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Montag, 28. Dezember 2020

Der Markt Kötzting vor 110 Jahren

 Kötzting im Jahre 1911

ein Lesebuch

Der sprichwörtliche "Rote Faden" in diesem Jahr wird durch die Veröffentlichungen des Kötztinger Kooperators Riederer festgelegt. Nicht nur, dass er fast moderne Feldforschung betreibt und in den ihm zur Verfügung stehenden Archive forscht, auch als Zeitungsredakteur ist er  intensiv ins Tagesgeschehen mit eingebunden. Es wird sich heuer also vieles mit und um Herrn Riederer drehen. Neben einigen Großereignissen und, wie immer, amüsanten Kleinigkeiten.

Kötzting leuchtet:

Es ist die Sensation des Jahres; in der Silvesternacht wird Kötzting zum ersten Male seine elektrischen Straßenlampen einschalten. Das tägliche Anzünden der Gaslampen ist ab nunmehr Geschichte. Moderne Zeiten brechen an.
KA vom Januar 1911



Kooperator Peter Riederer

  


Peter  Riederer aus Stockhof bei Regensburg, geboren 1879[2], geweiht 1904 und zuvor Kooperator in Schönthal, Eschlkam und Blaibach  war ab 1909 (-1913) Kooperator in Kötzting und war offensichtlich ein begeisterter und sachkundiger Heimatforscher und Lokalredakteur.

Aus heutiger Sicht zumindest bemerkenswert sind auch seine meist namentlich gezeichneten politischen Artikel über Wahlversammlungen einzelner Kandidaten. Diese  waren regelmäßig durch eine, heute unvorstellbare, Vermischung von Bericht und Kommentar und durch eine unverhohlene Einseitigkeit zugunsten der katholischen Kirche gekennzeichnet. Die katholische Kirche, vor Ort in der Person des H.H. Pfarrers, hatte bis zum Ende des ersten Weltkrieges eine wesentlich stärkere Einflussmöglichkeit als danach.

So hatte zum Beispiel der Kötztinger Pfarrer als Oberschulinspektor die Aufsicht und die  Kontrolle über schulische Lern- und Prüfungsinhalte und natürlich auch über die Lehrer. Unter anderem dieses Monopol wollten andere freiheitlichere Parteien abschaffen und dagegen wehrte sich die Kirche vehement. Es wurden prominent auf der ersten Seite des Kötztinger Anzeigers Aufrufe der bayerischen Bischöfe abgedruckt, der Eschlkamer Dekan lancierte ebenfalls auf der Frontseite einen Offenen Brief der Priester des Dekanats wegen des Modernisteneids, den alle Priester zu schwören hatten  und vor Ort war es der Kooperator Riederer, der mit allen redaktionellen Mitteln in den Wahlkampf eingriff.  

So unglaublich die politischen Artikel Riederers mit ihrer unausgewogenen Wortwahl und der tendenziösen Einseitigkeit aus heutiger Zeit auch zu lesen sind, umso dankbarer können wir Ihm sein, für seine Feldforschungen vor Ort und für die Befragung der damals älteren Mitbürger.

Was heutzutage in Bad Kötzting Frau Rabl-Dachs und Frau Kretschmer machen, indem Sie versuchen unsere älteren Mitbürger als Zeitzeugen zu Ereignissen ihrer Jugend zu befragen und damit Kötztinger Geschichte erfahrbar zu machen, führte in fast gleicher Weise 1911 Peter Riederer durch, und berichtete dann davon in der Tagespresse. Aus heutiger Sicht sind diese Augenzeugenberichte ein Sprung zurück in die Vergangenheit bis hin ja sogar manchmal hinter die Zeit Napoleons zurück.
Während er im Jahre 1910 nur ein paar wenige Artikel veröffentlichte, gings im Jahre 1911 richtig los.
Viele seiner geschichtlichen Zusammenstellungen sind es wert, hier neu vorgestellt zu werden:

KA vom Januar 1911

Hier erkennt man, wie wertvoll seine "Feldstudien" sind, offensichtlich durch Befragung und Ortsbegehung, sind wir heutzutage in der Lage die einzelnen Teile des historischen Watzlhofes in der heutigen(1911) Bebauung erneut zu rekonstruieren. 

