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Sonntag, 10. Juli 2022

Ein neuer Fund aus Kötztings Geschichte.

 In den vergangenen zwei/drei Monaten kam es im Stadtarchiv zu umfangreichen Zugängen an Foto- und DIA-Material. Zum ersten waren es Funde aus dem eigenen Haus und zum anderen größere Abgaben von Privatpersonen oder Firmen.
Heute geht es um einen ersten - für mich - durchaus spektakulären Fund aus diesen Neuzugängen. Ende Juni 2022 hat das Architekturbüro Schnabel sich von Teilen seiner Bau-Dokumentationsbilder getrennt und mir einen großen Umzugskarton mit DIA-Aufbewahrungsschächten ins Büro gestellt.
Jeder dieser Doppelschachte hat Platz für ca. 100 DIA-Positive, womit ich die Anzahl der erhaltenen DIAs auf über 1000 schätze. Neugierig geworden durch die Überschriften, habe ich mich nun gleich daran gemacht, die ersten DIA-Schächte mir vorzunehmen und diese zu digitalisieren.

Schon beim ersten DIA-Schacht fanden sich Aufnahmen, die es nicht nur Wert sind, hier vorgestellt zu werden, sondern im Ergebnis sogar ein bisher unbekanntes Kleinod aus  Kötztings Geschichte darstellen.
In den 1980er Jahren kam es in Kötzting zu einem "Erdrutsch", bei dem der Gott sei Dank kein Mensch zu Schaden kam, sondern der nur die große Ummauerung des Alten Friedhofes mit einem Teil der äußeren Gräberreihe zum Einsturz und Abrutschen brachte.

Die folgenden Farbbilder stammen alle aus der Abgabe des AB-Büros Carl Schnabel.


AB Schnabel: die abgesicherte Stelle des Mauereinsturzes



Schaut man sich sowohl den Schüttkegel, als auch auf dem folgenden Bild die oben aufliegende Ziegelmauerabdeckung an, so ist vermutlich nach dem Wegrutschen des Untergrundes die Mauerkrone sogar nach innen gekippt und, oben aufliegend, zum Stillstand gekommen.





Am westlichen  Ende des Mauerabrisses blieb noch ein Teil des Grabes des Kötztinger Allgemeinarztes Dr. Albert Angerer stehen. Der als Mosaik gestaltete Hauptteil dieses Grabdenkmals stammt sicherlich vom Kötztinger Künstler August Philipp Henneberger. Ein Rest des Mosaiks fand sich später dann noch im Schutt.


Nun aber zu dem Fund, den ich nachgerade als Sensation ansehe:


Hier gut zu sehen links oben der alte Friedhofshaupteingang mit dem Gedenkstein für Carl von Paur, gleich rechts neben dem Eingangstor.
Rechts neben dem Denkmal befindet/befand sich eine leere Grabesnische. An dieser Stelle lag früher - als es den neuen Friedhof noch nicht gegeben hatte - die Familiengrablege der Familie Traurig.
Rechts im Friedhofwinkel, hinter einem schmiedeeisernen zaunartigen Gitter findet sich nun die Sensation.

Diese Grablege sieht wesentlich älter aus, als die vielen Gräber, die sich in der Umgebung
damals -  ebenso wie heute - noch finden lassen.
Hier liegt begraben Maria Anna Walburga im Alter 45 Wochen. Dessen Mutter Frau Maria Euphrosina Luckhnerin geweste kayl: (kaiserlicher)  Hopfenlieferant gestorben hier des Ehestands im sechsten ihres Alters im 29ten Jahr  geboren zu Stattamhoff
den 11. Aprill 1743

Wir finden hier also die erste Frau des großen Kötztinger Kammerers Samuel Luckner und mindestens eines seiner Kinder aus dieser ersten Ehe. Der Stein ist leider bereits so stark angewittert und gleichzeitig die Aufnahme so unscharf, dass es schwer ist/war die Inschrift genau zu entziffern; die Daten grundsätzlich sind aber bekannt. Was allerdings nicht bekannt gewesen war, ist, dass es im oberen Friedhof überhaupt eine Grablege der Luckners gegeben hatte. Deren (Haupt-) Ruhestätte wurde und wird von mir weiterhin im Bereich der heutigen Garage unseres Stadtpfarrers im Umgriff der Pfarrkirche verortet.
Luckners eigener Grabstein und der seiner zweiten Frau - mit der zusammen er 15 Kinder hatte und wohl zu deren Ehren und Andenken Kötzting auf dem linken Seitenaltar das Bildnis der Hl. Magdalena bekam-, befanden sich im Inneren der Pfarrkirche an der Wand neben den Beichtstühlen und hängen heute in der St. Anna Kapelle..


