Der Auslöser für diesen Beitrag war eine offizielle Anfrage an das Stadtarchiv über das Kriegerdenkmal am Mittagstein und deren Erbauer in der Nachkriegszeit.
In diesem Jahr - 2024 - konnte ja bereits die Kötztinger Hütte ihre 75jährige Wiederkehr der Neuerrichtung feiern und es stand zunächst die Frage im Raum, ob es nicht auch beim Mittagsteindenkmal in eben diesem Jahr ein runder Gedenktag sein würde/könnte.
Es war zunächst gar nicht so einfach, ein genaues Datum in den städtischen Unterlagen zu finden, aber über eine Zeitungsrecherche konnte dann zumindest der 30. September 1956 als das Datum herausgefunden werden, an welchem dieses Denkmal - nach seiner Grundsanierung - neu eingeweiht worden war. Es wird also noch zwei Jahre dauern, bis das Mittagssteinglöcklein zu seinem 70ten Geburtstag läuten kann.
Foto Sammlung Serwuschok - Das Redakteurkürzel bei Bild und Artikel aus dem Jahre 1976 war "kcc" =Gerd Cebulla. |
Nicht nur weil das mit Sicherheit um einige - wenige - Jahre ältere Kaitersberglied vom "Glöcklein am Mittagstein" erzählt, sondern auch aus älteren Zeitungsberichten und von alten Bildern wissen wir, dass es einen Vorläuferbau gegeben hat.
Foto Hauptlehrer Josef Bock ca. 1937. Das "alte" Mittagsteindenkmal |
Aus dem Kötztinger Stadtarchiv war zunächst nicht mehr dazu in Erfahrung zu bringen, als dass es im Jahre 1929 eine Eingabe der "Deutschen Wacht, Ortgruppe Kötzting" beim Marktgemeinderat gegeben hatte. Details dazu sind unbekannt, da der Akt im Archiv nicht auffindbar ist...... es durften sich in früheren Jahren viele zu viele Menschen im Stadtarchiv frei bedienen und so existiert im Moment eben nur die Inhaltsangabe dieses "verlorenen" Aktes im Aktenverzeichnis.
Dort heißt es lapidar, dass diese Ortsgruppe um eine Spende bäte, für das am Mittagstein errichtete Bezirkskriegerdenkmal. Der Markt habe 300 Mark dazu gegeben und dieses Ehrenmal sei 10 Jahre nach Kriegsende erbaut worden - 1929 - und es fänden 2 mal jährlich dort "Gedenken" statt.
Die Suche nach "Deutsche Wacht" brachte den nächsten Hinweis: ein damaliger - 1931 - Kötztinger Hauptlehrer Schwanzer wird in einem Zeitungsartikel mit einem Darlehen für die Kötztinger Hütte genannt. Er tat dies im Namen und für die "Deutschen Wacht", ein im Jahre 1906 gegründeter deutscher Ostmarkenverein.
Mit diesen beiden Namen war es nun möglich, auch außerhalb des Kötztinger Stadtarchives auf die Suche zu gehen und dabei kam erstaunliches über das Ehrenmal am Mittagstein und die erste Kötztinger Hütte zutage.
Die treibende - ja man muss nach den vorliegenden Akten aus dem Staatsarchiv in Landshut eigentlich sagen die ausschließlich und alleinig vorwärts treibende - Kraft bei beiden Vorhaben war der Kötztinger Hauptlehrer Heinrich Schwanzer, der im Jahre 1911 als Hilfslehrer nach Kötzting gekommen war. Selber aus Altreichenau stammend, hatte er am 23.3.1920 die Kötztinger Bankierstochter Maria Liebl geheiratet, die Schwester unserer bekannten Frau Paula Dittrich.
Hier in Kurzform zuerst der Zeitpfeil, wie er sich aus den Akten ergibt:
1922 Die Regensburger Waldvereinssektion plant im Regensburger Neuhaussaal einen Faschingsball zu veranstalten, dessen Erlös zum Bau einer Unterkunftshütte auf dem Kaitersberg dienen soll und veröffentlicht dazu eine Einladung im Kötztinger Anzeiger.
1928 Bauplan für den Bau der/einer Kötztinger Hütte.
1928 im Herbst Baubeginn des Denkmals.