Was wurde aus den Mönchen des säkularisierten Priorats in Kötzting (heutzutage das Bad Kötztinger Rathaus)? Kooperator Riederer forschte nach:
KA vom Januar 1911 1. Teil


2. Teil mit den Berichten über die am längsten überlebenden ehemaligen Mönchen in Kötzting.
Der im Bericht erwähnte Dimpfl, liegt am Ende der Metzstraße /Ecke Brandstraße

KA vom Januar über die Denksche Suppenstiftung

Die Krammetvögel, die der Pater Niggl so gerne fing, ist die Wacholderdrossel und galt als eine Delikatesse. Weiter berichtete er über einen Gymnasialprofessor Johann Denk, einem geborenen Kötztinger, der die, nach ihm benannte, Denksche Suppenstiftung einrichten ließ.





In der seinem Beitrag zum Josephitag 1911 beschreibt er ein Detail im Inneren des Bezirksamtsgebäudes (Kötztinger Rathaus heutzutage), dass durch den Brand desselben Jahres vernichtet worden ist.

Eine ganz und gar nicht rhetorisch gemeinte Frage in Hinblick auf die Nützlichkeit einer Florianiwallfahrt nach Furth im Wald stellte Kooperator Riederer Ende April:


Sein Appell hatte offensichtlich Erfolg, eine Riesenanzahl an Menschen machte sich im Jahre 1911 auf den Weg mit dem kreuz nach Furth.

Ähnlich wie bei der Beschreibung des Watzlhofes weiter oben, nützt er auch bei der Hofmark Haus die Möglichkeit die Bewohner selber nach ihrer Erinnerung zu fragen:

 

Die lokale Geschichte und die berichteten Details reichten bei Riederer hier bei dieser Zusammenstellung zurück bis zu einem Dienstknecht beim Samuel Luckner (+1790). Für uns aus dem Jahre 2021 ist dies ein Sprung über fast 250 Jahre, die Riederer hier lebendig werden lässt.

Haus hat es ihm besonders angetan, insgesamt in 5 Fortsetzung schilderte er Bemerkenswertes aus der jüngeren Geschichte von Haus inkl. dem Blindengirgl, der Hausinger Krankheit und dem Pater Niggl, Priester, die aus Haus abstammten und anderes. 

Ein Mord auf dem Wege nach Weißenregen "KÖNNTE" der Namensgeber für den Roten Steg gewesen sein. Riederer berichtete darüber:

hier das Bild des Epitaphs aus den Nebenraum (Karner) der St. Anna Kapelle

Er machte sich Gedanken über die Tauf- und Familiennamen in den Kötztinger Pfarrmatrikeln








Fasching in Kötzting


Der Fasching beginnt, und natürlich ist der Kötztinger Burschenverein vorne mit dabei. Die Brauerei Lemberger ist der spätere Mühlbauer(Godl) in der unteren Marktstraße, der in der Holzapfelstraße (gleich unterhalb des Bräustüberls/Monokel, nun ein privater Parkplatz) seine Kegelbahn hatte. 














Lichtenegger Bund

 

Nachdem der langjährige Vorstand des Kötztinger Lichtenegger Bundes Herr Ökonomierat Bergmann Anfangs Januar verabschiedet worden war, meldete sich die „Vergnügungskommission“ des Bundes mit einem Faschingsaufruf an seine Mitbürger:


„Kötzting im Jahre 2000“ solle das Motto des Masken=Tänzelfestes sein. Kurz vor der Veranstaltung präzisierte das Komitee seine Vorstellung was es denn im Jahre 2000 in Kötzting besonderes gäbe, auf das man eingehen sollte. Beschlussgemäß müsse Kötzting im Jahre 2000 längst mit den Mond- und Marsbewohnern in Kontakt getreten sein, und daher sei auch mit einem Besuch der höchsten Herrschaften zu rechnen.

