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Freitag, 1. Oktober 2021

Kötztinger Häuserchronik beim Ring

Das "alte Kötzting" bei der Uraufnahme bei der beginnenden Landvermessung hatte 159 Anwesen.
Der Geschichte dieser Bürgerhäuser und ihrer Bewohner nachzuspüren und sie zu dokumentieren, ist das Ziel dieser Häuserchronik.
Die Anfänge und die Entwicklung unserer Heimatstadt können von der Teilung der Urhöfe bis hin zur Auswahl als Landgerichtsort in einem einleitenden Blog nachgelesen werden.

Alte Hausnummer 29 beim Ring

 
Luftaufnahme ca. 1957 aus der Sammlung Serwuschok, deutlich sichtbar die Astronomiekuppel




DIA-Repro 1018 Aufnahme vor 1938 (links noch Simon Hahn)


Detail aus dem Liquidationsplan von Kötzting von 1831


Dadurch, dass die belegbare Besitzerfolge des Nachbaranwesens bis zum Jahre 1610 reicht, spricht vieles dafür, dass der damals benannte Nachbar des Adam Winter -  Wolf Raith - der Hausbesitzer vor dem nachfolgenden Sigmund Raith gewesen ist.


Wolf Raith  


HStA München KL Rott 113 von 1610

Adam Winter ist nachweislich auf Hausnummer 30, Wolf Raith damit auf der 29.

HStA München KL Rott 10 von 1620
Auch auf dieser Liste steht neben Wolff Raydt ein Adam Wintter



Wie bei all den anderen Häusern - genauer Marktlehen - ist die "1655er Steuerliste" von Adam Tirrigl der Einstieg in den Besitzernachweis. 

Sigmund Raith und Maria





Herr Sigmund Raidt des Raths hat ain Behausung ain Gaden hoch gemauert sambt ainem Stadl und Stallung am Egg bey dem Prunkharr zwischen Hansen Polmüllers auf dem Plaz und zwischen Herrn Wolfen Scharrers am Ründermarkt Heusern ligent, darzue gehört ain halbes Marktlehen mit nachvolgenten Grundt und Poden

Velder

Erstlich ain Agger hünderm Obern Freüdthof, hat 12 Pifang, zwischen Veith Raidten und Andreen Österreichers burger und Lederers



Äggern ligt mit ainem Orth auf Herrn Hans Raidten und mit dem andern Orth auf der Barbara Kluegin Ägger stosst.

Mer ain Agger mit 16 Pifang im Stainpruch zwischen Herrn Löfflers Agger und der Landtstrass welche nacher Regen gehet, mit ainem orth auf Herrn Hans Raidten Schlossergartten und mit dem andern Orth auf Adamen Tirrigls Stainäggerl stofft

Gartten

Ain Gartten neben Christoph Vischers Schwarzfärbers und neben dem Zeltendorffer

Fahrtweg. Mit aunem Orth auf Adamen Tirtigls Rauscher Gartten und mit dem andern Orth gegen der Farb auf den Farthweg stosst, ist ain Paumb= und Hopfengartten

Mer ain Gartten zwischen Herrn Wolfen pachmairs und Herrn Georgen Löfflers beeden des Raths Gärtten ligt, mit ainem Ort auf Herrn Wolf Seyderers und mit dem andern Ort auf der Barbara Kluegin Gartten stosst, helt 12 khurze Pifang.

Widerumben ain Gartten mit 5 1/2 Pifang zwischen Herrn Georgen Löfflers: und



Leonhardten Vogls gärtten ligt, mit ainem Orth auf Georgen Züstlers burger und Schuechmachers Gartten und mit dem andern Orth auf Ißwalden Parellers wisen stosst.

Wißmath
Ain Wisen .....  (hier bricht die Zusammenstellung ab)

Auch in dieser Zusammenstellung Adam Türrigls finden wir einige bemerkenswerte Details, auch wenn ich nicht bei allen eine Lösung/Erklärung anbieten kann (noch)......
Es ist die Rede von dem Gebäude "am Egg bey dem Prunkhar". Die Situation mit dem Markbrunnen ist auch auf dem Plan der Uraufnahme aus dem Jahre 1831 - ganz oben - gut zu erkennen.
Ein Flüchtigkeitsfehler ist Adam Türrigl hier unterlaufen, er beschreibt die Lage des nächsten Nachbarn (Wolf Scharrer) mit "Rindermarkt". Nun ist der Rindermarkt die heutige Metzstraße und die Schirnstraße, in der sich das Scharrer-Haus befand, wurde damals als Rossmarkt bezeichnet, was Adam Türrigl später bei der Beschreibung des Scharrer-Hauses - und der weiteren Häuser der Schirnstraße -  dann auch macht. 
Dann erfahren wir etwas von einem  Acker im "Steinbruch". Dieser lag an der "Landstraße nach Regen". Es könnte/sollte sich dabei um den Steinbruch handeln, der an der Auffahrt zum heutigen Ludwigsberg liegt, gleich am Anfang rechts im Wald versteckt.


Mit diesem "Basisnachweis" kann jetzt in den anderen Akten nach Sigmund Raith nachgeforscht werden.
In der 1637er Kötztinger Kirchenrechnung steht er als Kirchenprobst und Äußerer Rat als für die Rechnungslegung Verantwortlicher auf dem Deckblatt.
HStA München Landshuter Abgabe Kloster Rott R 1 von 1638
"Simon Raith vom halben Lehen"


In der 1638er Kirchenrechnung kommt Sigmund Raith dann nur noch als Schuldner vor.
PfA Kötzting Kirchenrechnung von 1638

(Es geht um Außenstände) Item so ist von disen Resst Geörgen Pillich Camerer uf den Zinß verloffeen worden 37 fl mehr bei Sigmundt Roiths gewesten Khürchenprobsten bey 43 fl 8 xr 1 dn, welches ufs Jahr zu Zinß geht und der Yberrest 97 fl dem Gottshauß zu ainer Außgab verblieben...

Mit dieser Schuldsumme von 43 Gulden bei der Pfarrei Kötzting findet sich Sigmund Raith - "des Eissern Rats"  auch noch im Jahre 1645 in den Rechnungsbüchern und bezahlt dafür 2 fl 9 xr an Zinsen.
Im selben Buch findet sich eine genau Auflistung der Leistungen, die die Pfarrei anlässlich eines gestifteten Jahrtags eines früheren Kötztinger Pfarrers durchzuführen hat. Johann Cammerer hatte diese Jahrtagsstiftung vor seinem Tode am 25.1.1628 schriftlich festgelegt und bei Abrechnung der Feierlichkeiten findet sich auch unser gesuchter Sigmund Raith.
PfA Kötzting Kirchenrechnung von 1638
"Sigmundt Raidten Peckhen, wegen Abpachung zwayer Ell Khorn zur Spendt 30 xr"

 Im Jahre 1644 finden wir eine Geburtsanzeige für Sigmund Raith und seine Frau Maria (hier erfahren wir zum ersten Male den Vornamen seiner Ehefrau), es ist eine Zwillingsgeburt. In diesen schweren Zeiten, so kurz nach der Zerstörung Kötztings, war es sicherlich eine besonders anspruchsvolle Aufgabe, auch noch Zwillinge aufzuziehen.
Pfarrmatrikel Kötzting Band 1 Seite 362
"Eodem die (am selben Tag, wie bei dem darüber stehenden Geburtseintrag, also am 27.2.1644) dem Simon Raiden Burgern des eißern Raths allhir und Mariae seiner Hausfrawen zwe Dechter getaufft worden, die erste mit Namen Maria, die andere Margaretha, die erste Gvatterin Affra Fischer Burgerin allhir, die andere Margaretha Fischerin"

Margaretha Raith, der zweite Zwilling, wurde nur knapp einen Monat alt. Sie verstarb bereits am 20.3.1644. Auch früher geborene Brüder ( deren Geburten lagen vor dem Beginn der überlieferten Pfarrmatrikel oder kurz danach) sind im Sterbebuch Kötztings verzeichnet.
Maria Raith, Sigmunds Ehefrau starb am 16.7.1657. 
Ungefähr zwei Jahre später wurde der Familieneintrag für Sigmund Raith im Kötztinger Status Animarum - der Seelenbeschreibung der Pfarrei - zusammengestellt und dort kann man die Rumpffamilie erkennen und ganz grob den Heiratszeitpunkt für das Paar bestimmen.

PfA Kötzting Band 1 von 1658/59

Sigmundt Raidt,  Sohn Christoph 19 Jahre alt, die Töchter Affra 26, Maria 14 und erneut Affra mit 9 Jahren. Nachdem Maria ja nachweislich 1644 im Sommer geboren wurde, kann man den Eintrag auf den Zeitraum 1658/1659 festlegen und damit die mögliche Hochzeit, ungefähr auf das Jahr 1632. Somit hat die älteste Tochter, Affra, den Schrecken des Schwedenüberfalls als junges Mädchen mit- und überlebt.

Der Status Animarum wurde von 3 Autoren zu unterschiedlichen Zeitpunkten verfasst bzw. ergänzt.
Die älteste Handschrift lässt sich auf das Jahr 1636 belegen und dort finden wir die junge Familie Raith als Überlebende von Kötztings Stunde Null


PfA Kötzting Band 1 von 1636

Sigmundt Raydt und seine Ehefrau Maria zusammen mit deren Mutter(!) Eva
Die Tochter Affra war bereits am Leben und auch ein kleiner Bub Wolf(gang) wird erwähnt.
1669 musste der nunmehrige Kammerer Sigmund Raith nach München zum Landtag und verrechnete anschließend fast 11 Gulden als Reisespesen in den Marktrechnungen. Es steht zu vermuten, dass er sich um die Bestätigung der alten Freiheitsrechte  - und oder Steuernachlässe - zu kümmern hatte, da ja in Kötzting alle Dokumente verbrannt waren und die benachbarten Hofmarksherren sich ungehemmt daran machten, sich ihrerseits Rechte (vor allem das Brau- und Schankrecht) anzumaßen, für die der Markt Kötzting eigentlich ein Gebietsmonopol beanspruchte.
HStA München Landshuter Abgabe Kloster Rott R 2 von 1670


HStA München Landshuter Abgabe Kloster Rott R 3 von 1672

Sigmund Raith stand in den Jahren 1670 und 1672 noch vor seinem Nachbarn Wolf Scharrer (bzw. dessen Erben) in den Steuerlisten des Klosters Rott. 

Marktrechnung Kötzting 1670, die eigenhändige Unterschrift des Kammerers Sigmund Raith


Sein Nachbar aber - der verstorbene "churfürstliche Preugegen= und Marktschreiber", gleichzeitig Probstrichter des Klosters und Richter in Miltach, war hochverschuldet verstorben und bei der Erstellung seines "Inventariums" waren, laut Protokoll vom Januar 1672, auch die beiden Kammerer Simon Raith und Wolf Pachmayr anwesend.  Er selber, auch bei seinem Tode noch als Kammerer bezeichnet, starb am 18.3.1674.
PfA Kötzting Band 2 Seite 499
Dann Herrn Simon Raidten gewesten Innern Raths Cammerern alhi begraben.


Die Raith

Mitglieder der Familie Raith - und damit sicherlich Vorfahren unseres Sigmund Raith - lassen sich in Kötzting bereits seit Anfang des 16ten Jahrhunderts nachweisen.
Ein "Sigmund Raid" ist bereits 1465 auf Reitenstein nachgewiesen und gilt als der Gründer/Namensgeber dieses Dorfes. In umfangreichen und wiederholten Verhandlungen späterer Besitzer, den "Sitz" Reitenstein als "Hofmark" aufwerten zu lassen, wird der Nachweis geführt, dass die frühen Mitglieder der Familie Raith/d unzweifelhaft die Edelmannsfreiheit genossen hatten, weil sie in den "Bayerischen Landtafeln", zum Beispiel in denen von 1533 und 1560, aufgeführt waren.
In einer Gerichtsurkunde aus dem Jahre 1492 findet sich ein Kötztinger Kastner Peter Raith der, nach Helmut Schnabl, möglicherweise der Enkel des obigen Sigmund Raid gewesen ist. 
Bis her an den  30jährigen Krieg lässt sich die Familie Raith als Besitzer des Sitzes Reitenstein belegen, erst kurz vor 1630 sind es dann die Liebl, die sich nach Reitenstein nennen.
Bürger Kötztings waren die Raith aber allemal und so ist es auch kein Wunder, dass sich Mitglieder dieses Familiennamens in Kötzting, mit Einsetzen der schriftlichen Überlieferungen, gehäuft nachweisen lassen. 

Gleich in  der Nähe des Sigmund Raithschen Hauses  wohnte Leonhard Raith und die Familie eines Hans Raith hatte sich maßgeblich finanziell am Wiederaufbau der zerstörten St. Veitskirche beteiligt. 

 
PfA Kötzting Band 1: Hier ein Hans Raith mit seiner Frau Anna und den Kindern Veith und Maria 
Auch die Knechte Hans Vogl und Wolf Raab und die Magd Catharina sind im Familienverband erwähnt.

