Translate

Montag, 1. Mai 2023

Neuzugänge im Stadtarchiv

 Im Postfach des Stadtarchives Kötzting befand sich heute - 25.4.2023 -ein dickes Briefkuvert von der Staatlichen Bibliothek in Regensburg und der Inhalt hatte es in sich. 
Sehr alte Dokumente - und zwar Originale -  aus dem Pfarrarchiv Wettzell waren darin enthalten.
In den letzten 30 Jahren kam es bereits zwei mal zu  Abgaben von Originalarchivalien aus diesem Pfarrarchiv, und es ist zu vermuten, dass ein früherer Pfarrer von Wettzell sehr, sehr freigiebig mit diesen für uns so wertvollen und unwiederbringlichen Dokumenten umgegangen ist.

Die Nichte einer Frau Ute Kapuste, die in den 60er Jahren in der Universitätsbibliothek Regensburg gearbeitet hatte, überließ zunächst das Material der Staatlichen Bibliothek und diese hatte dann, nach Rücksprache mit der Nichte, das Konvolut  an uns kostenlos weitergegeben.

Darunter befinden sich wunderschön ausgearbeitete sogenannte "Schuldverschreibungen". Die St. Lorenzkirche in Wettzell mit seiner Feldkapelle war gleichzeitig auch die einzige Möglichkeit, sich Geld auszuleihen,  gegen einen festen Zinssatz von üblicherweise 5 Prozent.

Ein  kurzer Vergleich mit der Chronik von Wettzell zeigt, dass wohl die meisten der Beurkundeten auch in der dortigen Häuserchronik zu finden sind.


Deckblatt einer der Urkunden, hier leihen sich im Jahre 1668 Andreas Jungbeck und seine Frau Elisabeth aus Wettzell  - genauer heutzutage die Hausnummer 26 in Trum - 30 Gulden vom Kapitalstock der St. Lorenz Kirche in Wettzell. Die beiden Kirchenprobste waren damals Georg Vöckl und Paulus Pertl. Die Kreditnehmer verpfänden dafür ihre Sölde in Wettzell.

Papiersiegel unter dem obigen Vertrag.
Das Siegel unter diesem Vertrag stammt von "Johann Franz Reittorner von Schölnach, uf Hochenwartt, zu Gravenwisen, Heizlsperg, Wettszehl und Kholbenstain."

Die nächste Urkunde aus dem Jahre 1682 ist von/für Thomas Liebl und Eva - unter Beistandsleistung des Wirtes Georg Rösstners . Sie leihen sich 40 Gulden, mit einer interessanten Umrechnung, dass jeder Gulden Rheinischer Münz fünfzehn Patzen oder 60 Kreuzer wert sei.  Der Kirchenprobst in diesem Jahr war der Schmied Adam Höfer. Auch diese geben als Pfand ihre Erbrechtssölde.
Der Siegler, der Herr von Reithorn, hat nun zu den obigen noch ein paar Titel hinzubekommen. Zusätzlich ist er jetzt auch noch Herr "auf Lauffenbach, Hauzing und Rainting, der chfrtl. Drchlt Bayern p. Pfleger und Castener zu Altennußperg und Lülndten"

Danach folgt die nächste "Schmuckurkunde"



Martin Aigenstetter und seine Frau Barbara - vertreten durch Georg Wolfsberger - erhalten im Jahre 1685  30 Gulden für die sie der Wettzeller "all christgrläubige Seelen Bruderschaft" in Person des verordneten Georg Khern ihren Halben Hof in Wettzelle vermachen.

Dann kommen Andre Stromayr und Barbara aus Wettzell - hier ist der Beistand ein Michael Jungbeck und die Kirchenprobste sind Georg Vogl und der Hofbauer Hans Heigl, beide aus Wettzell. 1689 leihen sich die beiden 50 Gulden und das beliehene Objekt ist auch hier eine Sölde.

