Das Kötztinger Rathaus, vorher das Landratsamt und noch weiter zurück das sogenannte Bezirksamt, war nicht nur eine Behörde, sondern damals gleichzeitig auch die Wohnung des jeweiligen Behördenchefs. Zu der Dienstwohnung des Bezirksamtmannes gehörte auch eine umfangreiche Gartenanlage zur damals selbstverständlichen Selbstversorgung mit Obst und Gemüse.
In der Nacht vom 18. zum 19. Dezember 1911 kommt es durch einen Kaminbrand zur Katastrophe. Das Bezirksamt brennt vollständig aus und nur die Akten können unter Lebensgefahr gerettet werden.
Großbrand in der Herrenstraße: das Bezirksamt brennt
Herr Bezirksamtmann von Fuchs schrieb in seinem Bericht an seine vorgesetzte Behörde von der Brandnacht:
Ich selbst habe von dem Brand, obwohl ich mich am Abend von 9 1/2 Uhr bis ca. 12 Uhr in dem Zimmer, ober welchem es bereits gebrannt haben mußte, befand, nicht das Mindeste wahrgenommen. Wurde hierauf erst durch den Feuerlärm um 12 Uhr nachts aufmerksam...
StA Landshut Bezirksamt-Landratsamt Kötzting Rep 164-8 Nr. 2005
In einem Erklärungsversuch für die Brandursache spricht er von "dieser geradezu unglaublichen Feuerunsicherheit" des Gebäudes, welche die Katastrophe nicht verwunderlich machen würde.
In diesem Schreiben lobt er auch die Hilfe beim Ausräumen des Gebäudes und Sichern der Akten, die vor allem vom Lehrer Schwanzer unter Lebensgefahr durchgeführt worden war und welchen er zur Belobigung vorschlägt.
Seine Registratur verlegt er in zwei leere Schulsäle im alten Schulhaus.
StA Landshut Bezirksamt-Landratsamt Kötzting Rep 164-8 Nr. 2005
Der Lemberger Saal wird wohl im Fasching 1912 nicht zur Verfügung gestanden sein.
Die Mühlen der Behörden mahlen langsam, dies umso mehr, als der Betrieb des Bezirksamtes ja durch die Rettung der Akten und die Anmietung beim Lemberger anscheinend reibungslos weitergeführt werden konnte.
Das königliche Landbauamt in Straubing erstellte einen Plan, und beide Kollegien des Magistrates - damals gab es neben dem Marktrat auch noch das der Gemeindebevollmächtigten - erhoben Einspruch gegen die Bauweise, was das Bauamt wiederum veranlasste, sich zum Architektenentwurf zu äußern und die Ideen, die dahinter steckten, zu erläutern.
Zuerst die Einwände der Magistratskollegien vom Februar 1912:
StA Landshut Rep 164/8 BZA/LRA Kötzting Nr. 2005 |
Nach gemachter Wahrnehmung soll das neue Bezirksamtsge-bäude dahier nicht wie all-gemein angenommen wird, der ganzen Herrenstrassenfront entlang, sondern als Flügelbau im jetzigen Garten ziemlich abseits zu stehen kommen.
Das neue Gebäude käme sonach hinter der unschönen und herabgekommenen Wirtschaft des Michl Röhrl zustehen und würde der Neubau naturgemäß hinter
"diesem Gebäude im Ansehen bedeutend einbüssen.
"diesem Gebäude im Ansehen bedeutend einbüssen.
Auch die Lichtverhältnisse würden bei der geplanten Bauweise bedeutend herabgesetzt, da es ziemlich nahe an die Röhrlsche Wirtschaft kommen würde.
Die Herrenstrasse ist eine der schönsten Strassen des Marktes und mündet in di ebenfalls schöne gerade Gehringstrasse ein.
Ein Weiterer Grund dürfte auch darin zu sehen sein, daß auf dem Röhrlschen Anwesen eine rege Gastwirtschaft betrieben wird, welche nach unserer Ansicht unbedingt eine Störung des Amtsbetriebes herbeiführen müßte.
Auch der Bezirksamtsgarten käme mit der geplanten Bauweise an die Nordostseite zu liegen und würde als solcher nahezu wertlos.
Vom unterfertigten Magistrate kann deshalb der Ankauf der Röhrlschen Gastwirtschaft im Interesse der Gemeinde nur begrüßt werden und wird gebeten dieser Angelegenheit näher zu treten
An das k. Landbauamt stellen wir die Bitte unser Gesuch zu würdigen, zu begutachten und der vorgesetzten Stelle unterbreiten zu wollen."