Am Abend das Maskenballes wurde um 11 Uhr die Delegation der Marsianer als die „Oberbewohner“ angekündigt. Die Herzen der „Oberen“ und die der „Unteren“ scheinen sich sehr nahe gekommen zu sein. „ Von den vielen Sehenswürdigkeiten aus dem Reiche des Gestirngeflunkers erfreuten sich unter Anderem insbesondere die uns offerierten bisher unbekannten Schwämme. Wahre Prachtexemplare! Sehen sie unseren heimischen Fliegenschwämmen  täuschend ähnlich, aber sie sind nicht nur nicht giftig, sondern diese Gestirnsvegetabilien sollen noch dazu sehr verführerische, den Recken mitunter gefährlich werdende Eigenschaften besitzen.“

 


Beitrag des Lichtenegger Bundes
eine Baumpflanzung

Geburtstagsfeier für Prinz Luitpold:

 Der 90. Geburtstag seiner königlichen Hohen Prinz Luitpold steht für den 12. März 1911 an und auch Kötzting rüstet sich für eine ansprechende Feier. Ein Ortsausschuss wird gebildet und die Liste der Namen kann sich sehen lassen:

KA vom 1.2.1911
s
1200 Mark betrug dann das Sammelergebnis im Bezirk Kötzting. Man war zufrieden.

Feste muss man feiern, wie sie fallen:








Rotes Kreuz

 


Die freiwillige Sanitätskolonne Kötztings und die kgl. Betriebsinspektion der Eisenbahn in Schwandorf haben die Vereinbarung getroffen, dass die Kötztinger Sanitäter bei Unfällen auf den Strecken Miltach - Lam und Cham Konzell die Dienststellen der Eisenbahnverwaltung unterstützen würden. Um solch einen Notfall zu üben wurde angenommen, dass nahe des Bahnübergang beim Röhrlkeller ein Zug entgleist sei, bei dem mehrere Schwer- und Leichtverletzte zu versorgen waren. Nach der Erstversorgung vor Ort wurden die „Patienten“ mit schnell improvisierten Transportmitteln ins nahegelegene Krankenhaus transportiert.

In der Nachbesprechung wurde eine sehr interessante Nachtübung angekündigt, offensichtlich waren diese Übungen auch für die Zuschauer eine willkommene Abwechslung.

 

 

 

 

Tragischer Todesfall

 

Der Weißenregener Bauer Michael Vogl, der Robnbauer, sah auf dem Nachhauseweg vermeintlich Rauch aus seinem Wohnhaus aufsteigen, eilte in Angst und Schrecken die Anhöhe und dann die Stufen in die oberen Räume hinauf und erlitt dabei mit 57 Jahren einen tödlichen Schlaganfall.

 

 







Wahlkampf, Wahlen  und das Wahlrecht

 Wieder mal ist es Wahlkampf in Kötzting und der Redakteur des Anzeigers, der Kooperator (und Priester) Riederer, nimmt eindeutig Stellung gegen die SPD, gegen gewisse Lehrervereinigung und überhaupt.

In beiden Artikeln  -einmal vom Frühjahr- und einmal vom Herbstwahlkampf - geht der Redakteur, offensichtlich ein Priester, mit aller größter Wahrscheinlichkeit der Kooperator Riederer, mit der Opposition ins Gericht und wirf sich für die (kath) Kirche in die Waagschale.


