Um die manchmal komplizierten Abläufe bei der "Verhaftung - Überstellung - "Wahrheitsfindung" - Urteilsverkündung Strafausübung" besser zu verstehen, ist eine allgemeine Einführung und ein Überblick über die bei uns relevanten Herrschaftsstrukturen vor dem Beginn des 19. Jahrhunderts sicherlich von Vorteil. >>>>>>>>>> hier geht's zum Überblick über die Niedere und Hohe Gerichtsbarkeit.
Nun also ein weiterer "Malefizprozesse", also eine Verhandlung, über Menschen, die laut der damals vorherrschenden Meinung "Bösewichter" gewesen waren. Um diese Verhandlungen führen zu dürfen, benötigte der jeweilige Richter die "Hohe Gerichtsbarkeit". Nichts desto trotz wurden die Verhandlungen, die Befragungsergebnisse und die Urteile in enger Abstimmung mit der Regierung in Straubing durchgeführt und protokolliert.
Solche Malefizprozesse mit ihre komplexen Abläufen und häufig tragischen Urteilsverkündungen finden sich immer wieder in den Kötztinger Pfleggerichtsdokumenten und werden dann immer wieder Inhalt eines Blogs werden.
Die bisher bereits veröffentlichten Prozess finden sich hier >>>>> im Blog über das Kötztinger Amtshaus und seine Bewohner
Nun also zum nächsten Gerichtsverfahren, wir sind im Jahre 1649 in Warzenried an der Grenze und der Kastenamtmann nimmt nach Anzeige eine Verhaftung vor.
StA Landshut Rentkastenamt Straubing Pfleggerichtsrechnung Kötzting von 1649 |
"Ausgab auf gefangne Mallefiz Persohnen"
"Den 19- 7bris ist ain Redo Khiehietter aus Behamb, der sich Michaeln Trembel von Viechtach gebirttig genannt, durch den Castenambtman zu Wärzenrieth, deren Ursach willen zuverhafft genommen, weillen durch ainen Underthan glaubhafft angeben worden, daß selbiger wegen entwenter Pferdt verdechtig gestalten es sich hernach also befundten, derrwegen ist ime Ambtman vermög seiner Zötl N. .1. ds gebraichig empfang gelt bezalt worden
1 fl (Gulden)
Ein: und Ausschlussgelt 17 Kr(euzer)
Zween Tag Sizgelt bis selbiger in das Landgericht geantworttet 7 kr 3 1/2 H(eller)
In Yberantworttung dessen mir Castenam,btman 34 kr 3 1/2 H
Vier Persohnen, die ihme Trembel herauß zu Gericht begleittet für Zöhrung iedem 17 xr tuet 1 fl 8 xr 4 H
Latus (summe der Seite) 3 fl 7 xr 4 H"
Was steckt hier drin in der ersten Seite:
Zusammenfassung:
Michael Trembl aus Böhmen kommend und angeblich in Viechtach geboren, machte sich verdächtig, als Pferde gestohlen waren und wurde daher verhaftet und nach Kötzting ins Amtshaus gebracht.
In dem Text stecken aber auch ein paar Ortsangaben, Abkürzungen und Floskeln:
1. Der Verhaftete Michael Trembl ist ein Kuhhirte - Khiehietter - und solch ein Wort, das mit Gestank und Schmutz verbunden ist, schreibt man nicht einfach in ein offizielles Dokument, ohne ein "mit Verlaub" voran zu setzen. "Redo" bedeutet solch ein "mit Verlaub" .
2. Anders als in anderen Landgerichten ist die Aufteilung in ein Pfleggericht und ein Kastenamt nicht nur eine unterschiedliche Aufgabenverteilung, hier die Rechtsgeschäfte und dort die Verwaltung der Urbarsgüter mit ihren Natural- und Geldabgeben. Im LG Kötzting gab es darüber hinaus auch eine räumliche Auftrennung, es gab sogenannte kastenamtliche und pfleggerichtische Untertanen.
Von den Bewohnern - von Kötzting aus gesehen - hinter dem Hohenbogen benannten sich selber die "Kastenamterer". Auch Chamerau z.B. gehörte zum Kastenamt.
Nun hatte des Kastenamt auch seinen eigenen Amtmann (Gerichtsdiener, Scherge, Polizeidiener) und dieser nahm auf Aufforderung eine Verhaftung vor.
3. Bevor er diesen aber nach Kötzting ins Amtshaus einliefern konnte, musste erst dort nachgefragt werden und erst nach dem OK von Kötzting konnte der Verdächtige unter Bedeckung von 4 weiteren Personen nach Kötzting "heraus" begleitet werden. Es wäre in diesem Zusammenhang interessant zu erfahren, ob die Bewohner Warzenrieds oder Atzlern auch heute noch davon reden, dass man nach Kötzting "heraus" geht/fährt.
4. Die Summen, die bezahlt wurden sind in einer genauen Gebührenordnung geregelt.
5. 7bris und 9bris sind die damals gebräuchlichen Abkürzungen für September und November.
Aus dem Ambtshaus zue deme Pranger, und dem Scharpfrichter zeybeantwortten. 34 xr
Ein: und Ausschlussgelt 17 xr
Latus 1 fl 26 xr"
Michael Trembl wurde in Kötzting inhaftiert und dreimal verhört, davon einmal unter Folter.
Anschließend wurde er auf Befehl der Regierung in Straubing an einem Tag, als viele Menschen beisammen waren, öffentlich an den Pranger gestellt und, nach dem Schwur einer Urfehde, auf alle Zeit aus dem Lande Bayern verwiesen.
Im Amtshaus in der heutigen Schirnstraße lag der Beschuldigte angekettet in einer der Keuchen genannten Gefängniszellen.
Die Ergebnisse einer jeden Befragung erbrachten neue Botengänge nach Straubing und nach Böhmen.
Als auch die "painliche Befragung" (=Folter) keine absoluten Beweise erbrachte, wurde er öffentlich an der Pranger des Pfleggerichts gestellt. Dieser befand sich links neben dem Zugang zur Kirchenburg. Ausdrücklich ist erwähnt, dass der Scharfrichter einen Tag zur Ausführung zu benutzen hatte, an dem viele Menschen im Markt waren.
Bevor er aber des Landes auf ewig verwiesen wurde, musste Michael Trembl noch die Urfehde schwören. Mit diesem Schwur versprach Trembl, sich erstens an die Landesverweisung zu halten und keinerlei Vergeltung an den in diesem Prozess handelnden Personen verüben würde.
"Erstbedeuttem Scharpfrichter wegen er Obbesagten Trembel auf den Pranger gestölt, und auß dem Landt gewisen sambt seiner Zöhrung inhalt der Zötl N. 5. richtig gemacht 7 fl 8 xr 2 H;:
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