Einschub
Aus diesem geplanten Ankauf des "Röhrlschen Gasthauses" (=Klosterschmiede und später die Metzgerei Haushofer und Schoierer) wurde im Jahre 1912 bekanntermaßen nichts. 110 Jahre später kommt die Stadt einer städtebaulichen Lösung nun näher, da dieser Komplex nun in Besitz der Stadt Bad Kötzting sich befindet.
Einschub Ende
Wir gestatten uns zur besseren Übersicht 2 Planskizzen mit vorzulegen
Magistrat und Gemeindekollegium Kötzting
Der Bürgermeister Der Vorstand
Wensauer Jannek
Leider sind die beiden, oben angesprochenen, Skizzen nicht mehr im Stadtarchiv, vermutlich wurden sie nicht als bedeutend angesehen, da sie nicht realisiert wurden.
Der Knackpunkt damals war, dass der Markt Kötzting offensichtlich wollte, dass das neue Gebäude nicht nur sich längs der Herrenstraße erstrecken UND bis nach vorne an die Baulinie der anderen Gebäude rücken sollte und nicht, wie vorher und jetzt immer noch, im rechten Winkel dazu stehend und den Raum öffnend.
Das Bauamt bittet in dem Schreiben nun den Bezirksamtmann auf den Magistrat dahingehend einzuwirken, dass dieser seinen Einspruch (Erinnerung genannt) zurücknimmt.
Das Bauamt bittet in dem Schreiben nun den Bezirksamtmann auf den Magistrat dahingehend einzuwirken, dass dieser seinen Einspruch (Erinnerung genannt) zurücknimmt.
Es hat den Anschein - den Erstentwurf kennen wir nicht - , dass das neue Gebäude zwar etwas nach vorne gerückt wurde, aber nicht ganz so weit, wie vom Magistrat gewünscht, aber die Flucht nicht entlang der Herrenstraße geplant worden ist.
StA Landshut Rep 164-8 BZA/LRA Kötzting Nr. 2006 von 1912-1913 |
Zum Vergleich, die Situation, wie sie seit der Übernahme des alten Priorats und der Verwendung als Landgerichtsgebäude ausgesehen hat.
StA Landshut Rep 164-8 BZA/LRA Kötzting Nr. 2007 von 1848 |
Vergleicht man die beiden Pläne, so bleibt die Ausrichtung in der Ost-West Achse und gleichzeitig wird der Neubau in Richtung zur Straße und gegen das Röhrlsche Wirtshaus hin verschoben.
Hier noch eine Kleinigkeit aus den Abbrucharbeiten: Die Sicherstellung eines Glockenzuges aus der Brandruine durch den Mauerer Kirschbauer. |
Hier der Mietvertrag, abgeschlossen bis zum 1.September 1914, zwischen dem Bezirksamt, hier vertreten durch den BZA-Mann von Fuchs, und Franz Mühlbauer |
In den Jahren 1913 und 1914 schritt man dann zum Neubau, und gegen Ende des Jahres 1913 konnte man dann auch schon mal überlegen, wie den die Außenanlagen aussehen sollten.
StA Bad Kötzting 631-97 Gartenplan Bezirksamtsgebäude vom 26.10. 1913 |
Ich schrieb an die Kollegen im Stadtarchiv Deggendorf und erhielt postwendend die Lösung:
"Im Adress- und Geschäftshandbuch Deggendorfs von 1911 ist ein Karl Grill, Kreisobstbauwanderlehrer, Angermühle 457 gelistet. Dieser dürfte Urheber des bei Ihnen verwahrten Pflanzplanes gewesen sein."
Auf der Seite in Richtung Regenfluss gab es zuerst eine kleine Böschung mit anschließendem Quergefälle.
Es hat den Anschein, als wären die beiden Böschungen mit Gras bewachsen zur Stabilisierung.
Auf die Böschungskrone an der Röhrlseite kommt eine Hecke aus Philadelphus coronarius, also aus dem duftende Bauernjasmin.
Entlang dieser Hecke und danach auffächernd hinein in den Gemüsegarten führen Gartenwege, die sich zentral innerhalb der Beete zu einem kleinen Platz mit Wassergrand ausweiten, der im Schatten eines Birnbaumes zu stehen kam.
Während sich heutzutage das gesamte Areal rundherum um unser Rathaus sich in einer Ebene befindet - mit Mauern gegen die Nachbarn abgestützt, war es damals noch anders.
Zum Röhrlschen Gasthaus hin wurde der Höhenunterschied von 1.30 Meter durch eine 2 Meter tiefe Böschung überbrückt und das Oberflächenwasser durch eine Betonrinne abgeleitet. |
Auf der Seite in Richtung Regenfluss gab es zuerst eine kleine Böschung mit anschließendem Quergefälle.