Unter dem Epitaph für Mutter und Kind befand sich noch eine zusätzliche Gedenkplatte, wohl für ein weiteres Kind der beiden.



Stadtarchiv Bad Kötzting AA IX-3 Anbau eines Leichenschauhauses an die Friedhofskapelle


Im Jahre 1867, beim letzten großen Marktbrand Kötztings war das "nordlichste" Opfer dieses Feuersturms, die alte Seelenkapelle, an die wenige Jahre zuvor das erste Kötztinger Leichenschauhaus angebaut worden war,
Eben diese Seelenkapelle war von Herrn Krieger und dessen Frau gestiftet worden und diese Frau Krieger war die Großmutter Wolfgang Samuel Luckners.
Und schaut man sich nun diese speziellen Lage der Grabnische an der Außenmauer an, dann wird es plötzlich ganz logisch, warum hier - und genau hier - eine Grabstätte der Luckners hatte existieren können.


Verlängert man die beiden Friedhofmauern im Plan, so lag die damalige  Grablege im Inneren der Seelenkapelle. 
Hier noch einmal das Bild der Grablege zum Vergleich der Orte:
 

Ich würde vermuten, dass die Frau Luckner - als Mitglied der Stifterfamilie - in der Kötztinger Seelenkapelle am oberen Friedhof beerdigt worden war. Auch war es war damals durchaus üblich, das Angehörige Verstorbener regelmäßig Seelenmessen in der oberen Seelenkapelle lesen ließen, was damit auch dem Seelenheil der verstorbenen Frau Luckner zugute kommen konnte..
Nach dem Untergang dieser Kapelle wurde diese zwar nicht mehr errichtet, sehr wohl aber die Friedhofsummauerung geschlossen und danach das Epitaph der Frau Luckner an geeigneter Stelle im Grundrissbereich der früheren Kapelle in einer Grabesnische aufgestellt.
Leider - und dies ist mehr als bedauerlich - existiert dieses Denkmal aus Kötztings Geschichte nicht mehr, zumindest ist es bis heute nicht mehr aufgetaucht.

Eine Quersuche in den Büchern der alten Kötztinger Friedhofsverwaltung erbrachte dann noch den zusätzlichen beweis fpr den Zusammenhang Luckner - Kapelle - Grablege



Grab Nr. A 629  früher 501
Luckner

"Die Luckner´sche Grabstätte bleibt immer bestehen als Entgelt der früheren Kapelle"

vgl. § 38 Gdesatzung vom 20.02.1947

Auch im Vorläuferband, nun unter der Nummer der Grablege 501 findet sich ein wortgleicher Zusatz.

 "501 Luckner´sche Grabstätte     bleibt immer als Entgelt der früheren Kapelle"

QED !



Wie sehr diese "obere Seelenkapelle" in den Kötztinger Alltag eingebunden war, zeigt auch folgende Notiz:
 

Der nasse Sommer im Jahre 1782.

Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts gab es verheerende Missernten, die im Markt von den vorausschauenden Kammerer Wolfgang Samuel Luckner mit großem persönlichen und finanziellen Einsatz einigermaßen abgefedert werden konnten. Trotzdem wurde die Hilfe von ganz Oben angefleht und dafür die "obere Seelenkapelle ge/benutzt.
Diese, von Luckners Großmutter und ihrem zweiten Mann gestiftete Seelenkapelle war so ziemlich das nördlichste/oberste Opfer des großen Marktbrandes von 1867.
MR 1782

"Wegen angehalten üblen Witterung Ist man an seithen der burgerschaft in die obere Seelen Kapeln processionaliter abgegangen, wo man zugleich 2 heyl Mess zu Trost der armen Seelln lesen lassen, diss aber, da eine Samlung nicht allerdings schicklich, ex cassa bezallt, mit 1 fl."

Warum in diesem Zusammenhang eine Geldsammlung als nicht "schicklich" empfunden wurde ist mir nicht klar, wo die Kirche doch im Rahmen ihrer Gottesdienste immer auch den Klingelbeutel bzw. die Körbchen herumreichen lässt.











Als der Untergrund wegrutschte, ist die Mauer nach innen gekippt, wie die Dachziegel 
auf der Grabebene beweisen.

Die Mauerrest rechts und links des Einbruchs waren in einem Maße einsturzgefährdet, dass
weitere teile zur Sicherheit abgetragen werden mussten.
Seiter klafft eine Lücke in der Ummauerung, die hoffentlich durch die Sanierungs/Umbaumaßnahmen in der Zukunft geschlossen werden kann.




