Translate

Samstag, 5. Februar 2022

Kötztinger Strafprozesse - Verdacht auf Diebstahl

Hier nun ein weiterer Beitrag zum Thema Kötztinger Strafprozesse.


Näheres zum Kötztinger Amtshaus, dem Gefängnis und auch Wohnhaus des Amtmannes, also des Schergen, kann hier nachgelesen werden.


StA Landshut Kurbayern Hofkammer Ämterrechnungen: hier Pfleggerichtsrechnung Kötzting von 1590

Ausgab auf gefangene Malefiz Personen

Um die manchmal komplizierten Abläufe bei der "Verhaftung - Überstellung - "Wahrheitsfindung" - Urteilsverkündung Strafausübung" besser zu verstehen, ist eine allgemeine Einführung und ein Überblick über die bei uns relevanten Herrschaftsstrukturen vor dem beginn des 19. Jahrhunderts  sicherlich von Vorteil. >>>>>>>>>> hier geht's zum Überblick über die Niedere und Hohe Gerichtsbarkeit.
Bei all den Gerichtsverfahren sind die Prozessakten selber bereits vor Jahrhunderten vernichtet worden, ABER die Kosten, die solch ein Prozess verursacht hat, sind in den Pfleggerichtsrechnungen genauestens aufgedröselt und - ein Finanzamt vergisst nichts - über all die Jahrhunderte aufbewahrt worden, teilweise sogar die Zweit- und Drittschriften.

Nun also ein weiterer  "Malefizprozesse", also eine Verhandlung, über Menschen, die laut der vorherrschenden Meinung, "Bösewichter" gewesen waren. Um diese Verhandlungen führen zu dürfen, benötigte der jeweilige Richter die "Hohe Gerichtsbarkeit". Nichts desto trotz wurden die Verhandlungen, die Befragungsergebnisse und die Urteile in enger Abstimmung mit der Regierung in Straubing durchgeführt und protokolliert.


Wir sind im Jahr 1590 und die Herrschaft Runding ist nicht mehr - und auch noch nicht wieder - in Besitz der Nothafft, sondern in den Händen derer "von Eyb".  Es geht um einen Verdacht des Diebstahls von 37 Gulden, einer Summe also, bei der nicht mehr in der untersten Instanz verhandelt werden kann.
(Einen Gulden in dieser frühen Zeit kann man sicher mit einer Höhe heutzutage von 100-200 Euro gleichsetzen.)
Wegen der außergewöhnlichen Schadenssumme ist nun das Pfleggericht Kötzting zuständig und die Delinquenten, zwei Frauen aus Enzenberg und Tretting, werden dem Kötztinger Amtmann am "Niesasserpach" übergeben, dies ist vermutlich eine der Übergabestellen zwischen der Hofmark Lichtenegg - als Teil der Herrschaft Runding - und dem Pfleggericht Kötzting. 

Wie immer in den Prozesseintragungen in den Rechnungsbüchern, kommt zuerst eine Zusammenfassung des ganzen Vorgangs und anschließend werden die diversen Ausgabenposten aufgelistet.   

Hier also die Geschichte von der Verhaftung bis zur Bestrafung in Kurzform und in der Originalsprache:

"Waldtburg Prielpeckhin gewesten Schuechmachers zu Enzenperg Eybischen Underthonen töchterl, auch Barbara Schmuckhers von Tretting, welche durch des von Eyb Pflegern Pösn Verdachts und begangenen öffentlichen Diebstals halber in der Hofmarch Zenching zuverhafft genommen, von gemelter Hofmarch herauß auf Zenching und Niesasserpach in das Landtgericht geanttwortt. Volgents die Prielpeckhin, weilen sie noch ain junges Maidl auf Frtl. Bevelch durch den Ambtman drei Tag nacheinander Im Ambthaus ain Produkten abhauen(?) und der Venckhnus wider erlassen, die Schmuckhern aber wegen Ires Diebstals und begangnen Ehepruchs, auf den Pranger gestellt, mit dem Peckh ausgepauckht(?) und ir das Fürstentumb Bayern zu ewigen Zeiten verpotten worden."

 Walburga wurde also wegen ihres jungen Alters nach drei Tagen vorzeitig entlassen, Barbara Schmucker aber, wurde öffentlich an den pfleggerichtischen Pranger - gleich vor der Kirchenburg, links neben der Eingangsbrücke - zur Schau gestellt und "mit dem Peckh ausgepauckht". Trotz längerer Suche, habe ich dieses Detail ihrer, vermutlich, körperlichen Züchtigung noch nicht entziffern können.
Anschließend wurde sie an die Landgerichtsgrenze Richtung Böhmen gebracht und ihrem weiteren Schicksal überlassen, welches natürlich alles andere als rosig war, denn Landstreicherei und Bettelei waren auch in den böhmischen Landen verboten.