Mit dieser Familie Hans Raith, offensichtlich wenig betroffen von den kriegerischen Ereignissen,  haben wir vermutlich den bekannten Stifter einer respektablen Summe für den Wiederaufbau der Veitskirche, die 1633 ebenfalls zerstört worden war.
Der Kötztinger Kooperator Riederer 1911 im Kötztinger Anzeiger

 

Christoph Raith und Anna

Im März 1674 war Sigmund Raidt, der Vater,  verstorben und im Jahr drauf verheiratete sich der Sohn und übernahm vermutlich auch bereits zu diesem Zeitpunkt das Anwesen.
Aus dem Jahre 1675 findet sich eine interessante Zusammenstellung für Christoph Raith in den Verhörsprotokollen des Landgerichtes Kötzting. 2 Strafen für "Leichtfertigkeit musste er ertragen, wobei immer der zweite Teil der Strafe ihn vermutlich der unangenehmere war.
StA Landshut Regierung Straubig A 359

30.Jenner 1675

Leichtfertigkheitsstraff
Christoph Raith burgerssohn zu Khözting hat Eva Aschenbrennerin Dienstdirn daselbst in Leichtfertigkheit eines Khindts geschwängert, als ist er /: zemallen sye verstorben:/ an Gelt per 2 Pfund und 8 Tage in Eisen bey Haus abgepisst worden.

den 11. xbris ao 1675

Christoph Raith burger alhier, hat sein Eheweib Anna vor der ehelichen einsegnung eines Khündts geschwangert, dannenhero beede an gelt zemall er sich hivor alberaith in Leichfertigkheit vergriffen per 3 Pfund Pfennig und 3 Tag im Ambtshaus abgepiesst worden.

Christoph Raith und Anna Mez hatten im Mai geheiratet und die Priester konnten damals auch schon gut rechnen




Pfarrmatrikel Kötzting Band 2 Seite 115

"Den 8. eiusdem  [Mai 1675] in der Pfarrkürchen Khezting, Christoph Raidt, Herrn Simon raidens gewesten Cammers alhir Maria seiner Ehefrauen beeder Eheleith seelig ehelich underlassener Sohn, mit Anna Mezin, Leonhard Mezens gewesten burgers und Fleischhackers, Dorothea seiner Ehehausfrauen seel ehelicher Tochter, von R: P: Thoma copuliert worden, in bey den Herrn Gezeugen, Veith Raith des Eissern Raths und Michael Strigl Schuelmaister und organist alhir."
Vier Kinder wird das Paar zwischen 1677 und 1681 bekommen, und in einem Strafakt von 1688 (Marktrechnungen Kötzting) wegen unerlaubter Aneignung von "Spanbäumen aus dem markteigenen Watzlholz" wird er als Bürger und Bäcker genannt.

 

Jaucker Sebastian und Affra

Es hat den Anschein, als ob Christoph nicht sehr lange auf dem Anwesen geblieben war, denn im Jahre 1683 erhält der Zwieseler Bürgersohn Sebastian Jauckher das Kötztinger Bürgerrecht und heiratet Affra, die Tochter Sigmund Raiths bzw. die Schwester des Christoph.
9 Gulden muss er für das Kötztinger Bürgerrecht zahlen, damals eine beachtliche Summe.
Nun hätte Sebastian ja auch nach der Heirat sich auf einem anderen Anwesen niedergelassen haben, wir sind ja noch vor Beginn der überlieferten Briefprotokolle, ABER bereits 1693 kann man in den Kötztinger Marktrechnung bei den Bauleistungen folgenden Eintrag lesen:
"Von Aufrichtung des neuen Prunchors bey des Sebastian Jauckhers Behausung hat man geben dem Andern Mueller und Simon Stainpoeckh Zimmermeister 19 fl 30 kr"
Da haben wir wieder den Brunnen an der Straßenkreuzung.
Und zusätzlich findet sich in den Kötztinger Marktrechnungen noch der Hinweis, dass Affra zuerst von ihrem Bruder das Anwesen mitsamt der darauf lastenden Schuldensumme von 154 Gulden und 44 Kreuzer übernommen hatte.
Stadtarchiv Kötzting Marktrechnung von 1682

Christoph Raidt burger und Pöckh alda, anietzo dessen eheleibliche Schwester Affra Raidtin, noch ledig doch vogtbahren Stands, welche von ieztgedacht dren Bruedern dessen besessebe burgers Behausung keufflich eingethan, hat die darauf anligente 154 fl 44 kr 6 1/2 H gemaines Marckhts Schuld ybernommen und hierumben den 22. May Anno 1682 ....ersagte Behausung und Marckhtlehens Gründt, underpfandtweis verschrieben, warvon sich dan der Zinß zu H: Weihnachten verfallen, so trifft 7 fl 44 xr 2 H

Einschub
Es verbleibt zunächst die Frage, auf welchem Anwesen  - nach seinem Verzicht - Christoph Raidt, immer noch als Bäcker und Bürger bezeichnet, gewohnt und gearbeitet hat.
1711 wird Christoph noch einmal als Brothüter im Brothaus mit einer Schlägerei aktenkundig und erst am 13.3.1715 ist sein Tod dokumentiert.
Aus dem Jahre 1688 haben wir eine Einkommensliste des Kötztinger Pfarrers über die Kirchentracht.
In dieser Liste finden sich sämtliche Hausbesitzer. Sebastian Jaucker ist natürlich auf dieser Liste, ein Christoph Raith eindeutig nicht.
Dies könnte bedeuten, dass Christoph das Haus und den Besitz auf seine Schwester und deren zukünftigen Ehemann verkauft hat, aber selber noch im Haus weiter wohnen (und womöglich arbeiten) durfte. Dass er bei seinem Tod noch als Bäcker bezeichnet wurde, muss daher nicht zwingend auf eine eigene Bäckerei hinweisen, und seine niedere Funktion/Arbeit als Brothüter im Brothaus belegt ebenfalls, dass er, zumindest 1711, kein eingesessener Bäcker mehr gewesen war.  
Allerdings wird Christoph Raith im Jahre 1699 noch mit einer Bäckerstrafe belegt, weil u.a. auch SEIN Gebäck als zu leicht befunden wurde. Somit MUSS er 1699 noch an anderer Stelle gebacken haben.

StA Landshut Rentkastenamtsrechnung von 1711
Christoph Raith Brodhietter alhir hat Andreen Polmer Leineweber Gesöllen dissorths......
"Er hatte  Andreas Polmer Leinewebergesellen , als er im Prodthaus brodt erkhaufft nit allein bezichtiget er hette ihme aines entfrembdet, sondern noch dazur ainen redo: Schelmben und Dieb verhaissen yberdem mit einem beesenstihl uf ihme geschlagen"
Fast 2 Gulden (ca 350-400 Euro) kostete ihn dieser Ausraster
Einschub Ende

StA Landshut Reg. Straubing A 359

 6. Jenner 1684



Ermelt gesamtes handwerch der Pöckhen contra Sebastian Jauckher auch Burger und Pöckhen alhir umb willen er ainen Handtwerch versprochen, 20 fl in gelt und 2 Pfund Wax zu bezallen un daran innerhalb 14 tagen die helffte abzustatten und die übrigeb 10 fl aber inner Ihar: und tag und was noch daryber auf ain handwerch ergehen mechte, das wolle er auch erheben helffen. Weillen aber dato nichts beschechen, als bittend umb obrigkeitliche Verhelffung und prot. die Uncosten.

Antwort

Beclagter bestehe zwar mit dennen Clegern den vorgegbnen Contract getroffen zu haben, iedoch aber ist dabei austruckhlich bedingt worden, daß er ihnen ehe die Handwerchsfreyheit auf dem tisch lige, nichts bezallen dürffte. Wann dann bey solcher Beschaffenheit er sein Gelt nit erlegen khann, zumahlen derselb nit versichert, daß er ainen Lehriung aufnemmen darff, oder maister sey. Also bitt er bis dahin umb absolution und prot. die Uncosten

Replic
Repetirnrn priora, und nemen das bestandtne vor bekhandt an. Widersprechen aber da´ß sie ihme beclagten verhaissen, anfangs die Handwerchsfreyheitn vorzulegen, dan ihme zu ainer willkhür gesözt worden. Wan demselben die 20 fl zuvill sein wolten, wurdte man noch erhebung der Freyheit ain so schlechtes nit nemmen khinden sonder er ain mehrers thuen müessen, zemallen bewusst dass schon ain so grosser Uncosten umb Auswürckhung der Freyheit ergangen, bitten also noch wie oben

Duplic

(wied)erholle sein veranttworttunf, haben ihme beysein dessen Schwagers austruckhlich Versprochen das er vor Citirung der Handwerchsordnung nichts zubezallen schuldtig sein solle. Weillen dan sie selbsten dennen Pöckhen zu Viechtach underworffen, dahero bitt er auch noch wie vor.

Beschaidt

Der Beclagte soll schuldig sein die Verglichen und Versprochen 20 fl. als die Hälfte innerhalb 14 Tagen und der andere halben Thaill mit Ausgang des bestimbten iahrs, ohne weitters cla
gen zu bezallen, er khundt oder wolte dann erweisen, daß ain Handwerch ihme Vorhero die Handwerchsfreyheit anfangs auszuwürckhen versprochen, soll er solches alsdan zugeniessen und bisdahin es mit der Bezallung instand haben

Cammerer und Rhäte des Churfürstlichen Panmarckhts Közting 



Pfarrmatrikel Kötzting Band 2 Seite 163
Heiratseintrag Sebastian Jauckher aus Zwiesel mit Affra Raidt aus Kötzting


StA Landshut Rentkastenamt Straubing Rechnung Markt Kötzting von 1687
"Sebastian Jauckher burger und pöckhen alda,w elcher sich zu der Affra Raidtin verheurath, hat die uf deren Behausung vorhin anligente 154 fl 44xr 6 1/2 H gemaines Marckhts Schuldt yvernommen, und hierumben dem 16. Marty ao 1685 ersagte Behausung und Marktlehensgründt underpfandtweiß verschrieben, warvon sich den der Zünß zu H: Weinnachten verfallen, so trüfft 7 fl 44 xr 2 H."

Im selben Jahr bereits findet sich Sebastian Jauckher als Kötztinger Schützenmeister bei der Landfahne und erhält vom Magistrat den "Schützenvortl"
StA Landshut Rentkastenamt Straubing Rechnung Markt Kötzting von 1687
"N: 67 Sebastian Jauckhern und Wolf Adamen Türrigl burgern und Schiezenmaistern alhir, den gewohnlichen Schizen Vortl, Inhalt Scheins guett gemacht alß: 3 fl 30 krz.

Einschub






Der "Schützenvortl" war ein Zuschuss des Landesherrn an die örtlichen Schützenvereinigungen der Landwehr. Ein Nachweis über die Ausgaben wurde nicht geführt, so dass damit von Munition bis zu Uniformteilen und "Brod und Bier" alles abgedeckt sein konnte.
Einschub Ende


Fünf Jahre später, 1698, führt er eine Sammelklage der Kötztinger Bäcker gegen Georg Seider an, welcher ein Kötztinger Bürgerhaus gekauft und dort - ohne dass darauf eine Bäckersgerechtigkeit gelegen habe - angefangen hatte Brot zu backen.
In dem Prozessakt finden wir einige interessante Details:
Georg Seider hatte das Jauckhersche Nachbarhaus im Rossmarkt gekauft - vom Recht her ein Marktlehen - und berichtet in seiner Anklageschrift, dass er das "bis auf den grund" abgebrannte Haus (die alte Hausnummer 30 nun im Frey-Komplex eingegangen, früher das Haus des Rabl Bauern) erst vor einem viertel Jahr gekauft und nun "in etwa wider erpaut" habe. Nun aber wolle ihm das Kötztinger Bäckerhandwerk die Ausübung als Bäcker verbieten, weshalb er, nachdem er beim Magistrat nicht Recht bekommen hatte, nun in Straubing sein Glück versuchte.
Straubing fordert den Markt auf, sich zu dem Vorgang zu äußern, und dieser schickt das Verhörprotokoll  seiner eigenen Verhandlungssitzung zu diesem Vorgang weiter an das Gericht in Straubing.
Sta Landshut Regierung Straubing A 4427

"Extract
Aus dem Gemainer marckhts Közting
Rhats Verhörs Prothocol, so vor: und einkhomben, den
5, Xbris 1698
Clag

Die sammentlichen alhiesigen Weispöckhen Sebastian Jauchker et cons: contra Georgen Seider burger alda, der understehet sich uf seiner vom Christophen Tröscher, Strumpfstückhern alhir erkhaufften burgersbehausung würklichen weisses brodt zubachen, da doch solche Gerechtigkeit sowohl bey vermercht seiner Behausung dermallen nicht herkhomben, als das auch alhiesige Markht ohne dem mit dennen 9 verhandtenen Pöcklhenstadten alzufasst yberlegt ist, distemnach bitten cleger dem becl(agten) daß er sich disses unrechtmessig Brodtbachens und verleoth gebung dessen bgennzlichen enthalten solle, obrigkeitlich aufzutragen, protestatis expensis" 
Die Bäcker Kötztings stellten also fest, dass 9 "Bäckereien" in Kötzting eh bereits zu viele waren, und Seider berief sich auf seine "Freiheiten", die ihm als Besitzer eines Marktlehens zustanden.
Die Kötztinger bezeichneten ihn aber im Gegensatz dazu als einen "Geymaister", also als einen Meister vom Lande, der nicht mit den gezünfteten Bäckerhandwerkern im Markte zu vergleichen wäre.
Weiter führen die alteingesessenen Kötztinger Bäcker an, dass es früher sogar nur 4 bis 5 Bäcker im Markt gegeben hätte und es daher eher weniger als mehr Bäcker in Kötzting geben sollte. 
Der Markt verwarf in seiner Magistratssitzung dann die Eingabe des Georg Seider und dieser musste nun auf die Regierung in Straubing hoffen.
Weitere Schreiben gingen hin und her, die Bäcker versuchten mit der Macht ihres gezünfteten Handwerks sogar eigenes Recht zu generieren und übersandten der Regierung einen Auszug ihrer (im September des Prozessjahres) neu vereinbarten "Handwerksordnung
Sta Landshut Regierung Straubing A 4427
Extract
Aus der Freyheit aines gesambten Handtwerckhs der
Weisspöckhen zu Közting de dato Straubing den 5. 7ber 
1698
Zum zwanzigsten, weillen dermallen im Markcht Közting neun Maister verhandten, alwo vor disen nur drey oder vier gewesst, damit aber ainer mit den andern in ansehung des geringen orths nit zuvill ybersezt ist, als soll fürohin nit allain mit aufnembung der Jungen Maister daß Handwerch verschont, sondern auch dahinn gedacht werden, daß mitler Zeith die Maister, und Pachstötten, in ermelten marckht auf ein geringere anzahl khomen möchten.

