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Mittwoch, 10. Juni 2020

Kötztinger Häuserchronik - Hausnummer 4 -

Das "alte Kötzting" bei der Uraufnahme bei der beginnenden Landvermessung hatte 159 Anwesen.
Der Geschichte dieser Bürgerhäuser und ihrer Bewohner nachzuspüren und sie zu dokumentieren ist das Ziel dieser Häuserchronik.
Die Anfänge und die Entwicklung unserer Heimatstadt können von der Teilung der Urhöfe bis hin zur Auswahl als Landgerichtsort in einem einleitenden Blog nachgelesen werden.

Serwuschok Luftaufnahmen Nr. 142 von 1956
Das kleine schräg angeschnittene Gebäude, halb in der Hofeinfahrt des Amberger Hofes, ist das
Haus mit der historischen Hausnummer 4
Ausschnitt aus der Uraufnahme Kötztings von 1832 aus "Kötzting 1085-1985"

Anders als bei dem Haus mit der Plannummer 2, welches ja eine Abspaltung des Pachmayranwesens  (Nummer 3) gewesen ist, ist es hier umgekehrt. Das Anwesen wurde später zum Komplex des "Amberger Hofes" hinzugekauft.
Bei diesem Haus haben wir nur eine sehr kleine Überlieferung, die es schwierig macht, die Besitzabfolge festzuhalten.

Die wesentlichen Dokumente, die uns Sicherheit geben, beim "richtigen" Haus zu forschen, sind einmal ein Verkaufsbrief des Hauses und, Jahre später, ein Verkaufsbrief des Nachbaranwesens, die sich in beiden Fällen auf die "richtigen Nachnarb" beziehen.
Dies ist die Schwierigkeit bei den früheren Lagebeschreibungen, es gibt ja noch keine Pläne, die einzelnen Anwesen werden durch die Namen der Nachbarn beschrieben.



Mühlbauer Peter


1646 in einer Schuldverschreibung bei der Pfarrkirche Kötzting genannt als Hausbesitzer zwischen Pachmayr und Rossmann bei der St. Veitskapelle. 



Die Lage unseres Hauses wird 1700 beschrieben als zwischen " des Andre Pachmayr Erben (3) und des Herrn Wolfgang Perninger, des Rats (4), Heusern liegend"
1705, als das Pachmayranwesen übergeben wird, heißt es dort: es übergibt die Witwe Maria das Marktlehen zwischen der "Schmidtstatt am obern Tor und Parellischen Häusl" (Hausnummer 4) entlegen dem Sohn Mathias Pachmayr.
Zur Erinnerung: 1705 geb es das Haus der heutigen Bäckerei Liebl noch nciht als eigenständiges Haus und die "obere Schmiede", heutzutage Kuglmeierschmiede, lag noch innerhalb des Marktes.
Die Reihenfolge der Häuser war also, beginnend mit dem Chamauer Tor im Jahre 1705:
Tor - Schmiede - Ander Pachmayr - Parella - Perninger

Nur mit solchen "Namensketten" ist es in einigen Fällen möglich, einzelne Anwesen bei unklarer Datenlage dann doch noch zu lokalisieren.
Durch diesen Kaufbrief von 1700 kennen wir die Vorbesitzer, nämlich die Eltern der Witwe Parella mit dem Namen Pennfelder.

Konrad Pennfelder und Eva



Mit diesem Wissen können wir die Hausbesitzerin "Pennfeldterin" aus einer Bürgerliste von 1688
festhalten. Eine Suche in den Pfarrmatrikeln kann uns zumindest die Familie Pennfelder ergänzen.

Im Jahre 1648 tauchender Schneider Konrad Pennfelder und seine Frau Eva Mühlbauer als Eltern zum ersten Mal in den Kötztinger Akten auf.
Sie haben 5 Kinder von 1651-1661, und die mittlere Tochter Maria wird 1699 den Kötztinger Bäcker Georg Parella (spätere Bäckerei Graßl) heiraten.
Kornrad stirbt im Jahr 1683. Der Witwe Eva Pennfelder wird von seiten des Marktes Kötzting im Jahre 1686 das Melbeln erlaubt, also der Handel mit Mehl, sie lebt noch einige Jahre länger als ihr Mann und verstirbt 1695. Das Haus erbt ihre Tochter, die verheiratete Bäckerin

Maria Parella 


StA Landshut Briefprotokolle Kötzting Band P2 vom 27.5.1700
Kaufbrief per 100 fl
Maria, Hansen Parellers burgers und Pöckhens alhir, Eheweib auf Beistandslaistung gemelt
Ihres Ehemanns bekhennt und verkaufft....