Donnerstag, 7. Juli 2022

Michael Heigl eine Dokumentation Teil 1 Heigls Familie und Verwandtschaft

Michael Heigl befand sich auf dem Kriegspfad mit den herrschenden  Gesetzen, aber sicherlich hatten auch die Bedingungen, unter denen damals die "kleinen" Leute zu leiden hatten, ihren Anteil an seiner Karriere, die ihn dann schlussendlich zum Anführer der "Räuber-Heigl-Bande" machten.

Foto Pongratz: Das Hinweisschild für die Höhenwanderung zum Kaitersberg an der 
Kötztinger Hauswand beim "Dietl-Beck"


Einleitung

Wir werden in dieser Reihe unterschiedliche Bandenmitglieder kennen lernen, von seinen Kindern, Brüdern, Freundinnen und anderen "Wegbegleitern" erfahren und sehen, dass nicht jedes Verbrechen, das während des Zeitraums seiner Flucht in unserer Gegend geschah und reflexartig "dem Heigl" zugeordnet wurde, dann auch von ihm tatsächlich verübt worden war. Wir werden übergriffigen Gendarmen und hilflosen Beamten begegnen und vielleicht entsteht auf diese Weise auch eine kleine Sozialgeschichte unseres Raumes.

So stellt sich bei diese umfangreiche Dokumentation immer wieder die Frage: War Michael Heigl ein verbrecherischer Räuber oder möglicherweise nur ein Opfer der Umstände?

Es gab bereits einen kleinen Beitrag zu diesem Thema auf diesem Blog:

Zum Einstieg:  ein Bild und seine Geschichte: das Laumerhaus von Gotzendorf

Bild Krämer Archiv: Ein heimlicher Blick hinaus aus der hohlen "Heigl-Linde" in Gotzendorf

In dieser Dokumentation, die viele Teile umfassen wird, geht es um eine Auswertung und Einordnung der umfangreichen Informationen, die wir von Heigl überliefert bekommen haben, aus den Polizeiakten, den Protokollen seines Straf- und  Revisionsprozesses, dem Begnadigungsvorgang und nicht zuletzt auch am Rande um eine kritische Würdigung der zeitgenössischen und späteren Berichte in Zeitungen und Büchern.

Michael Heigls "Karriere"  als gesuchter Krimineller besteht aus zwei Teilen. Viele der Taten, die ihm als Jugendlicher bzw. junger Mann zugeschrieben wurden, scheinen mir eher aus dem Bereich der sonntäglichen Feuilleton-Beilagen der großen Zeitungen zu stammen Es gab auch in den damaligen Zeiten bereits Reporter überregionaler Zeitungen, die während der spektakulär langen späteren Jagd auf den Heigl und dem danach folgenden Prozess auch "Human-Interest-Stories" benötigten, damit sich ihre Leser beim sonntäglichen Kaffee und Kuchen auch ein wenig gruseln konnten. Sie recherchierten ein wenig vor Ort oder sprachen mit jemandem, der mal vor Ort gewesen war, und versuchten aus diesen Informationen ein Bild zu erschaffen, welches die spätere Karriere als Schwerkrimineller erklären sollte.
Dabei waren die Reporter/Autoren  nicht mal in der Lage - oder willens -, sein genaues Geburtsdatum in Erfahrung zu bringen bzw. seinen Geburtsort von den Menschen zu erfahren, die doch angeblich so genau zu wissen vorgaben, was der kleine Michael Heigl für ein Schlingel gewesen sein sollte. Auch die Behörden- und Anklagevertreter hatten sich nicht die Mühe gemacht, diese Daten in Erfahrung zu bringen, sondern sprachen immer nur von dem "Beckendorfer Inwohnerssohn" mit einem Geburtsdatum von 1816.


Von den sozialen Umständen, die viele junge Menschen im Bayerischen Wald fast zwangsweise auf die schiefe Bahn gebracht hatten - nicht jeder machte dabei allerdings den Sprung hin zum großen Räuber -, ist natürlich in den Räuberpistolen der Gazetten nicht die Rede gewesen, denn dies hätte ja wie eine offene Kritik an den damals herrschenden Zuständen in Bayern ausgesehen. 

Die Verantwortlichen vor Ort allerdings - vor allem in Person des damaligen Kötztinger Landrichters Carl von Paur - sahen und benannten die Probleme und die daraus resultierenden Folgen schonungslos. 
Die Entstehung einer immer größer werdenden Schicht an sozial benachteiligten Familien führte nicht nur fast zwangsweise zu einer Lebensweise außerhalb der Normen der Gesellschaft, sondern ermöglichte es den damaligen Tätern auch, sich innerhalb dieser Gesellschaftsschicht zu verbergen, Unterstützung zu finden und sich lange Zeit erfolgreich einem Zugriff zu entziehen. 

