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Mittwoch, 20. Mai 2020

Kötztinger Häuserchronik - Hausnummer 2 - vom Nebengebäude zur Bäckerei

Das "alte Kötzting" bei der Uraufnahme bei der beginnenden Landvermessung hatte 159 Anwesen.
Der Geschichte dieser Bürgerhäuser und ihrer Bewohner nachzuspüren und sie zu dokumentieren, ist das Ziel dieser Häuserchronik.
Die Anfänge und die Entwicklung unserer Heimatstadt können von der Teilung der Urhöfe bis hin zur Auswahl als Landgerichtsort in einem einleitenden Blog nachgelesen werden.

Lufbildaufnahme der Bäckerei Franz Hofman ca. um 1956, zu diesem Zeitpunkt bereits seit 5 Jahren
die Bäckerei Karl Liebl. im Innenhof zwei Bäcker, die sich das Flugzeug genauer ansehen.
Ich denke man sieht das große Fenster der Backstube.

Hausnummer 2 

Das Haus, das wir als das der Bäckerei Liebl kennen, stellt einen der seltenen Fälle dar, dass der Magistrat Kötztings es einem Marktlehner erlaubt hatte, ein Nebengebäude seines Anwesens abzutrennen und ein eigenständigen Haus entstehen zu lassen.
Die Einteilung Kötztings in Marktlehen, Sölden und Häuser hatte auch einen Steuerhintergrund. In der früheren Zeit war die Steuerhöhe an diesen Status gebunden. Das heißt, egal ob ein Besitzer gut oder schlecht wirtschaftete und verdiente, jeder Marktlehner zahlte denselben "Steuer"betrag.
das war übrigens auf den Dörfern mit den 1/1, 1/2, 1/4 bis hinunter zu den 1/32 Höfen dasselbe. Dieser sogenannte Hoffuß war die bestimmende Größe für die Steuerlast. 
Erst im 19. Jahrhundert änderte der Staat seine Steuerberechnung und gleichzeitig durften nach dieser Entscheidung auch Anwesen aufgekauft und zertrümmert werden. Bis dahin waren jahrhundertelang die einzelnen Felder, Wiesen und Wälder fest an ein Anwesen gebunden. Nur sehr wenige Grundstücke waren frei verkäuflich.
In Kötzting hatten die Marktlehner auch das Vorkaufsrecht für solche Grundstücke, sollten sie überhaupt auf dem "Markt" angeboten worden.
Das Haus mit der alten Hausnummer 3, von dem die spätere Nummer 2 abgetrennt wurde, war ein ganzes Lehen, der Voglhof (Hausnummer 9) war ein ganzes Lehen und der "Dimpfl" in der Metzstraße (Hausnummer 22) war ein 3/4 Lehen; alle anderen 33 Marktlehner galten als 1/2 Lehen.
Vielleicht war diese außergewöhnliche Größe der Grund, dass die "Abspaltung" in den Briefprotokollen des Markten einfach niedergeschrieben wurde.


Ausschnitt auss der Uraufnahme Kötztings von 1832 aus "Kötzting 1085-1985"



Bis zum 12. September 1720 gehört das Haus mit der späteren Hausnummer 2 zum Anwesen Hausnummer 3 und hat somit eine Geschichte, die bis ins ausgehende Mittelalter zurückreicht.
An diesem Tage verkauft der Marktlehner Hans Georg Pachmayr "das bei der erkauften Bürger und Marktlehendsbehausung stehent abgesonnte  Häusl, so sonsten ein Pertinenz zum gedachten Marktlehen ist, sovil  selbes mit Scharr und Tach umfangt, sambt einem Grund im Garten  neben dem Häusl, solange sie gehet so in der Preithe 4  Werchschuech hat." an den Kötztinger Schreinermeister


