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Montag, 22. Mai 2023

Der Kötztinger Pfingstritt: das 2. Evangelium

   Seit Mitte des 17. Jahrhunderts finden sich gesicherte Belege darüber, dass -  und teilweise auch wie -  der Pfingstritt früher abgelaufen ist. Viele Details sind auch noch dieselben wie heutzutage, auch wenn manche Exzesse, die früher rund herum um den Pfingstritt stattgefunden haben, heutzutage undenkbar geworden sind. Siehe "Der wilde Pfingstritt".

In einer ebenfalls sehr frühen Beschreibung - von 1757 - führt der damalige Pfarrer von Kötzting, Pater Innozenz Mayr,  in einem Schreiben an das Konsistorium aber die wesentlichen Bestandteile dieser Prozession auf.

Hochwürdigster Durchlauchtigster Herzog, der heiligen Römischen Kirchen Cardinal, Gnädigster Fürst und Herr, Herr

Daß zu Kötzting an dem Pfingstmontag , wo nach Steinbühl, einer Filialkirchen daselbst, eine Prozession mit dem Hochwürdigsten Gut, unter Absingung der 4 Evangelien zu Pferd gehalten wird, einer aus den Bürgerssöhnen, so sich dieses Jahr hindurch zum löblichsten aufgeführet, bei dem Zurückweg nach zuvor gehaltenen kurzen geistlichen Sermon ein Kränzlein, so an der Monstranz angehängt ist, um zur willigeren und andächtigeren Begleitung des hochwürdigsten Gutes Anfrischung willen, von altersher mitgeteilt worden, auch dabei gar nichts Unehrbietiges vorbeigehet, hingegen aber abends der Mißbrauch, da derjenige, der das Kränzlein bekommen, eine Braut zum Tanzen erwählet, von den Bürgerssöhnen insgesamt hinfüran will unterlassen werden und die Marktsobrigkeit gute Disziplin gemäß der Polizeiordnung selbigen Abend zu halten anlobt, und versichert, hab ich solches Anersuchen einer löblichen Marktsobrigkeit hiermit attestieren und mich untertänigst empfehlen wollen.

Kötzting den 11. May 1757
P. Innocentiy Mayr Ord. D. Ben. P.t. Prior et Vicariy in Kötzting Capituliy archidecanatis Cambensis

Wir haben hier also vier der wesentlichen Bestandteile unserer Pfingsttradition: Die Prozession, die 4 Evangelien, die Auszeichnung mit dem Kranzl und die Pfingsthochzeit. Die ersten drei Teile brachten den Kötztingern dann eher Wohlwollen und Freude von Seiten der Kirche ein, der letzte Teil, die reine weltliche Freude und das Vergnügen, war nicht mehr im Interesse der Kirche.

Foto Barth

KÖZ vom 8.5.1956

In dem Zeitungsartikel ist bereits erwähnt, dass das Zweite Evangelium früher innerhalb des Dorfes Hofern gestanden hatte.
Aus der Mehlerchronk - bzw anschließend auf einem Postkartenbild - kennen wir die Darstellung des 2: Evangeliums im Dorfe Hofern und mündlich wurde mir versichert, dass sich das Kreuz noch heutzutage sich auf dem Dachboden eines der Hoferner Bauern befindet.
Der Ort des Kreuzes mit dem kleinen Altarsockel musste vermutlich in den Dreißiger Jahren einer Straßenverbreiterung weichen, die wegen der Bebauung nur in Richtung der damals noch flachen Böschung vorgetrieben werden konnte.
Bei der Suche nach einem neuen Platz kam man dann auf das bereits vorhandene Feldkreuz mit kleinem Bildstock auf der Bärndorfer Anhöhe.
 



Am höchsten Punkt, den der Pfingstritt erreicht, steht auf einer Kuppe gleich nach Wölkersdorf, umrahmt von zwei mächtigen Bäumen, das zweite Evangeliumskreuz.