Weitere Schreiben gehen zwischen Kötzting und Straubing hin und her und am Ende befielt Straubing dem Markt Kötzting, dass dieser Georg Seiderer "das Pachwerch des weissen Brodts bei Straff 5 Pfund
(Regensburger)  Pfennigen inhibiren" müsse.
Im Jahre 1699 werden bei den regelmäßigen "Brotvisitationen" mehrere Bäcker auffällig, darunter auch Sebastian Jauckher und sein Schwager Christoph Raith, siehe oben.
Sebastian Jauckher, Christoph Raith , Hansen Pachmayr und Hans Raab umb sich bey 3 Prodtvisitationen ihr Gebaeckht nit aufgericht und etwas zu gering befunden. (MR Kötzting von 1699)
Im selben Jahr findet sich Sebastian Jauckher vor dem Landrichter wieder, weil er sich im eigenen Hause eine Rauferei geleistet hatte. 1/2 Pfund Pfennige kostete es diesmal.
StA Landshut Rentkastenamt Straubing Pfleggerichtsrechnung von 1699
Truckhne Raufferei (also ohne dass Blut gelaufen wäre)
Sebastian Jauckher burger und Weißpeckh alhier zu Köztung, und Adam Geiger zu Grafenwiesen, haben in sein Jaucklhers Behausung aine truckhnene Raufferey veriebt, sich aber dentwillen widerumben verglichen, und die Uncosten zugleich abzustellen, yber sich genommen, dahero man sye darbey gelassen, und mitainander per 1/2 Pfund Pfennige Straff angesehen, trifft 34 xr 2 H.

Im Jahre 1700 leiht er sich vom Ratsmitglied Martin Hofmann 20 Gulden und hinterlegt dafür als Sicherheit seinen "Gruberhofacker". Weitere 9 Gulden Kapital bekommt er vom Kötztinger Spital und hinterlegt nun dafür sein Marktlehen.
In den Marktrechnungen von 1706findet sich folgender Eintrag: "der erlidtnen Feuersbrunst, Schauerschaeden und Einquartierung halber ist Sewastian Jaunkher alhir nachgelassen worden" 9 Gulden.
Bei ihm kam es wohl knüppeldick, es sieht so aus, als wäre sein Haus abgebrannt, die Ernte vernichtet und für die Einquartierungen in Folge des Spanischen Erbfolgekrieges wurden horrende Quartierlasten von den Hausbesitzern verlangt.
In den Folgejahren steht er immer wieder mit "Servis"Geldern, also Abgaben für die fremden Soldaten in den Marktrechnungen, die er aber offensichtlich begleichen konnte.
1711 dann sind es wieder mal die Klassiker bei den Bäckerstrafen, das Gewicht der Backwaren stimmte nicht und gleich 4 Bäcker stehen auf der Strafliste, darunter auch Sebastian Jauckher mit fast einem Gulden an Strafe.
1713 kam er dann nicht mehr so billig weg, die Kontrolle ergab, dass "das Semmelbrot umm3 Quintl,  das Rockhenbroth um 9 loth zu gering" gewesen war, was ihm 3 Gulden Strafe einbrachte.

Doch zunächst zurück zur Kernfamilie Jauckher. Sebastian und Affra hatten ja im Jahre 1683 geheiratet und gemeinsam hatten sie 3 Kinder bekommen, Simon, Rosina und Maria. 
Am 3. Juni 1705 verstarb seine Frau Affra, und bereits am 14. August desselben Jahres heiratete der Witwer erneut, Magdalena, die Tochter des Kötztinger Sagmüllers Paulus Hofmann. 
Viele Jahre später erst, am 9.1.1718 schlossen die beiden dann auch einen Heiratsvertrag. Darin wird die Mitgift der Ehefrau in Höhe von 100 Gulden festgehalten und auch die Sicherstellung dieser Mitgift durch sein Marktlehen festgeschrieben. 
In diesem Ehevertrag ist auch das einzige überlebende Kind, Rosina,  aus Seiner Ehe mit Affra Raidt erwähnt,  die nun mit dem Kötztinger Simon Haas verheiratet ist. Simon Haas, auch er ein Bäcker, hatte als Witwer im Jahre 1714 Jauckher Rosina geheiratet. 
Jauckher Sebastian, nun Rat genannt, verstarb am 16.12.1728.
Im Münchner Hauptstaatsarchiv befindet sich ein Zehentregister des Klosters Rott, welches den Zeitraum von 1727 bis 1736 abdeckt.

HStA München Landshuter Abgabe KL Rott B4
1727 steht noch Sebastian Jauckher in der vorgefertigten Liste, wird aber bereits mit Bleistift durchgestrichen und durch Michael Lärnbecher ersetzt.


Lärnbecher Michael und Magdalena


Im Jahre 1728 übernahm Michael Lärnbecher - lt. der Spitalrechnung desselben Jahres -  das Haus und die Schulden von Sebastian Jauckher. Für 10 Gulden erhielt er auch das Kötztinger Bürgerrecht, das allerdings erst in der Marktrechnung von 1729 als Einnahme verbucht wird UND er zu diesem Zeitpunkt noch als "lediger Bäckersknecht" bezeichnet wird.
10 kurze Jahre nur blieb Michael Lärnbecher auf dem Marktlehen, dann entschloss er sich zu einem Tausch mit dem Marktlehen des Johann Paul Praittenberger in der Marktgasse.
Die Details dieses Tausches werden anschließend aufgedröselt; was bei diesem Tausch - so etwas kam öfter vor in Kötzting - aber bemerkenswert ist, ist, dass Lärnbecher den Namen seines Vorbesitzers "Jauckher" mit auf das neue Haus mitgenommen hatte.
Der bis in die heutige Zeit bei "Altkötztingern" bekannte "Jauckabeck" (heute die St. Veitapotheke) bekam seinen Hausnamen erst durch den  Besitzwechsel des Michael Lärnbecher im Jahre 1738. 
Am 15.5.1739 vereinbarten die beiden Familien einen Tausch ihrer beiden Marktlehen. Da der Wert der beiden Anwesen - vor allem wegen der mit diesen fest verbundenen Grundstücke - nicht identisch war, musste Lärnbecher 160 Gulden als Ausgleich bezahlen.
Beide Seiten übernehmen auch die jeweilig auf den Häusern liegenden Schulden.


Paul Praittenberger und Barbara

PfA Kötzting Band 14 vom 10.1.1730


"am 10. haben öffentlich einen Bund der Ehe geschlossen, der ehrenwerte Jüngling Johann Paul Praitenberger Sohn des Ratsherren Paulus Praitenberger, einem Händler in Kötzting, und Seiner Ehefrau Elisabeth, mit seiner Braut, der tugendsamen Frau M: Barbara, der hinterlassenen Witwe des ehrbaren Bürgers und Krämers Sebastian Loderer. Die Ehe wurde geschlossen vor den Herren Zeugen Georg Auzinger, Waffenschmied, und Johann Michael Hofmann, Bürger von Kötzting.

Dieses Krämer-Ehepaar tauschte nun mit dem Bäckerehepaar beide begründeten auf den neuen Häusern eine Jahrhundertelang währende Tradition als Händler und Bäcker.
Der "Jauckabeck"  endete Anfang des 20. Jahrhunderts, als der "Irlbeck" die Bäckerei in den Bahnhofstraße baute. Auch das, später "Ringhaus" genannte, Anwesen an der Straßenkreuzung war von nun an bis weit hinein in das 20. Jahrhundert als Handelshaus bekannt. (Frau Paula Dittrich beschrieb dies lebhaft in ihren Kindererinnerungen.

StA Kötzting Spitalrechnung 1741
"Johann Paul Praittenberger burger und Crambhandler alhier, dann Barbara desseb Eheweib, haben in Erkhauffung Ertauschung ihrer in habeten burger und Marktlehensbehausung ienige 50 fl Capital..."
5 Kinder bekam das Paar zwischen 1730 und 1738.


Esterl Mathias und Anna Maria

StA Kötzting Marktrechnung 1744
Einnamb an heimbzalten Capitalien: Mathias Esterl burger und Crambhandler alhir, hat ienige 154 fl 44 xr 6 1/2 H so anvor Johann Paul Praittenperger auch Cramerderorthen und dessen Eheweib wie hiervor fol 7 zefündten schuldig gewesen, zu heyl: Weinachten anno diss heimbzalt mit 154 fl 44 xr 6 1/2 H.

Es ist dies einer der eher seltenen Fälle, dass eine Grundschuld getilgt und nicht einfach auf den neuen Besitzer übertragen wurde.
Auch Paulus Praittenberger und seine Frau Barbara blieben nicht lange auf dem Eckhaus.
1743 kann der Hohenwarther Krämer Mathias Esterl das Kötztinger Bürgerrecht erwerben, weil er das Marktlehen des Paul Praittenberger gekauft und damit zunächst die Voraussetzungen für diesen Erwerb erfüllt hatte. Den Kauf selber können wir nur indirekt belegen, weil die Kötztinger Briefprotokolle hier eine zeitliche Lücke aufweisen.
Am 22.11.1730 hatte der Hohenwarther Webersohn Mathias Esterl die Moosbacher Krämertochter Anna Maria Murauer geheiratet.  Aus ihrer Zeit in Kötzting sind nur 2 Geburten in den Pfarrmatrikeln dokumentiert, 4 weitere Kinder hatten die beiden aber bereits aus Hohenwarth mitgebracht.
PfA Kötzting Band 14 Seite 58
Hochzeitseintrag des Mathias Esterl mit Anna Maria Murauer

Im Jahre 1744 - mitten im Österreichischen Erbfolgekrieg - finden wir in den Marktrechnungen eine Lebensmittellieferung für die im Quartier liegenden Truppen.
Für "Zilchen, Weinperl , Feigen , Äpfel und Nuß" bekommt der Krämer Esterl 42 Kreuzer bezahlt, 
Im Stadtarchiv haben wir einen umfangreichen Akt über die Quartierslasten des Marktes im Österreichischen Erbfolgekrieg. 
Viele Hunderte an Einträgen geben einen Hinweis darauf, wie sehr die Kötztinger Bürger gedrückt wurden. Auch Mathias Esterl finden wir dort.
StA Kötzting AA I 10
Matthias Esterl Crambhandler, vors Monath Merz hergeben 1 Cent 2 Pfund Inslicht Körzen (Unschlittkerzen, Kerzen aus Rindertalg) iedes a 15 xr (1 Kerze kostete also in etwa den Tageslohn eines Hilfsarbeiters) macht 12 fl 15 xr dann 3 Puech Postpapier a 9 xr thuet 27 xr und umb 4 xr Prödtnegl ins Krankhenhaus macht zesammen Lauth Scheins 26 fl 1 xr.

Esterl bekam also seine Zwangslieferungen rückerstattet, dem Magistrat blieb aber nichts anderes übrig, als die aufgelaufenen Geldsummen dann auf alle Bürger gleichmäßig zu verteilen.

Mathiaß Esterl hat 1 Man iedoch unwissent weeder die Compagnie noch dessen Namen gehalten, und gleich andere mit Gemüss, dann Salz, Essig und Pfeffer verpflegt, ab welchen sodann tägöich 4 xr angelehnt würdet so trifft 1 Gulden.
Unabhängig davon, was der Quartierherr seinen ungebetenen Gästen vorzusetzen hatte, gab es am Ende nur 4 Kreuzer an Rückerstattung.
StA Kötzting AA I 10
"Mathiaß Esterl ainen Tragoner Namens Sturmb 1 Mth (Monath) gehalten und dan und wan Hausmannscosst geraicht so in ansehung dessen nach 2 xr importirt 1 fl"

Mathias Esterl    1 Man


Im selben Jahr kann er das "sogenannte Graimath Wiesflöckhl beim Saagwörth so zwischen dem Regenfluß und Gruberbach entlegen" um 112 Gulden erwerben. 
Im Jahre 1745 übernimmt Mathias Esterl durch einen sogenannten "Lehenrevers" den dem Kloster Rott zustehenden "2. Garb-Zehent" der Dörfer Gehstorf, Voggendorf und Unterzettling.