Am 3. Mai wurde das Ergebnis der Landtagsersatzwahl 1911 bekannt gegeben. Im Amtsgerichtsbezirk Kötztings stimmten bei einer Wahlbeteiligung von 70 Prozent 680 Wähler für das Zentrum, 395 für den Bauernbund und 113 Stimmen für die Sozialdemokraten.  Anders als im Wahlkampf stellte der Berichterstatter ganz nüchtern fest, dass die Sozialdemokraten seit der letzten Hauptwahl von 1907 von 6 auf oben angeführte 113 Stimmen zugenommen hatten. Dies konnte er umso beruhigter tun, als das Zentrum als die Partei die der katholischen Kirche sehr nahe stand, die absolute Mehrheit der Stimmen und damit das Ziel erreicht hatte ihren Abgeordneten durchzubringen.

Zählt man die Wahlstimmen zusammen (680+395+113) , die ja zusammen eine Wahlbeteiligung von 70

In dieser kleinen Geschichte steckt die Auflösung
der Wahlbeteiligung: Nur Männer, die Steuern
 bezahlten, waren wahlberechtigt

Prozent ausgemacht haben sollen kommt man auf  1188 Stimmer. Das wären, von den 70 auf 100 Prozent hochgerechnet, also insgesamt knapp 1700 Wahlberechtigte im Amtsgerichtsbezirk Kötzting.  Dies ist damit zu erklären, dass nur "gewisse" besitzende Männer das Wahlrecht hatten (siehe Artikel).
Der Plarrnhofer bzw. Blaibacher Ignaz Raab gewann übrigens diesen vakanten Sitz für den Wahlkreis von Straubing bis Kötzting für die Zentrumspartei und der Kooperator Riederer war zufrieden mit dem Ergebnis. 


 



Apropos Frauenwahlrecht: in Rimbach kam es zu dem unerhörten Vorgang, dass eine Frau in eine Ausschusssitzung eindrang und den dort versammelten Gemeindevertretern die Meinung sagte. Sie tat dies offensichtlich in einer derartigen Verve, dass sie die Sitzung sprengte und der Vorgang es dann sogar in die Zeitung schaffte. 






Kaum war diese Wahl beendet, gings munter weiter und Riederer musste schon wieder von Veranstaltungen, dem Zentrum feindlich gestimmter Parteien, berichten und tat dies mit äußerst spitzer und engagierter Feder, immer sauber Kommentar und Berichterstatter vermischend und damit natürlich sehr einseitig.
Eigentlich waren alle anderen Parteien seiner Meinung nach - weil sie der Kirche und der en Schulaufsicht zumindest kritisch gegenüber standen - als staatszersetzend einzuordnen.



Das Kriegerdenkmal

 


"18. Mai: Die weithin bekannten Granitsteinbrüche in Hetzelsried bei Arnbruck sind dazu ausersehen worden, die Steine für das Kriegerdenkmal zu liefern. Ein mächtiger Steinkoloss von ca. 160 Zentnern wurde unter schwierigen Verhältnissen jedoch ohne Unfall durch ein Gespann von 10 Pferden am vergangenen Sonntag (=14.05.)  aus dem Bruche an seinen Bestimmungsort verbracht. Aus diesem Steine wird die Hauptfigur des Denkmals, ein überlebensgroßer Löwe hergestellt werden. Der ganze Transport wurde photographisch aufgenommen und wird auch den beteiligten gewiss in steter Erinnerung bleiben."

Zwei Monate nach dem Transport wird das Projekt Kriegerdenkmal in der Zeitung vorgestellt.

Den Platz unterhalb des Winterschulgartens erhält der Kötztinger  Krieger und Veteranenverein vom Bezirk unentgeltlich. Nun werden auch Details über die Schwierigkeiten des Transports bekannt. Unter der umsichtigen Aufsicht und aktiven Mithilfe des Kötztinger Spediteurs Graßl wurde der Einsatz unter mithilfe fast aller Pferdebesitzer aus Kötzting und des Zellertals möglich gemacht. Am ersten Tag konnte kam das große Gespann ganze 50 m weit. Die bekannte Aufnahme auf der auch veröffentlichten Postkarte wurde auf der Straße bei Traidersdorf vom Kötztinger Photograph (und Original) Hamsa angefertigt.

