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Freitag, 26. Mai 2023

Der Kötztinger Pfingstritt: hier das 4. Evangelium

 Seit Mitte des 17. Jahrhunderts finden sich gesicherte Belege darüber, dass -  und teilweise auch wie -  der Pfingstritt früher abgelaufen ist. Viele Details sind auch noch dieselben wie heutzutage, auch wenn manche Exzesse, die früher rund herum um den pfingstritt stattgefunden haben, heutzutage undenkbar geworden sind. Siehe "Der wilde Pfingstritt".

In einer ebenfalls sehr frühen Beschreibung - von 1757 - führt der damalige Pfarrer von Kötzting, Pater Innozenz Mayr,  in einem Schreiben an das Konsistorium aber die wesentlichen Bestandteile dieser Prozession auf.

Hochwürdigster Durchlauchtigster Herzog, der heiligen Römischen Kirchen Cardinal, Gnädigster Fürst und Herr, Herr

Daß zu Kötzting an dem Pfingstmontag , wo nach Steinbühl, einer Filialkirchen daselbst, eine Prozession mit dem Hochwürdigsten Gut, unter Absingung der 4 Evangelien zu Pferd gehalten wird, einer aus den Bürgerssöhnen, so sich dieses Jahr hindurch zum löblichsten aufgeführet, bei dem Zurückweg nach zuvor gehaltenen kurzen geistlichen Sermon ein Kränzlein, so an der Monstranz angehängt ist, um zur willigeren und andächtigeren Begleitung des hochwürdigsten Gutes Anfrischung willen, von altersher mitgeteilt worden, auch dabei gar nichts Unehrbietiges vorbeigehet, hingegen aber abends der Mißbrauch, da derjenige, der das Kränzlein bekommen, eine Braut zum Tanzen erwählet, von den Bürgerssöhnen insgesamt hinfüran will unterlassen werden und die Marktsobrigkeit gute Disziplin gemäß der Polizeiordnung selbigen Abend zu halten anlobt, und versichert, hab ich solches Anersuchen einer löblichen Marktsobrigkeit hiermit attestieren und mich untertänigst empfehlen wollen.

Kötzting den 11. May 1757
P. Innocentiy Mayr Ord. D. Ben. P.t. Prior et Vicariy in Kötzting Capituliy archidecanatis Cambensis

Wir haben hier also die Prozession, die 4 Evangelien, die Auszeichnung mit dem Kranzl und die Pfingsthochzeit. Die ersten drei Teile gehörten eher zum Wohlwollen, aber der letzte zum absoluten Missfallen der Kirche.

Vom Kötztinger Hauptlehrer Josef Bock haben wir eine Bilderserie von Traidersdorf, auf der man - mit vielen Guten Willen das "4. Evangelium" erkennen kann, an dem Ort, an dem es auch heute noch steht.

Foto Josef Bock: Traidersdorf in den 40er Jahren


Wie bei den anderen "Evangelien"-Stellen, so war auch das alte "4. Evangelium" ein schlichtes Kreuz auf einem hohen Steinsockel. Gleich neben dem - ebenfalls neu errichteten - 2. Evangelium auf der Anhöhe bei Wölkersdorf kann man solch ein altes Feldkreuz noch sehen.

Im April 1959 wurde dann von der Gemeinde Traidersdorf dieses Kreuz zum ersten Male erneuert.
Der Entwurf und die Ausführung stammten vom Kötztinger Steinmetz Hofmann.


Hier haben wir nun ein Problem, welches wir bisher noch nicht lösen konnten.
Übereinstimmend berichteten beide Kötztinger Zeitungen von dem Projekt und beide berichteten dieselben Details. Das zu entscheidende Gremium hätte sich für die Ausführung nach dem Entwurf des Kötztinger Steinmetzmeisters Albert Hofmann entschieden.