Foto Pongratz StA Landshut Regierung von Niederbayern KdI Nr. 63944 I-III

Auf nur noch drei solcher Aktenbände ist der Untersuchungsbericht des Landgerichts Kötzting nach Abschluss des Gerichtsverfahrens eingedampft worden, zusammen vielleicht gut 1000 Seiten sind uns noch erhalten..

Im dritten Bündel befindet sich eine summarische Zusammenstellung, die damals eigens für eine angereiste Regierungskommission erstellt worden war.

StA Landshut Regierung von Niederbayern KdI Nr. 63944 III

Summarische Übersicht
der polizeylichen Verfügungen des
Koeniglichen Landgerichts Kötzting
 seit Ende des Jahres 1845
bezüglich der Verhaftung des flüchtigen Verbrechers
 Michael Heigl von Beckendorf
und der Beseitigung seines Anhangs.

1853

Gleich zu Anfang seiner Übersicht benennt der Protokollant den Umfang der vermuteten Straftaten:

StA Landshut Regierung von Niederbayern KdI Nr. 63944 III  IMG8760

"Michael Heigl, lediger Inwohnerssohn von Beckendorf k. Landgerichts Kötzting,  welcher bei Gelegenheit der Eröffnung seiner Ablieferung in der Zwangsarbeitshaus im Frühjahre 1843 sich aus dem Verhörszimmer der hiesigen Fronfeste geflüchtet hat und seit dieser seiner Entweichung nicht mehr zu Verhaft gebracht werden konnte, hat sich seitdem laut vorliegender chronologischer Zusammenstellung der k. Landgerichts Kötztings vom 5ten des Monats mehr als 40 Taten teils Polizeiübertretungen größtenteils aber Vergehen und Verbrechen und darunter namentlich mehrere Widersetzungen und Raubüberfälle verdächtig gemacht betreffs deren die erlangte Überweisungsgründe vielfach so gestaltet sind, dass eine Verurteilung desselben sicher erfolgen wird."
Hier haben wir also gleich zu Anfang die Bestätigung, dass die, später genauer beschriebene,  anekdotische Flucht  - mit Zurücklassung seines Hutes - sich tatsächlich genauso abgespielt hatte. Die weitere humoristische Ausschmückung dieser Flucht mit "Rede und Gegenrede" zwischen Heigl und den Gendarmen - "Wos is eijtz, pack mas  wieda?" - ist jedoch nur eine schöne Stammtischgeschichte, die von Herrn Haymo Richter - einem von mir persönlich sehr geschätzten Heimatforscherkollegen aus Kötzting - sehr gerne und sehr oft und auch mit viel Erfolg zum Besten gegeben wird.
Weiter hinten weist der Schreiber - idR der Rechtspraktikant Adolph Desch - dann auf die schiere Fülle der Akten hin, die im Landgericht Kötzting über den Michael Heigl seit seiner Flucht angelegt worden waren:

"…über diese strafrechtlichen Untersuchungsakten und hierher gehörigen polizeilichen Untersuchungsakten sind beim k. Landgericht Kötzting 42 Faszikel erlaufen, welche die Höhe eines Tisches einnehmen. Vom Regierungskommissar und dem Rechtspraktikanten Adolph Desch mit großem Fleiß durchgesehen und die folgende Zusammenstellung aufgelistet."

Anschließend stellt er in Tabellenform die einzelnen Straftatbestände und die Maßnahmen von Seiten des Landgerichts und der Gendarmerie dar, hier der Anfang:


17.11.1845

Gendarmerieanzeige:  Verhaftung des Josef Dobmeier von Watzlhof der Verbindung mit Heigl verdächtig und wegen Müßiggangs angezeigt. War mit Heigl im Wirtshaus zu Thenning zusammen mit Josef Schuderer von Thenning.
beide wurden verhaftet:
Strafe Dobmeier  18 Tage im Gefängnis und 15 Rutenstreiche Schuderer 10 Rutenstreiche im Berufungswege erlassen aber sofort für 4 Monate ins Arbeitshaus

13.12.1845

Michael Fechter ledig aus Gotzendorf des Umgangs mit Heigl dringend verdächtigt
Strafe: muss sich innerhalb von 8 Tage um eine Bauernsarbeit annehmen bei Vermeidung körperlicher Züchtigung

15.12.1845

Gendarmerieanzeige:  Heigl war am 12.11.im Wirtshaus zu Thenning , trank, aß und ließ sich aufspielen  durch die Musiker Wolfgang und Franz Brandl von Ansdorf
Strafe:
Wirt Geiger 5 fl.  und in die Kosten des Beschlusses verurteilt, den beiden Musikern wurden die Patente entzogen und 3 Tage in Arrest

17.12.1845

Suche unter Leitung von durch Carl von Paur :  von 2-8 Uhr früh mit Gendarmerie, Forstpersonal und Gerichtsdiener, Suche nach den Schlupfwinkeln in den Gemeinden: Gotzendorf, Arndorf, Grafenwiesen und Ansdorf
Erfolg: erfolglos

20.12.1845

Josef Schreil  Häuslerssohn von Reitenstein der Teilnahme und Verbindung mit Heigl verdächtig
wurde vernommen und anschließend unter strenge Polizeiaufsicht gestellt.


