Translate

Freitag, 19. August 2022

Michael Heigl - eine Dokumentation Teil 4

 

Der junge Michael Heigl

Michael Heigl und seine Brüder geraten ins Blickfeld der Behörden


Zuerst ein Hinweis auf die Teile der Dokumentation, die bereits veröffentlicht sind:

Zum Einstieg:  ein Bild und seine Geschichte: das Laumerhaus von Gotzendorf
Teil 1 der Dokumentation: Der Familienverband des Michael Heigl
Teil 2 Die Heigls in Beckendorf
Teil 3 Michael Heigl im Spiegel der Veröffentlichungen

Hinweisschild an der "Heigl-Linde" inmitten von Gotzendorf

Um noch einmal kurz bei den Veröffentlichungen über Michael Heigl zu verbleiben, so scheinen sich alle darüber einig zu sein, dass er in Furth eine Schlosserlehre begonnen hatte - ohne die Lehre zu beenden. In einem zeitgenössischen Zeitungsbericht wird er sogar als ein Schlossergeselle bezeichnet.
Ist solch eine Handwerkerlehre überhaupt wahrscheinlich?
In meinen Augen nicht, da ich mir nicht vorstellen kann, dass seine Eltern das "Lehrgeld" hätten aufbringen können oder mögen, welches damals an den Handwerksmeister im Vorhinein bezahlt hatte werden müssen. Er bekam das Geld dafür, dass er einen jungen Menschen als Lehrling annahm, diesem das Handwerk beibrachte und ihn innerhalb einer festgesetzten Zeit zu einem Handwerksgesellen ausbildete.
Dieses Lehrgeld konnten die Eltern zwar auch in Jahresraten bezahlen - üblich war eine Gesamtsumme zu Anfang der Lehrzeit -, angesichts der prekären Situation der Familie Heigl erscheint mir dies eher unwahrscheinlich.
Anders schaut es aus mit den Berichten über ein Hirtenleben des jungen Heigl zu sein, dies würde sehr gut zu seiner Herkunft passen. Der Journalist, der 1855 den Bayerischen Wald in Sachen "Räuber-Heigl" bereiste, berichtete davon, dass sich HM, ähnlich wie seine Mutter, auf den Hausiererhandel verlegt haben sollte, eine Tätigkeit aber, die ohne Konzession verboten, und damit strafbar war.

Faktencheck: Es könnte so gewesen sein, und die damals wohl befragten  Einwohner der Umgebung Kötztings hätten sich möglicherweise - nach einigen Jahrzehnten - gerade noch an solch einen groben Handlungsstrang erinnern können. Aber selbst der Journalist gibt zu, dass er nicht in Erfahrung hat bringen können, was Michael Heigl dann letztendlich in Konflikt mit der Obrigkeit brachte. Vermutlich waren es einige Kleinigkeiten, die sich aufsummierten und am Ende dazu führten, dass die Obrigkeit, die eh angehalten war, gegen sogenannte „Müßiggänger vorzugehen“, zum Entschlusse kam, dem jungen Mann im Arbeitshaus Ebrach zu einer etwas geänderten Arbeitseinstellung zu verhelfen.
Diese sich anhäufenden Kleinigkeiten sind allerdings akribisch in den protokollierten Anzeigen der Kötztinger Gendarmerie aufgelistet, wie wir später noch sehen werden.

Die ersten Konflikte in seinem Nahbereich ergaben sich bereits für den jugendlichen Michael, als sein älterer Bruder Martin auf den Fahndungslisten auftauchte. Michael war gerade einmal 16 Jahre alt, als folgender Aufruf des Kötztinger Landrichters Freiherr von Schatte in den Königlich Bayerischen  Intelligenzblättern veröffentlicht wurde.


