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Samstag, 11. Januar 2025

Lindnervorbericht

  Sir Bob Geldof in der Lindnerhalle


In der Kötztinger Aufbruchstimmung in den 90er Jahren wurde von der Stadt Kötzting eine Veranstaltungsreihe ins Leben gerufen, die "Begegnungen".  Unter der Festspielleitung von Thomas Stammberger - in der Anfangszeit zusammen mit Nicol Putz - wurde eine bunte Mischung an Künstlern und Vorstellungen angeboten, die von Streetart und Aktionskünstlern bis hin zu namhaften Comedians und großen und bekannten - bayerischen aber auch internationalen - Namen reichte.
Manche dieser "Hauptakts" fanden in und vor der Jahnhalle statt, manche allerdings auch beim Lindner. Konstantin Weckers - im Nachhinein weiß man, woher dieser Mann seine unbändige Energie hatte an diesem Abend - Auftritt ist heute noch Legende und auch an Ottfried Fischer erinnert man sich noch gerne. Ich persönlich habe den warmen Sommerabend mit Rainhard Fendrich auf dem Jahnplatz sehr genossen, auch wenn das Publikum damals erwartet hatte, dass er - ähnlich wie Konstantin Wecker - seinen Auftritt bis ins Unendliche verlängern würde/sollte/müsste.
Jedenfalls war der Auftritt Fendrichs finanziell ein großer Erfolg, weshalb die Verantwortlichen für die nächsten "Begegnungen" ganz tief in die Kasse greifen wollten und nach den Sternen griffen.
JJ Watts, die Seer und Bob Geldof (Sir Bob Geldof war damals bereits eine britische Legende mit seinen früheren Boomtown Rats und den 1985er Live-Aid Konzerten) sollten nach Kötzting kommen.
Die Begegnungen 1996 sollten mit all ihren Events eigentlich der bisherige Höhepunkt dieser Veranstaltungsreihe werden, doch Petrus wollte es anders. Es kam einer der regenreichsten Sommer der vergangenen Jahre und sämtliche Freilandveranstaltungen fielen buchstäblich ins Wasser. Es zeichnete sich bereits zwei Wochen vor dem großen Event ab, dass auch das vorgesehene Wochenende miserable Wettervorhersagen hatte, weshalb die Veranstalter in ihrer Verzweiflung auf die Idee kamen, die Lindnerhalle - siehe meine Anmerkung über die dortige Akustik - für den Auftritt der großen Stars zu nutzen.
In diesem Sommer gingen übrigens auch die Veranstalter des großen Sarchinger Open-Air-Festivals pleite, weil diese ebenfalls in diesem Jahr die ganz großen Acts eingeladen hatten. (ZZ-Top zum Beispiel) 

Nach dem großen - auch finanziellen - Erfolg des Begegnungen 95 mit dem - für manche enttäuschenden - Hauptakt Rainhard Fendrich wollten die Verantwortlichen die ganz große Nummer nach Kötzting holen: Bob Geldof mit seinem einzigen Konzert in Deutschland im Jahre 1996.

Sir Bob Geldof


The Seer aus Augsburg

Interessant ist hier auch noch, mit welchen Bands bzw. Akteuren die Kötztinger Veranstalter noch in Kontakt standen. Es hätte also sogar noch größer werden können: James Brown war auf der Wunschliste, stand aber dann doch nicht zur Verfügung für diesem Termin. "Fury in the Slaughterhouse" wären jedoch möglich gewesen; Bob Geldof war jedoch sicherlich zugkräftiger.


Ich tue mich sehr schwer, aus meiner Erinnerung, die Anzahl der Besucher dieser Veranstaltung zu schätzen, aber, da die Halle weniger als zur Hälfte gefüllt war, liege ich mit ca. 250 Personen sicherlich nicht weit von der Wahrheit entfernt, wobei wir - als Familie - . allein 8 Personen zu dieser "Menschenmenge" beigetragen haben. 