Foto Josef Bock: vermutlich um  1940 mit Karl Obermaier als Pfingstrittsmesner

Aufgrund der schieren Größe der Bäume, muss das zweite Bild einige Jahre vorher gemacht worden sein.



War/ist es beim 1. Evangelium die Kötztinger Kolpingsfamilie, so hat sich bei diesem Evangelienkreuz der Kötztinger Burschen- und Wandererverein der Sache angenommen.
Im Frühjahr 1957 wurde es unter der rührigen Vorstandschaft von Georg Barth dann konkret, die Burschen packten an.
StA Kötzting Pfingstakten 1957 der Entwurf von Ing. Mehringer


Kleine Notiz in den Pfingstakten......

Und dann gings los mit den Burschen.

Auszug aus der Burschenchronik 
"Mit den Worten "In Gottes Namen fang m an" so leitete der geistliche Offiziator, Kooperator Friederich Hackl, den 1. Spatenstich zur Errichtung des 2. Evangeliums Kreuzes an der Pfingstrittsstraße bei Wölkersdorf ein. Der Burschen-Wanderer-Verein e.V. von 1840, der sich die Aufstellung des 2. Evangelienkreuzes zur großen und vorherrschenden Aufgabe des Jahres gemacht hat, war unter Führung des Vorstandes Barth mit einem starken Arbeitskommando erschienen, das in knapp zwei Stunden die umfangreichen Erdarbeiten für die Grundmauern abschließen konnte."



2. v.l. Georg Barth, 4.vl Franz Hackl, ganz rechts Bgm Hans Kroher, 3.vr Winter

Die Steine für das Fundament wurden von den Burschen auf dem Hohenbogen zusammengetragen und mit dem LKW von Ludwig Wolfgang an Ort und Stelle gebracht.

"Die Burschen bei der Arbeit. Jeden Abend nach der Arbeit fuhren die Burschen hinaus nach Wölkersdorf, um  bei der Errichtung des 2. Evang.-Kreuzes mitzuhelfen. besonders Vorstand Barth war unermüdlich. Er war der Erste, der draußen war und der Letzte, der nach Hause kam. Er war uns ein Vorbild."

Die Steinmetzarbeiten am Sockelstein wurden vom Kötztinger Bildhauer Eberhard Schäfer ausgeführt.

Zur selben Zeit, als die Burschen die Erd- und Steinarbeiten durchführten, entstand in der Werkstatt des
Kunstschmiedes Heigl, das dazugehörige Kreuz.
DIA-Repro 3498





Und dann war es soweit:


Krämerarchiv:



Krämerarchiv 


Krämerarchiv. Herr Preiss, der Grundstücksbesitzer kümmerte sich im das 2. Evangelium

Wie aus des obigen Zusammenstellung hervorgeht, waren es vor allem drei Männer, die wesentlich für das Zustandekommen dieses Projekt waren, Georg Barth als Burschenvereinsvorstand, Fritz Hackl als der geistliche Offiziator und Michael Preiss der Grundstücksbesitzer.
Allen diesen drei Personen wurde ein gemeinsamer Gedenkstein gleich neben dem Evangelienkreuz gewidmet. 
Foto Barth

Foto Barth

v.l. Barth Sepp, Christian Costa, Barth Schorsch, Müller Martl(?), Heigl Theo 















Samstag, 20. Mai 2023

Der Kötztinger Pfingstritt: das 1. Evangelium

Seit Mitte des 17. Jahrhunderts finden sich gesicherte Belege darüber, dass -  und teilweise auch wie -  der Pfingstritt früher abgelaufen ist. Viele Details sind auch noch dieselben wie heutzutage, auch wenn manche Exzesse, die früher rund herum um den Pfingstritt stattgefunden haben, heutzutage undenkbar geworden sind. Siehe "Der wilde Pfingstritt".