Da wir die Personenbeschreibung Michael Heigls kennen, ist trotz des korrekten Alters eine Verwechslung ausgeschlossen und muss es sich bei diesem Martin tatsächlich um Michaels Bruder - geboren in Fessmannsdorf im November 1813 - handeln, der zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits 19 Jahre alt gewesen war(!). 
Interessant am Rande ist die Beschreibung der Kleidung Martin Heigls: „Am Leibe trug derselbe ein rot und gelb geblümtes Halstuch, rothe Weste mit Streifen, veilchenblauem manchestenen Janker, grauripsene Hose, Bundschuhe und auf dem Kopfe einen runden Hut (!)". Er war wohl flott unterwegs und könnte, so gekleidet, durchaus auch als junger Pfingstreiter durchgehen, jung und damit eben noch ohne Mantel. Eine Verwechslung der beiden Personen - Martin und Michael -  so reizvoll und stimmig diese aufgrund der Lebensaltersangabe ansonsten auch wäre, kann aufgrund der vollkommen unterschiedlichen Personenbeschreibung der beiden mit Sicherheit ausgeschlossen werden. 
Jahre später werden Michaels jüngere Brüder der Unterstützung für ihn verdächtigt, angeklagt und auch bestraft. Es ist durchaus möglich, dass in dieser frühen Phase Michael umgekehrt ein Unterstützer für seinen älteren Bruder gewesen ist.

Was immer an Gerüchten und Anekdoten sich um die Jugendzeit Michael Heigls rankte und rankt, nachdem bei der damaligen Gendarmerie auch kleine und kleinste Vergehen verfolgt und notiert wurden, ist es sehr wahrscheinlich, dass deren chronologische Aufstellung weitgehend vollständig ist, wobei der amtliche Terminus  "Müßiggang" sehr weitgefasst ist und von der Erregung öffentlichen Ärgernisses durch Herumlungern bis hin zum Konkubinat vieles umfassen konnte.

StA Landshut RegvNB KdI Rep. 168-1 Nr. 63944-II_0003  



Chronologische Zusammenstellung
der
Polizeiübertretungen, Vergehen und Verbrechen, deren der flüchtige Verbewcher
Michael Heigl


Seitdem er zum erstenmale der amtlichen Einschreibung verfallen, bezichtiget ist, mit Angabe des Standes der einzelnen Untersuchungen, dann in einzelnen Fällen mit Angabe der vorliegenden Ueberweisung oder minder dringenden Verdachtes als Urheber oder Gehülfe


1. 1837
wurde Michael Heigl wegen Müßigganges mit 12 Ruthenstreichen bestraft

2. 1840
Wurde Michael Heigl wegen Müßigganges mit Polizeiarrest abgestrafft

3. 1843

Befand sich Michael Heigl zum Behufe einer Arrestierstehung in hiesiger Frohnfeste, bei welcher Gelegenheit es ihm, als der inquirierende Beamte Landgerichtsassessor Fritz den Beschluss seiner Einweisung ins Zwangsarbeitshaus eröffnete, gelang, unbemerkt die Flucht zu ergreifen, seit welcher Zeit er auf flüchtigem Fusse sich befindet. ....

Aufgrund eines anderen Dokumentes können wir den Tag der Flucht Heigls genauer bestimmen, es scheint der 29.4.1843 gewesen zu sein. Dies ist deswegen interessant, weil dieses Datum es uns ermöglicht einen Zusammenhang zwischen einer anderen Straftat, der Verhaftung und dann eben dieser dokumentierten Flucht herzustellen. In der obig bereits angeführten Zusammenstellung folgt - sinnigerweise NACH der Fluchtbeschreibung - eine Diebstahlsmeldung und -verhandlung:

4. 1842

Ausgezeichnetes Diebstahlsverbrechen
zum Schaden des Josef Hakl Bauer von Hainzlhof in der Nacht vom 24. Dezember 1842

objektiv
Alle Criterien mit Hinblick auf Art: 7 der Diebstahlsnovelle von 1816. Werth der gestohlenen Gegenstände 36 fl. Heigl und Schreil angeschuldigt durch appellatios=gerichtliches Erkenntnis vom 11. April 1843 Spezialuntersuchung erkannt. Verfahren aus Mangel des Beweises eingestellt - selbe 2 Jahre unter die Polizeiaufsicht ihrer Wohnorte gestellt. Die Geschworenen würden unter den vorliegenden Verhältnissen das Schuldig gesprochen haben.

