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Montag, 27. März 2017

Kötzting vor 400 Jahren

Bemerkenswertes aus Kötzting von 1616 und 1617

Einmal etwas ganz anderes, Akten zum Mitlesen........

Zuerst aber einen kurzen Bericht über die diesjährige "Archivforschungssaison"
Meine Besuche in den überregionalen großen Archiven konzentrieren sich auf die Wintermonate, weil ich in diesen in meinem Hauptberuf schlichtweg Winterpause habe.
Es passt ganz gut, dass heuer, seit dem 1.1.2017, die bayerischen Staatsarchive ein Jahr lang einen Versuch durchziehen und die Benutzer selber fotografieren lassen bzw. für einen eher symbolischen Preis einen Großscanner benutzen lassen.

Das Staatsarchiv Landshut nun lässt fotografieren, allerdings:
ohne Stativ --- schade
ohne Blitz ---- versteht sich von selbst
nur an einer bestimmten Stelle im Lesesaal ----- leider nicht die hellste Stelle
keine Pläne ---- schade
kein Material, welches jünger als von 1917 ist ---- versteht sich auch von selbst (Datenschutz).

Also: ran an den Speck. In diesem Jahr war ich nun bereits zehn mal in Landshut und die Summe meiner Bilder reicht langsam an die 3500 Stück heran. (Stand 24.3.2017)
Besonders interessant sind hier die alten Verlassenschaftsakten

aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, die Menschen die so 1850 verstorben sind reichen mit ihren Wurzeln - und in den Akten geht es ja um die Verwandtschaft dieser Menschen - bis weit in das 18. Jahrhundert zurück. Bei manchen Verstorbenen wird ein Verzeichnis des Besitzes aufgenommen, ein sogenanntes Inventarium. Solch ein Inventarium von Kötztinger Bürgersfamilien (natürlich sind im Bereich des Amtsgerichtes  Kötzting auch alle umliegenden Orte mit dabei),  gibt einen intimen Einblick in die Lebensumwelt der damaligen Zeit.

Sogar Kleinigkeiten über Pfingsten finden sich dazwischen:
Vor den Mallersdorfer Schwestern und sogar noch vor Familie Leszkier war es die Frau des Uhrmachers Lommer (wohnte im Dirnberger Haus), die das "Pfingstkranzl" anfertigte. Am Ende ihres Lebens wohnte sie im Spital und als sie verstarb besaß sie nur noch ein paar wenige armselige Kleider und ihr Bett. Ihre in Regen wohnende Tochter bat den Magistrat Kötzting um dieses und bot an dafür in den nächsten Jahren dieses "Pfingstkranzl" kostenlos anzufertigen.... allerdings vergeblich, denn nach der Satzung des Kötztinger Spitals gehörten sämtliche Habgüter eines Pfründtners (=Spitalbewohners) nach seinem Tode dem Spital.

StA Landshut Rep 166N-12 Schachtel 17 Lommer Katharina Verlassenschaftsakt
"dass die bezüglich des von derselben hinterlassenen Bettes bereits an den
Magistrat Kötzting mit der Bitte ihr dasselbe abzulassen sich gewandt habe, da sie
hieführ demselben das sog. Pfingstkränzchen in kommenden Jahren unentgeltlich
anzufertigen sich verpflichte"!
 anderes Beispiel: der Anfang des Inventariums des Kamminger Schmiedes Kauer

StALA Rep 166-N Schachtel 17 Kauer Georg Schmied von Kammern
Verlassenschaftsakt, hier das Inventarium