Erst ab dieser Zeit kann man eigentlich von einem "Räuber Heigl" sprechen, zu diesem Zeitpunkt war er aber bereits 29 - nach amtlicher Zählung - bzw. 28 - nach meiner Zählung - Jahre alt gewesen.
Aus diesem Grunde nun ein Sprung zurück zu seiner Geburt, seiner Familie und Verwandtschaft, den Wohnorten seiner Familie, die frühen Verwicklungen auch seiner Brüder mit der Justiz und  den Umständen, unter denen er seine Kindheit und die Zeit seiner Jugend verbrachte.



Michael Heigl und seine Familie



Was haben wir also als erstes Datengerüst?

"Michael Heigl, den ledigen Inwohnerssohn von Beckendorf " und an anderer Stelle den Hinweis, dass er vermutlich im Jahre 1816 geboren sei.
Dem war aber nicht so, Michael Heigl ist als Sohn des Hüters Josef Heigl und dessen Frau Anna, einer geborenen Zisslsberger, am 12.5.1817 in RAMSRIED geboren und am selben Tag in Rimbach getauft worden. Sein Taufpate, ebenfalls ein Michael Heigl, war ein lediger Knecht und der Bruder des Vaters.
PfA Rimbach Geburtseintrag des Michael Heigl, Danke an Herrn Alfred Silberbauer für diesen Fund.

Was diesen Geburtseintrag so besonders macht, ist der äußerst seltene Hinweis auf eine Hausnummer.
Nur ist leider der Eintrag so verwaschen, dass es fast jede Zahl unter 10 sein könnte.
Eine Bitte an das Bischöfliche Zentralarchiv in Regensburg, ob es nicht möglich sei, dass jemand in den Originalmatrikeln versuchen könnte, dieses Rätsel zu lösen, brachte kurz darauf das Ergebnis: es war die "2".
Schreiben des BZA Regensburg vom 18.3.2020


Nun geht's also zunächst einmal um die Klärung, weshalb Michael Heigl dann als Inwohnersohn von Beckendorf fungierte. Dies hängt mit dem damaligen sogenannten Heimatrecht zusammen.
Michael Heigls Eltern heirateten als Inwohnerleute mit dem damaligen Wohnsitz in Beckendorf, weshalb das Paar und alle ihr noch folgenden Kinder, egal wo und an welchen Orten diese geboren wurden, zunächst einmal das Beckendorfer Heimatrecht erhielten.
Dies ist einer der Gründe, warum eine Heiratserlaubnis an (nichtbesitzende) Inwohner nur sehr restriktiv ausgesprochen wurden und die Zahl der unehelich geborenen Kinder im Vergleich zu der der ehelich geborenen über die Jahrhunderte regelrecht explodierte.
Ein solches Heimatrecht konnte auch auf andere Orte übertragen werden, dies setzte allerdings einen umfangreichen Grundbesitz in diesem neuen Ort voraus, oder gegen Ende des 19. Jahrhunderts einen  mehrjährigen beruflichen  Aufenthalt im neuen Ort. Dann suchte der Heimatort beim neuen Wohnort nach, um das Heimatrecht  endlich loszuwerden und es dem neuen Wohnort aufzubürden.
Nach dem damaligen Recht blieb also unser Michael Heigl ein Beckendorfer Inwohnsersohn, auch wenn er in Ramsried auf die Welt gekommen war.

Die Heigl-Kernfamilie:


Seine Eltern, die bereits 5 Jahre vor ihrer Heirat eine uneheliche Tochter hatten, konnten/durften im Jahre 1803 heiraten.

Heigl Josef, der Sohn des Beckendorfer Inwohners  Wolfgang Heigl und der Anna, einer geborenen Egner aus Wettzell,  heiratet am 8.2.1803 in Kötzting Anna Zisslsberger, die Tochter des Häuslers Georg und der Anna Maria geb. Dreger  aus Grafenwiesen.
Die Trauzeugen waren der Schneider Adam Vest und der Häusler Josef Hasensteiner, beide aus Reitenstein
(Pfarrmatrikel Kötzting  408/84)
Nimmt man nun diese erste Tochter, Theresia Heigl, als Beispiel für die damalige Vergabe des Heimatrecht, so hätte Therese - wäre sie am Leben geblieben - ihr Leben lang als Inwohnertochter aus Haus gegolten, da ihre Mutter bis zu ihrer Verheiratung dieses von ihrer Geburtsgemeinde Haus "genoss".