Die amtliche Entschließung vom 11.4.1843 mit der verordneten Polizeiaufsicht vor Ort, wurde vermutlich bei Michael Heigl wegen seiner Vorgeschichte  um die zusätzliche Maßnahme der zeitweisen Einweisung in ein Arbeitshaus erweitert, was ihn dann 14 Tage später, als ihm die Entscheidung eröffnet wurde, veranlasst hatte, die Flucht zu ergreifen, was offensichtlich in der Kötztinger Fronfeste damals relativ leicht zu bewerkstelligen war.
Einschub
Dieses  - für Kötzting zuständige - Arbeitshaus lag in Ebrach, in der nördlichen Oberpfalz und war, ich überlasse es der Phantasie meiner Leser den Grund dafür zu erahnen, auch der Namengeber für einen Kötztinger Ortsteil. Für uns Obermarktler wurde Alles jenseits des Torplatzes "Ebrach" genannt und die - gefürchteten - Gegner unserer Kinderbanden aus diesem Ortsteil waren eben alles "Ebracher"
Einschub Ende

Diese obige Auflistung hat Eingang in das "Strafregister" des Michael Heigl gefunden, bei der Gendarmerie in Kötzting stand er damals bereits viel öfter in Verdacht. Diese Taten, deren er sich verdächtig gemacht hatte, haben zwar Eingang in die "Erlebnisromane" über Michael Heigl gefunden, sind aber ihm nie tatsächlich angelastet worden. Die Tabelle passt aber durchaus zu seinen bereits unruhigen Jahren als junger Mann. Im Jahre 1847 jedenfalls musste der Kötztinger Brigadier Josef Haas die Tagebücher der Station Kötzting durchforsten und seinen Vorgesetzten in Landshut all die Anzeigen aufführen, die damals Michael Heigl in irgend einer Weise betrafen und das waren nicht wenige.
Hier die Einträge bis hin zu seiner Flucht:

3.11.1841

wurde(n) Michael und Adam Heigl wegen Uhrendiebstahl Verdachts zu 18 fl. Werts durch Brigadier Braun dem kgl Landgericht Kötzting angezeigt.

3.8.1842

wurde der Bauer Wolfgang Weiß von Arndorf wegen Unterschlupfgebung des dienst- und arbeitslosen Michael Heigl durch Gendarmen Zimmermann angezeigt.

3.9.1842

wurde Michael Heigl wegen fortgesetzter Beschäftigungslosigkeit und Vagieren arretiert und die Inwohnerin A.M. Gruber von Arndorf wegen Unterschlupfgebung durch Brigadier Zeiler angezeigt

16.11.1842

wurde Michael Heigl wegen wiederholter Dienstlosigkeit und unerlaubten Aufenthalt bei der Inwohnerin A.M. Gruber von Arndorf durch Brigadier Zeiler angezeigt.

23.12.1842

wurde durch Brigadier Zeiler bei der Konkubine Maria Gruber von Arndorf des Michael Heigl mehreres gestohlene Eisen, Kleidungsstücke und ein Pflug von bedeutendem Werte vorgefunden und mittels Anzeige dem kgl Landgericht Kötzting eingeliefert.

25.12.1842

durch Brigadier Zeiler angezeigt, dass bei der Konkubine des Michael Heigl mehrere gestohlene Kleidungsstücke wiederholt vorgefunden wurden.

26.12.1842

wurde Michael Heigl wegen Einbruch und Diebstahls Verdachts zu 13fl 38xr  Werts durch Brigadier Zeiler angezeigt.

27.12.1842

wurde Michael Heigl wegen Einbruch und Diebstahlverdachts zu 60fl Werts durch Brigadier Zeiler angezeigt                                                                 

Wie oben bereits angedeutet, scheinen die Untersuchungen und Begleitumstände zu diesem Einbruchsdiebstahl von Weihnachten 1842 eine Verbindung zu Heigl ergeben haben, was zu dessen Verhaftung führte, mit bekanntem Ausgang.

Den weltlichen Behörden war also Michael Heigl mindestens bereits seit dem Jahre 1837 ein Dorn im Auge ein richtiger Stachel im Hintern wurde er dann ab dem Frühjahr 1843.
Das Landgericht ist aber nur eine Behörde von mehreren.
Bereits vorher gab MH seiner Umwelt Anlass zur Beschwerde..... allerdings eher aus moralischen Gründen.

 .

Heigl Michael als junger Erwachsener mit „Familie“

Es gibt im Pfarrarchiv Kötzting unter der Signatur 309.1 einen Briefwechsel des Kötztinger Pfarrherrn mit dem Landgericht Kötzting, indem dieser die Zustände in dem Hause schildert, in dem sowohl Heigl wie auch seine Freundin Anna Maria Gruber zusammen mit einer ganzen Reihe an Männern, Frauen und Kindern wohnten, mit Zuständen wie in einer Studenten-WG in den 60er/70er Jahren.