Nun also der genauere Ablauf:
1. Es kommt ein Bote mit einem Brief des Pflegers von Runding beim Landrichter an, dieser möge die beiden verhafteten Frauen abholen lassen.  
2. Am 26.6 1590 holt der Kötztinger Amtmann - zusammen mit "Belaittsleutten" - "beede Weibspersonen"  am oben genannten Übergabepunkt am Niesassener Bach ab. Er wird für diese Leistung entsprechend seiner Gebührenordnung entlohnt, seine Begleiter erhalten ein Trinkgeld.
3. Die Rechnung ist in "Ich-Form" geschrieben, weshalb klar ist, dass der Pflegrichter höchstpersönlich bei der "strengen Frag", also der Folter, am 27.6. anwesend gewesen war. 
Hier kommt nun auch das Vergehen zur Sprache, 37 Gulden sollen die beiden beim Höchbauern gestohlen haben. Zuerst werden dem Mädchen die Daumenschrauben angezogen um zu erfahren, wer "Hilf und Anweisung " zu diesem Diebstahl gegeben hätte und wohin sie das Diebesgut gebracht hätten. Bei der "strengen" Befragung der Barbara Schmucker  geht es auch darum. wie sich die beiden Frauen getroffen hatten, was sie noch alles "Pöses" miteinander verübt hatten und ob es noch weitere Täter gegeben hatte. 
Für das Anlegen des Daumenstockes erhielt der Amtmann 2 Schilling und 4 Pfennige, der Landrichter und der Schreiber erhielten jeweils noch einmal dieselbe Summe.
4. Bei der "Befragung" kam dann noch zutage, dass sie zwar einen Ehemann in Tretting habe, selber aber in Thenried und Kettersdorf gearbeitet hatte und schwanger sei. Diese Neuigkeit und das weitere Ergebnis der Befragung wurde nun dem von Eyb in Runding per Boten mitgeteilt.
5. Der Rücklauf dieser Briefe nach Runding führte zu einer erneuten Befragung der Barbara Schmucker, erneut unter der Folter.
6. Das bisherige Zwischenergebnis wurde nun - per Bote - der Regierung in Straubing vorgelegt
7. Nun wurde erneut Walburga Prielbeck vernommen: 
"Darauf Ir "Abkürzung einer Abredefloskel wohl Gnaden und Herr" mir bevolchen das Maidl welches gar wankhlmiettig Jedoch waich und forchtsamb, nochmals zuredt zustellen und aller Notturfft zuerinnern, auch mit dem Daumbstockh und anderer zur solchen Person gebürenter Tortur umb anzaigung des rechten waren bestendigen Grundts anzustrengen"
8. Hofbauer bestand weiter darauf, dass ihm 37 Gulden gestohlen worden waren und das Mädchen solle nun sagen, wieviel Geld es gewesen war und wer ihnen geholfen hätte.
9. Bei der Schmuckerin ist ausdrücklich die Rede von der "Anlegung und ziemlicher Zuverschraubung des Daumbstockhes"
10. Alles was die beiden Frauen unter der Folter gestanden hatte, wurde nun nach Straubing berichtet.
11. Das Urteil, das Straubing per Bote überbringen ließ, war die oben angesprochene Prangerstrafe. Der mir unverständliche Teil heißt nun hier, der Züchtiger solle sie "mit einem Peckh neben Verweisung des Landts Baiern" ausführen lassen. Diese Landesverweisung - auf ewige Zeiten - musste die arme und wohl schwanger Frau dann auch noch beschwören. Ein fieser Trick, denn hält sie sich nicht an die Ausweisung und kehrt zurück,  dann hätte sie ja einen Meineid geschworen und darauf stand lt. dem damalig gültigen Codex die Todesstrafe.


Barbara Schmucker wurde am 18. Juli 1590 des Landes verwiesen; Walburga Prielbeck musste noch ein paar Tage länger in Haft bleiben - möglicherweise war das ihre Art von Strafe - bevor auch sie am 3. August 1590 endlich wieder in Freiheit war.
"Gleichfals ist auch das Maidl den 26. Juny in das Landgericht geantworttet und den 3. Augusten des Verhafftes freue erlassen worden, derwegen im (dem Amtmann) gelegen 38 Tag, jeden Tag 15 xr Aztung bezalt   2 Gulden 5 Schilling Pfennig


Summa der Ausgab auf die gemelten zwo gefangne Malefiz Personnen thuet
12 Gulden 4 Schilling 7 Pfennig 1 Heller


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Wenn du auf meinem Blog kommentierst, werden die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.