Ich habe diese (Kopier-) Gelegenheit genutzt und beginne noch einmal die alten Rechnungsreihen des Kötztinger Kastenamtes und des Pfleggerichtes ausheben zu lassen. Diese Reihen beginnen mit wenigen Einzelbänden im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts und setzen dann fast als lückenlose Reihe um 1590 ein.
Diese Buchreihe habe ich schon mal vor vielen Jahren in Hinblick auf Kötztinger Bürger durchgesehen und nun bietet sich die Gelegenheit noch etwas tiefer einzusteigen und das Material digital für unser Stadtarchiv zu sichern.
Es gibt einen Doppelband 1616 und 1617 vom Pfleggericht und vom Kastenamt. Anders als in anderen Landgerichten gab es im LG Kötzting Gebiete, welche dem Kastenamt Untertan waren und solche deren Bewohner vom Pfleggericht geführt: also auch bei Strafverfahren verurteilt wurden.
Kötzting hatte damals sowohl einen Kastenamtsrichter wie auch einen Pfleger. Der Kastenamtsrichter durfte - übrigens ebenso wie der damalige Kötztinger Kammerer) kleinere Vergehen selber aburteilen. Für die "schwereren" Verbrechen war dann aber (auch hier wie bei den Kötztinger Marktbewohnern und den Bewohnern der umliegenden adeligen Hofmarken) ausschließlich der Landrichter zuständig.
Aus diesem Grunde gibt es in den Pfleggerichtsrechnungen auch die Rubrik:

Ausgaben für die/den Malefikanten (Bösewichte)

Diese "Bösewichte" waren in Kötzting im Amtshaus eingekerkert (das Kötztinger Amtshaus = Gefängnis und Wohnung des Eisenamtmannes stand am Ende der Schirnstrasse...Schirn = Schergen) und wurden für die verschiedensten Amtshandlungen dann vom Amtmann ins Pflegerschloss gebracht. Diese Einkerkerung und das "Vorführen" zusammen mit der dann erfolgenden öffentlichen Bestrafung waren sicherlich in Kötzting Marktgespräch und - so hart es auch klingt - willkommener Unterhaltungsanlass im harten Alltag. Wenn ich dran denke wie neugierig und dann doch teilnahmslos wir Kinder der Metzstraße (und wir waren in den 50er Jahren viele Kinder in der Metzstraße) die Bewohner des Armenhauses hinten in der Brandstraße beäugt haben, dann kann ich mir gut vorstellen wie es den Bewohnern des Gefängnisses, gleich um die Ecke ergangen ist.
Ich möchte hier mal solch einen Jahresverlauf vorstellen:

Was hier so berichtet wird steht heutzutage im Polizeibericht:
Also Wirtshausraufereien, Nachbarschaftsstreit, Schlägereien beim Nachhause Gehen, Beleidigungen und dann ist da auch noch der "Blutbann", also die Hohe Gerichtsbarkeit, die der Landrichter innehatte und die dann auch manchmal auf dem Galgenberg - nun Ludwigsberg - zu Hinrichtungen führte. Auch das sicherlich ein Spektakel für die gesamte Bevölkerung.

Hört man das Wort Rechnungsbuch, so denkt man heutzutage an Tabellen der Buchführung. Damals aber war es ganz anders. Die Pfleggerichtsrechnung von 1616/17 liest sich wie heutzutage die Bildzeitung oder die "Yellow" Press. Auch wenn die Bevölkerung solch ein Rechnungsbuch nicht zu Gesicht bekommen hat und lesen konnte - es war für die Regierung in Straubing bestimmt -  so bekommt der Leser heutzutage ein lebhaftes Bild davon, wie es in Kötzting und Umgebung "kriminaltechnisch" so zugegangen ist.

Es soll ja Manchem auch Spaß machen "manchmal" etwas mitzulesen und so lege ich nun ein paar - eigentlich ziemlich viele - Ausschnitte aus dem Buch vor, in Wirklichkeit sind da noch viel, viel mehr enthalten, und übertrage die handschriftlichen Texte einzeln in Druckschrift, vlt macht es ja dem Einen oder Anderen ja Spaß genauer nachzulesen und vielleicht sogar einmal die alte Handschrift zu lernen. Genau so habe auch ich angefangen, mit dem Buch "Kötzting 1085-1985" in dem viele Dokumente aus Kötztings Geschichte abgebildet UND transkribiert waren.