Die nächste Urkunde ist für Georg Müller und dessen Frau Maria - der Bärndorfer Veith Streit macht ihren Beistand - und diese leihen sich von der Johannes und Paulus Kapelle bei Wettzell 30 Gulden.
Für diesen Kapitalgeber zeichnen im Jahre 1690 Michael Rabenbauer und Wolf Hartreiter aus Wettzell verantwortlich. Diese besitzen einen "halben Erbrechtshof", den sie als Pfand einsetzen.
Herr Wolf Heinrich Gembl, zusätzlich zu den vorherigen Titeln seines Vorgängers auch noch nun auch noch als "Obrist Kriegscommissarius" bezeichnet


Als nächstes folgt ein Auszug aus einem Briefprotokoll für Wettzell aus dem Jahre 1692, als ein Georg Kopp aus Wettzell und dessen Ehefrau Maria sich 15 Gulden von der Johann und Paulus Kapelle in Wettzell leihen.

Auch hier sind wieder einige weitere Wettzeller Bürger angeführt:
Adam Hammel ist der Beistand der Ehefrau
Michael Rabenbauer und Wolf Hürttreither sind die verordneten Kirchenpröbste und als Zeugen fungierten Hans Six und Andre Pfeffer, alle aus Wettzell.
Protokolliert wurde das ganze im Hofmarksgericht Wettzell, so wie vermutlich auch all die anderen Urkunden, da in Wettzell ja kein amtliches Gebäude existierte.

Sebastian Röhrl - ein adelig Obrist Walserischer Hofmarksuntertan von Wettzell, und seine Frau Maria - unter Beistandsleistung des Wettzeller Georg Schedlbauer - leihen sich 100 Gulden vond er Pfarkirche.
Wilhelm Artmann und Wolf Geiger aus Wettzell sind in jenem Jahr - 1696r -  die Kirchenpröbste.
Das beliehene Objekt ist ein Erbrechtshof und, wie im Urkundenkopf bereits angedeutet, ist der Further Grenzhauptmann und Pfleger Johann Baptist Walser von Syrenburg der neue Grundherr und damit haben wir das nächste Papiersiegel.

Siegelabdruck des Obristleutnants Walser von Syrenburg



Als nächstes folgt ein Auszug aus einem Briefprotokoll für Wettzell aus dem Jahre 1745.


"Extract aus dem Briefs Prothocoll des Hofmachs Gerichts Wezzell so Vor= und Einkhommen dem 4. 8bris anno 1745
Schuldbrief per 30 fl
Sebastian Jungbeck und seine Frau Walburga, beide aus Wettzell, sind die nächsten Schuldner.
Das Geld hatte bereits vorher Johann Jungbeck aufgenommen - und vermutlich haben wir hier eine Besitzerfolge von Andreas auf Johann und weiter auf Sebastian Jungbeck, da es durchaus üblich war, im Zusammenhang mit Hofübergaben anschließend auch die Grundschulden umschreiben zu lassen und eben nicht zurückzuzahlen.
Hier siegelt nun ein Hofmarksverwalter:
Johann Balthasar Scheich, Verwalter.

Andre Haffner, ein Söldner aus Wettzell, und Maria seine Ehefrau bekommen eine Schulurkunde im Jahre 1768 ausgestellt. der Kreditgeber ist erneut die St. Lorenzkirche Wettzell und die Kirchenpröbste sind der Schmied Ander Pfeiffer et cons. 40 Gulden erhalten sie und in diesem Jahr hat eine "hochwohlgeborene Frau Maria Franziska von Rasco, eine geborene von Zieglern auf Tittling, Träxlried und Wettzell
Die Siegelzeugen waren der "Leibthumer" Johann Artmann und der Söldner Florian Artmann, beide aus Wettzell. Das Papiersiegel hat sich nicht sehr gut erhalten, aber dennoch, der Vollständigkeit halber, die das Wappen derer von Rasco.