Kötzting 14.April 1836
(Michael Heigl ist 19 Jahre alt, seine Freundin 17, was der Pfarrer nicht – noch nicht – weiß, ist, dass bereits das erste Kind der Beiden unterwegs ist.)

PfA Kötzting 309.1 

In dem Brechhäusl des Georg Schillinger zu Arndorf halten sich nachstehende Individuen auf.

A             Anna Maria Reininger Abdeckerstochter von Reitenstein über 50 Jahre alt und
                dies ist die Mutter von Anna Maria Gruber

B             Franziska Reininger ihre Schwester gegen 50 Jahre alt

Die erstere dieser Schwestern hat eine Tochter Anna Maria, geboren, am 3.9.1819 und die andere eine Tochter mit Namen Barbara, geb. 1807, wozu sie einen und denselben Vater Michael Gruber von Gaut in Böhmen haben.
Die Barbara Gruber ist wieder Mutter von zwey ausserehelichen Kindern Anna Maria Huber (geboren 1832 und Franz Xaver Schedlbauer geb. 1835) – das 4. Kind 1836 Theres Stelzl.
Die Anna Maria Gruber, 17 Jahre alt, lebt mit Michael Heigl, mit Martin Heigl Inwohnerssöhnen von Bäckendorf und mit Johann Bauer vulgo Bärnbube d.Z. in Reitenstein beim Häusler Neuberger auf die sittenloseste und ärgernisvollste Weise…..

Michael und sein älterer Bruder Martin, der 3 Jahre zuvor noch polizeilich gesucht worden war, leben also nun in einem kleinen (Neben)Haus in Arndorf in einer Wohngemeinschaft. Dann wird bekannt, dass Anna Maria Gruber schwanger ist und wieder schreibt der Pfarrer an das Gericht, zwei Wochen vor der dann erfolgten Geburt des ersten Kindes:

8.11.1836: Unter Anlegung des Schreibens der Gemeindeverwaltung Arndorf wird das k: Landgericht gebethen, gegen diesen Michael Heigl, der jeder Ermahnung und Warnung nur bösartige Drohung entgegensetzt, geeignet einzuschreiten.
8 Tage später kam das erste Kind, ein Michael:

PfA Kötzting Band 9 Seite 84
Michael illeg: - Hebamme Zachmann - Vater: Heigl Michael Inwohnerssohn Bäckendorf
Mutter Anna Maria Gruber Inwohnerstochter von Reitenstein
16. November 8 Uhr morgens
Getauft am 16. November in Kötzting durch den Expositur von Hohenwart D: Punzmann

Selbst ein Vormund wurde bestimmt: Josef Schreiner Häusler von Reitenstein.

Einschub
Diese Beschwerdeschrift des Pfarrers, belegt und bewiesen dann durch die Geburt des ersten seiner Kinder im November 1836,  KÖNNTE im Jahre drauf dann ursächlich für seine erste Bestrafung als "Mußiggänger" gewesen sein.
Einschub Ende

Im Jahre 1839 kommt das nächste Kind der beiden zur Welt.

PfA Kötzting Band 9 Seite 84

Christoph illeg -  Hebamme Zachmann - Vater: Heigl Michael Inwohnerssohn d.z. Reitenstein 
Mutter: Anna Maria Gruber uneheliche Abdeckerstochter Reitenstein. 
Geboren am 3. May um 4 Uhr morgens, getauft am 3. May in Kötzting
Taufpatin: Magdalena Forster Inwohnerstochter von Thenried 
Von späterer Hand hinzugefügt, enthält der Eintrag noch zwei weitere Einträge:
Am 25.11.1912 heiratete der Reitensteiner Fuhrknecht Christoph Gruber, Sohn der Maria Gruber, die Geschirrhändlerin Theres Vogl aus Reitenstein und zwei Jahre später, als Beckendorfer Häusler und Witwer, die Dienstmagd aus Großaign Barbara Liebl.
Ein Jahr später, Anna Maria Gruber ist mit Heigls drittem Kind schwanger, kommt die nächste Beschwerdeschrift über Heigls Benehmen und Umgang. Dieses Mal ist es der Bauer, bei dem die Gemeindeverwaltung die "Großfamilie-Heigl" zwangsweise an Georgi (= 23. April) einquartiert hatte. Der Halbbauer Georg Baumgartner aus Arndorf. schreibt am 18.7.1840 - wohl an den Kötztinger Pfarrer - , dass ihm an Georgi nachstehende Individuen in die Herberge eingestifft“ worden waren. 