Hier nun ein paar Beispiele was in Kötzting 1616/17 so Alles los war:


Staatsarchiv Landshut Rentkastenamt Straubing R 2333 Pfleggerichtsrechnung von 1616
Titelblatt: Ambts und Zol: Rechnung des hl: Landtgerichts Khözting vom Jar 1616
(hl: heißt hier nicht heilig sondern herzoglich, erst nach 1621 wurde der bayerische Herzog Kurfürst nachdem er ua. die Oberpfalz eroberte und damit die Kurwürde erhielt.)

Dies ist die Titelseite und danach geht's gleich los mit den kleineren Vergehen, hier eine kleine Auswahl der unterschiedlichsten Vergehen :
Maulstraich


Georg Schwarz noch ledtiges Standts
hatt Wolffen Schmitterer von Zelten
dorff auf dem TannzPoden mit der





                  Faußt inß Angesicht geschlagen dero
wegen er gestraft umb 4ßd (04 Schilling Pfennige9



Es geht munter weiter mit einer Schlägerei: Khandlwurf und zuegefiegter Plutrunstige Schäden




Hannß Maimer von Perndorff hat bej Andres Söldner zu Khözting selligen auf Andres Poxhorns zu





gedachtem Perndorf Hausfrau an ainem Kirchtag mit einer Khopffkhandten vol Pier geworffen aber nit getroffen, darauf Ir man von der Gassen hinein geloffen, die wöhr entplesst und ihme Maimer im Khopff einen Pluetrunstigen schaden zuegefiegt, auch in der rechten Hanndt, die Flax verletz, derowegen mit Abschied erkennt, dass gedachter Maimer wegen gethanen Khandlwurffs Straff sollte erlegen 1 fl 3 ßd, Nitweniger die Khandl bezahlen, Poxhorn aber für solliche seine ihm Maimer zuegefuegte Schädten 6 fl verreichen, den Pader abrichten und auch Straff bezahlen 1 Pfund Pfennig, also thun beede Straffs 4 fl 2 ß


Man unterschied damals ganz streng zwischen "blutigen" und "unblutigen" Schlägen
Nun kommen die "unblutigen"


Zuegefiegte truckhene Straich






geschehen in Gaishof, verhandelt in Kötzting
Leonhardt Schindterweckens vom Gaishof rdo(=reverendo = mit Verlaub, man spricht oder schreibt nicht von stinkenden Schweinen in einem Schreiben an die Obrigkeit ohne sich vorher über die Wortwahl zu entschuldigen) zehn Schweinen sein Albrechten Poindl alda in sein Wiss khomen und im darinnen mit willen grossen Schaden gethan. Als nun die sein Sohn alweckh Treiben und Pfendten wellen, Ist erstlich gedachtes Schindterweckens Sohn einer mit einer Hackhen volgentes er Vatter selber noch St dritter auf daß Wißmaidt mit Riedthauen, Steckhen , Drembel und anderen Waffen khommen und Ime Albrechten Poidl und Sohn damit etliche druckhene Straich zuegefiegt. Derowegen gedachter Schinderweckh und dessen mit Helffer neben aufgetrageenen Gerichtsunkosten gewandelt 1 fl 3 ßd


Nun wird's laut auf den Straßen Kötztings:  und es wird wieder blutig:
Pluetrunsstige Schäden



Michael Schechtl Mezger zu Eschlkamb und Hannß Hörmann am Wäzlhof haben bey der nacht im Marckht Khözting auf freyer gassen ein Rumorßhandlung gehebt. Im sollichen gedachter Mezger Ime Hörman die Haudt vorm Hiern, und die Nassn geschafft sich gleichwol selbsten hernach miteinander verglichen. daß er Ime für soliche Schäden 4 fl verraicht, den Pader, Gerichts und Uncosten, neben der Straff außricht, Welche ihme dan in ansehung seiner Armuth neben außgestandtner Fenkhnus benennt worden  auf 5fl 3 ßd

Schechtl musste also in Kötztings im Amtshaus einsitzen



Hochzeiten sind immer wieder mal ein Anlass für Stress unter den Beteiligten:
Wöhrentplessung, (vermutlich hat er ein langes Messer, oder aber einen Degen/Säbel) dabei gehabt und gezogen)




