsächlich der sogenannte Gruberhof vom Magistrat aufgekauft, das Hofgebäude vermietet und die Grundstücke anteilig auf die Grundbesitzer des Marktes verteilt, ohne dass diese Grundstücke fest an Häuser gebunden wurden. Diese Gruberhofanteile wurden bei jedem Hausverkauf in Kötzting in den Beurkundungen einzeln aufgeführt. Wie sich an anderer Stelle erweisen wird, sind es die, bis zum  15. Jahrhundert "Teile" genannten Anwesen, die in späteren Listen als "Häuser" aufgeführt werden und sie liegen inmitten Kötztings. Aus diesem Grund, und weil der Schriftwechsel, der zur Aufteilung des Gruberhofes geführt hat, teilweise noch vorliegt, kann diese Möglichkeit ausgeschlossen werden, dass der vierte Urhof in Grub gelegen ist.
Wie könnte man sich also das Bild des alten Kötztings nach der Aufteilung der Urhöfe vorstellen. Im wesentlichen wird es die Bebauung zwischen dem oberen Markt und der Kirchenburg gewesen sein, also nur die 36 Marktlehen, 12 Sölden und 20 Häuser, auch wenn die Stückzahlen vielleicht geschwankt haben.. In einem Brief[7], gekennzeichnet als aus dem Jahre 1460,  in Wirklichkeit aber wohl erst nach 1470 geschrieben, bringen die Kötztinger Bürger ihre Sorgen an, die durch den Bau des von Herzog Albrecht geforderten Bollwerks entstanden waren. Sie schreiben unter anderem an das Kloster Rott:
Auch bringen wir Euer Gnaden an und dem wirdigen Convent, dass um den Kirchhof abgebrochen sind bey zwelf Heuser, da wir Abganck haben, Wacht Steuer und Manschaft von des Gepeus wegen.
Das heißt, dass von den 20 Häusern, die aus dem vierten Urhof entstanden waren,  allein zwölf um den Kirchhof herum errichtet waren. Nach deren Abriss dürften wohl die ersten gestreuten Ansiedlungen der Leerhäuser in den Bereichen vorm oberen Tor, am Pfeffergraben und im Bereich des Spitalplatzes entstanden sein. In Plan (3) sind 12 Häuser im Bereich des äußeren Ringes der heutigen Kirchenburg platziert, um zu verdeutlichen, dass der Platz für 12 Häuser auch wirklich ausreichend war, ohne dass  die genauen Orte belegt werden. 




Kötzting in der Neuzeit

Nach diesem Einschnitt aus der Zeit um 1470, als diese Häuserzeile abgerissen worden   war die Grundstruktur Kötztings angelegt und blieb auch so all die Jahrhunderte hindurch bis zum großen Marktbrand 1867. Der Bau dieses Bollwerks[8], so beklagten sich die Kötztinger in demselben Schreiben, nahm einen Platz von 8 1/2 Lehen ein, welcher Flächenverlust für den Markt auch einen Einnahmeverlust mit sich brachte.
Was sich änderte, und auch dies nur langsam, waren die äußeren Randbereiche. Sicherlich sind die Bewohner der abgerissenen Häuser an anderen, am Rande des Ortes gelegenen, Stellen entschädigt worden. Dies lag schon im ureigensten Interesse des Marktes, da ja mit jedem Bürger, auch Leerhäusler waren Bürger, Einnahmen verbunden waren. Der Bereich vor dem oberen Tor und vor der Oberbergerbrücke auf dem Spitalplatz scheinen die ersten "Neubaugebiete" Kötztings gewesen zu sein, da wir von  einigen Häusern aus diesen Bereichen sogar   die ungefähre Bauzeit kennen. In den Briefprotokollen 1655 und 1656 sind diese beiden Ortsteile (Spitalplatz und Torplatz, nach heutigem Sprachgebrauch) bereits mit Häusern bebaut später sind dann die "Neubauten"  auf den sogenannten Pfeffergraben konzentriert. Als Beispiel kann hier die Ausweisung eines Bauplatzes neben der Wuhn für einen Neubau  des Michael Juglreither dienen, der  1672 für ein Grundstück zunegst der Wuhn für ein Heusl 66fl[9] zahlte(Hnr 121). Dieser historische Bereich "Pfeffergraben" ist mit der heutigen Strasse namens Pfeffergraben aber nicht deckungsgleich. Der untere Bereich der heutigen Holzapfelstrasse wurde damals Pfeffergraben genannt. Der  Pfeffergraben der Gegenwart war damals noch  ohne Wohnbebauung.
Auch die Bebauung im unteren Markt war  gänzlich anders strukturiert, als man es heute kennt. Plan (4) verdeutlicht dies. 