In einer ebenfalls sehr frühen Beschreibung - von 1757 - führt der damalige Pfarrer von Kötzting, Pater Innozenz Mayr,  in einem Schreiben an das Konsistorium aber die wesentlichen Bestandteile dieser Prozession auf.

Hochwürdigster Durchlauchtigster Herzog, der heiligen Römischen Kirchen Cardinal, Gnädigster Fürst und Herr, Herr

Daß zu Kötzting an dem Pfingstmontag , wo nach Steinbühl, einer Filialkirchen daselbst, eine Prozession mit dem Hochwürdigsten Gut, unter Absingung der 4 Evangelien zu Pferd gehalten wird, einer aus den Bürgerssöhnen, so sich dieses Jahr hindurch zum löblichsten aufgeführet, bei dem Zurückweg nach zuvor gehaltenen kurzen geistlichen Sermon ein Kränzlein, so an der Monstranz angehängt ist, um zur willigeren und andächtigeren Begleitung des hochwürdigsten Gutes Anfrischung willen, von altersher mitgeteilt worden, auch dabei gar nichts Unehrbietiges vorbeigehet, hingegen aber abends der Mißbrauch, da derjenige, der das Kränzlein bekommen, eine Braut zum Tanzen erwählet, von den Bürgerssöhnen insgesamt hinfüran will unterlassen werden und die Marktsobrigkeit gute Disziplin gemäß der Polizeiordnung selbigen Abend zu halten anlobt, und versichert, hab ich solches Anersuchen einer löblichen Marktsobrigkeit hiermit attestieren und mich untertänigst empfehlen wollen.

Kötzting den 11. May 1757
P. Innocentiy Mayr Ord. D. Ben. P.t. Prior et Vicariy in Kötzting Capituliy archidecanatis Cambensis

Wir haben hier also vier der wesentlichen Bestandteile unserer Pfingsttradition: Die Prozession, die 4 Evangelien, die Auszeichnung mit dem Kranzl und die Pfingsthochzeit. Die ersten drei Teile brachten den Kötztingern dann eher Wohlwollen und Freude von Seiten der Kirche ein, der letzte Teil, die reine weltliche Freude und das Vergnügen, war nicht mehr im Interesse der Kirche.

KÖZ vom 8.5.1956

In dem obigen Zeitungsartikel wird das "Erste Evangelium" an genau derselben Stelle lokalisiert, an der wir heute noch Rast machen, auch wenn die gedächtnisstelle mittlerweile wesentlich verändert worden ist. Bis in die Dreißiger Jahre jedoch war das Erste Evangelium" offensichtlich an anderer Stelle, nämlich an dem im Jahre 1908 errichteten großen Kreuz der Familie Kauer zwischen Grub und Höfern.
In einem großen - leider in der Vergangenheit massiv gefledderten Fotoalbums Conrad Krämer des Alten - Ostmarkonkel - befindet sich eine Darstellung, die sich eindeutig lokalisieren lässt.

Foto Krämerarchiv und im Album beschriftet mit: das Erste Evangelium.
Es ist aber auch möglich, dass unabhängig von der Beschriftung im Album - Conrad Krämer ist vermutlich nie mitgeritten -, die Rittspitze mit den Fanfarenbläsern hier nur dem geschmückten Kreuz seine Ehre erwiesen.
Das Kauerkreuz von 1908


Das nächste Bild - ebenfalls aus demselben Album aber aus dem Jahre 1940 - zeigt das Gebet am Ersten Evangelium bei der Anhöhe der Schedlbauers.

Foto Krämerarchiv: die meisten Bilder aus diesem Zyklus sind mit 1940 beschriftet, dies stimmt sicherlich um so mehr, als an einigen Ehrenfahnen noch das Hakenkreuz zu erkennen ist.