Überschrift der Kötztinger Zeitung vom 8.7.1996

Franz Amberger schreibt in seinem Kommentar enttäuscht von 400 Zuschauern, die er in Beziehung setzt zu den 4000, die im Jahr zuvor bei Fendrich gewesen waren und kritisiert die fehlende überregionale Werbung für diesen Act. Sein Verweis auf Nicky oder die Zillertaler Schürzenjäger bringt vielleicht die Überforderung des Kötztinger Publikums mit den englischen Rockstars auf den Punkt.


 


Hier noch einmal zum besseren Lesen der Ausschnitt über den Auftritt Geldofs, den ich selber auch genau so empfunden habe.
Mir war gar nicht bewusst, dass der Ausdruck "p.c.", den die Reporterin im Artikel benutzte, damals schon im Sprachgebrauch üblich gewesen war.

Bob Geldof in der Lindnerhalle

John M. Watts in der Lindnerhalle

Auch Alois Dachs von der Kötztinger Umschau musste in seinem Artikel den Spagat schaffen zwischen seiner Begeisterung über den Weltklasseauftritt Geldofs und dem euphorisierten Publikum und der Enttäuschung über die geringen Zuschauerzahlen. Für die Besucher, die kamen, stand jedoch fest - und ich war auch damals derselben Meinung -, dass Bob Geldof der Höhepunkt aller bisherigen Begegnungen gewesen war. Es war schlichtweg der Wahnsinn......

Kötztinger Umschau vom 8. Juli 1996. Erst durch diesen Artikel habe ich nachträglich lesen und erfahren können, dass der damalige Gitarrist seiner Band Dave Stewart von den "Eurythmics" gewesen ist, eigentlich in dieselbe Kategorie "Weltstar" einzusetzen, wie Bob Geldof selber.

Ich habe mich schon öfter gefragt, was Bob Geldof wohl auf die Frage antworten würde, was denn sein skurrilster Auftritt gewesen sei. Vermutlich wäre sein Ausflug in den Südosten Bayerns da ziemlich weit oben auf seiner Liste gelandet. Eine andere meiner Erinnerungen ist, dass der Bassist seiner Band seinen Riesenjoint offen zwischen den Wirbeln seines Basses stecken hatte, welchen - die Tüte und nicht den Bass -  er mehrmals nach kurzem Abbrennen dann ins Publikum schnipste.
Ich hatte in diesem Jahr 3 meiner Neffen und Nichten aus den USA zu Besuch, die nach ihrem 14tägigen Trip nach "Good old Europe" ziemlich beeindruckt wieder zurück nach Hause flogen; zuerst Bob Geldof und J Watts in Kötzting und danach auch noch " Heroes del Silencio" und "ZZ-Top" in Sarching.
Meinen Töchtern - Jahrgänge 1981-86 - blieb von dem ganzen Auftritt in der Lindnerhalle vor allem eines im Gedächtnis: Gleich beim Eingang in die Halle gab es einen HIV-Aufklärungsstand mit kostenlosen und farbigen Kondomen und massenhaft Aufklebern zum freien Mitnehmen.

Mir selber ist von seinen vielen Songs damals einer dermaßen aufgefallen, dass ich mir in der Woche drauf die passende CD gekauft habe. Das Lied " The great Song of Indifference" passt auch sehr gut dazu, dass es ihm damals offensichtlich "scheißegal" gewesen war, ob ihm viele oder wenige Zuhörer feierten, Hauptsache die Stimmung war gut in der Lindnerhalle...... und sie war überragend gewesen für die Band und sein Publikum.
Hier der link zu dem Song, den Bob Geldof damals in Überlänge gespielt hatte.




Nachdem die Stadt Kötzting - anders als die Veranstalter in Sarching - ja schlecht bankrott gehen konnte, schlossen die Begegnungen des Jahres 1996 mit einem Riesendefizit ab, was die Verantwortlichen dazu brachte, zunächst das Konzept abzuändern und nach den Begegnungen 2000  dann ganz einzustellen.


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