Egidius Fischer und Anna Maria


Auch hier wird im Vertrag noch festgehalten, dass das abseits stehende Haus eigentlich eine "Pertinenz", also ein eigentlich dauernd und unverrückbar zum Hauptanwesen gehörendes Gebäude und Grundstück ist.
Anscheinend gelang diese Regelverletzung  durch einen kleinen Trick:
Im Verkaufsvertrag ist eine Rückzugsklausel  vorhanden. Diese - damit verbundene - zusätzliche Grundstücksabspaltung gelte nur für den jetzigen Besitzer des Marktlehens. Sollte nach einem späteren Verkauf der neue Besitzer darauf bestehen, dass dieser wiederum zum Marktlehen gezogen werden solle, müsse der neue Marktlehner dem Egidius Fischer 10 Gulden als Ausgleich bezahlen.
Fischer Egidius erwirbt 1720 als Schreiner und Häusler das Kötztinger Bürgerrecht und bezahlt dafür 2 Gulden.
Egidius Fischer stammte aus Furth im Wald, und bereits sein Vater war ein Schreiner. Seine Braut war eine Kötztinger Schreinerstochter Anna Maria Immerl.

Fischer Anna Maria


Im Januar 1739 verstirbt Egidius Fischer und seine Witwe führt offensichtlich die Schreinerei weiter, weil ausdrücklich sie, als Witwe, in den weiteren Akten und Rechnungen benannt wird.
Direkt gegenüber ihrem Haus steht das Chamauer Tor. 1740 erhält sie vom Markt 1 Gulden 12 Kreuzer "von Machung 2 Neue Fensterstöckh in das obere Tor und 3 neue Lädten neben dem Anstreichen."
Im Österreichischen Erbfolgekrieg ist Kötzting von fremden Truppen besetzt und der Herr Obrist ordert 1743 bei ihr :" 3 Ramben zum Gewöhr aufhenken".
Auch das Marktarchiv, bzw. die Registratur, benötigt ihre Handwerkskunst und so taucht sie in den Rechnunsbüchern auf "umb ein neues Kästl zu Verwahrung der ganzen Marktschreiberey"
Nachdem 1749 ihr Sohn - ebenfalls ein Schreinermeister - die Nachbarstochter heiratete und mit ihr das große, benachbarte  Marktlehensanwesen übernahm, wird die Verfolgung des Besitztums ab dieser Zeit schwierig.


Fischer Mathias und Katharina


Am 13.8.1753 heiratete ihr zweiter Sohn, Mathias Fischer eine Kötztingerin, Katharina Müller.
Wir finden in den Kötztinger Marktrechnungen von 1765 eine Notiz, dass die Schreinermeisterin Fischer Katharina "vom Schreinergesellen mit dem spanischen Rohr geschlagen worden" ist. Dies ist der erste Hinweis, dass der Besitzübergang in dem Jahrzehnt zuvor erfolgt ist. 
1780 verstarb Fischer Mathias, und weil im Jahr drauf sein Sohn


Fischer Mathias

seine Frau Anna Maria Korher heiratete und im Jahre 1801 Fischer Mathias in einer Bürgerliste als Hausbesitzer angegeben wurde, können wir den Besitzübergang vom Vater auf den gleichnamigen Sohn sicher feststellen.
1811 im Häuser und Rustikalsteuerkataster heißt der Besitzer noch Mathias Fischer.

Schauberger Johann

zwischen 1811 und 1834 war er der Vorbesitzer und hatte das Haus um 1300 Gulden gekauft. Dies kennen wir von einer Notiz im Liquidationsprotokoll von 1840



In diesem Liquidationsprotokoll der Steuergemeinde Kötzting vom Juni 1840 ist die Rentenbeamtenswitwe