Magdalena Brunner Inwohnerstochter von Arndorf mit 4 Kindern (Vater Alois Hofer)
Anna Maria Gruber, gerade mit dem dritten Kind schwanger (Vater Michael Heigl)

Der Pfarrer reicht nun dessen Beschwerdeschreiben 1 zu 1 an das LG Kötzting weiter, ergänzt die Fakten des Bauern Baumgartner noch durch einige moralische Beschwerdepunkte und fordert das LG Kötzting auf, pflichtgemäß zu reagieren..

PfA Kötzting 309.1 

Diese beiden Purschen Alois Hofer und Michael Heigl frequentieren die genannten zwey Weibsleute in ihrer abgelegenen Wohnung, vielmehr Schlupfwinkel ohne Unterlaß, finden sich vorzüglich 

PfA Kötzting 309.1 

an Feyrtägen unter der Gottesdienstzeit und wohl auch bei der Nacht dort ein und führen ein Leben der sittenlosesten und ärgernisvollsten Art.
Diestemnach wird ein k. Landght höflichst gebetthen, diese pflichtgemäße Anzeige nach dem bestehenden allerhöchst Gesetzen zur würdigen und gegen die genannten Individuen Isbäldest geeignet einzuschreiten.
Das Landgericht forderte nun die Gemeinde Arndorf auf, sich zu erklären und dies ist ein erster Hinweise auf die prekäre Situation, in der sich Teile der Kötztinger Bewohner befanden.
Zuvor jedoch, am 20.11.1840, entband Anna Maria Gruber ihr drittes Kind, dieses Mal eine Therese, die, am selben Tag zwar noch schnell getauft, am 20. November 1840 dann an der Frais gestorben und am 22. November schon wieder begraben worden war.

PfA Kötzting Band 9 Seite 110
Das zusätzlich Besondere an diesem Eintrag ist der Taufpate: "Josef Schreil, Inwohnerssohn von Reitenstein", und die Tatsache, dass auch hier erneut ein "Cur"(ator) mit Michael Raimer, einem Häuslern aus Reitenstein eingetragen wurde.
Mit diesen Josef Schreil aus Reitenstein haben wir vermutlich jenen Kumpan Michael Heigls, der zusammen mit ihm den Bauern Hakl ausgeraubt hatte, und mit der darauffolgenden Verurteilung Heigls Flucht begann.
Gut ein Monat später, am 27. Dezember übersandte die  „Landgemeinde=Verwaltung Arndorf“ pflichtgemäß unter dem Betreff:  „Unerlaubtes beysammenwohnen lediger Personen“ eine ganze Liste an sogenannten „Polizeifrevlern“, die im Bereich der Gemeinde Arndorf in den unterschiedlichsten "Quartieren" einen interessanten Einblick in das Leben der damaligen - mit Verlaub - Unterschicht geben.

Interessant sind hier auch die ganz besonderen (Kampf-) Namen, unter denen die Männer damals bekannt waren. Auf der Liste befanden sich   
in Beckendorf:  ein Uhrrichter namens Joseph Fendl bei Johann Wihr vulgo Schleik
in Arndorf:
Johann Bauer vulgo Bärn (derselbe Johann Bauer, der schon mit dem jungen Michael Heigl in einer WG gewohnt hatte).
Weiter stand unter Arndorf:  „beym Georg Baumgartner sind nach Abordnung der Gemeinde Maria Gruber und Magdalena Brunner mit ihren Kindern, bey Ersteren kommt der Michl Heigl von Reitenstein zu Letzterer der Alois Hofer, vulgo Kolleralois, von Gehstorf für beständig; die Maria Donhandl beym Hirten alldort wurde der k: Gendarmerie angezeigt“.
in Grub:
Beim Michl Weber wohnt die Witwe Theres Schillinger … zu welcher der N: Heindl vulgo der alte Halludri“ häufig kommt.
dann die Katharina Vogl zu der „Sebastian Bauer vulgo Schweizerwastl“ kommt und die Theresia Vogl, die der viermaligen Entbindung nahe ist.
Beim Franz Vogl wohnt „Johann Forster, vulgo Lohrerhannes“ mit seiner Freundin „als wie verheiratet“.

