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Montag, 1. Dezember 2025

Franz Wiesmeier - der "Wiesmoa-Blindt

Passend zur Erarbeitung der Einzelbeiträge für die Kötztinger Häuserchronik der Anwesen in der Herrenstraße stieß ich über eine Bilderserie mit der Idylle in dem schmalen Gässchen hinter der Häuserzeile und darin auch Bilder eines ganz besonderen Mannes, den ich nie gekannt, aber über den ich doch schon einiges gehört habe im Lauf der letzten Jahre während meiner Arbeit an der Häuserchronik.


Franz Wiesmeier - der "Wiesmoa-Blindt"


Da hier auch Male die Frau "Regina Wiesmeier" erwähnt wird, möchte ich gleich an dieser Stelle auf ein Kuriosum hinweisen.  Es ist die Aussprache des Namens des späteren "Cafe Regina"s, des Cafes also, das nach der Mutter des Franz Wiesmeier  benannt wurde und deren Namen von einem Teil der Kötztinger als "REgina" und von anderen als "RegIna" ausgesprochen wird und beide Seiten behaupten, die einzig richtige Aussprache zu benützen. Also eine Betonung auf der ersten bzw. auf der zweiten Silbe




Foto Josef Barth: Cafe Regina und Foto Baumeister im Jahre 1952

 

Der Wiesmeier-blindt

Von verschiedenen Seiten tauchte in Gesprächen über die „alten Zeiten“ immer wieder derselbe Name auf – oder vielmehr der Beiname: „da Wiesmoa-blindt“. Die Art, wie über ihn gesprochen wurde, erinnerte mich sofort an jene eigenwilligen Gestalten des alten Kötzting, wie sie Conrad Krämer in einem seiner Manuskripte beschreibt – nur spielte sich das alles eben eine oder zwei Generationen später ab.

Von Franz Hackl hörte ich, dass dieser Wiesmoa-Blindt, eigentlich  Wiesmeier Franz, eine Zeit lang in den USA gewesen sein muss. Dort – so hieß es – verlor er fast vollständig sein Augenlicht und kam halb erblindet wieder nach Hause. Seine Mutter, Regina Wiesmeier, wird in den Erzählungen als eine sehr energische, aber harte, ja fast kalte Frau geschildert. Rücksicht auf die Behinderung ihres Sohnes nahm sie kaum. Als er später erblindet war, schickte sie ihn sogar mit auf den Kaitersberg - mit anderen Männern -  zum Baumfällen. Und wie nicht anders zu erwarten, kam es dort zu einem schweren Unfall. Doch das soll sie nur mit einem Achselzucken zur Kenntnis genommen haben.
Trotz dieser Distanz nannte er später das kleine Café in seinem Haus nach ihr, siehe oben in der Einleitung.

Beschrieben wird er als leidenschaftlicher Pfeifen- und Zigarrenraucher. Seinen Vorrat holte er sich beim Tabak Liebl - genannt Liebl Jakerl - „vorn am Stachus“. Blind tastete er sich an den Gebäuden entlang, bis er das richtige Fenster gefunden hatte. Dann klopfte er ans Fenster der Firma Liebl und rief hinin:
„Weij Jakkalen, bring mar a Zigarrn!“

Franz Hackl erzählte, dass sich der Wiesmoa-blindt trotz seiner Behinderung erstaunlich sicher in der Gegend rund um den Regenfluss bewegte. Er war immer auch im Viehhandel unterwegs – egal ob Hühner, Hasen oder richtige Großvieheinheiten, irgend etwas ging immer. Betrügen wollte ihn aber dabei keiner. 

Manchmal mussten die verkauften „Bummerl“ die Bahnhofstraße hinuntergetrieben werden, um sie zu verladen. Und bei einem dieser Gänge sei eines der Tiere besonders störrisch gewesen. Der Wiesmoa-blindt war trotz seiner Behinderung fest mit dabei und trieb den "Bummerl"  kräftig an, doch dabei lief er selbst gegen einen Baum,  - einer jener Bäume, die die Bahnhofstraße damals säumten wie heute wieder-. Und sofort rief er – ganz der Alte: „Wej, drau de no amoi!“

Die letzte Geschichte, die mir Franz Hackl über ihn erzählte, ist eher ein Lausbubenstreich und mutet an wie eine Szene aus den Erzählungen des Stadtschreibers Georg Rauscher. Dort war es ein armer Mann mit einem Oberlippenschnauzer, den die Kinder - mit Schei.... -  verschmiert hatten.
Beim Wiesmoa-blindt jedoch ging es um seinen Pfeifentabak.

Er war oft zu Gast bei der Holzhändlerfamilie Hackl im Pfeffergraben gewesen und und ließ sich dort gerne seine Pfeife anzünden. Als Franz einwandte,  es hinge noch viel zu viel Tabak seitlich heraus, reichte er dem jungen Nachbarsbuben  die Pfeife zum Nachstopfen.
Was Franz außer dem Tabak noch in den Pfeifenkopf gedrückt hat – darüber schwiegt der Autor.