Das nächste Dokument ist ein unglaubliches Schmankerl, welches ich in dieser Form und aus dieser Zeit noch nirgends gesehen habe.  Eine Art von genauer Buchführung über den tatsächlich betriebenen Aufwand bei der Bestellung von Ackerflächen für die unterschiedlichsten Feldfrüchte, angefangen bei "polnischen Erdäpfeln", über Getreide, Flachs und Rüben.
Weil von Widtumsgrundstücken die Rede ist und an einer anderen Stelle von einem "Herrn Vorgänger" geschrieben wird, kann man mit Sicherheit davon ausgehen, dass der Wettzeller Pfarrer der Verfasser gewesen ist. 
Der kleingefaltete Zettel trägt keine Jahreszahl, ich schätze ihn aber auf den Zeitraum gegen Ende des 18. Jahrhunderts ein.
Hier der Beginn dieses Kleinods.

"Kurze Saaten=Berechnung
Erdäpfel=Fang

So genannte Pollnische oder Sau=Erdäpfel habe ich erhalten 2 Fahrtl. jedes mit 2 Brettern so aber nach Aussage meines Oberknechts Jakob Hackl gar nicht gedüngt worden ist, und nur einmal geackert.
Essbare Erdäpfl habe ich erhalten 3 Fahrtl jedes mit 4 Brettern, zu diesen wurden 7 Fahrtl dunget hingeführet, und vor eben diesen 7 Fahrtln wurde auch zu gleich das Feld gedunget, so der Sommerwaiz, aus welchen gar nichts brauchbares geworden ist, gedunget. Zu diesen Erdöpfeln wurde auch zweimal geackert.
Und angebrachte Dunget überhaupts

Ins Winter Korn und Waizen Feld wurden 45 bis 48 Färtln geführet: In dem Sommerkorn Acker 5 Fahrtl: Zum eßbarn Erdapfel und Sommerwaiz 7 Fahrtl: in das neu angebaute Kleefeld (
Dies kann ein Hinweis seinauf das Ende des 18. Jahrhunderts sein) 5 Fahrtl: Ins Krautfeld 6 Fahrtln macht in allem aus 68 Färtln.

Täge den dunget auszeführen:

Der Dunget ins Winterfeld zu führen wurden gebraucht   2 1/2 oder 3 Tage
Das Erdäüfelfeld, Sommerkorn und Waiz und Krautfeld zu dungen   1 Tag
Das neu angebaute Kleefeld zu dungen brauchte man                      1/2 Tag
Tage also den Dunget auszuführen wurden in allen gebraucht 4 biß 4 1/2 Tage

Täge zum Ackern".....
Vier kleingeschriebene Seite voll listet der Pfarrer im Detail alle seine Aufwände an Material und Leistungen auf, die er in einer Erntesaison hatte durchführen.


Am Ende des Dokumentenstapels befand sich noch ein Fragment einer fast vollständigen Kirchenrechnung der Pfarrei Wettzell aus dem Jahre 1750 einschließlich der Kapelle Johannes und Paulus.
Rechnung
Über die würdtige St.
Johann et Pauli Capelln ufm Feldt
negst Wettzell, Vorsteher dessen Christof Schedlpaur alda seines Einnemben und Ausgebens halber von Georgi anno 1750 bis solche Zeit anno 1751

1750

Bei diesen Beurkunden finden sich nicht nur viele Namen von früheren wettzeller Bauern sondern es es lässt sich auch recht gut verfolgen, wie häufig die kleine Hofmark Wettzell alleine innerhalb dieser Zeitspanne, die die Dokumente überbrücken, die Grundherrschaft gewechselt hatte. 
Einen kleinen Überblick über die wechselvolle Geschichte Wettzells und vor allem auch mit einem Ausflug zum Pfarrarchiv Wettzell gibt der Blog zur 900 Jahr-Feier Wettzells.

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Wenn du auf meinem Blog kommentierst, werden die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.