Weiter berichtet die Gemeindeverwaltung über eine weitere Hausgemeinschaft, nun aus Hofern, die ihr immer wieder großen Verdruss bereitete, und schreibt im Einzelnen: "Überhaupt ist diese Familie sehr befürchtend, da immer 3 auf 4 große Söhne sich zeigen, welche die Arbeit fürchtend, sich verdienstlos herumtreiben, auch sieht man bei selben  zwey große Fanghunde öfters, auch soll diese Familie nach späterer Erfahrung den entsprungenen Johann Bauer und die Tochter Barbara 3 Tage verheimlicht gehalten haben…..
Zusammenfassend beschwert sich die Gemeinde über die Aufwendungen, die für diese Personengruppe aufgebracht werden müssen, auch, weil diese damit den „ernstlichen und ehrlichen Inleuten die Beherbergung erschwerend sind, so wie auch durch unerschöpfliches Holzsammeln um solches an andere veräußern zu können, wovon der Johann Bauer zu Arndorf und Anna Baumann zu Grub mit ihrem Bull Forster oder Lohrer den Meister spielen....“
Größtenteils sind vorgenannte Burschen der Gemeinde und Gegend sehr gefährlich, da auch solche sich durch Raubpecheln ihre Nahrung suchen, wo in den Gehölzen selbst alle Stämme angerissen /:welches kein geübter und erlernter Pechler nicht thun wird:/ um durch den übrigen Ausfluß des Peches der Stamm unmittelbar die Fäulung oder gänzliche Ausdorrung zur Folge haben muss….

(Welches) einem kgl: Landgericht zur dienstschuldigsten gehorsamsten Anzeige bringt mit beygefügter Bitte: solches im Stillen zu vernehmen, ansonst sich bey solcher, meistens verschmitzter Klasse von Menschen, an Leib und Leben äußerst gefährdet findet.

Gezeichnet ehrfurchtsvoll als gehorsamst
Georg Brunner Vorsteher

Der Gemeindevorstand von Arndorf fürchtete also bereits um Leib und Leben, nur weil er der übergeordneten Behörde pflichtgemäß deren Anfrage beantwortete. 
Auch hier KÖNNTE es einen Zusammenhang zwischen Heigls nächster Verurteilung wegen Müßigganges und der dreifachen Beschwerde über ihn durch Pfarrer, Bauer und Gemeindeverwaltung  Arndorf gegeben haben.

Nun wäre es Interessant herauszufinden, wo Michael Heigl und seine Geliebte denn in diesen Jahren vor seiner Flucht gewohnt hatten.
Zum ersten war dies das Brechhaus des Georg Schillinger und zum anderen der Halbbauer Georg Baumgartner, beide Gemeinde Arndorf.
Im Liquidationsprotokoll des Vermessungsamtes Cham finden sich beide Besitzer mit ihren Anwesen.

Vermessungsamt Cham Gemeinde Arndorf: Georg Baumgartner Hausnummer 3 und Georg Schillinger, der obere Abdecker, auf der Nummer 11.
Ausschnitt aus Bayernatlas.de
Im Wald oberhalb von Reitenstein und Arndorf, befindet sich hinter den an die Kötztinger verteilten Waldgrundstücke der ehemaligen Hofmark Reitenstein, das Anwesen des "oberen Abdeckers" Georg Schillinger.
Ausschnitt aus Bayernatlas.de
Mitten im Walde auf einer kleinen Lichtung stand dieses Ensemble an Haus- und Wirtschaftsgebäuden und in einem dieser Holzhütten wohnte die zu Anfang - 1836 - beschriebene Wohngemeinschaft.
Am 28.8.1833 hatte Georg Schillinger das 1/32 Gut in Arndorf von Franz Raininger gekauft.
Das Anwesen wird beschrieben mit:

Vermessungsamt Cham Gemeinde Arndorf: Haunummer 11 
"Das 1/32tel Rainergütl mit realer Wasenmeistersgerechtigkeit 
Gebäude:
Wohnhaus samt Stübl und Stall unter einem Dache, besonderer Stadl mit Wasenmeisterstätte, Wagen und Holzschupfe, Backofen und Hofraum."