Marie verkauft das von ihrem Vater Conrad Pennfelder und der Mutter Eva geerbte Haus. Von  ihrem eigentliche Miterben, ihrem Bruder Hans Bartholomaeus wise sie nicht ob dieser überhaupt noch leben würde.
Sie verkauft das Haus nun an ihre Schwiegermutter

Katharina Parella, 



Witwe des Hans um 100 Gulden. Eigentlich müsste das Pareller Ehepaar der Mutter resp. Schwiegermutter die lebenslange Herberge gewähren. Dies wird hiermit aufgehoben, und bei der Gelegenheit sind auch ihre (der Mutter) restlichen Kinder genannt: Affra, Hans und Katharina Pareller.
Im Jahre 1704 stirbt die Witwe Katharina und drei ihrer anderen Kinder werden nun die Erben, Affra, Katharina und Hans Georg.

Katharina, Affra und Hans Georg Parella


In Zeiten des Spanischen Erbfolgekriegs, als viele Kötztinger Bürger Probleme hatten, ihre Steuern aufzubringen, finden wir Affra Parella in den Kötztinger Rechnungsbüchern, als sie einen Steuernachlass gewährt bekommen hatte.
Hans Georg Parella wird Bäcker auf dem Anwesen seiner Schwester und die beiden Schwestern Affra und Katharina bleiben auf dem Haus.
Als dann 1731 auch die Schwester Katharina stirbt, verkaufen die verbliebenen Geschwister Affra und Hans Georg das Haus, gelegen zwischen "Hans Georg Pachmayr und dem Landtlieutnant Gründls" Häusern, an den verbürgerten Tagwerker Heinrich Prändtl um 123 Gulden.
StALA Briefprotokolle Kötzting P 11
Kaufsbeschreibung umb ain Heusl per 123 Gulden Kauffschilling dan 1 fl gleich bezahlten Leykauf

Die Reihenfolge der Häuser war also, beginnend mit dem Chamauer Tor im Jahre 1732:
Tor - Schmiede - Hans Georg Pachmayr - Prändtl - Gründl


Affra Parella wird noch die freie Herberge "in dem hinteren Stibl" auf Lebenszeit (verstirbt 1736) zugestanden und auch zwei Hühner soll sie sich halten dürfen. Sollten sich die Verkäuferin und der Käufer nicht vertragen, so müsse der Käufer ihr 3 Gulden pro Jahr dafür geben, dass sie sich anderswo eine Herberge suchen könne.


Heinrich Prändtl


Heinrich Prändtl bezahlt 1732 für der Kötztinger Bürggerrecht 7 Gulden und taucht auch 1739 mit einem "Jahresschilling" in den Marktrechnungen auf.  Ein Kind nur findet sich in den Taufmatrikeln, das seine Frau Maria in Kötzting bekommt.
1736 verkauft das Präntlehepaar das Haus "zwischen Hans Georg Pachmayr und der Gründlin Witwe" um 140 Gulden an

Martin und Elisabeth Dirnberger

Die freie Herberge für Affra Parella wird im neuen Kaufvertrag mit übernommen.
Elisabeth Dirnberger ist eine Tochter des Kötztinger Widtenhofbauers Georg Gräll und bringt 80 Gulden mit in die Ehe.
Nach dem Tode ihres Mannes (1764) bittet die Witwe den Magistrat im März, dass das, durch ihren Heiratsbrief vom am 17.11.1740,  ihr zugefallene Haus auch wirklich von der Behörde bestätigt wird. Dies geschieht, und wenige Monat später verkauft Elisabeth Dirnberger, Witwe des Martin, das "Häusl zwischen Johann Mickhl Schneider und Egidius Fischer Schreinermeisters entlegen"
an den Drechlser Johann Baptist Kämmerl und dessen Frau Maria Anna, "sambt einem zum Häusl gehörenden Gärttl oder Wiessfleckl unweith dem lünckhen Seigen Brun situiert" um 200 Gulden.