Name

Geburtsdatum

Wohnort und Beruf des
Vaters

Taufpate

Pfarrmatrikel
Kötzting

Bemerkungen

Theresia                

7.6.1798    

Vater aus Beckendorf, die Mutter aus Haus

Zisslsberger Anna Maria Haus 

173/182

unehelich

+ 7.6.1800 in Beckendorf

Johann Georg

28.6.1803  

Inwohner Beckendorf

Stoiber Georg Söldnerssohn Beckendorf

180/94

+9.7.1805 an den Pocken mit 2 Jahren

Josef

1.7.1804    

Inwohner Reitenstein

Stoiber Georg Söldner

182/142

1.7.1804       

4 Monate zu früh geboren

Josef    

18.6.1805  

Inwohner Beckendorf

Stoiber Georg

184/174

 

Anna Maria

28.11.1807

Inwohner Beckendorf

Stoiber Anna Maria Söldnerin Beckendorf

188/244

 

Johann Bapt. und

4.12.1809  

Inwohner Fessmannsdorf

Heigl Johann Söldnerssohn Beckendorf

190/298               

 

Barbara Zwillinge

4.12.1809  

 Inwohner Fessmannsdorf

 

 190/298    

+ 26.3.1810 an der Frais mit 4 Monaten

Wolfgang

14.1.1812 

Inwohner Fessmannsdorf

Heigl Johann Bauernknecht Beckendorf

194/15

 

Martin

11.11.1813

Inwohner Fessmannsdorf

Forster Barbara Inwohnerin Beckendorf

197/46

 

Michael

12.5.1817

Hüter Ramsried
Nr. 2  

Michael Heigl
Söldnerssohn
Beckendorf

Rimbach

 

Adam

14.11.1818

Hirte Ramsried

Heigl Michael lediger Knecht Bruder des Vaters

Rimbach

 

Wolfgang

Nicht gefunden

 

 

 

Angeblich jüngerer Bruder des Adam

Therese

2.9.1821

Taglöhner

Theresia Reihel Schusterin Ramsried

 

+ 14.9.1821

An der Fraiß mit 2 Wochen


Die ersten vier Kinder des Paares kamen also - mit einem kurzen Intermezzo beim ersten Sohn Josef in Reitenstein - in Beckendorf zur Welt.
Bereits 1809 verließen die beiden Beckendorf und landeten - nach einem Intermezzo in Fessmannsdorf -  im Zeitraum zwischen 1813 und 1817 in Ramsried, wo der Vater spätestens ab 1817 als Hirte und Taglöhner angegeben ist.
Da Teile des weiteren Familienverbandes weiterhin in Beckendorf verblieben waren, kann nicht ausgeschlossen werden,  dass die nunmehr ganz schön angewachsene Familie, mit den minderjährigen Kindern, dann doch wieder in Beckendorf gelandet war und dort als Inleute ihr Leben fristete. Da auch zwei seiner Onkel zu dieser Zeit in Beckendorf als Inwohner gelebt hatten, macht dies die Suche nach DEM Heiglhaus in Beckendorf nicht gerade einfach. Dazu jedoch Genaueres in einem späteren Beitrag.
Wir haben also durch seinen Geburtseintrag den seltenen Fall, dass sogar sein Geburtshaus dort niedergeschrieben worden war.
Leider folgte nach einem Blick in das Rustikalsteuerkataster die Ernüchterung sehr schnell, da diese Nummerierung von Ramsried 1817 GANZ anders ausgesehen hatte.
Im beginnenden 19. Jahrhundert wurden manche Dörfer zeitweilig zu "Verwaltungseinheiten" zusammengeschlossen, die vorher und auch nachher nie zusammengehört hatten.