Beim Drunkenpolzhaus und dem Spital (Hnr 123 und 124) endete die Marktgasse und drehte in die Herrengasse, hin zur Pfarrkirche. Im unteren Markt konnten die Fuhrleute also anders als heute nicht gerade aus dem Markt hinausfahren; die Fuhrwerke mussten an der Kirchenburg vorbei fahren. Dort, wo jetzt die Marktstraße in gerader Linie bis zur Bahnhofstraße reicht, stand damals, aus der jetzigen Sicht mitten in der Straße, auf der Höhe des Anwesens Schötz, die Wuhn (Hnr 119) Die Wuhn war eine alte Brauerei, möglicherweise sogar die älteste Brauerei Kötztings. Die Wuhn, früher sogar ein Marktlehen  kam zu Anfang des 17. Jahrhunderts in den Besitz des Marktes Kötzting[10], welcher das Haus in zwei Hälften teilte und jede einzeln verstiftete  Die Bewohner der Wuhn hatten zu dieser Zeit den Status als Inwohner und damit nur eingeschränkte Rechte in der Gemeinschaft. Der Markt blieb bis zur Verwaltungsreform zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Besitz der Wuhn. Wie viele andere Gebäude und Grundstücke im Besitz des Marktes  so musste auch die Wuhn versteigert werden. Andere Häuser, die damals versteigert wurden, heute würde man von Privatisierung sprechen, waren z.B. die Fleischbank (Hnr 24) das zentrale Schlacht und Verkaufshaus der Kötztinger Metzger und  die Herrensäge (Hnr88)[11] heute der Lindnerbräu
Somit stehen im unteren Markt, herein bis in die Zeit vor dem großen Marktbrand, nur die drei Häuser vom Greiner bis Schuhhaus Liebl (Hnr 102-105) Am 14. Februar 1804 wurde das  Eckhauses geteilt, seit daher also 4 Häuser an dieser Stelle.[12] Die Wuhn (Hnr.119) und zurückgesetzt zum Pfeffergraben hin das Spital(Hnr. 123) schlossen den Markt ab. Im heutigen Pfeffergraben selber stehen zu dieser Zeit  nur noch zwei sehr kleine Häuser auf der hangabwärts zeigenden Seite. Den Abschluss der Gasse bildete der Schlosser Haas und, freistehend, im Schlossgarten hatte der Schlossgärtner sein Haus (Hnr116). Dieser Ablauf der Entwicklung, nämlich einerseits ein unveränderter Ortskern und andererseits eine sehr allmähliche Ausweitung der Häuserbebauung am Rande prägte das Bild Kötztings über Jahrhunderte.
Es ist zu vermuten, dass solch ein Wachstum in vielen anderen Orten Bayerns in dieser Zeit nach demselben Muster abgelaufen war. Nach einer Brandkatastrophe oder kriegerischen Einwirkungen wurden die Anwesen an denselben Stellen wieder aufgebaut und erhöhten sich nicht in der Zahl. In einigen wenigen Fällen wurden Anwesen zertrümmert und so entstanden wohl die einzelnen Leerhäuser, die zwischen einigen Marktlehen eingestreut sind.
Hinter der Marktbefestigung, dem Graben und dem anschließendem Bollwerk, folgten Nutzflächen, Schupfen und Gärten. Zwischen diesen und noch vor den Wirtschaftsgebäuden verlief dann eine kleine Gasse. Auf Plan (6) ist diese Bollburggasse skizzenartig eingezeichnet[13].
Diese Gasse begann hinter der Drunkenpolzschmiede (Tabak Liebl Hnr 124 ) und verlief bis zum Torplatz herauf. (jetzt Schmiede Kuglmeier).


[1] PIENDL, MAX : Kötzting in seiner geschichtlichen Entwicklung, in : KÖTZTING 1085-1985 Herausgegeben von der Stadt Kötzting anlässlich der 900-Jahr Feier S.28
[2] PIENDL, MAX : Das Landgericht Kötzting . Historischer Atlas von Bayern, Teil Altbayern Heft 5(1953) Seite 59
[3] Bayerisches Hauptstaatsarchiv München (im folgenden BayHstA) KU Rott am Inn 8
[4] KÖTZTING 1085-1985 Herausgegeben von der Stadt Kötzting anlässlich der 900-Jahr Feier S.29

[5] KÖTZTING 1085-1985 Herausgegeben von der Stadt Kötzting anlässlich der 900-Jahr Feier S.29
[6]  PIENDL, MAX : Kötzting in seiner geschichtlichen Entwicklung, in : KÖTZTING 1085-1985 Herausgegeben von der Stadt Kötzting anlässlich der 900-Jahr Feier S.28

[7]  BayHstA KL Rott am Inn 80 S.46
[8] BAUMANN, LUDWIG und PRANTL,GEORG Altkötzting, Chamer Tor und Marktbefestigung, in Beiträge zur Geschichte im Landkreis Cham (im folgenden BGLC) Bd. 14 (1997) S. 59-74
[9] Stadtarchiv Kötzting (im Folgenden StadtA Kötz) Marktrechnungen Band 1 S.3
[10] Staatsarchiv Landshut (im Folgenden StA La) Rep 97e Nr 187
[11] PONGRATZ, CLEMENS  Ansicht von Kötzting von 1653, in: BGLC Bd.15 1998 s. 25-29
[12] StA La Briefprotokolle Kötzting Bd. 66 Seite 7
[13] BayHSstA GL Fasz. 1836/75

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