Da aber der Verein trotz der vielen Hilfeleistungen die Kosten noch nicht beisammen hatte erging noch ein Hilfeaufruf an die Kötztinger Bürger, damit auch diese am Ende sagen konnten: „Auch wir haben unserer Feldzügler gedacht und ihr Ansehen mit einem Denkmal geehrt.“

 

 






DIA Repro 948 Arbeitskreis Heimatforschung


Die Badeanstalt

 

"22. Mai Der Magistrat und das Gemeindekollegium haben einstimmig die Erbauung einer neuen modernen Bade=Anstalt beschlossen. Dieselbe kommt am Weißen regen auf der sogenannten Hutwehr in unmittelbarer Nähe des Marktes zu stehen und wird mit allen hygienischen und praktischen Einrichtungen auch mit Sonnenbädern vorgesehen. .... Die Anstalt wird vorerst vom Magistrate in Regie betrieben."

Streng waren die Sitten damals: Männlein und Weiblein hatten unterschiedliche Badezeiten


Natürlich hatte Kötzting vorher bereits Bademöglichkeiten. Frau Paula Dietrich beschreibt diese in Ihrem Buch auch ganz detailliert.
Darüber hinaus gab es ja auch noch die private Badeanstalt beim Wührbinder. Pünktlich zum Pfingstfest 1911 eröffnete er sein Etablissement und offerierte dabei eine Dusche, sowie kalte und warme Bäder.
Das nun zu errichtende neue Bad, heutzutage die alte Badeanstalt hinter dem Jahnplatz, passte genau in die Bemühungen der Marktverwaltung mit entsprechenden Infrastruktureinrichtungen sowohl der Bevölkerung entgegen zu kommen als auch für den Fremdenverkehr die richtigen Weichenstellungen zu setzen.  Ganz in diesem Sinne sind auch die Rodelbahn auf dem Ludwigsberg oder die öffentliche Lesestube im Ringschen Kaufhaus anzusehen.
Für die Arbeiterschicht in Kötzting gab es laut einer Entscheidung des Magistrats eine Sonderlösung:


 

Öffentlicher Leseraum

 

Auswahl der aufliegenden Zeitungen 

Dieser Leseraum wurde, wie oben angeführt, im Hause des Kaufmanns Ring vom Kötztinger Waldverein mit Unterstützung des Verschönerungsvereins und privater Geldgeber eingerichtet. Ausdrücklich hervorgehoben wird die Notwendigkeit dieser Einrichtung um den Ansprüchen der Sommerfrischler entgegenzukommen. Ab dem 15. Juli war dieser öffentliche Leseraum mit seinen  38 regionalen und überregionalen Zeitungen kostenlos für alle Besucher geöffnet. Mit dem Ende der sommerlichen Fremdenverkehrssaison wurde dieses Angebot zum 30. September wieder geschlossen.

 




Das "Ringsche" Haus ist später das Haus Dr. Angerer und nun der untere Eingang des Kaufhauses Frey
Aus Kostengründen wurde das Angebot dann Mitte September eingestellt. Nach dem großen Zuspruch die der Lesesaal erfahren hatte, kam es dann doch zu einer Verlängerung. Von 20 Verlagn konnten Freiexemplare bezogen werden, welche ab dem Zeitpunkt der Lesehallenschließung dann im Hotel zur Post im Nebenzimmer eingesehen werden konnten. 