Einschub
Ein bisschen wie bei einem heutigen Warenterminkontrakt an der Börse konnten damals die Bürger auch den Zehentnehmern den Zehent gegen eine feststehende Gebühr abkaufen, um danach - bei der Ernte - diese Naturalsteuer auf dem Feld bei der Ernte dann selber abzuholen (=fengen).
In diesem Falle handelte es sich um jede zweite Garbe (Getreidebündel) des Zehents (nicht der Ernte), die bei der Ernte in den drei Dörfern eingefahren wurde und die das Kloster Rott dem Spital vermacht hatte.
Nun also bezahlte Esterl den feststehenden Betrag - hier 32 Gulden - und musste dann schauen, ob er bei den unsicheren Ernteerträgen sich am Ende refinanzieren konnte.
Das Kloster Rott, bzw. hier das Spital Kötzting, jedenfalls war die Sorgen über mögliche Missernten los und erzielte eine regelmäßige und damit gleichmäßig kalkulierbare Einnahme.
Einschub Ende


HStA München Landshuter Abgabe KL Rott Lehenprotokolle 1758-1802
Neuabzuschließender Lehensvertrag des Klosters Rott, nachdem der alte Abt  Corbinian
verstorben war, mit dem Kötztinger Bürger und Kramer Mathias Esterl aus dem Jahre 1758
 

Aus dem Jahre 1748 kennen wir einen Vorgang vor dem Pfleggericht. Mathias Esterl wollte (den Vater seines späteren Nachbarn ) Jakob Rabl, Bürgern und Metzger, verklagen, weil dieser ihm "jüngsthin nachgeloffen und mit ihme ein bluethrrünstiges Geräuf verybet, auch ainen flanckhen und hergeloffenen Cramer verscholten, auch das ihne deß Räbls sein älterer Sohn namens Hans Georg einen Sausch/weif) iniuriert, item hat der Räbl wüder vorgedachten Esterl, umb er sich unternohmen nit allein sein Räbls 2 bueben mit Schlägen zu übergehen, sondern auch mit ihme selbsten ein bluettrunstiges geräuff auß zu üben ....."
Die beide Kontrahenten haben sich nun verglichen und Esterl übernimmt 1 Gulden und 30 Kreuzer, den Rest der 2 Pfund Gerichtsstrafe bezahlt dann der Metzger Rabl.







Esterls Geschäfte scheinen gut zu gehen, denn neben dem Lehensrevers - seit dem Jahre 1745 - kann er sich im Jahre 1746 auch bereits das nächste Grundstück leisten.
Von der "Jungfrau Maria Anna Wieninger" aus Landsberg kann er "die Grainethwiese unweith Fessmannsdorf und an den Regen stossend" um 220 Gulden erwerben. Diese Wiese, nahe am Herrenweiher gelegen, hat eine besondere Grunddienstbarkeit, einen Wassergraben hin zu diesem Herrenweiher. Im Kaufvertrag ist geregelt: Der "Käufer muß den schon sichtbahr von alters hergebrachten Graben zu  Hineinfiehrung des Wassers von Stegen in den sogenannten  HerrenWeyr gedulten."
Einschub
Der "Herrenweiher"  ist höchstwahrscheinlich zu diesem Zeitpunkt schon kein Fischteich der Kötztinger Ratsherren mehr, sondern eine Feuchtwiese mit eingetragener Grunddienstbarkeit.
Kötzting betreibt um diese Zeit nur noch zwei kleine Weiher am Watzlhof und einen Weiher im Burggeding, wo immer der auch gelegen haben mag.
Einschub Ende 
Zu Beginn des Jahres 1748 leihen sich die Esterlschen Eheleute 90 Gulden bei der Kirche Weißenregen und "widerlegen den Zisslerischen Zandhofacker". 

Einschub
Das Areal, das man in Kötzting Zandhofacker nannte, liegt ungefähr zwischen dem Hackschnitzelheizkraftwerk beim Krankenhaus Kötzting und der alten Hauser Straße. 
Einschub Ende

Im selben Jahr wird Mathias Esterl in den Ausschuss aufgenommen, also in die zweite Kammer des Magistrats.
Den weiter oben beschriebenen Wiesenkauf - am Gruberbach - macht Esterl rückgängig, er erhält seinen Kaufpreis komplett zurück, darf sogar noch die heurige "Groimath" abernten.
Weiter geht es mit Kleinigkeiten, die aus seinem Leben bekannt geworden sind. Er wurde 1755 erwischt, als er offensichtlich seine zwei Pferde ausspannte und weiden ließ. Alleinehüten war aber bei Strafe verboten und diese Strafe betrug 1/2 Pfund Pfennige, ganz grob zwei Tagesverdienste eines Handwerkers.
Über diese Strafe hatte er sich offensichtlich dermaßen geärgert, dass er sich dazu hinreißen ließ, über den Magistrat und insbesondere den Kammerer herzuziehen. In der Marktrechnung von 1755 steht, er wäre "durch den Ratsdiener uf 3 angesezte Rhattäg ordentlich citiert worden, so ist derselbe nit nur das 1. mahl nit erschinen und ohne abgegebene antwortt  ratoe aines Marktstögs vom Rathaus wider entwichen, sondern er hat sich auch des andern mahl verlautten lassen selber habe uf dem Rhathaus nichts zu thun und mir haben noch keinen leichtern Cammerer gehabt. anbey die Hand uf den S:V: hüntern wendtens."
Seine Strafen für den Ungehorsam und der Beschimpfung des Kammerers mit obszönen Gesten waren dann: Für "1 Tag im bürgerlichen Arrest und auf 2 mahlen 4 Stundt im Stockh", also einen Tag  im Gefängnis und 2 mal 4 Stunden öffentlich im Stock eingespannt zu verbringen. 
Mathias und Anna Maria Esterl übergaben ihr Anwesen am 4.1.1764 an ihren Sohn Andreas Esterl, damals noch ledig und ein Seifensieder, um 1600 Gulden. .
  

Esterl Andreas und Anna Maria

Im umfangreichen Briefprotokoll sind auch die besonderen Grundstücke aufgeführt, die sich die Besitzer im Laufe der Jahre, zusätzlich zu den "Pertinentien" (=die fest und unverkäuflich ans Anwesen gebundenen Grundstücke), hinzugekauft hatten.
Der "Druckmüllersche Agger bey dem Lünckhenseigen"
der sogenannte "Creuzagger" negst dem Herrenweiher
der "Raaben Weiher, so dermahlen zu einer Wiese gemacht, und unweith der Multersaag entlegen"
und der  "Bothen-Christl-Garten wo der Gangsteig nacher Grafenwiesen durchgehet"
Mathias verkauft  das Marktlehen mit der "Cramb und Fragnerey Gerechtigkeit" gelegen zwischen "Michael Fischer Fluderknecht und Stephan Irlbacher, Marktmüller, beeden Bürgers alhier Häusern"
Der übergebene Viehbestand waren "12 gross: und klain Rinder und ain Ross"
Auch die diversen Grundschulden sind aufgeführt, und auch die sind nicht ohne:
80 fl bei der Kirche Weißenregen
90 fl bei der Pfarrei Kötzting
50 fl bei der Kirche Steinbühl
50 fl bei der Kapelle Grafenwiesen
50 fl bei der Kirche Eschlkam
Vier weitere Geschwister musste Andreas auch berücksichtigen, Mathias, Anna Maria, Maria Anna und Katharina. Berücksichtigen hieß in dem Fall, dass jedes seiner Geschwister ein Anrecht auf 250 Gulden hatte, falls es " zu einer Standesveränderung" käme, also zu einer Hochzeit.
1767 also, da Andreas noch nicht verheiratet war, gehörte das Anwesen formal noch Mathias und daher ist er auch bei der Einquartierung von Soldaten des Obrist Baron von Lerchenfeld Infanterie Regiments noch als der Hausherr benannt.
StA Kötzting AA I 9 von 1767 ff : 1 Mann muss Mathias Esterl aufnehmen
Insgesamt sind es ein Leutnant und vier Soldaten, die im Wochenrhythmus ihr Quartier wechseln.

Im Oktober des Folgejahres: "den 11ten Oct: vom Löbl Leibregiment ein Corporal auf Werbung eichen
Mathias Esterl auf 7 Tage 1 Mann
"


Dieser detaillierte Übergabevertrag sollte aber erst dann Wirklichkeit werden, sobald der, zum Zeitpunkt der Vertragsschließung noch ledige, Sohn, dann endlich geheiratet haben würde.
In dem sich an den Übergabevertrag anschließenden "Ausnambsbrief" behält sich das Elternpaar die lebenslange Herberge im Erdgeschoss neben dem Hausflöz vor. Diese "Wohnung muss aber erst noch "würdig" errichtet werden. Offensichtlich lebte zu diesem Zeitpunkt auch noch die Witwe Barbara Praittenberger im Haus in der Herberg, denn für diese war eine andere Hälfte - gegen das Michael Fischersche Haus gelegen - im Erdgeschoß vorgesehen.
Um ihr einen unbeschwerten Ein- und Ausgang zu ermöglichen, muss sogar eine eigene Haustür für diesen Alterswohnsitz aus der Wand gebrochen werden.
Jährlich 6 Ell Korn, 10 Gulden jährlich anstelle der Haltung einer Kuh, 1/2 Ell Linsen, 2 Pifang Kartoffel, 2 Pifang Kraut, 2 Pifang Rüben, 5 Klafter Brennholz vervollständigen die Bedingungen des Briefes.
Es dauerte noch drei weitere Jahre, bis die Übergabe dann tatsächlich Rechtskraft erhielt, denn erst am 22.11.1769 heiratete Andreas Esterl seine Braut, die Kötztinger Krämerstochter Anna Maria Schneider.

PfA Kötzting Band 14 Seite 195
Hochzeitseintrag für Andreas Esterl mit Anna Maria Schneider

Am 8.10.1770 schließen die beiden dann ihren Ehevertrag (sie brachte 500 Gulden Mitgift in ihre Ehe mit ein) und - die Summe ist sicherlich kein Zufall - denn bereits im Frühjahr desselben Jahr ließ sich der übergebende Mathias Esterl von seinem Sohn "sein Leithum abkaufen".
Mathias Esterl schickte seinen anderen Sohn - ebenfalls Mathias mit Namen - zum Kammerer Luckner und bittet diesen, er möge eine Abordnung des Magistrats zu ihm in seine Wohnung schicken, da er selber zu schwach sei, um vor der Obrigkeit zu erscheinen. Zwei Ratsmitglieder, Johann Jakob Amberger und Johann Baptist Fabrici, begaben sich also in die "Zinswohnung(!) zu Hanns Georgen Auzinger in das oben gegen dem Max Auzinger entlegene Zimmer", wo sie "den alt Esterl in einem Pethstadl sizent "antrafen. Mathias Esterl nun verkauft seine vertraglichen Ausnahmsleistungen an seinen Sohn Andreas und dessen Frau um 435 Gulden. 
Esterl Mathias, Mercator genannt, stirbt am 4.6.1770, seine Frau Anna Maria folgt ihm 4 Monate später nach. Es war dies regelrecht ein tödliches Jahr für die Esterl-Familie. Bereits im April war die Tochter Katharina verstorben und im Dezember ist noch eine Jungfrau Anna Esterl in den Pfarrbüchern vermerkt. 
Eine Anna - nicht bekannt ob die Anna Maria oder Maria Anna - Esterl musste 1766 eine Leichtfertigkeitsstraße vom Markt Kötzting hinnehmen, da "selbe bei Johann Georg Harrer in Diensten gestandten, würdt eines Kindts improgniert und dahero als erstmalige Verbrecherin abgebüsset"
Als "erstmalige Verbrecherin" abgestempelt, war es ihre Strafe, zu Hause 5 Tage lang die "Geige " zu tragen. Das Kind, das sie geboren hatte, ein Bub mit Namen Johann Georg, lebte nicht lange, er starb im April 1766.
Wie oben bereits angeführt, verstarb Anna Maria Esterl, die verwitwete Kramerin - Witwe des Mathias -, im Oktober 1770 und konnte dann noch  661 Gulden an ihre drei verbliebenen Kinder, Mathias, Anna Maria und Anna in Ihrem Nachlass verteilen.
Das Sterben ging aber in der Familie Esterl leider so weiter.
Am 25.3.1771 starb der Jüngling Mathias Esterl.
Am 15.5.1771 starb Magdalena, das Kind des Andreas Esterl
Am 16.6.1771 verstarb dann der Seifensieder Andreas Esterl selber.
Kurz vor seinem Tode - protokolliert aber erst 10 Tage danach - konnte Andreas Esterl noch sein Testament machen.
Die Witwe - nicht zu verwechseln mit ihrer bereits im Vorjahr verstorbenen Schwiegermutter gleichen Vornamens - lies noch am 26.6. vor dem Magistrat protokollieren, dass sie das Testament des Mannes voll umfänglich anerkenne und bat nur um die Besitzübertragung des Marktlehens auf sie. 
StA Landshut Briefprotokolle Markt Kötzting von 1771

Am Ende ihres Protokolls steht anstelle ihrer Untersachrift: "Anna Maria Esterlin statt ihrer aber, weil sye des Schreibens unkündig underschreibt es Laur: Stoiber Gerichts Procurator"
Der Magistrat folgt den Wünschen der Witwe unter der Bedingung, dass sie alle Auflagen des Testaments ihres Mannes genauestens erfüllen würde. 
Um diese Bedingung - die genaue Ausführung seines letzten Willens - sicherzustellen, hatte der Erblasser "sogar dem amtierenden Kammerer Luckner derentwillen das Handgelüb abgestattet"
Samuel Luckner musste Esterl also - besiegelt durch Handschlag - versprechen, dass alle Details des Testaments erfüllt würden. 