1929 Antrag auf finanzielle Unterstützung für diesen Bau bei der Marktgemeinde Kötzting und Aufnahme eines Kontakts zum Hauptausschuss des Waldvereins, um diesen mit ins Boot zu nehmen, es flossen wohl Zuschüsse, es erfolgte aber keine Verbriefung.
1929 Weiterbau des Ehrenmals und der Kötztinger Hütte am Mittagstein (im Oktober 1929 ist aber das Ehrenmal noch nicht ganz fertig gestellt).
1930/31 Nach Schwierigkeiten mit der Finanzierung von privat erfolgt eine Kreditaufnahme durch die Deutsche Wacht in Person des Lehrers Schwanzer bei der Sparkasse, welcher offensichtlich viele der ursprünglichen Geldgeber und Betriebe als Bürgen für diesen Kredit gewinnen konnte.
1931 Nachdem die Schuldner mit ihren Zahlungen in Rückstand gekommen waren, griff die Sparkasse zu/durch, legte die Hand auf das Objekt (Kötztinger Hütte UND das Mittagsteindenkmal) und versuchte dann jahrelang, einen Käufer für das Objekt zu finden.
1945 im April Beschuss der Kötztinger Hütte aus der Richtung von Wettzell.
1951 Aus einem Begleitschreiben des Jahres 1951 bestätigt die Kreissparkasse Kötzting dem damaligen Landrat, dass nicht die Sparkasse, sondern der in Liquidität stehende Verein Deutsche Wacht mit dem damaligen letzten Vorsitzenden, dem Kötztinger Schlossermeister Josef Liebl, die Kötztinger Hütte an Herrn Willy Silberbauer aus Hohenwarth verkauft hatte, und somit/dabei die Schulden bei der Kreissparkasse getilgt worden waren. Ein Datum, wann dieser Übergang erfolgt war, wurde nicht angegeben.
1948 Einweihung der neuen Kötztinger Hütte.
1956 Einweihung des renovierten Mittagsteindenkmals
Doch nun der Einstieg in die Details dieser fast unglaublichen Energieleistung eines einzelnen Mannes, des Kötztinger Hauptlehrers Heinrich Schwanzer, auch wenn die Beurteilungen über ihn nicht gerade positiv ausfielen. Er war sicherlich kein einfacher Mensch.
Kötztinger Anzeiger vom 21.1.1922 mit der Benefizveranstaltung in Regensburg zum Bau einer Unterkunftshütte auf dem Kaitersberg. |
StA Landshut: Rep 164-8 Nr. 2883 von 1909-50 Planskizze vermutlich vom Lehrer Schwanzer für den Bau des Ehrenmals von wohl vor 1928. |
Offensichtlich hatte Schwanzer das ganze Vorhaben begonnen, ohne sich mit den Baubehörden abgestimmt zu haben.
Die Beamten im Landbauamt versuchten mehrmals, dem Bau, den sie nicht mehr verhindern konnten - oder vielleicht auch nicht verhindern wollten - eine Form zu geben, die mehr ihren Vorstellungen entsprach, aber auch damit scheiterten sie.
In diesem Schreiben kann man zwischen den Zeilen durchaus eine gewisse Resignation herauslesen. |
Der Anlass war eine private Plakatierungsaktion des Lehrers Schwanzer an der Arberseehütte.
Im Juni 1938 fuhr die Kötztinger Frauenschaft "rund um den Arber" und fand dort die Plakate, von denen sie eine Abschrift erstellt haben.
StA Landshut: Rep 164-8 Nr. 2883 |
Der Kötztinger Magistrat verbittet sich diese Vorwürfe und beantwortet diese Stück für Stück.
Für Schwanzer scheint die Zeit in Kötzting aber damit vorbei gewesen zu sein; er wurde versetzt.
H.L. Schwanzer hatte seinerzeit ein solches Denkmal im Allgäu gesehen und sich in den Kopf gesetzt, auch ein solches auf dem Mittagstein bei Kötzting zu errichten (Zeitpunkt 1928-29).
Die Idee war wirklich anerkennenswert, aber an die andauernden Kosten wurde dabei nicht gedacht, denn das Läuten übernimmt niemand umsonst.
Einschub:
Das ist schon bemerkenswert, dass der Vorsitzende des Kötztinger Kriegervereins selbst 10 Jahre nach der Fertigstellung dieses Ehrenmals für die Gefallenen des Weltkriegs noch nie oben auf dem Mittagstein gewesen war.