KÖZ vom 23.4.1959

Noch am Dienstag, den 12.5.1959, weniger als 1 Woche vor der Einweihung fand sich in der Zeitung folgender Hinweis im Vorbericht zu Pfingsten.
KÖZ vom 12.5.1959

Am Dienstag also berichtet die Kötztinger Zeitung von der fleißigen Arbeit des Kötztinger Steinmetzmeisters und am Donnerstag schreibt dieselbe Zeitung über die Arbeiten am Evangelium durch den Künstler Henneberger, der seinen eigenen Entwurf dort umsetze.....

KÖZ vom 14.5.1959






 

Wie vorgesehen, wurde das 4. Evangeliumkreuz am Pfingstsonntag 1959 vom Expositus Wagner - dem Hüter der Pfingstreiterwallfahrt zu Steinbühl - feierlich eingeweiht..... allerdings ein ganz, ganz anderes als ursprünglich geplant..



In der Sammlung des Arbeitskreises Heimatforschung befinden sich einige Seiten, die offensichtlich aus einer - mir bislang unbekannten - handschriftlichen Chronik stammen und dort findet sich auch die Lösung des Rätsels.
 



"Nachdem in den vorausgegangenen drei Jahren bereits die ersten drei Pfingstritt-Evangelienstätten neu gestaltet worden waren, wurde im Frühjahr 1959 an die Planung der 4. Evangelienstätte gegangen. Nach einigen Hin- und Her debattieren kam man überein, dass das neue Evangelium an der gleichen Stelle errichtet werden sollte,. wo das alte stand, nämlich auf dem Grundstück von Bäckermeister Mühlbauer gegenüber dem Sixt-Häusl. Nach einer eingehenden Platzbesichtigung durch Mitglieder des Pfingstrittskommitees, Herrn Bürgermeister Kroher von Kötzting u. Bürgermeister Max Gogeißl von Traidersdorf sowie H. Herrn Expositus , kam man überein, die Planung des neuen Gedenkstätte Herrn Steinmetzmeister Albert Hofmann, Kötzting, zu übertragen. Hofmann hat daraufhin nebenstehende Planung angefertigt, die dann in der Presse veröffentlicht wurde. Nachdem daraufhin von Seiten mehrerer Kötztinger, die sich in die Gestaltung eingeschaltet wissen wollten (Kunstmaler Henneberger als Hauptinitiator), wurde der alte Plan verworfen und an seiner Stelle ein von Kunstmaler Henneberger, Kötzting, entworfener Plan angenommen"


"In Gemeinschafts-Arbeit wurden dann die 4 Evangelienstätte nach dem nebenstehenden Plan von Kunstmaler Henneberger, Kötzting, errichtet, der auch die Gedenkstätte mit einer Intarsienarbeit (Bild Michael als Bekämpfer des Bösen) ausstattete.
Am Pfingstsonntag , 17. Mai 1959 wurde dann die 4. Evangelienstätte von Exp. Gg Wagneer, Steinbühl eingeweiht."




Sammlung Traurig

Bereits im Jahre 1972 war eine erste Renovierung nötig, die noch von August Philipp Henneberger selber - unter Mithilfe eines Münchener Mosaikisten - durchgeführt wurde, wobei Renovierung hier nicht der richtige Ausdruck ist. Henneberger blieb zwar bei dem St. Michaels-Motiv und bei der Ausführung als Mosaik, er gab dem Ganzen aber trotzdem eine neue, modernere Gestaltung.


Auf dem Bild in der KÖZ war es eher nicht der Künstler selber. Hier ist es der Kötztinger August Philipp Henneberger selber bei der Arbeit.

Nachdem im Artikel ausdrücklich betont ist, dass August Philipp Henneberger bereits seit dem
vorherigen Samstag mit dem Mosaik beschäftigt ist, sind die obigen Hinweise auf den Steinmetz Hofmann umso verwirrender.



Der Mosaikist Spindler     aus München





Foto Barth


Auch der angeblich so witterungsbeständige Mörtel bei der zweiten Ausführung erwies sich dann als nicht ganz so frostbeständig wie erwartet, und so musste nun der Künstler Hans Höcherl zu einer teilweisen Restaurierung des Mosaikbildes schreiten.


Hans Höcherl nach der Restaurierung



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