Später bildeten Ramsried und Liebenstein eine Einheit beim Grundsteuerkataster und dort wäre die Nummer 2 die Schmiede beim Wirtshaus in Liebenstein gewesen, heutzutage Teil des Hotels Bayerwald der Familie Mühlbauer. Dies scheidet also aus.
Ramsried wurde 1811 dem Steuerdistrikt Haus zugeschlagen und dessen Nummerierung begann in der Liste zuerst einmal mit den Hauser Bewohnern. Danach schlossen sich die Englmühle und Voggendorf an, bevor es mit der laufenden Hausnummer 61 dann mit den  Ramsrieder Untertanen weiterging.
Dieses erste Ramsrieder Anwesen, das im Rustikalsteuerkataster auftaucht, beinhaltet gleich drei (Steuer)Hausnummern UND enthält ein Inhaus, also ein Gebäude, in dem Inwohner aufgenommen werden können.
StA Landshut Rentamt Kötzting B 23 Haus

Georg Hackl war der Besitzer des "ganzen Hacklhofes" - also ein "ganzer" (=großer) Bauernhof - zu welchem auch ein Inhaus gehörte.
Durchsucht man die nächsten Ramsrieder Einträge, so findet sich ein weiteres Anwesen, das damals solch ein Inhaus gehabt hatte.
Im Liquidationsprotokoll vom 29. November 1838  ist der "ganze Hacklhof" unter den Hausnummern 5 und 6 vorgetragen mit dem Vermerk, dass Georg Hackl diesen Hof im Jahre 1793 von seinem Vater um 1995 Gulden übernommen hatte. 
Die Hausnummern 1 und 2 gehörten damals dem sogenannten Nickelhof, bei dem dann sogar ein Vermerk steht:
Vermessungsamt Cham Liquidationsprotokoll Ramsried
"Wohnhaus und Stall unter einem Dache. das Leibthumshaus Nr. 2"
Mit aller Vorsicht könnte es nun dieses Inhaus gewesen sein, in dem Heigls Vater als Hüter gewohnt hatte und in dem seine Frau dann unseren Michael Heigl geboren hatte.



Detail aus Bayernatlas.de

Detail aus Bayernatlas.de
Mit aller Vorsicht - das alte Ramsried bestand damals aus 7 mehr oder weniger großen Bauernhöfen und Sölden - würde ich als das Geburtshaus Heigls das spätere Gasthaus Wanninger identifizieren.
 Betrachtet man die Abstammung und die weitläufige Verwandtschaft unseres Heigl, so kann man schon den Eindruck gewinnen, dass deren Lebensmittelpunkt eher Beckendorf als die anderen Dörfer gewesen war.

Auch Heigl Michaels Großeltern können ermittelt werden und geben einen weiteren Hinweis auf die prekäre Situation der ganzen Heigl Großfamilie. Die erste Heirat seines Großvaters ist uns noch unbekannt, aber bei der Geburt von zweien ihrer Kinder werden die Eltern als Johann Wolfgang Heigl und dessen Ehefrau (Anna) Maria Hackl aus Höllenstein angegeben. Heigl Anna Maria stirbt nach zwei Geburten im Jahre 1772 und am 26.4.1774 heiratete der Witwer und Söldner Wolfgang Heigl aus Beckendorf Egner Anna die Tochter des Söldners Egner Wolfgang und seiner Frau Magdalena aus Wettzell. PfM Kötzting 387/200
Das Paar hatte vier Kinder Josef 1775 (Vater unseres Michael) - Andreas 1779 - Johann Wolfgang 1780 (dieser wird Zimmermann in Beckendorf und stirbt 1844 an Lungenentzündung) - Michael 1782 (Dieser Michael, der Onkel unseres Michael wird später sein Taufpate und arbeitet in Beckendorf)
Ein Sohn Adam aus erster Ehe, dessen Geburt wir ebenso wenig in Kötzting finden können wie die Hochzeit der Eltern, gibt diese Ehepartner der ersten Ehe bei seiner eigenen Hochzeit im Jahre 1776 als seine Eltern an – und zusätzlich als Sicherheit, dass wir auch das richtige Paar haben - dass seine Mutter bereits verstorben sei.

Aus Beckendorf findet sich im Ende des 18. Jahrhunderts ein Verganterungsprozess, bei dem der Hof dieses Adam Heigl versteigert wird.
Allgemeine Zeitung vom 20.8.1813

Pfarrmatrikel Kötzting Band 20 Sterbematrikel
Am 4.4.1813 war der Söldner Adam Heigl im Alter von 61 Jahren an Lungenentzündung gestorben.

Im Liquidationsprotokoll des Jahres 1838 finden sich unter diesem Hof mit der Hausnummer 8  - genannt der "1/4 Heuglhof"  folgende Besitzer und der  folgende Zusatz:
"Haus Nro 8 Beim Heugl
für die Wolfgang Fürst minderjährigen Relikten Eva und Anna Maria Fürst
".


"Nach Übergabsbrief vom 11ten Jänner 1815 hat die Mutter Anna Maria dieses Gut aus dem Schuldenwesen des Vaters Adam Heugl von den Gläubigern um 1100 fl übernommen und nach Heurathsbrief de eodem dato den Vater Wolfgang Fürst angeheurath hat, und es befinden sich nun auf Ableben beider Eltern die obigen Relikten in fortgesetztem Besitze."