Das Lehensrevers (siehe oben), das seit 1745 von der Familie Esterl beansprucht worden war, wechselte nun nach den vielen Todesfällen ebenfalls auf einen neuen Reversträger über. Der Weißbäcker Ander Dreger wird ab 1771 der neue Lehenträger.
Im neuen Jahr 1773 bestätigt der Magistrat Kötzting der Witwe den alleinigen Besitz des Marktlehens.  Vier Tage später verkauft Anna Maria Esterl das "Marktlehen zwischen Michael Fischer, Fluderknecht, und Jakob Räbel, Metzger, entlegen inkl. der Kramer- und Fragnerei." um 1000 Gulden an ihren Bruder Josef Schneider. Sie selber hatte sich am 26.2.1772 wiederverheiratet, der neue Mann war Ignaz Mayr, eine Wirtssohn aus Kötzting. 


Josef Schneider und Anna

Schon im September des Vorjahres hatte Josef Schneider Baumann Anna, eine Krämerwitwe aus Neumarkt in Böhmen, geheiratet. Nun kam also auch noch das passende Haus in Kötzting dazu.
PfA Kötzting Band 14 Seite 198
Heiratseintrag von Josef Schneider Kötzting und der Witwe Anna Baumann aus Neumarkt

1776 ist mal wieder der Brunnen an der Straßenkreuzung reparaturbedürftig, nun spricht man aber vom "Esterlbrunnen".
1778, der nächste Krieg steht an, dieses Mal ist es der Bayerische Erbfolgekrieg und das "Straubinger Landl" - und mit ihm das Landgericht Kötzting - wird nicht nur von den Österreichern besetzt, wie in den beiden vorherigen Erbfolgekriegen, sondern kurzerhand als Faustpfand annektiert, Kötzting wurde österreichisch und eine ganze Kompanie an Soldaten musste untergebracht werden. Manche Kötztinger Bürger traf es mit 15-17 Man auf einmal. Bei Josef Schneider waren es eine geringere Anzahl, aber eng wurde es sicher auch durch die vier Mann, die plötzlich mit im Hause wohnten.
StA Kötzting A I 9 von 1778 : Josef Schneider 4 M:(ann)

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HStA München Landshuter Abgabe KL Rott B 5 Zehentregister von 1777-1800
Auf diesem Register sind Josef Schneider (und sein Nachfolger, der Bruder Anton Schneider) aufgeführt.
1787 beleiht Josef Schneider noch einmal sein Anwesen mit weiteren 60 Gulden, diesmal vom Kapitalstock der St. Sebastianibruderschaft aber schon im Jahr drauf, also 1788, übergibt er sein Marktlehen mitsamt der Kram- und Fragnergerechtigkeit an seinen Bruder Anton, zu der Zeit noch ein Handelsmann in Deggendorf. Josef Schneider und Anna tauchen nur noch als "Häusler" in den Akten auf und bitten dringendst, sich im Jahre 1789 eine kleine Summe Geldes leihen zu dürfen, um den vollständigen Ruin abweisen zu können.

Anton Schneider und Rosina

Auch Anton muss zuerst das Kötztinger Bürgerrecht erwerben, 13 Gulden kostet dies bereits für einen Marktlehner, bevor er am 9.8.1788 zum Preis von 1775 Gulden der neue Besitzer werden kann/darf.
Es hat den Anschein, als ob Anton bereits in Deggendorf verheiratet war, denn seine Frau ist in den Kötztinger Geburtsmatrikeln eingetragen als Pirchinger Rosina aus Deggendorf und eine Heirat der beiden ist in den Kötztinger Hochzeitsbüchern nicht zu finden
Ein weiterer Bruder, der Seilermeister Johann Michael Schneider, will heiraten und Anton, der vermutlich auch nur zusammen mit dem Geld seiner Geschwister den Kauf abschließen konnte, ist verpflichtet, ihm sein Heiratsgut auszubezahlen, auch damit dieser sich den Ecklshof kaufen konnte.
Aus diesem Grunde leiht er sich am 29.8.1788 200 Gulden von der Kirche in Wettzell und verpfändet auch hierfür sein Anwesen. Dieselbe Summe besorgt er sich am 15. Oktober dann noch einmal von der Pfarrkirche in Kötzting. Bei dieser zweiten Hypothek muss nicht nur erneut das Marktlehen als Sicherheit herhalten, sondern auch die Ehefrau muss ausdrücklich ihre "weiblichen Freiheiten" aufgeben; das bedeutet, dass sie auch ihr eingebrachtes Heiratsgut mit verpfändet.
Die folgenden Jahre sind für das Krämerehepaar ein einziger Balanceakt zwischen Schulden und Verfahren.
Hier ein paar Beispiele (StA Kötzting AA XII 83)
 1791: Die Gebrüder Blasi und Leonhard Duß aus Deggendorf fordern die an ihren Vater geschuldeten 400 fl und Zinsen von Franz Anton Schneider für gelieferte Ware. Schneider erkennt die Schuld an. Hat aber noch mehr Schulden an andere Lieferanten. Er will nun das Anwesen verkaufen, ohne aber die Fragnerei und Behausung aufzugeben. Nun bittet er um eine Fristverlängerung von einem Jahr. 
Aug 1792: Termin für  Schneider, er hatte ½  Jahr zur Begleichung. Nach 5 Monaten Protest der Duß Brüder. Schneider tischt ein Märchen auf. Nach Recherche ist das Haus sehr baufällig, er hat nur ein paar Äckerl und 3000fl Schulden. 
7. April 1794 er wird erneut vorgeladen. 
Okt 1796 Die Duß haben immer noch kein Geld. 
14. Jan 1797 noch keine Lösung, aber hier endet der Schuldenakt beim Magistrat
StA Kötzting AA XII 84


XII 84
1791: Johann Gottlieb Allkofer, Handelsmann in Regensburg gegen Franz Anton Schneider Kramhändler und Marktlehner zu Kötzting wegen  198 fl 14 kr Schulden.  
Der gleiche Vorgang wie bei den Duß'schen Brüdern. Schneider bringt es fertig, sich immer wieder herauszuwinden. 
1794: keine Einigung. Schneider werden 18 Reichstaler Strafe angedroht, aber Schneider nimmt vom Marktdiener die Briefe nicht entgegen und entgegnet: "Der letzte liegt noch ungeöffnet da". Allkofer beschwert sich über die Untätigkeit des Marktes: "Sie seien genau so untätig wie Schneider". 
Erneut Ende des Aktes, ohne dass eine Lösung erkennbar wäre.
Die Vorwürfe an den Magistrat kommen aber auch von der Regierung, für Anton Schneider kommt es knüppeldick, aber er schafft es offensichtlich immer wieder. 

StA Kötzting AA XI 3
1791 Der Marktlehner, Kramer und Fragner Franz Anton Schneider will sein Anwesen verkaufen, um seine Schulden zu bezahlen. Den Laden allerdings will er behalten und spricht von 2900 fl Schulden. Von München kommt eine Bewilligung zu einem Verkauf des Ganzen, aber auf Lebenszeit bleibt an Schneider das Kram- und Fragnerrecht verpachtet. 
1794 wird vom Magistrat eine Frist von 3 Monaten gesetzt, um das Anwesen zu verkaufen, ansonsten wird es "ex officio"  verkauft. (Schneider war zugleich Drittschreiber im Magistrat und bekommt gutes Zeugnis ausgestellt.) Die Mutter von Anton Schneider erhebt alleine eine Forderung über 1906 fl. Nun kommt es zu einem vehementen Briefwechsel zwischen Mutter und Sohn.
1797 ist kein Ende abzusehen und erneut schließt der Akt.

Ich habe in den Briefprotokollen ein Schreiben mit Unterschrift des Franz Anton Schneider gefunden, welche mir aber für einen Kramhändler eigentlich viel zu schön und professionell erschien, um ein Original zu sein. Ich habe eher eine beglaubigte Abschrift dahinter vermutet. Nun taucht hier aber ein Detail auf, das es dann doch wahrscheinlich macht, dass die Unterschrift von Franz Anton Schneider selber stammt. Die Handschrift sticht aus den sie umgebenden Urkunden heraus und ist Teil eines eingehefteten Bittbriefes. Da er aber nachweislich "Drittschreiber" beim Markt gewesen war, war er nicht nur des Schreibens mächtig, sondern eben auch entsprechend geübt.
StA Landshut Briefprotokoll Markt Kötzting P 51 von 1789
"Underthennig gehorsammer Franz Anton Schneider"

StA Kötzting AA XII 46:
Ein neuer Schuldenakt über die Deggendorfer Schulden wird aufgemacht und zuerst festgehalten, dass Franz Anton Schneider den Gebrüdern Duß aus Deggendorf immer noch 400 fl nebst Zinsen für gelieferte Ware schulde. 
1801(!) ist immer noch keine Entscheidung gefallen seit der Aufstellung der Schulden aus dem Jahre 1794. 
Im Jahre 1799, es ist die Zeit der Napoleonischen Kriege, wurden in Kötzting die einzuquartierenden fremden Soldaten einfach auf die Häuser aufgeteilt.
StA Kötzting AA I-13 Anton Schneider mit einem Mann gelegt, sein Nachbar Josef Rabl mit 2 Mann



Im Januar 1802 erfolgt ein Verkauf an Georg  Hofmann, einen bürgerlichen Häusler und Schneidermeister, um 1625 fl für das halbe Anwesen, Stadl, Stallung und alle dazugehörigen Feld und Wiesgründe. 
Den Laden und die Fragnerei wollen die Verkäufer behalten. Das Geld reicht aber nicht aus, um die Schulden zu tilgen.
Am 10. Mai 1802, im Alter von gerade mal 54 Jahren verstirbt der Bürger Anton Schneider, leicht hatte er es nicht in den letzten Lebensjahren.



Einschub
Auch die beiden Brüder, Josef (Hausnummer 46) und Michael (Hausnummer 12, der Ecklshof), leben in finanziell prekären Verhältnissen und so verlieren schlussendlich beide ihre Anwesen. Nur ihrer Schwester Magdalena, die den Krämer Paul Groß aus Liebenstein geheiratet hatte, geht es finanziell ausgezeichnet. Die Tochter aus dieser Verbindung wird später Joseph Decker heiraten dessen Familie dann drei/vier Generationen in Kötzting eine führende Rolle spielen wird. 
Einschub Ende  


Doch zunächst zu den Details der Abspaltung eines Teils des Hauses.
Am 13. Hornung 1802 verkaufen Franz Anton und Rosina Schneider, in Anwesenheit von "drei Erben und Nachkommen", "die Hälfte von der eben mittls Kauf des Dato 9. aug 1788 an Sie gebrachte bürgerliche Marktlehensbehausung, dan dem Stadl, Stahlung und sammentliche darzue gehörige Feld, und Wiesgründen, benebst den Gruber Acker und kleine Wiesl" um 1675 Gulden an den bürgerlichen Häusler und Schneidermeister Georg Hofmann und Anna Maria, dessen Ehefrau. 


Die kurze Zeit der Auftrennung:



Georg Hofmann und Anna Maria

Weiterhin mitverkauft werden noch die landwirtschaftlichen Geräte, 12 Bierfässer, diverse Mist- und Heugabeln, 2 Winterfenster und 1 Lehnstuhl. Die Wohnung, in der die Verkäufer zum Zeitpunkt des Verkaufes wohnten, samt dem Kammerl, dem Boden und der auf dem Marktlehen ruhende Kram- und Fragnereigerechtigkeit sollten ein den Verkäufern vorbehaltenes Eigentum bleiben. 
Im Stall solle den Verkäufern Platz zur Haltung einer Kuh bzw. eines Pferdes überlassen bleiben und auf dem Stadel dann ein entsprechender Platz zur Unterbringung des Tierfutters. Desgleichen im Stadel ausreichend Platz zur Lagerung des Brennholzes.
Anscheinend sind auch zwei Keller vorhanden. Den "herausseren Keller" beanspruchen die Verkäufer "als Eigentum für alle Zeit", während "jener der unter Ihres Hausantheils hinein gehet und verschlossen werden kann, ihr (der Käufer) eigen sein solle."
Die Schneiderischen Eheleute hätten die Pflicht, die notwendigen Reparaturen an ihrem Hausteil auf eigene Kosten vorzunehmen, jedoch dürfe keiner dem jeweils anderen durch die Erhöhung seines Hausanteils einen Schaden zufügen.
Sollte die Lage des Ladens dem Käufer nicht passen, so müsse er diesen auf seine Kosten dorthin umsetzen, wo jetzt die Haustüre sich befindet.
Am selben Tag verkauft Georg Hofmann sein "Häusl vor dem obern Tor" an den Rimbacher Inwohnerssohn Michael Mühlbauer um 950 Gulden. 


Nun wieder vereint:


Anton Adam und Rosina  

Im Januar 1802 wurde das Haus geteilt, im Mai verstarb dann Anton Schneider und gleich im neuen Jahr 1803 greifen die Vormünder der Kinder ein und fordern das ganze Haus zurück.
Sie benutzen dafür das sogenannte  "Einstandsrecht" der Schneiderkinder. Die Vormünder - u.a. Franz Paul Groß, der Onkel der Kinder und Schwager der Witwe - argumentieren, dass sich wegen des schnellen Todes des Verkäufers, Anton Schneider, die "Umstände wesentlich geändert hätten", weshalb sie es für "notwendig hielten, das ganze Vermögen wiederum zusammen zubringen", und möchten "sohin von dem gesätzlichen Einstandsrecht Gebrauch machen".
Der Käufer ist hier machtlos und hat kein Gegenargument. Im Gegenteil, er erklärt sich bereit "sofort in Zeit 4 Wochen von dem häuslichen Anwesen abzuziehen". Weiters erwarte er aber die sofortige Barbezahlung der bereits geleisteten Kaufbeträge in Höhe von 1275 Gulden, die Erstattung der Gebühren, wie den Leikauf und die Kosten der Verbriefungen und die Rückerstattung seiner Auslagen für Bauarbeiten an seinem Hausanteil.