Eine weitere Anekdote aus dem Schatz der mündlichen Überlieferungen.....

...... ich kenne den „Wiesmoa-Blind“ nur aus Erzählungen unserer Familie. Insbesondere eine Anekdote wurde überliefert: Danach sei der Wiesmoa-Blind auch ein „Messerstecher“ gewesen. Bei einer Wirtshausrauferei im Gasthaus „Godl“ in der Marktstrasse habe er sein Messer gezogen und (weil er ja blind war) gerufen: „Werft‘s mir aa oan drei!“….. Diese Anekdote habe ich schon oft weitererzählt, ohne zu wissen, ob das wirklich stimmt…..
😉


Eine weitere Beschreibung des Mannes erreichte mich heute. Frau Christa Rabl-Dachs hatte 1997 ein sehr langes Interview mit Frau Lerach -geb. 1928- geführt, die im Hause Wiesme ier bei den Baumeisters gelernt hatte und natürlich den Hausherren kannte:

 Die Baumeister ftihrten in dem Haus in der Herrenstraße, das dem Wiesmeier - den Wiesmor Blind - gehörte, eine Drogerie. (heute Drogerie Kretschmer) Dort, beim Herrn Baumeister hab'ich gelernt. Die Frau Tischler, Sie ist so alt wie ich, ist die Tochter vom Wiesmeier. Weißt du denn den Wiesmor Blind und das Cafe Regina nicht meht?"

Was war denn der von Beruf?

"Der Wiesmeier hat allerweil a wengerl g'handelt, was weiß ich. Am Kaitersberg oben, hat ihm ein ein großes Waldstück gehört. Ich bin ja damals mit der Martha (seine Tochter/Frau Tischler) und der Liebl Rosmarie (Frau Schubert) speziell g'wesen, san ma hoit viel z'arnrrgrennt, weil ma einfach in dem Sprengl g'wen san, und die Martha ist ja a Louder (raffiniert) g'wen. Wenn sie von iluem Vater Geld gebraucht hat - Geld hat er viel gehabt, der Wiesmor Blind - hat sie ihm wieder eine Mark abg'sprengt. Gesehen hat er ja nichts, er hat das Geldstück nur mit dem Fingernagel abgegriffen und wenn er zwei Mark in der Hand hatte, sagte die Martha zu ihm: "Das ist eine Mark", Er aber hat das ganz genau gewußt, wieviel er in der Hand hatte und meinte: "B'scheiß mi net, das sind zwei Mark, weil ich das ganz genau spür!" Ich kann mich an den Mann, der immer einen Haklstecken dabei hatte, noch gut erinnern: Ein kleiner, dicker Mann!
Damals ist die Heller Steffi im Cafe Regina Bedienung gewesen. Später hat sie dann in der Marktstraße, im Voithenleitner-Haus, mit ilrer Tante zusammen, inen kleinen Stoffladen g'habt."


Dem Kretschmerarchiv haben wir es zu verdanken, dass wir sogar Fotos von Herrn Wiesmeier haben und zwar sogar eine ganz besondere Kleinserie.
KreA Nr. 135 der alte Wiesmeier
Der alte Herr Franz Wiesmeier im Greinergasserl

Das war damals noch ein Service, der Friseur - hier Max Pongratz, der Bader Max - kam persönlich für die Nassrasur. Due beiden Kinder sind Klaus und Elmar Greiner, die Nachbarskinder, die hier so ganz genau zusehen dürfen.
KreA Nr. 135 der alte Wiesmeier wird rasiert


KreA Nr. 135 der alte Wiesmeier wird rasiert



Bleiben wir noch kurz beim "Greinergasserl" und seinen Bewohnern.
Ebenfalls aus dem Kretschmerarchiv stammen die folgenden beiden Bildern der Idylle hinter der Häuserreihe, es sind Bilder einer fröhlichen und unbeschwerten Kindheit in einem Kötzting, wo es im Inneren des Marktes/der Stadt nur so "wimmelte"  von Kindern. 

KreA Nr. 110 Kinder im Wiesergasserl 1961
2.vl. Hilger Peter- Klaus Greiner - Kellner Dieter -  Hans Herbert Friedrich - N. Schreiner vom Brauhaus- Boschreiner Mich


KreA Nr. 110 Kinder im Wiesergasserl 1961
V.l. Hans Herbert Friedrich, Elmar und Klaus Greiner


Diese Idylle im "Greinergasserl" - früher auch schon mal "Nagelschmiedgasserl" genannt -  wird uns noch bei den nächsten Beiträgern zur Kötztinger Häuserchronik begleiten.

Übrigens, sollte Jemand noch Anekdoten oder Geschichten über/von Franz Wiesmeier kennen….   bitte an mich wenden, ich würd mich freuen. Mente


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