Anna Maria Fürst, eine Tochter des Adam Heigl, hatte den Hof durch die Heirat mit Wolfgang Fürst aus Gadsdorf aus der Verganterung retten können, mittlerweile aber waren beide Eltern verstorben und die Kinder standen mit ihrer Sölde unter Vormundschaft.
Diese Anna Maria Heugl, die Tochter des Adam Heigl, stellt nun eine/oder die verwandtschaftliche Verbindung des Heigl-Familienverbandes nach Beckendorf dar.



 
Die Heigl-Sölde wird im Liquidationsprotokoll beschrieben mit: "Wohnhaus samt Stübel und Stall unter einem Dache, besonderer Stadel, Getreidekasten, Backofen und Hofraum."
Ein separates Inhaus ist bei diesem Anwesen nicht vorhanden.
Hier nun, nach der Darstellung der Abstammung und der näheren Verwandtschaft unseres Michael Heigl endet der erste Teil, beim nächsten versuche ich die möglichen Wohnorte der Heigls in Beckendorf zu untersuchen, wobei es sogar ein altes Foto gibt, das uns weiterhelfen KÖNNTE.


Detail aus Bayernatlas. de, die Heiglsölde Hausnummer 8 in Beckendorf



Hier am Ende des Beitrags noch die links zu den bisher erschienen Beiträgen über Michael Heigl:

Montag, 4. Juli 2022

Luftaufnahme von 1995 ---- die Auwiese

    Es gibt tatsächlich im Rathaus Kötzting noch "ungehobene" Schätze. Im Zusammenhang mit der energetischen Sanierung des Rathauses und der damit verbundenen Isolierung des Speicherfußbodens mussten einige Speicherzimmer - vermutlich zum ersten Mal seit Jahrzehnten - ausgeräumt werden und in einigen Schränken fanden sich eine Unmenge an DIA-Positiven und Bilderserien. 

Einige davon waren thematisch sortiert  und andere stellen einfach eine Mischung  aus Bildern von den unterschiedlichsten Veranstaltungen dar, die nun im Stadtarchiv digitalisiert werden und die ich, wenn die Bilder mir interessant erscheinen, hier immer wieder der Öffentlichkeit vorstellen werde.


Heute geht's los mit einer Luftaufnahmen von 1995, auf der unser neuer Kurpark langsam Flügel bekommt, aber der von den Kötztinger Bürgern in den 70er Jahren so sehr abgelehnte Industriebau Winter noch wie ein Stachel in diesem Steckt.
Auch die Firma Metallbau Aschenbrenner kann man sehr gut am Rande erkennen.

Hier zunächst wieder die ganze Aufnahme in der Übersicht.

StA Kötzting Bilderblöcke\Luftaufnahmen Mosauer Kötzting\1995 LA Kötzting Auwiese Kurpark Aschenbrenner

Sehr schön zu sehen in der Bildmitte der neue (nur der erste Abschnitt) Kurpark, Aus der Luft dominiert  die Industriehalle noch mehr als die Parkanlage.
Es gab noch kein Spielcasino und natürlich auch keine Anbindung der Westumgehung an die Straße nach Blaibach.


Die Firma Stahlbau Aschenbrenner nun auch bereits Geschichte

Hier kann man noch die alte Konservenfabrik erkennen und am unteren - rechten - Bildrand
entsteht gerade Kötztings zweite REHA-Klinik


Mittwoch, 29. Juni 2022

Ein Bild und seine Geschichte der Wasserabsperrer von Miltach

 Auch wenn wir - aufgrund des Klimawandels - offensichtlich auch wieder in eine Phase eintreten, in der ein genauer Blick auf die jederzeitige Verfügbarkeit von Trinkwasser geworfen werden muss, so war die Situation in den 50er Jahren dann doch noch eine ganz andere.
Der damaligen Mangelsituation wurde durch eine zeitliche Kontingentierung Rechnung getragen und  dass dies auch genau eingehalten wurde - inklusive der Ausnahmen  - dafür sorgte in Miltach die "Wasserabsperrer" Vogl und Schmucker.

Alles weitere steht im Bericht der Kötztinger Zeitung vom Juli 1953.


Zu diesem Zusammenhang - Wassermangel - passt auch gut ein Bild aus derselben Zeitung - allerdings vom November 1961 - das den Regenfluss in Kötzting bei Niedrigwasser zeigt. Diese Bildperspektive ist außergewöhnlich und zeigt uns die Anstauung des Regens für den Werkskanal der Hammermühle.
Dieser geteerte Weg diente gleichzeitig manchen Kötztingern zum Autowaschen. Das Umweltbewusstsein war damals eben noch ein zartes Pflänzchen...