Einschub
Der Leikauf ist eine Art von Drangeld in Prozent des Kaufpreises, dessen Bezahlung erst den Handel rechtsgültig macht. Üblicherweise ist damit auch ein gemeinsames Mahl verbunden.
Einschubende


Anschließend wird ein Erbvertrag abgeschlossen, in dem die Kinder einzeln aufgeführt sind:
StA Landshut Briefprotokoll Markt Kötzting P 65 von 1803

Die Nutznießer des väterlichen Erbes: 
Joseph, 24 Jahre ein Badergeselle
Johann Nepomuk, 23 Jahre alt, Schreiber beim Klosteramt Seligenthal 
und die drei Mädchen 
Rosina, 21
Ursula, 18
Barbara, 17 Jahre alt.
Die Vormünder taxieren den Wert des gesamten Anwesens auf 3100 Gulden.
Anschließend summieren sie auf drei Seiten die Verbindlichkeiten auf, von denen die höchste natürlich die Rückzahlung an Georg Hofmann und seine Frau darstellt.
Es sind Schulden über Schulden, bekannte, wie die ganzen Hypotheken, aber auch neue, die aus der Beerdigung des Anton herrühren.
18 fl 44 xr hat der Wundarzt Georg Windorfer noch zu bekommen,
8 fl 30 xr noch die reinen Beerdigungskosten.
14 Gulden für den Schuhmacher, 5 Gulden an einen Bäcker für abgegebenes Korn. Allein 23 Gulden kostete die Vornahme der notwendigen Inventarisierung des Marktlehens.
Insgesamt listeten die Buchhalter eine Schuldensumme von 2632 Gulden auf - die 1625 Gulden von der Hausabteilung hätten also hinten und vorne nicht gereicht -, was ein zu verteilendes Erbe von gut 467 Gulden bedeutet, die auf die Witwe und die Kinder aufgeteilt werden konnten.
Dieses war aber nur eine einfache Rechnung, die noch nicht die Forderungen aus Deggendorf und Regensburg berücksichtigte (weil die Vorgänge noch nicht abgeschlossen waren), und auch die Brüder des Verstorbenen konnten möglicherweise noch versuchen, auf Vermögensreste zuzugreifen.
Aus diesem Grunde wird das Restvermögen solange "mit Arrest belegt", bis "ieden Orts vollständige Richtigkeitspflege hergestellt ist." Josef, mit dem Eintritt in den Kapuzinerorden, und Nepomuk mit seiner Ausbildung gelten in dieser Hinsicht bereits als abgefunden.
Alle zusammen übergeben des so hoch verschuldete Anwesen an die Tochter und Schwester Rosina Schneider, die anschließend - auch im Januar 1803 - den Warzenrieder Anton Adam heiratet. 800 Gulden brachte der "Wirts- und Landkramersohn" als Mitgift mit und erhält auch noch im selben Jahr das Kötztinger Bürgerrecht
Die Mutter, auch Rosina, wird genauso alt wie ihr verstorbener Mann und verstirbt am 21.2.1806, sie hat der Schlag getroffen.




Erneut wird das Haus aufgeteilt







Am 26.4.1808 starteten die Besitzer einen neuen Versuch, um das Haus aufzuteilen und den abgetrennten Teil zu verkaufen.
Der pensionierte Kavallerieleutnant Christoph Apfelbäck sollte "von ihrer ludeigenen burgers Behausung auf dem Marktplatz (die ganze Marktstraße wurde damals gerne als Marktplatz bezeichnet) entlegen, das herunter zur ebenen Erd befindliche Zimmerl und Seitenkämmerl als dessen künftig wahres Eigenthum" erwerben können. 230 Gulden solle der Käufer dafür bezahlen.
Für die Hauptmauer und die Zimmerdecke resp. den Fußboden solle der Verkäufer für alle Zeiten die Reparaturlast tragen. Sollte der Käufer diese Wohnung weiterverkaufen wollen, so hätte der Verkäufer darüber das Einstandsrecht.
Am selben Tag quittieren die beiden - Anton und Rosina Adam - der Maria Anna Greiner, dass diese ihnen 98 Gulden geliehen habe, die sie zum Ankauf des Pfarrhofackergrundes im Groith benötigt hatten. (Siehe anschließend im Urkataster)






Nun erneut vereint

Auch diese "Zertrümmerung" hatte keinen Bestand, denn drei Jahre später ist erneut Anton Adam der alleinige Besitzer.
1811 wurde der Urkataster erstellt und dort finden wir unter der Hausnummer 27 (die Veitskirche und die Fleischbank hatten damals noch keine eigenen Hausnummern, weshalb die Liste um -2- verschoben ist)
Anton Adam: das gemauerte Haus mit Stall und Stadel
Nutzantheil an den noch unvertheilten Gemeindegründen



Das Ackerl bei dem Dampfbach:
Dominikal(=Herrschafts)verhältnisse: 
a: gerichtsbar zum K. Landgericht Kötzting
b: ludeigen (=frei verkäuflich)
c: Getreidezehend 2/3 zum k. Rentamt 1/3 zur Pfarrkirche Kötzting, grüner Zehent frei.

Weiters waren in dem Anwesen nur noch Anteile von unverteilten Gemeindegründen am Galgenberg (=Ludwigsberg)  und vom Strohhof in Grub.
Offensichtlich konnte sich Anton Adam mit Erfolg auch an den Versteigerungen der Kloster Rottischen Grundstücke beteiligen, weil er auch einen "Kroitlacker" besaß. Der Kroit ist im weitesten Sinne der heutige Schinderbuckel. Das Kapital dazu hatte er sich ja  -  siehe oben - ausgeliehen
Auch Anton Adam und seiner Frau blieb nichts anderes übrig, als sich immer wieder und immer weiter zu verschulden. Den größten Betrag erhielten die beiden vom Onkel der Braut, Paul Groß, der ihnen gleich 600 Gulden lieh.

Anton Adam und Walburga


Am 15.5.1816 starb im Alter von 36 Jahren Rosina Adam und ein halbes Jahr danach heiratete der Witwer Walburga Müller aus Kötzting. Am 7.12.1829 verstarb dann der Bürger Anton Adam mit 56 Jahren an der Lungensucht.
Im Umschreibeheft des Urkatasters findet sich dann folgender Verkauf:
StA Landshut RA Kötzting B 28 Umschreibeheft

"Den 18. August 1830 hat Walburga Adam verwitwete Bürgerin in Kötzting, dessen Bürgersbehausung mit Stall und Stadel und den Nutzantheil an den noch unvertheilten Gemeindegründen, nebst nachfolgenden walzenden Grundstücken, an Joseph Hofbauer, Schullehrer in Grafenwiesen um 3200 fl verkauft, sonst ohne weitere Veränderung."
Es folgen die bekannten Grundstücke.

Josef Hofbauer 

In den Kötztinger Pfarrmatrikeln findet sich die Ehe des Joseph Hofbauer, Lehrer in und aus  Grafenwiesen, mit der Wensauer Katharina aus Voggendorf vom 10.1.1826.
StA Landshut RA Kötzting B 28 Umschreibeheft



Es geht munter weiter mit dem Kaufen und Weiterverkaufen.
StA Landshut RA Kötzting B 28 Umschreibeheft
den 21. Februar 1839 verkauft Joseph Hofbauer Bürger von Kötzting seine ludeigenen Realitäten zu Kötzting an Joseph Malterer von Roding um 3200 Gulden.

Josef Malterer 

Am selben Tag noch verkaufte Joseph Malterer das Anwesen weiter und erzielte dabei einen Gewinn von 300 Gulden.
StA Landshut RA Kötzting B 28 Umschreibeheft
Eodem verkaufte Joseph Malterer von Roding resp. Kötzting die vorbezeichneten oben käuflich erworbenen ludeigenen Realitäten an Johann Stoiber, Bürger in Kötzting um 3500 ohne sonstige Veränderung.
Vermutlich um diesen Kauf überhaupt machen zu können, benötigte Josef Malterer zu der Zeit noch das Kötztinger Bürgerrecht und bezahlte dafür fast 34 Gulden. 

Johann Stoiber

StA Landshut RA Kötzting B 28 Umschreibeheft
Und munter geht es weiter mit dem Kaufen und Verkaufen: Am 17.8.1839 kommt der nächste Besitzerwechsel. Johann Stoiber verkauft  an Josef Juli aus Bogen um 3500 Gulden. Er hat bei dem Deal also keinen Gewinn gemacht.
Am Rande ist mit Blei vermerkt (allerdings ohne Datumsangabe): Braurecht zu Hausnummer 51 gezogen. Berücksichtigt man die mögliche Verschiebung der Hausnummern, dann würde es/könnte es die spätere Hausnummer 53 bedeuten.

Max Josef Juli


StA Landshut  Grundsteuerkataster 5037 
Hausnummer 29 in Kötzting (ab jetzt stimmt die Nummerierung und bleibt gleich bis 1951)
Max Joseph Juli Krämer und Fragner
Von Max Josef Juli haben wir nur einen kleinen Vorgang im Archiv. Es handelt sich um eine Vergleichsverhandlung mit seinem Nachbarn Josef Decker. (StA Kötzting AA IV - 31a)
Josef Degger Handelsmann von Kötzting wollte seinen Nachbarn Josef Juli, auch Handelsmann von Kötzting aus der Ursache klagen, weil Letzterer sein Haus baut und Fenster gegen Deggers Seite hin errichtet, wodurch Ersterer bei einem allenfalls künftighin vorzunehmenden Höherbau seines Gebäudes und Scheune durch Juli gehindert werden könnte. Juli aber, um mit Degger sich nicht zu zerfallen, erklärt, daß er sowohl für sich als seinen  künftigen Besitznachfolgern sich gefallen läßt, wenn Degger mit seinem Gebäude einen Höherbau beabsichtigt und derselbe ihm die Lichter in seinem, Julis Haus, die Fenster verbaut. 
Im Jahre 1842 ließ das königliche Rentamt einen "Mieterkataster" erstellen, wodurch wir einen guten Überblick darüber erhalten, wie die Wohnsituation in den Kötztinger Häusern gewesen war.



Die Bewohner des Hauses:

1. Josef Max Juli Handelsmann Hauseigenthümer: 
unter der Erde: 2 Keller
II. Etage 1 Wohnzimmer, 1 Kochzimmer, 1 Küche, 1 Laden, 1 Ladenzimmer und 1 Gewölbe.
III. Etage 1 Wohnzimmer und Boden unterm Dach
Unterschrift Juli

2. Friedrich Adlmannseder k. Landgerichtsassessor /: Mieter:/ Unterschrift Adlmannseder
III. Etage 3 Wohnzimmer, 1 Magdkammer und 1 Küche und Anteil am Boden

3, Josef Max Juli  Nebengebäude
Eine Scheune, als Holzlager benutzt, Stall, Waschhaus


4. Walburga Adam Austräglerin /: Mieterin:/  
I. Etage  1 Wohnzimmer und 1 Kammer
Unterschrift Walburga Adam

Die Angaben verbürgt Kötzting den 21.Jänuar 1842: July
In den Katasterbänden ist Juli von 1839 bis 1842 belegt.


Bild Sammlung Dittrich: DIA Repro 1142
Auch wenn das Bild aus der Zeit stammt, in der der Besitzer Heinrich Ring gewesen war, so kann man doch anhand der obigen Beschreibung die einzelnen Stockwerke erkennen. Die Etage I war also der Bereich, der hier durch das Gärtchen verdeckt ist und wo die Frau Adam wohnte. In der Etage II sind es vor allem das Ladengeschäft und die Basiswohnung der Besitzer und die Ebene III war teilweise vermietet.







Schrank Michael

Am 31.12. 1842 erwarb - lt. Grundsteuerkataster - Michael Schrank das Anwesen von Josef July für 8800 Gulden. 
Lt. Umschreibeheft des Grundsteuerkatasters hat Michael Schrank am 23.7.1858 das Marktlehen  um 9600 Gulden an Heinrich Ring von Sattelpeilstein verkauft.

Heinrich Ring

StA Landshut Grundsteuerkataster 5047

"Heinrich Ring: das Haus mit realen Krämer= und Fragnergerechtigkeit
Wohnhaus dann Stall und Stadl unter einem dache, Gärtl und Hofraum.
Nach Anmeldprotokoll N 342 und Brief vom 23ten Juli 1858 von Michael Schrank um 9600 fl erkauft."