Auch heutzutage sieht man dem Ensemble in Waid noch die gestreckte Form aus seiner Entstehungsgeschichte gut an. Detail aus Bayernatlas.de


Bei seinen nächsten zwei Kindern wohnte die junge Heigl-Familie dann beim Bauern Baumgartner unter der Hausnummer 3 in Arndorf. Dieser besaß nur ein einzelnes Wohnhaus und hatte die unerwünschte Wohngemeinschaft vermutlich tagtäglich als Ärgernis vor Augen.

Vermessungsamt Cham Gemeinde Arndorf: Haunummer 3
Georg Baumgartner hatte seinen Hof im Jahre 1814 von seiner Mutter übernommen, der mit dem Hausnamen "Gaberhell" im Liquidationsprotokoll vorgetragen ist.
"Der halbe Gaberhell oder Baumgartnerhof"
Gebäude
Wohnhaus samt Stall unter einem Dache, besonderer Stadel mit Schupfe, Backofen und Hofraum.
"

Hier die Situation heutzutage aus Bayernatlas.de

Von weiteren Wohnorten ist nichts bekannt geworden, so dass anzunehmen ist, dass auch das vierte Kind der beiden, Georg Heigl/Gruber, dort in Arndorf beim Bauern Baumgartner auf die Welt gekommen ist.
PfA Kötzting Band 9 Seite 149
"Georgius - Hebamme Zachmann - Vater Heigl Michael, Inwohnerssohn in Reitenstein wohnhaft.
Mutter Anna Maria Gruber uneheliche Abdeckerstochter aus Arndorf.
Geboren am 15.1.1842 um 9 Uhr abends, getauft am 16.1.1842 durch den Kooperator Graßl.
Der Taufpate war ein Georg Schindler, Inwohnerssohn von Hofern und der nächste Curator, also Vormund des Kindes, war der Reitensteiner Häusler Georg Müller.

In diesem damals nur moralisch verwerflichen Lebenswandel steckt vermutlich der amtliche Vorwurf des Müßigganges, der Michael Heigl zuerst 12 Rutenstreiche und beim Wiederholungsfall dann einen - unbekannt wie langen - Polizeiarrest einbrachte. 
Vermutlich erst der dringende Verdacht eines gemeinschaftlich begangenen Diebstahls brachte ihn zuerst  in (Untersuchungs)Haft und danach, als daraus dann Ernst zu werden drohte, nutzte er die erste beste Gelegenheit und ging am 25.4.1843 stiften.
Und nun beginnt eine mehr als 10 jährige Jagd auf den Beckendorfer Inwohnerssohn Michael Heigl , der es klug verstand, sich aus der Besonderheit der örtlichen Besiedlung und Bevölkerung, der Unwegsamkeit des Geländes und der Tatsache, dass die vielen von außen geschickten Jäger und Gendarmen ihn überhaupt nicht kannten, sich Vorteile zu verschaffen. Und wenn ihm der Boden gar zu heiß unter den Füßen geworden war, dann verließ er eben die Gegend für kurze Zeit. Die Rede ist sogar von Wien und Ungarn, aber da sind wir wieder im Bereich des "Nix G´wiss woas ma net". Dass er sich auch jenseits der Grenze aufgehalten hatte - bzw. man ihn dort auch vermutete -, ergibt sich auch aus den Dokumenten, die man bei seiner Festnahme gefunden hatte und den Behördenschreiben, die der damalige Landrichter Carl von Paur auch an böhmische Hauptmannschaften (dasselbe wie bei uns die Landgerichte) wiederholt geschickt hatte, allerdings ohne positive Rückmeldungen.
Aber dazu möchte ich im nächsten Teil zuerst einmal aufzeigen, wie es im Bayerischen Wald - in einem viel größeren Ausmaß als in anderen Gegenden Bayerns - zu dieser anwachsenden Schicht an Inleuten in einer äußerst prekären Lebenssituation gekommen ist und deren Abhängigkeiten aufzeigen.

Hier noch einmal der Hinweis auf die Teile der Dokumentation, die bereits veröffentlicht sind:

Zum Einstieg:  ein Bild und seine Geschichte: das Laumerhaus von Gotzendorf
Teil 1 der Dokumentation: Der Familienverband des Michael Heigl
Teil 2 Die Heigls in Beckendorf
Teil 3 Michael Heigl im Spiegel der Veröffentlichungen

Wird fortgesetzt

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Wenn du auf meinem Blog kommentierst, werden die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.