Margaretha Schödl 

die Besitzerin des Hauses, welches sie für 1300 Gulden gekauft hatte und sie gibt es 1843 an ihr Stiefpatenkind, die Handelsmannswitwe Margaretha Henneberger weiter. Diese taucht  1859 in der Kötztinger Quartierliste auf, die die Kötztinger Bürger anhand ihrer Steuerkraft in die verschiedenen Klassen einteilt.
Im Jahre 1834 ist die Rentbeamtenswitwe in einen Erbschaftsstreit mit ihrer Schwester Anna Strohmeier verwickelt,die behauptete, dass Frau Schödl ihr noch Geld aus dem Erbe des Vaters schulden würde. In einer Vergleichsverhandlung vor dem Magistrat lehnt Frau Schödl alle Ansprüche ihrer Schwester ab.
Der Vorgang ist damit aber noch nicht beendet: Offensichtlich kommt es zu Streitigkeiten, denn es steht eine weitere Verhandlung vor dem Magistrat an: (AA VIII/12)
Beschwerde der Anna Strohmeier Bürgerswitwe in Kötzting gegen Franziska Schillinger Dienstmagd der k Rentbeamtenswitwe Margarethe Schredl von Kötzting wegen  Privatentschädigung für erlittene Mißhandlung  von 
10 fl fordert. Die Beklagte. vorgerufen erklärt, dass nicht sie Schillinger der Strohmeier eine Mißhandlung zugefügt habe sondern sie von derselben vielmehr geschlagen und gestoßen worden sei und also von ihr Entschädigung fordern könnte. Die Schillinger könne sich daher auf keine Zahlungsforderung einlassen. Strohmeier steht nicht von ihrer Satisfikationsforderung ab und bittet um Erteilung eines Zeugnisses zu Klagestellung. 



Dr. Müller Repro von Frau Serwuschok
Dies ist der Zeitraum, in dem ein berühmter Kötztinger Mitbewohner dieses Hauses war. Dr. Müller, mit dem Kampfnamen "Saumüller". Ein streitbarer, ein umgänglicher und ein trinkfester Mediziner, der unserem Kötzting und seiner bürgerlichen Gesellschaft mit seinen "Gelegeheitsgedichten" ein kleines Denkmal gesetzt hatte.






Hier mein Lieblingsgedicht von Dr. Müller genannt Saumüller.










Frau Serwuschok schrieb in der Umschau über den berühmten Kötztinger


Bild Serwuschok, in diesem Haus, in den 70er Jahren die Bäckerei Liebl, wohnte Mitte des 19. Jahrhunderts Dr. Müller

Auch überregional hatte Dr. Müller einen gewissen Eindruck hinterlassen.

In seiner Autobiographie beschreibt Maximilian Schmidt, genannt Waldschmidt auch das Wirken
des Amtsphysikus Dr. Müller im Landgericht Kötzting. 



Frau Seruschok lässt Dr. Müller im Hause des Bäckers Hofmann logieren, das ist zwar richtig, dass es dasselbe Haus ist, aber nicht die richtige Zeit. Die Familie Hofmann kam erst lange nach dem Wegzug Dr. Müllers in Besitz des Hauses.


1863 heißen zuerst einmal die neuen Besitzer

Maierhofer Joseph und Anna

und danach erst kommt

Hofmann Franz und Anna Maria

Dieser ist laut Landshuter Kataster der Besitzer im Jahre 1864. 
Im Jahre 1861 hatte er die Witwe seines Bruders Martin geheiratet und wohl dann 1864 gemeinsam das Haus gekauft. 
Wenige Jahre später, nur ein paar Tage vor dem Pfingstfest von 1867 kam es zu einem der großen Brandkatastrophen in Kötzting und, obwohl das Hofmann Anwesen eigentlich etwas abseits der Hauptbrandherde stand, wurde es doch ein Raub der Flammen.
StA La Rep 164-8 Nr. 1570 der Brand in Kötzting 1867
Hofmann Franz
Sailer und Hausbesitzer
Das Wohnhaus zweistöckig gemauert mit Legschindeldach aus Stein und Fachwerk bestehend. Das Gemäuer theils von Bruch- theils von Backsteinen.
Die unter dieses Legschindeldach eingebaute 1 stöckige Schupfe von Holz.