Bild Sammlung Dittrich: die Ringfamilie




Sammlung Dittrich: Männergesangverein 1890  ca. 1890,mittlere Reihe 1.v.links Heinrich Ring, Mitte Joh.B.Hubrich, 1. Reihe links Josef Hubrich,2. Reihe rechts über Kaplan Hans Hubrich  

Lt. Umschreibeheft des Grundsteuerkatasters hat Michael Schrank am 23.7.1858 das Marktlehen  um 9600 Gulden an Heinrich Ring von Sattelpeilstein verkauft.
Am 12.9.1861 erhält der Hausbesitzer Heinrich Ring vom Magistrat die Erlaubnis zur Heirat der Maria Lengfelder aus Frontenhausen. Einen Monat später, am 8.10.1861, heiratet er dann die Frontenhausener Kupferschmiedtochter Maria Lengfelder. Sein eigener Vater, Nikolaus Ring, war Landarzt in Sattelpeilstein. Seine Mutter ist als Anna Maria Schaffner aus Kötzting angegeben. 
Das Kötztinger Bürgerrecht hatte Heinrich Ring bereits im Jahre 1839 durch eine Zahlung von fast 33 Gulden erworben. 
Bild Sammlung Dittrich: Maria Ring, vermutlich mit
ihrer Mutter Maria, geb.  Lengfelder








Mit Heinrich Ring kehrt nun wieder Ruhe ein in die fast hektisch anmutenden Besitzwechsel.
Zwischen 1862 und 1877 bekommt das Paar 9 Kinder, von denen Anna, geboren 1869, im Jahre 1891 den Nachbarssohn Franz Liebl heiraten wird und damit die Mutter von Frau Paula Dittrich.
So ganz sicher war sich Heinrich Ring aber nicht mit seiner Zukunft in Kötzting, denn im Jahre 1863 schreibt er an den Magistrat Kötztings, er habe sich in Sattelpeilnstein ein Haus gekauft und dort um eine Krämerkonzession eingegeben. Er möchte aber weiterhin in Kötzting sein Heimatrecht behalten.
Sein Antrag wurde genehmigt. AA II/91
Zweimal taucht sein Name in einer Liste von Baugenehmigungen (leider keine Bauakten) auf, 1861 und 1866.



Das Kötztinger Heimatrecht, das er, wie oben angemerkt, behalten wollte, wurde im Markt in eigenen Familienbögen festgehalten.



StA Kötzting 0024 Familienbögen Buchstabe R


Wie man erkennen kann, haben nicht alle der 9 Kinder das Erwachsenenalter erreicht.
Nur noch vier Kinder sind hier im Familienbogen aufgeführt: Der Sohn Franz war nach Amerika ausgewandert, Anna hatte Franz Liebl geheiratet, Maria war wohl die typische "unverheiratete Tante" im Haushalt Ring und Max war ein Lehrer in Böbrach geworden.
Bild Sammlung Dittrich


Die Ring-Kinder:


Bild Sammlung Dittrich:
Bild Sammlung Dittrich:




















Bild Sammlung Dittrich: Maria Ring







Bild Sammlung Dittrich: Franz der Auswanderer


Bild Sammlung Dittrich: Anna mit ihrem Bruder Max, der Lehrer geworden war.


Bild Sammlung Dittrich: Anna Ring, später verheiratete Liebl

Arbeitskreis Heimatforschung DIA-Repro 151
Dame links mit Hut: Anna Ring, das Kind links mit dem Rüschchenkleid
Anna Ring, später verheiratete Liebl und die Großmutter von Frau Paula Dittrich 




Was auffällt bei den Geburtseinträgen der Kinder, ist eine der Taufpatinnen, eine Josepha Ring aus Gundelfingen und Landarzttochter. Sie ist fast bei allen Kindern die einzige oder eine der beiden Taufpaten. 
Josepha Ring war eine Cousine des Heinrich und wohnte offensichtlich - wie es in vielen anderen Familien der Fall war -, als eine der unverheirateten "Tanten" im Haushalt Heinrich Rings in Kötzting.

Die Tante Josepha

StA Landshut Rep 166N-12 Schachtel 29 Nr. 57 Ring Josepha

Josepha Ring
72 Jahre
Privatiere
ledig
+ 15.Mai 1886 vormittags 6 Uhr
Kötzting Hausnummer 29
ständiger Wohnort: Kötzting

Die Verlebte hat beim hiesigen Notar ein Testament errichtet.
Vermögen soll die Verlebte nicht hinterlassen haben, ausgenommen Mobilien

 
Ihre Geschwister waren die beiden verheirateten Schwestern Emilie Bock und Elise Link, beide in Gundelfingen. 
Vor dem Kötztinger Amtsrichter Lehner nimmt Heinrich Ring dann am 19. Mai unter anderem Stellung zu den einzelnen Punkten im der Todesanzeige des Magistrats.
Hier zuerst seine Unterschrift:
H. Ring Kf.(aufmann)




StA Landshut Rep 166N-12 Schachtel 29 Nr. 57 Ring Josepha

Es geht um die Vermögensfrage:
Derselbe (Heinrich Ring) gibt auf Befragen an, die Verlebte hat Baargeld nicht mehr hinterlassen, dieselbe hat nach und nach ihr Vermögen zur Bestreitung ihrer Lebsucht verbraucht und hat nicht unbedeutende Geldbeträge, welche sie an ihre Geschwisterte oder an andere Bekannte hingeliehen hatte verbären (?) müssen.
Sie war immer leidend, musste deshalb öfter Bäder besuchen, wodurch ihr ganzes Baarvermögen aufgezehrt wurde...
Bei einem neuen Termin wurde dann das Testament der Verstorbenen eröffnet.
Ich Josepha Ring ledig, Tochter des verstorbenen Landarztes Georg Ring von Gundelfingen in Schwaben nun in Kötzting lebend (bei meinem Vetter Heinrich Ring) 70 Jahre alt, katholisch und kinderlos, mache bei meinem vollen Verstande....

Joseph Ring erklärt ihren Vetter zum Universalerben und legt noch zusätzlich fest.




" An meinen Neffen Herrn Eduard Mayr, z.Z. Oberbahnamts-Sekretär in Rosenheim (dem Freunde und Wohlthäter der Ringischen Familie, welchem ich aus Dankbarkeit Nachstehendes vermache...

Es folgen Wäsche, Kleider, aber auch "sämtliche Bilder und Bücher"


"Die in meinem Besitze befindliche Stockuhr (Repetieruhr), und das in meinem Zimmer stehende Sofa gehören meinem Vetter Max Ring, z. Zeit Hilfslehrer in Obernzell.
Diese meine letzwillige Verfügung hinterlege ich heute bei kgl Notariate in Kötzting.
Kötzting, am 11. September 1884
Josepha Ring"


Pfingsten im Hause Ring:


Zwei Töchter Heinrich Rings wurden in Kötzting zur Pfingstbraut erwählt. 1888 war Anna Ring die Pfingstbraut des Bürgersohns Anton Lukas gewesen.

Aus der gedruckten Liste der Pfingstbrautpaare von Peter Riederer 1912


Sammlung Dittrich DIA Repro 988
Anna Ring als Pfingstbraut



Aus der gedruckten Liste der Pfingstbrautpaare von Peter Riederer 1912





Pfingstbrautpaar 1891 Franz Liebl und Marie Ring DIA Repro 2707





Pfingstkranzl von 1891 - Liebl Franz




DIA Repro 1142. Hier noch einmal das oben bereits einmal angeführte Bild.
Deutlich zu erkennen der Marktbrunnen. Das Bild müsste vor 1904 aufgenommen worden sein, weil dieser Marktbrunnen nach der Anlage der Druckwasserleitung nicht mehr errichtet worden ist.
Vielleicht, es ist zumindest eine Möglichkeit, sind die hier sichtbaren 4 Eck"säulen" des Brunnens in den oben neu errichteten großen Marktbrunnen eingearbeitet worden, es besteht eine große Ähnlichkeit.
Deutlich zu erkennen ist auch der rechte der beiden Bäume, die Robinie - volkstümlich die Akazie -. Der obere Baum scheint eine Kastanie gewesen zu sein.  Die Robinie ist im Laufe des 20. Jahrhunderts mehrmals bis auf den Boden zurückgeschnitten worden und hat sich immer wieder zu seiner vollen Höhe aufgerappelt. In einigen Bildern ist die Größe dieses Baumes sogar eine Möglichkeit, das Alter einer Aufnahme einzuordnen.


Heinrich Ring starb am 20. Februar 1901, seine Frau Maria erst am 7.9.1918.








Auf einer Aufnahme des Nachbarhauses - Bankhaus Liebl und damit das Anwesen seiner Tochter - kann man erkennen, dass dort ein Laden für Konfektionswaren entstanden ist und über der Ladentür steht - nur undeutlich aber eindeutig zu erkennen -: "Handlung von Heinrich Ring". Nachdem der Marktbrunnen, siehe obiges Bild, bereits rückgebaut war, kann das Bild erst nach 1904 gemacht worden sein. Berücksichtigt man die farbig verzierten Fahnenständer, so vermute ich einen Zusammenhang mit dem Jubelpfingstrittsjahr von 1912.
Arbeitskreis Heimatforschung DIA-Repro 1152
Bankhaus Liebl mit Handlung Heinrich Ring

Er betrieb offensichtlich im Rahmen seiner Krämers- und Fragnersgerechtigkeit mehrere Verkaufsstellen, und im Jahre 1871 ist er sogar mit "Pulverhandel" im Kötztinger Gewerberegister eingetragen.
StA Kötzting AA X 22 vom 16.3.1871: "Pulverhandel als Nebenartikel zur Spezerihandlung"








Kötztinger Anzeiger vom Februar 1901
Sammlung Silberbauer

Trauerrede für Herrn Heinrich Ring Sammlung Silberbauer













Im Staatsarchiv in München gibt es einen Bestand an Nachlassakten, in diesem auch den des Kaufmanns Heinrich Ring.
StA Landshut Rep 166N-12 Schachtel 42 Nr. 6 Ring Heinrich Hanr 132 von 1901

Offensichtlich wohnte die Familie Ring im Jahre 1901 gar nicht in dem Hause, in dem sie den Laden betrieb, sondern gegenüber im Hause Liebl (Hausnummer 132)

Abgabe Dittrich DIA Repro 1151 Die Hausnummer 132. Rechts der Garten mit der Parterrewohnung.
Deutlich sichtbar, der Brunnen wurde entfernt.


In diesen Bild passt gut, dass bei Einquartierung von Soldaten für ein Manöver im Jahre 1900 als der Bewohner dieses Hauses der Weinhändler Rothmaier angegeben war.




Im Stadtarchiv haben wir eine Quartierliste dieses Manövers.
StA Kötzting 060-11 Tabellenkopf


Heinrich Rothmaier, Weinhändler, musste einen Feldwebel und 3 Mannschaftsdienstgrade beherbergen
Es wohnte noch ein anderer Mieter im Hause, der Aufschläger (Steuerbeamte) Witt und bei diesem wohnte auf Zeit 1 Offizier und 1 Soldat in der ersten und auch in der zweiten Manöverwoche.
l







Nun mahlten die Mühlen der Behörden. Der Ehevertrag von 1860/61 wurde angefordert und ausgewertet und die betreffenden Erben - mit Ausnahme des Sohnes Franz - zur Vertragseröffnung eingeladen.


Dies Vertragseröffnung geschah am 21. März, also gut 4 Wochen nach dem Todesfall und dort erklärten die Erschienenen, dass von den 9 Kindern des Paares bereits 5 im frühen Kindesalter verstorben waren und dass sie mit den Bestimmungen des Ehevertrages einverstanden wären.


Dem Akt liegt auch die Anschrift des Kaufmannes Franz Ring in Milwaukee, Wisconsin in den USA bei.


Das Anwesen ging nun zuerst 1901 an die Witwe und 1918, nach dem Tode der Witwe Maria Ring, an die Tochter Maria über.

Die Witwe Maria Ring

DIA Repro 148 Sammlung Dittrich
Frau Maria Ring, geborene Lengfelder, als junge Frau



DIA Repro 127 Maria Ring, die Großmutter von Frau Pauls Dittrich.  Bild Sammlung Dittrich 

Die Grablege der Familie Ring auf dem Alten Friedhof.


Bild Frau Rabl-Dachs

Bild Frau Rabl-Dachs


Bild Frau Rabl-Dachs






Ein öffentlicher Leseraum im Hause Ring:

Aus dem Jahre 1911 kennen wir einen Bericht über die Eröffnung eines öffentlichen Leseraumes im Hause des Kaufmanns Ring vom Kötztinger Waldverein mit Unterstützung des Verschönerungsvereins und von Seiten privater Geldgeber.  Ausdrücklich hervorgehoben wird die Notwendigkeit dieser Einrichtung, um den Ansprüchen der Sommerfrischler entgegenzukommen. Ab dem 15. Juli war dieser öffentliche Leseraum mit seinen 38 regionalen und überregionalen Zeitungen kostenlos für alle Besucher geöffnet. Mit dem Ende der sommerlichen Fremdenverkehrssaison wurde dieses Angebot zum 30. September dann wieder geschlossen.

 

Auswahl der aufliegenden Zeitungen  KA von 1911


 
Aus Kostengründen wurde das Angebot Mitte September eingestellt. Nach dem großen Zuspruch, den der Lesesaal erfahren hatte, kam es dann doch zu einer Verlängerung. Von 20 Verlagen konnten Freiexemplare bezogen werden, welche ab dem Zeitpunkt der Lesehallenschließung im Hotel zur Post im Nebenzimmer eingesehen werden konnten. 
Anfang September 1918 war Frau Maria Ring, geborene Lengfelder, verstorben und anlässlich ihrer Beerdigung ließ die Familie die Leichenpredigt des Kötztinger Pfarrers drucken.

Bild Sammlung Dittrich:


Bild Sammlung Dittrich:


Bild Sammlung Dittrich:


Bild Sammlung Dittrich:

StA Landshut Rep 166N-16 Nachlasssachen Schachtel 62 von 1918


Kopf des Testaments der Maria Ring sen.

die zittrige Unterschrift von Maria Ring und den beiden Zeugen Simon Hahn und Johann Pfeffer, den beiden Nachbarn unter dem Testament.

Unterschriften unter dem Protokoll der Nachlassverhandlungen der beiden erbenden Schwestern Anna Liebl und Maria Ring, die vor Ort waren.. 