Waldverein

 

Nicht nur im Falle des Leseraums, auch für viele andere Veranstaltungen in Kötzting war der Waldverein ein Kristallisationspunkt. In diesem Jahr gab es auch einige „staatstragende“ Jubiläen zu feiern. Prinzregent Luitpold feierte sowohl seinen 90sten Geburtstag als auch seine 25 Jahre währende Regentenzeit. Während am Wochenende des 11. und 12. März in Kötzting ein zweitägiges Programm mit Fackelzügen,, Weckruf, Umzügen und Ansprachen veranstaltet wurde, gab die Wald=Vereins=Sektion Kötzting bekannt, dass auf dem Kaitersberg und Riedelstein Bergfeuer abgebrannt werden würden. Kötzting wurde geschmückt und beflaggt, wie wir es heute von Pfingsten her kennen. Zusammen mit dem Männergesangsverein und der Chamer Sektion wurde für den 20. August ein großer Ausflug auf den Ossa und nach Lambach ausgeschrieben.

 

Pfingsten 1911 und der Tod König Ludwigs II

 


 

Ein nicht näher benanntes Komitee lud die Pfingstreiter zum 24. Mai zur Besprechung in die Brauerei Lindner und am 28. Mai erging die Einladung an die Teilnehmer der verschiedenen Umzüge. Dies alles erfolgte ganz nüchtern im allgemeinen Anzeigenteil. Kooperator Riederer, als Redakteur war nun in seinem Element, dreispaltig über die ganze erste Seite des Kötztinger Anzeigers lief sein Bericht über den Pfingstritt.

Er lobte die Bittprozession zu Pferd, die reitende Wallfahrt und hebt die Wichtigkeit des religiösen Charakters heraus, ohne den unser Pfingstritt zu einer Reitübung, zu einem Sport, zu einer Schaustellung und einer Gaudi herabsinken und sofort seine Anziehungskraft einbüssen würde.

Er hebt eine Tatsache hervor, die auch heutzutage immer verwundert: so viele einander fremde Pferde und so viele ungeübte Reiter; und dennoch geht es seit  Menschengedenken jedes Jahr ohne erhebliches Unglück ab. Reitet über der betenden Schar unsichtbar ihr Schutzengel mit?

Mehr als zweihundert Pferde waren es beim Ausritt und wohl 50 mehr dann beim nachmittäglichen Einritt. Drei Geistliche begleiteten diesen Zug und auch H.H. Expositus Franz Xaver Späth aus Warzenried, der übrigens in diesem Jahre bereits zum 10. mal mitgeritten war, brachte eine Anzahl von Ritteilnehmern von jenseits des Hohenbogens mit.

Pfingstbräutigam war in diesem Jahr der Bürgerssohn und Notariatsgehilfe Josef Kasparowsky und Frl. Elise Fischer, Notariatsbuchhalterstochter, war seine Pfingstbraut. In der Ansprache hob der Kooperator hervor dass 32 Jahre zuvor bereits der Vater des Bräutigams  an dieser Stelle sein Tugendkränzchen erhalten hatte und seine Pfingstbraut damals die Mutter der diesjährigen Braut gewesen war.

DIA Repro 437 Arbeitskreis Heimatforschung



Der Kooperator schlug in seiner Ansprache einen Bogen in der Geschichte und erinnerte an ein tragisches Ereignis, das die Kötztinger genau 25 Jahre zuvor aufgewühlt hatte. Während der Kranzlübergabe als auf dem Bleichanger, ebenso wie an diesem Tage, eine große Menschenmenge zusammengeströmt war, lief ein Telegramm an den Bezirksamtmann ein und rasch flog von Mund zu Mund die erschütternde Trauerbotschaft: König Ludwig ist im Starnberger See ertrunken. Wie nahe Tragik und Freude zusammenlägen zeigte sich ebenfalls aus diesem Unglück, nun können man heuer das freudige Regenschaftsjubiläum des Prinzregenten feiern.

Mit einer Fahne für 30 Rittteilnahmen wurde der Kötztinger Fuhrwerksbesitzer Ignaz Hofmann und für 25 Jahre erhielt Herr Xaver Pritzl, der seit 30 Jahren Knecht auf der Lutzenmühle war ebenfalls eine Fahne.
Mit einem Dank an die Pfingstreiter  und einem freudigen Ausblick auf das große Rittjubiläum drauffolgenden Jahr endete der Kooperator mit einem „Gott befohlen“.