Verkauft und versteigert kann dieses Ehrenmal nie werden, da hievon kein Nutzen zu erhoffen ist, wie auch die völlig verbaute Hütte niemand will, trotzdem sie allen möglichen Verbänden angeboten wurde. Ich bin auch Führer der Waldvereinssektion Kötzting und bekümmert sich auch von uns niemand um die Hütte, da wir die Baulasten fürchten, abgesehen von den 12000 RM Schulden, die darauf ruhen, samt den jahrelangen Zinsen.
Durch dieses Plakat will sich Schwanzer nur wieder wichtig machen, sich in Unschuld die Hände waschen und andern seine Schuld zuschieben. Um dieses Plakat wegzubringen, giebt es blos ein Mittel und zwar eine Vorstellung des Landesgebiets Main an die Regierung von Niederbayern und der Oberpfalz in Regensburg. Die Arberseehütte liegt nicht im Bezirk Kötzting, sondern im Bezirk Regen
Mit kameradschaftlichen Gruß
Heil Hitler
Aus einer privaten Abgabe von Fotos haben wir in unserer Sammlung sogar Bilder von der Baustelle, vermutlich wegen der erkennbaren Ziegelsteine eher von der Kötztinger Hütte, die ja, lt Windisch, zunächst die Bauhütte für den wichtigeren Bau, den des Ehrenmals gewesen war.
Hier Bilder vom Baustellenbesuch am 10. Juli 1928:
Hier noch einige Details aus dem Protokoll der Baustellenbesichtigung vom 28.10.1928:
StA Landshut: Rep 164-8 Nr. 2883 BZA/LRA Kötzting |
StA Landshut: Rep 164-8 Nr. 2883 BZA/LRA Kötzting Das im Besichtigungsprotokoll als Unterkunftshaus bezeichnete Objekt, dürfte die spätere Kötztinger Hütte gewesen sein. |
Kötztinger Anzeiger vom Oktober 1931 2. Teil |
Kötztinger Anzeiger vom Oktober 1931 |
Kötztinger Anzeiger vom Oktober 1931 |
StA Landshut: Rep 164-8 Nr. 2883 BZA/LRA Kötzting |
Hochverehrender, Gnädigster Herr Oberregierungsrat
In tiefster Ehrerbietung geharrt Eur. Hochgeboren ergebenst Hans Bill
.... Das Denkmal auf dem Mittagstein ist Privateigentum des Herrn Hauptlehrers Schwanzer.....
StA Landshut: Rep 164-8 Nr. 2883 BZA/LRA Kötzting |
Sammlung Auzinger Martin: Bewirtung unter freiem Himmel Katharina Auzinger mit ihrem kleinen Sohn Hans und rechts der Hüttenwirt Hans Auzinger. |
Wie mühsam damals noch der Lebensunterhalt und die Arbeit auf der Hütte gewesen war, kann man an einigen erhaltenen Bildern erkennen.
Sammlung Auzinger Martin: Wenn der Hüttenwirt Besorgungen zu machen hatte, nahm er den kleinen Sohn im Rucksack mit. |
Sammlung Auzinger Martin: Mit seinem treuen Schäferhund und seinem Helfer geht der Hüttenwirt Hans Auzinger den Berg hinauf zur Kötztinger Hütte. |
Sammlung Auzinger Martin: links Klein-Hans und Katharina Auzinger |
Sammlung Auzinger Martin: Auch die Kötztinger Schulkassen fanden sich bei ihren Wanderungen in der Kötztinger Hütte ein; womöglich ist dies sogar der Kötztinger HL Schwanzer. |
Einschub Ende
KÖZ vom Juli 1955 |
Gesagt, getan, ähnlich wie beim Wiederaufbau der Kötztinger Hütte kam auch hier der damalige Kreisbaurat Seiler zu Hilfe und mit viel Unterstützung vor allem aus Steinbühl und Hohenwarth konnte der Bau am 30.9.1956 dann eingeweiht werden.
Militärdekan Seitz aus München Foto "Kcc". Links der Kötztinger Bürgermeister Karl Seidl |
Die Arracher Sänger, hinten in der Mitte Heinrich Wieser, rechts hinten Paul Hartmann |
Sammlung Dittrich, Herr und Frau Schwanzer mit ihren Kindern. |
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