LIste der weiteren Erben


Maria Ring, die Tochter

Für Frau Paula Dittrich, die Erstellerin des Albums, war Frau Marie Ring eine Tante, daher die Beschriftung "Tante Marie". Bild Sammlung Dittrich:

Bild Sammlung Dittrich: möglicherweise Fasching(?)

In einer Kurzgeschichte über die Bräuche in der Vorweihnachtszeit beschrieb Frau Paula Dittrich die verschiedenen "Rollen", die ihre Tante Marie dann spielen musste/konnte/durfte.
Ausschnitt aus: "Kinder, Nachbarn und andere Leut" von Frau Paula Dittrich







Bild Sammlung Dittrich: Das kleine Mädchen ist die spätere
Frau Paula Dittrich. Bildunterschrift: "bei Tante Marie im Sommerhäusl"


Bild Sammlung Dittrich:: Tante Marie und Marie und Russl



 

Kötztinger Anzeiger von 1921: 
Mittlerweile ist die Tochter Maria Ring die Besitzerin des H. Ring Kolonialwarengeschäftes.

Frau Paula Dittrich, eine geborene Liebl, hat in ihrem Buch "Kinder, Nachbarn und andere Leut" dem Geburtshaus ihrer Mutter ein Denkmal gesetzt.
Das Bild, das ich hier bereits zwei Mal zur Erläuterung einiger Details angeführt habe, stammt aus ihrem Besitz und ist auch in dem Bericht abgebildet.

Frau Dittrich schreibt von Promenadenmischungen, die immer im Hause Ring immer anzutreffen waren. Das ist eine  Familientradition, die sich tatsächlich auch in den Dokumenten nachweisen lässt. Es gab Ende im 19. Jahrhunderts - wegen der Bekämpfung der Hundetollwut - immer wieder Auflistungen der Kötztinger Hundebesitzer mit ihren Viecherln.
AA IX 76 von 1859: Ring Heinrichs Hunderl hieß damals "Bari" 


Diese Situation war der Anlass für Frau Paula Dittrich, ihre Erinnerungen an das "Ring-Haus" niederzuschreiben: Die Bagger rückten an, zuerst wurde noch das Haus ausgespart, doch wenige Jahre später wurde es in den Komplex des Kaufhauses Wanninger integriert.


Bild Pongratz von 1977, die Baugrube des späteren Kaufhauses Wanninger mit dem 
"abgestützten" Haus des Dr. Angerer

Die beiden zugemauerten Fenster, die man an der Giebelseite sehen kann, sind vermutlich diejenigen, um die die damaligen  Nachbarn Juli und Decker sich zu vergleichen hatten.

Die Drogerie Paul Lang:



DIA Repro 638 Stadt-Drogerie Paul Lang
Frau Paula Dittrich erwähnt in ihrer Erzählung die Umwandlung des Ring-Ladens
zur Kötztinger Stadt-Drogerie

In der "Kötztinger Zeitung" wirbt die Stadt-Drogerie Paul Lang in der Pfingstbeilage von 1930 
 mit einer großen Anzeige.

Durch die enge verwandtschaftliche und geschäftliche Verflechtung der Familie Ring mit der nachbarlichen Bankiersfamilie Liebl wurde auch das Handelshaus "Heinrich Ring" im Frühling 1935 in das Konkursverfahren des Bankiers Liebl hineingezogen.
Kötztinger Anzeiger vom April 1935




Das Doktor-Haus:



Weiter berichtete Frau Dittrich von einem Mieter Dr. Leibig, mit dem das Haus dann in ihren Worten zu einem Doktorhaus geworden war.



DIA Repro 1137: Männerturnriege von 1930 Sammlung Dittrich
 von links Zahnarzt Rudi Michl, Michl Bürgermeister, Ludolf  Leibold, Poidl Praller, Gustav Zeinz, Max Mühle, Dr. Leibig, Vorstand Schlosser Liebl, Ernst Zeuner, Weiß Hans, BZA Mann Thoma, Walter Seeländer ca. 1930
Dr Karl Leibig, der im Kötztinger Krankenhaus arbeitete und sich später seine Villa vom renommierten Dresdener Architekten Bernhard Weyrather  neben dem Krankenhaus errichten ließ, dürfte in etwa zum Jahreswechsel 1927/1928 in sein neu erbautes Haus eingezogen sein.

Ansicht des Hauses Dr. Leibig vom  (anthroposophisch verankerten) Dresdener Architekten Weyrather aus dem Jahre 1927
StA Landshut Rep 162-8 Schachtel 25 Nr. 3688



Dr. Albert Angerer

Seit 1936 besitzt der praktische Arzt Dr. Angerer das Haus. Im Jahre 1936 hat er auch einen Bauantrag eingereicht. In einer Würdigung in der Kötztinger Umschau anlässlich seines 60. Geburtstags steht, dass er bereits seit 1927 in Kötzting lebte.
Dies würde zeitlich sehr gut passen zum Wechsel von Dr. Leibig in seinen Neubau, womit das "Doktorhaus" an der Marktstraße punktgenau freigeworden wäre.
Auf einem Bild des Hauses mit einem Auto, das lt. Beschreibung Dr. Angerer gehörte, kann man noch die alte Ladenstruktur des Kramladens erkennen.


DIA Repro Nr. 150 



DIA Repro 1136 Sammlung Dittrich
Damenturnriege um 1930 Turnverein  ca. 1930 
1: Reihe v. li. Huber Mathilde, Dr. Thoma mit Frau, Angerer, Lina  Liebl, Kulzer, Staudinger, Gruber Zeuner Zenzl,?.,
2. Reihe v. links Pleier Gusti, Fr, Grall,  Hörauf Lina(Wolf), Berta Liebl, Sperl,  Bock, Gerhardinger, Mieleitner, Dinkelmayer, Leibig





Fünf Jahre später berichtete die Zeitung erneut über ihn, diesmal lag der Schwerpunkt mehr auf seinen anderen Interessen.
KU von 1963
Dr. Angerer ist auf dem Zeitungsbild in seiner typischen kurzen Lederhose aufgenommen, die er fast immer und überall trug,  übrigens auch stets bei allen ärztlichen Untersuchungen in seiner Praxis.
Auch der Kötztinger Journalist Alois Dachs bestätigte mir dieses Detail, er wusste dies sogar genauer als ich: "Zu Dr. Angerer noch folgende Hintergrund-Informationen: Er trug konsequent vom 1. April bis 1. Oktober die kurze Lederhose unter dem Arztkittel, von 1. Oktober bis 1. April war er dann stets mit Leder-Bundhose unterwegs"
Dr. Angerer berichtete in seinem Spruchkammerverfahren, dass beim Einmarsch der Amerikaner in seinem Hause dort die Kreisstelle des Roten Kreuzes gewesen war. Noch im Jahre 1946 findet sich im Amtsblatt des Landkreises Cham die kurze Notiz: "Bayerisches Rotes Kreuz neue Räume im Hause Dr Angerer Hindenburgstr 29". Man sprach - und schrieb - also 1946 von der Marktstraße noch als Hindenburgstraße.
Der Ermittlungsbericht in seinem Spruchkammerverfahren beschreibt bei seinen Vermögenswerten, dass das Haus im Oktober 1946 noch für "Zwecke der Militärregierung Kötzting beschlagnahmt" ist.
Noch aus dem Jahre 1952 gibt es im Stadtarchiv Mobiliarslisten, als die amerikanische Militärregierung begonnen hatte, sich aus der Fläche zurückzuziehen und viele vorher beschlagnahmte Möbel und Einrichtungsgegenstände daher wieder zurückgegeben werden konnten.

StA Kötzting, noch ohne Signatur, Rückgabeschein für Dr. Angerer 1952







Gratulation durch den Kötztinger Stadtpfarrer Dirscherl beim Ehepaar Angerer

Das Ehepaar Angerer zog sich ab 1969 auf ihr Landhaus in Liebenstein zurück. Dort, gleich neben dem Beginn des Forstweges, hatten sie ein Grundstück erworben, auf welchem die Reste der ehemaligen Burg von Liebenstein zu finden waren.
Von Alois Dachs gibt es zu seiner Person noch einen weiteren Zusatz, er war ein begeisterter Autofahrer und besaß einen der ersten Porsches in Kötzting, einen gelben Porsche 356 B.
Natürlich(!) gibt es im Stadtarchiv auch von diesem Fahrzeug ein Bild.
Arbeitskreis Heimatforschung Serwuschok 304. Links der Wagen von Dr. Angerer.

Serwuschok 303: vl. Herr Dr. Wolf von Lohberg mit Tochter(Cornelia), Fritz Hobrack, Frau Dr. Angerer


Pfingsten im Hause Angerer




Eine Tochter hatte das Ehepaar Dr. Angerer, Ilsegret Angerer, die im Jahre 1950 von Georg Krämer zur Pfingstbraut gewählt wurde. Von ihrem Brautzug haben wir einige der schönsten Pfingstbilder aus dieser Zeit im Archiv.



Bild Siegfried Ehemann Brautzug 1950
vl: Heinz Schötz - Ilsegret Angerer - Krämer Georg und Franz Oexler vor dem elterlichen
Haus in der Marktstraße


Vor dem Deckeranwesen in der Metzstraße

Eintrag ins Goldene Buch der Marktgemeinde Kötzting von 1950

Beim Digitalisieren der Kötztinger Zeitungen bin ich in der Novemberausgabe der Kötztinger Umschau von 1966 auf diese Todesanzeige gestoßen:
Todesanzeige Ende November 1966.
Ich wusste von meinen Eltern, in deren Freundeskreis Frau Ilsegret Angerer war solange sie in Kötzting lebte, dass sie früh an Leukämie gestorben war. Sie war mit 19 Jahren unsere Pfingstbraut im Jahre 1950.


 



Im Jahre 1969 endete die Ära Angerer auf dem Hause. Frau Dr. Ziegler, die bereits einige Male in Kötzting gewesen war, unter anderem auch im Krankenhaus, wo sie einen ersten Kontakt mit Dr. Angerer bekommen hatte, ließ sich Jahre später, als er sich zurückziehen wollte, überreden, die Praxis zu übernehmen.
Frau Dr. Zita Ziegler   Bild Frau Dr. Lerche


Nach einem längeren Aufenthalt in Südafrika und Berlin, war nun Kötzting zu ihrer Heimat geworden.
Als, nach der regelrechten Umzingelung des kleinen Hauses durch den Wanninger-Komplex, sich andeutete, dass die Tage des "Doktor-Hauses" gezählt waren, kam in Person von Frau Dr. Lerche - zuerst als angestellte Ärztin und dann als Partnerin in der Praxis - dann im Jahre 1985 die Nachfolgerin nach Kötzting.
Zu Jahresende 1985  bezogen die Dres. Ziegler und Lerche die neuen Räume in der Metzstraße, die Herr Adamek sen. nach ihren Wünschen errichtet hatte, und dann rückten die Bagger an und das "Ring-Haus war Geschichte.



Das "Ring-Angerer-Haus" auf alten Bildern mit dem Auf und Ab der Baumbepflanzung:


Das  "Angerer"-Haus, an einer markanten Stelle, taucht natürlich häufig bei Aufnahmen unseres Pfingstrittes als  Hintergrund auf.
Hier nun in lockerer Folge einige Bilder des Hauses: Man beachte die vollkommen unterschiedlichen Höhen der Robinie.

DIA Repro 887 ungefähr aus dem Jahre 1925, der Baum ist annähernd so hoch wie
1950 wieder.





DIA Repro 1373 Bild ca. von 1936, Renovierung des Hauses und Kahlschlag des Baumes


Bild Barth Josef sen. Haus ca. 1939





Bild Josef Bock, Ziergarten mittendrin im Markt Kötzting


Nun ein Jahr später wird es bereits wieder ein kräftiger Busch





Bild Barth Josef sen. ca. 1949

Bild Stauber Magda ca. 1956 Standmarkt


Serwuschok Ilfordbüchsensammlung Film 1 von Anfang der 60er Jahre

Aus dem Oktober 1971 haben wir noch ein Bild, das uns den "Angerer-Garten" zeigt. Da das Bild für einen Artikel über die Kötztinger Müllabfuhr geschossen wurde, ist natürlich Bildfüllend ein Müllauto abgebildet. Wie bei vielen anderen zeitgenössischen Fotos sind zumeist die Bildhintergründe für uns von besonderem Wert.
Bild Serwuschok




Vor dem nächsten Schritt wird jedoch erst einmal die Beobachtungskuppel abgebaut.


Serwuschok U27116

Serwuschok U27118


Schon 1974 machte sich die KU Gedanken über das Schicksal der Bäume in der Stadt Kötzting, als Beispiel auch die Robinie beim Dr. Angerer


Serwuschok327 vom November 1974




Dann kommt der erste Bauabschnitt des Kaufhauses Wanninger und das markante Haus an der Straßenkreuzung wird zum Winzling degradiert.



Kötztinger Marktstraße 1978. Der Laden d Elektro Vogel damals noch im Untergeschoss beim "Achtler", der vorherigen Milchzentrale.


KU Negative Ordner Irrgang KU SW 248 ungefähr 1980 der Baum wächst und wächst.



Pfingsten 1979


Serwuschok Umschlag 11 aus dem Jahre 1986
Das Ende des Baumes (und natürlich des Hauses kommt)


Bild Pongratz: 1977 noch ausgespart und notdürftig abgestützt, war es dann ab 1985
endgültig aus mit dem "Ring-Haus"





Bild Quitterer
Das ehrwürdige Ring-Haus ist nun Teil eines riesigen Gebäudekomplexes