Die Pfingsthochzeit wurde dann im Gasthof beim Josef Decker gefeiert.

 

Der Pfingstbericht, natürlich gekennzeichnet mit dem "R" Riederers

 Nach Pfingsten ist vor Pfingsten,
Vorbereitungen für den Jubelpfingstritt in 1912

 

Genauso wie vor ein paar Jahren vor dem großer Jubiläumsritt im Jahre 2012, waren sich die Kötztinger des Jahres 1911 bewusst, dass der kommende Pfingstritt des Jahres1912 ein ganz besonderer sein würde und so begannen die Vorbereitungen, die sich im Laufe des Frühjahrs 1912 dann noch deutlich steigerten, bereits im Sommer des Jahres 1911.

 


Mit der Einleitung: „Zähe hängen die Bewohner des bayrischen Waldes an ihren Bräuchen und Sitten“ wird die Bedeutung des seit 1412 bestehenden Pfingstrittes hervorgehoben. Wegen des runden Jubiläums soll der Ritt feierlicher wie bisher gestaltet werden. Zu diesem Zweck soll auch ein Festspiel aufgeführt werden und ein solches hatte Herr Präparandenlehrer Hubrich bereits ausgearbeitet. Der Magistrat Kötzting, mit dem Bürgermeister Liebl an der Spitze, lud für den 2. September in den Rittersaal im Gasthaus zur Post ein um der Allgemeinheit das historische Festspiel zu unterbreiten und eventuell auch der Einsetzung erforderlichen Komitees näherzutreten.
Auch die Kötztinger Jugend brachte sich ein und es erging folgende Einladung:

Im Bericht über diesen Bunten Abend zog der Redakteur auch grundsätzlich Bilanz über die
erfolgten Vorbereitungen für das große Rittjubiläum. Der Festausschuss sei gebildet und auch ein Festspiel sei geschaffen. Bei der Geldbeschaffung hätten sich nun die Kötztinger Studenten löblich hervorgetan und im Liedertafellokal beim Mühlbauer (Dimpfl, Metzstrasse) wurde von den Studenten (Männlein, denn die angekündigten Weiblein hatten sie im Stich gelassen) einen sehr gelungenen Abend gestaltet.

Mit kleinen Sketchen und musikalischen Beiträgen wurden die zahlreichen Gäste aus allen „Kötztinger Gesellschaftsschichten“ hervorragend unterhalten und so erhielten die Kötztinger Studenten  den verdienten Beifall.


Das landwirtschaftliche Vereinsfest im August

Was heutzutage das Volksfest an Pfingsten ist, war in den Jahren bis herauf zum zweiten Weltkrieg das landwirtschaftliche Vereinsfest mit Festplatz und Rahmenprogramm. Eigentlich sollte es ein überregionales Vereinsfest sein, allerdings kam es im Vorfeld zur Ausbreitung der Maul- und Klauenseuche im gesamten Grenzgebiet, so dass es am Ende nur  noch bei einem stark reduziertem Festwochendende  des landwirtschaftlichen Lokalvereins blieb. 
Im Vorfeld, als man noch ganz groß planen konnte,  stellte sich der Markt Kötzting mit all seinen  Vorzügen vor. Der Artikel spricht von einer "feenhaften  Wirkung" der neuen Straßenbeleuchtung, vom der Herz und Geist erquickenden Wirkung des neuen Flussbades und dem Genuss der neuen Lesehalle. Kötzting beschreibt sich von der schönsten Seite. Der Artikel zeigt sehr schön auf, auf welche Errungenschaften der Markt Kötzting besonders stolz war im Jahre 1911: 

Der Zimmerstutzenschützen blieben beim vorgenommenen Festprogramm und veranstalteten ein Fest-Schießen im Bräustüberl (später das Monokel)

 Ab Oktober 1911 wurden wegen der grassierenden Seuche sogar die lokalen Viehmärkte eingestellt, um zu versuchen die Übertragung zu stoppen.