Bis zum Jahre 1956 war dieses erste Evangeliumskreuz immer nur ein schön geschmücktes Feldkreuz gewesen. Die kurze Reitstrecke zwischen der Schedlbauerkapelle und dem kleinen Hohlweg hinunter nach Grub ist mittlerweile der letzte Wegabschnitt, bei dem man sich mit den Pferden nicht auf einer geteerten Straße bewegt.

DIA-Repro 1167 Foto von Werner Kretschmer 1951, links der "Mesner Karl", der langjährige Pfingstrittmesner, Herr Karl Obermayer

Foto Ehemann Siegfried img 2946





Um das "Erste Evangelium" hat sich seit Mitte der 50er Jahre die Kötztinger Kolpingfamilie besonders angenommen.  Vor allem der Kooperator und Präses der Kolpingfamilie H.H. Hackl war die treibende Kraft gewesen.

Kötztinger Umschau vom Mai 1956

KÖZ Mai 1956 der Lamer Holzschnitzer Lackerbeck bei der Arbeit

KÖZ vom Mai 1956. Das Kreuz wird von den Mitgliedern der Kolpingsfamilie aufgerichtet. 
 

Die Einweihung des ersten Evangeliums nahm der damalige Stadtpfarrer Dietl dann am Pfingstsonntag 1956 vor.




Am nächsten Morgen dann konnten die Teilnehmer des Pfingstritts ihr Gebet am neu geschaffenen Evangelienkreuz verrichten.

Archiv Krämer: Pfingstmonteg 1956

Archiv Krämer: eine tolle Aufnahme im Gegenlicht. Wenn das Wetter manchmal eben mitspielt, kann man erkennen, dass der Ritt - vor allem in früheren Zeiten, als der Ritt wesentlich früher am Morgen begann - nach Osten auf die aufgehende Sonne hin ausgerichtet war., was ein kleiner Hinweis auch auf eine andere Ursprungslegende sein könnte.

Im Jahre 1963 im November musste dann bereits reagiert werden, weil die hölzerne Figur und das Basiskreuz dort oben natürlich allen Witterungseinflüssen ausgesetzt war.

Auch aus dem Jahre 1979 gibt es eine Bilderserie für eine erneute Einweihung nach einer teilweise Renovierung des ersten Evangeliumskreuzes.
Hans Gerhard Gmach hält als Vorsitzender der Kolpingsfamilie die Ansprache


Schwarz Sepp spricht stellvertretend für die Pfingstreiter

Der Kooperator Gschlößl - 8 maliger Offiziator - nimmt die Weihe vor.

Die Fanfaren der Pfingstreiter. v.l. Georg Barth, Michael Traurig, Wack Traurig, Sepp Barth, Uli Wellisch, Joachim Roiger



Immer wieder mussten in der Zwischenzeit Reparaturarbeiten vorgenommen werden, zuletzt im Jahre 2010, als es zur vorläufig letzten Einweihungsfeier kam.
Mit der Coronaepidemie trat das Unvorstellbare ein, der Pfingstritt wurde verboten und, den Regeln des damaligen Lockdowns entsprechend, nur vier Personen war es möglich, das Gelöbnis zu erneuern.

Foto Christa Rabl-Dachs: Die Erneuerung des alten Gelübdes im Jahre  2021 beim 1. Evangelium....... ein trostloses Bild, dem Wetter angepasst

Am Pfingstsonntag 2021 kam es dann zum ersten Male zu einem Bittgang hin zum ersten Evangelium,  welcher seither - nun am Abend des Christi-Himmelfahrts-Tages - bereits zwei mal wiederholt worden ist.


Foto Christa Rabl-Dachs: Bittgang  2023

Foto Christa Rabl-Dachs Bittgang 2023


Foto Christa Rabl-Dachs Bittgang 2023



Auch die Kaltblut- und Haflingerzuchtvereinigung Bayer. Wald mit Sitz in Bad Kötzting nutzt diesen Altar, um am Vortag ihres "Rosserertags", Ende August, an dieser Stelle einen Bittgang mit einer Feldmesse zu unternehmen.