Hier der private Gartenteil des Bezirksamtmannes, heutzutage ein Parkplatz |
Auf die Böschungskrone an der Röhrlseite kommt eine Hecke aus Philadelphus coronarius, also aus dem duftende Bauernjasmin.
Entlang dieser Hecke und danach auffächernd hinein in den Gemüsegarten führen Gartenwege, die sich zentral innerhalb der Beete zu einem kleinen Platz mit Wassergrand ausweiten, der im Schatten eines Birnbaumes zu stehen kam.
Eingelagert in die Jasminhecke und wegbegleitend finden wir weitere Obstbäume, ausgebildet als Hochstämme:
Apfelbäume: Gravensteiner - Schöner von Nordhausen - Baumanns Reignette- Klarapfel
Gute Louise (Birne)
Gute Louise (Birne)
Hauszwetschge
Sauerkirsche
Sauerkirsche
Quitte
Nussbaum
Das ganze Sortiment an Obstbäumen ist vorhanden.
Die Gemüseflächen sind umzäunt von unzähligen Johannisbeer- und Stachelbeersträuchern
Für Rhabarber, Spargel und Erdbeeren sind feste Flächen vorgesehen und ansonsten ist viel Platz für Gemüse.
An der Stelle, an der wir heutzutage in den Parkplatz des Rathauses einfahren, sicherte eine Thujenhecke vor neugierigen Blicken.
Ganz anders ist die Situation an der Straßenseite:
Hier kommt eher eine symmetrische und geometrische Flächenaufteilung zum Tragen die bestimmt wird von 4 Buchspyramiden an den Ecken des Beetes.
Zentral in dem Beet ist eine runde Fläche mit Sommerblumen, flankiert von Rosenstämmchen.
Weiter finden wir Mandelbäumchen, Pfingstrosen und Schmetterlingsflieder.
An der Mauer verblieben wohl Reste von "verschiedenen Sträuchern und Hollunder"
Nun kommt der Teil der Außenanlage, auf dem der Publikumsverkehr stattfindet und zentral steht zuerst einmal großer Kastanienbaum.
An der Mauer verblieben wohl Reste von "verschiedenen Sträuchern und Hollunder"
Nun kommt der Teil der Außenanlage, auf dem der Publikumsverkehr stattfindet und zentral steht zuerst einmal großer Kastanienbaum.
An der Südfront des Nebengebäudes - später eine Garage, nun der Anbau am Rathaus, der im Untergeschoss die KFZ-Abteilung des Landratsamtes Cham beheimatet, sollen Spalierbäume gepflanzt werden. Davor kommen in Zweierreihe zuerst erneut gefüllter Flieder und Bauernjasmin und davor dann die Zierquitten. Chaenomeles (hier Cydonia) japonica.
Auch hier finden sich wieder Obstbäume, vermutlich durch den stärker geschützten Hofraum hier eher die wärmeliebenden Birnen.
Hofratsbirne
Diels Butterbirne
Köstliche aus Charneaux
und noch ein Apfel: Schöner aus Boskoop
An der Grenze hin zum Amtsgericht findet sich dann als Abschluss eine gemischte Blütenhecke aus Lonicera (Heckenkirsche) Forsythia, Jasmin und Hollunder
und noch ein Apfel: Schöner aus Boskoop
An der Grenze hin zum Amtsgericht findet sich dann als Abschluss eine gemischte Blütenhecke aus Lonicera (Heckenkirsche) Forsythia, Jasmin und Hollunder
Den repräsentativen Eingansrahmen an der Straßenmauer, bei der Tür und beim Tor, bilden drei Pyramideneichen.
Hier zum Abschluss noch einmal der Gesamtplan.
Eine unversiegelte, grüne Oase in der Herrenstraße |
Es ist nicht ersichtlich, ob der Gartenplan je genau so ausgeführt wurde, aber man kann gut die verschiedenen Nutzungsbereiche der Außenanlage erkennen, zu einer Zeit, als man sich keine Gedanken über Parkplätze machen musste.
Zumindest in dieser Hinsicht eine "Schöne Alte Zeit"
In den "Ostbayerischen Grenzmarken" von 1912 erschien eine kleine Notiz, die uns noch einen kleinen Blick zurück in die Zeit vor dem Brand gibt.
Beim Abbruch wurden Wandmalereien gefunden, die auf die Zeit verweist, als das Gebäude noch ein Priorat gewesen war.
Beim Abbruch wurden Wandmalereien gefunden, die auf die Zeit verweist, als das Gebäude noch ein Priorat gewesen war.
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