  Großbrand in der Herrenstraße: das Bezirksamt brennt

Bezirksamt ca. um 1900 also noch im Zustande vor dem Großbrand
Photo von Heilmeier





Herr Bezirksamtmann von Fuchs schrieb in seinem Bericht an seine vorgesetzte Behörde von der Brandnacht:
Ich selbst habe von dem Brand, obwohl ich mich am Abend von 9 1/2 Uhr bis ca. 12 Uhr in dem Zimmer, ober welchem es bereits gebrannt haben mußte, befand, nicht das Mindeste wahrgenommen. Wurde hierauf erst durch den Feuerlärm um 132 Uhr nachts aufmerksam...
StA Landshut Bezirksamt-Landratsamt Kötzting Rep 164-8 Nr. 2005

In einem Erklärungsversuch für die Brandursache spricht er von "dieser geradezu unglaublichen Feuerunsicherheit" des Gebäudes, welche die Katastrophe nicht verwunderlich machen würde.  
In diesem Schreiben lobt er auch die Hilfe beim Ausräumen des Gebäudes und Sichern der Akten, die vor allem vom Lehrer Schwanzer unter Lebensgefahr durchgeführt worden war und welchen er zur Belobigung vorschlägt.
Seine Registratur verlegt er in zwei leere Schulsäle im alten Schulhaus. 

StA Landshut Bezirksamt-Landratsamt Kötzting Rep 164-8 Nr. 2005
Der Lemberger Saal wird wohl im Fasching 1912 nicht zur Verfügung gestanden sein.rr



Im Fundus des Arbeitskreises Heimatforschung haben wir ein Bild der Brandruine, aufgenommen im Winter 1911/12. Vielen Dank an Frau Dachs-Rabl für diesen Hinweis und das Bild



 Abwechslung und Unterhaltungsangebote:

 Hirt nun in bunter Folge, was in Kötzting so Alles an Unterhaltung angeboten wurde:

März 1911

Mai 1911
 

Mai 1911

Bei der Witwe Wagner (beim Gumbirl)  heutzutage Heigl in der Marktstraße

 
offensichtlich gabs neben der Josephi- auch eine Johannifeier




 Raritäten und Einzelstücke:

2 Stunden Fahrtzeit von Viechtach nach Kötzting 






Während des 1911er Martinirittes wurden 2 Kötztinger (Lindner Karl und Zitzelsberger Franz) für ihre Rittteilnahmen ausgezeichnet. Um den denkwürdigen Moment auch der Nachwelt zu erhalten, ritten die beiden, begleitet von einer "Reiterschwadron", erneut nach Miltach um vom Kötztinger Photographen und Original Hamsa abgelichtet zu werden. 





Von diesem "Fake" Martiniritt Fototermin hat sich sogar eine Aufnahme Hamsas erhalten. Ich bedanke mich bei Herrn Vogl aus Miltach für das tolle Bild:

 




Eine Hand wäscht die andere: nach der Ehrung des Herrn Lindner auch durch die anwesende Miltacher Feuerwehr, kündigte diese ihren besuch in der Brauerei Lindner zusammen mit einer Musikkapelle an. Herr Lindner wird sich dabei nicht haben lumpen lassen, steht zu vermuten.




[1] [1] Die zitierten  Ausschnitte und Zusammenfassungen stammen aus den alten Exemplaren des Kötztinger Anzeigers, der in der Bayerischen Staatsbibliothek in  München unter der Signatur  4Eph.pol.3cel 1900 ff zu finden ist.

[2] Die Zusammenstellung der Lebensdaten Riederers verdanke ich Herrn Alfred Silberbauer aus Rimbach








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