Johann Kämmerl und Maria Anna

Kämme(r)l Johann hatte 1761 seine Braut Maria Anna, Tochter des Kötztinger Händlers Friedrich Loderer geheiratet. Nun, 3 Jahre später, konnte er sich in einem eigenen Haus niederlassen.
Im selben Jahre finden wir ihn auch mit seinen Drechslerwaren in den Marktrechnungen; "hat im Rathaus zum Aufzug 2 Walzen und 1 Rädl und zu der Rathausglocken auch ain Walzen und ein Stifftl gemacht. In ihrem Heiratsvertrag von 1765 wird ausdrücklich erwähnt, dass sie das Haus von ihren eigenen Ersparnissen gekauft hatten.


Im Kötztinger Häuser- und Rustikalsteuer-Kataster von 1811 ist Maria Kämmerl die Besitzerin.
In einer Liste der Bürger, die beim Markt verschuldet waren, von 1810 wird Anna Kämmerl als Besitzerin aufgeführt.
1840 im Liquidationsprotokoll des Marktes Kötzting sind es die "Maria Kämmerlschen Relikten". Der Hausname wird mit Kämmerl angegeben und auch auf die Vorbesitzer Martin Dirnberger wird verwiesen.



1853 und 1860 Fink Theres
1867 Brunnhofer Wolfgang
Rep 164-8 Nr. 1570 Schaden des Wolfgang Brunnhofer inkl. seiner Unterschrift
Wolfgang Brunnhofer hatte Glück bei dem Brande, er erlitt nur durch die Löschversuche Schaden an seinem Schindeldach.



1879 Millitz Franz und Rosina Metzgerseheleute
1879 Rückkauf durch Brunnhofer Wolfgang

Baupläne Kötzting Nr. 3175 von 1887
Der Nachbar Diermeier baut und als Hausbesitzer auf der 4
ist Wolfgang Brunnhofer angegeben




1889 Kraus Georg
Baupläne Kötzting Nr. 3246 von 1892
Das historischen Häuser mit der Nummer 4 ist hier bereits in Besitz des Georg Kraus. So dass sich zwischen diesem und der Veitskirche nur noch ein Anwesen befindet, das des Kaminkehrers Diermeier, in dem wohl die beiden Anwesen mit der Nummer 5 und 6 aufgegangen sind.


AKH Diarepro 1741 



1894 Stoiber Maria, Tochter des Georg Kraus
1898 Jobst Josef und Theres, eine Tochter von Georg Kraus                   
1915 Jobst Therese

1930 war die Allgemeine Ortskrankenkasse der eingetragene Besitzer
Die AOK hatte ihr Büro ab 1928 in der (alten) Torstraße 4 (nicht zu verwechseln mit der heutigen Torstraße 4) Bis in die 50er Jahre hinein hatten die Kötztinger zwar Straßennamen und Hausnummer, aber es war eine Mischung. Die Nummern waren die alten Plannummern und die Straßennamen waren hinzugekommen.

Im Mai 1945, ergab sich die 11. Deutsche Panzerdivision den US Streitkräften und wurden vertragsgemäß bis 4 Wochen nach Kriegsende in den Raum Kötzting und Umgebung eingewiesen.
Die Division hatte ihr eigenes (bewaffnetes) Wachpersonal und der General Wend von Wietersheim schmiss kurzerhand die AOK aus ihren Räumen und zog dort mit seinem Stab ein.
Bevor ich diese Information gefunden hatte, habe ich lange gerätselt, warum der gehbehinderte General seinen letzten Appell auf der schrägen Spitziwiese abgehalten hatte. Nun ist klar, er ließ seine Männer aufmarschieren, ging raus aus seinem Büro und beim Spitzi durch den Hof und konnte unterhalb des Raithstadels dann seine Männer verabschieden.


Abschlussappell des Generals Wend von Wietersheim Ende Mai/Anfang Juni auf der Wiese hinter seinem Büro

Auf dieser Lufbildaufnahme von Mitte der 50er Jahre erkennt man diese Situation:
Der Raithstadel und unterhalb des Zeltendorfer Wegs, die Spitziwiese






Abschluss Häuserchronik Hausnummer 4




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