Befund: Vom Erdgeschoß bestehen nur noch die Mauern der Umfassung und Scheidewände, welche mehr oder minder vom Feuer beschädigt wurden. Das Riegelmauerwerk im Stockwerke ist eingestützt.
Die Umfassungsmauern erscheinen zwar teilweise noch gut zu sein, jedoch sind dieselben unter dem vorgeschriebenen Maße der allerh. Bauordnung vom 30. Juni 1864 und erleiden nicht wohl ein Stockwerk, welches den Bauvorschriften entsprechen wird. Überdies bedingt der aufgestellte Baulinienplan ein Verrücken von ca. 18 Fuß.
Sohin ist der Schaden unter allen Umständen als ein Totaler zu erkennen.
Die Holzschupfe ist ebenfalls total beschädigt.
Wir hatten also bis 1867 hier ein im Erdgeschoss mit Bruchsteinen gemauertes Haus, das im ersten Stock mit hölzernem  Fachwerk gebaut war, dessen Fächer mit Ziegelsteinen ausgemauert war. Die Dachbedeckung waren hölzerne Schindeln.

Der im Text genannte Baulinienplan kostete das Haus seinen großzügigen Vorgarten mit Schupfe (hier die Nummer 7)
Auch nach dem Auszug des Dr. Müller wohnten weiter Mieter in dem Gebäude, 1867 beim Brand lebte der Notariatsgehilfe Max Rabs dort und erlitt einen Schaden an Möbeln, Kleidung und 1 goldenen Fingerring in Höhe von 39 Gulden.
Rep 164-8 Nr. 1570 Schäden der Mieter



Hofmann Franz Xaver und Barbara

Der Besitzübergang erfolgte nun, vermutlich 1878 als Folge seiner Verheiratung, an den Sohn Franz Xaver, Sohn aus der ersten Ehe der Frau mit dem Bruder Martin Hofmann. Franz Xaver heiratete Barbara Wühr aus Hofern. Nun ist das Haus auch endgültig eine Bäckerei.

Im Jahre 1902 war dann der Bäckerssohn Xaver Hofmann der Pfingstbräutigam.


Franz Xaver Hofmann mit seiner Pfingstbraut Anna Lang
Die Begleiter: Rabl Franz und Michael Staudinger



Im Jahre 1905 - die Druckwasserleitung des Marktes war im Vorjahr erst feierlich zusammen mit dem Marktbrunnen feierlich in Betrieb genommen worden - bekam Kötzting seine ersten beiden Wasserhydranten. Einer stand zukünftig beim Bäcker Hofmann, der Zweite dann beim Schuhmacher Schödlbauer.
Repro 589 ca. von 1930
Die Torstraße mit der Bäckerei am Rande 

 

Hofmann Franz und Maria

Hofmann Franz und Maria waren von 1920-1949 die Bäcker auf der Torstraße 4
Franz Seraphin Hofmann, Bäckermeister, hatte am 26.2.1920 Maria Bögl, eine Oberkrankenwärterstochter aus Landsberg geheiratet.



Hier das Bäckereianwesen schön im Hintergrund.: Bäckerei Franz Hofmann
Pfingstritt 1937 aus dem Album Stadt v.li. Pfingstreiter Michl Mühlbauer(Steger), Bürgermeister von Gehstorf und
Vogl Mainzing (Balsn) 
Rechnung/Lieferschein der Bäckerei Hofmann

Hofmann Maria


Im Zuge der Erbfolge wurde Maria Hofmann 1949 die neue Besitzerin



Liebl Karl

Im Jahre 1951 kaufte der Bäckermeister Karl Liebl das Anwesen und zog mit seiner Bäckerei aus dem Haus am Marktplatz aus und wechselte herauf in die neue Bäckerei.

Die Torstraße in den 80er Jahren, noch in beide Richtungen befahrbar.
Dieselbe Situation von der anderen Seite 
Zum Abschluss noch einmal eine andere Luftaufnahmenperspektive ca. um 1956




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