Thomas Gemainer auf der Kieslau obgedachtes Gerichts Viechtach hatt an ainer alhir im Marckht gehaltenen Hochzeit auf dem Tanzpoden die wöhr entplest und einen Polder




Handl angefangen, als er aber durch die Ämbtsleuth (=Polizei heutzutage) deswegg für Obrigkeit wöllen gebracht werden ist sollicher denselben entwischt und zu dem Thor ausgeloffen, derentwegen seiner Obrigkeit umb Verschaffung geschrieben und gestrafft worden per 1 fl 3 ßd
Er ist ihnen also entwischt, aber von seinem Gericht in Viechtach wurde er dann doch noch bestraft.

Und nun wird's wieder laut im Markt Kötzting, der Pölsterl wohnt, so weit ich weiß, im unteren Markt, im Kellner Haus, dem damaligen oberen Bad, er war aber kein Bader sondern ein Schreiner, es geht um Injurij, also um eine Beleidigung.



 Albrecht Reßl Inwohner zu Khözting und sein Weib, und Dochter, auch Georg Pelsterl und sein Weib, haben am H: Osterabennt einen Unwillen





gehebt aines das andere redo(=reverendo wie vorher) ein Schelmb, dieb, Huer und Unhulden gehaissen, die weiber anein annder geraufft und letzlichen ermelter Pölsterl einen Schargen genommen, gedachte Resslin übern Khopf geschlagen, daß sie gleich zu Poden gefallen und am liegen ir noch dazue einen Straich ubern Puckhl zuegefuegt. Derowegen Ich sy alle in Fenkhnuß gelegt und darinnen 8 tage lang einthalten worden. Inn solicher Zeit sie sich aber selbsten darinnen miteinander verglichen daß ermelter Pölsterl Ir Rösslin für solliche zuegefuegte Straich Innerhalb 14 Tagen 1 fl 30 xr bezalt und auferlassung dass aines vonn dem andern nichts allß nur liebs und guets

(Acht Tage in einem feuchten stinkenden Loch wirken Wunder, da versöhnt man sich gerne)


wissen, und waß etwan fürybrgangen dises alles im Zorn geschehen und ains dem andern verzichen und vergeben haben wöllen in Ansehung Irer Unvermögenheit also mit Fenkhnus, an gelt abe4r gewandelt worden NIHIL (=nichts)

Und am Ende des ersten Teils  noch ein Kuriosum: die Gaben Gottes in das Khott geschlagen



Hans Frumb ain Dienstknecht von Gestorff hat in ainer gehaltenen Hochzeit vol doller weiß ainen jungen Khnaben Oswald Hefftl ain liebseliges Prott und Fleisch ohne Ursach von dem Maul und aus der Handt in das Khott geschlagen und noch dazue abpleuen wellen, Derentwegen umb sollichen frävel 2 Tag in Fenkhnus enthaldten an Geld aber gewandelt NIHIL

Das ist nur ein kleiner Ausschnitt an den Allerweltsverhandlungen, die im Pfleggericht angefallen waren.
Es gibt aber auch noch einen anderen, viel ernsteren Teil im Rechnungsbuch und das betrifft dier sogenannten MALEFIKANTEN, also die echten Bösewichter.
In dem Jahr 1616/17 gab es in Kötzting zwei Landesverweisungen und zwei Hinrichtungen, diese Verhandlungen - Verhaftungen - Schriftwechsel - Verhöre - Folterungen und schließlich Hinrichtungen mit dem Schwert und dem Strick werde ich in einem der nächsten Blogs berichten.

Hier der Anfang über die "Schweren Jungs", also die Einleitung eines vielseitigen Berichts über die Verhandlung und die Hinrichtung:


Ausgab auf die Gefangen
Malefiz Personen

Erste

Demnach sich im Marckht Khözting ein verdechtige und beschraidte ManßPersohn Michael Aigner ein Inwohner zu Arain Viechtacher Landtgerichts sonsten ins Gemain Dierckh genannt befundten, ist er durch die Landgerichts Ambtsleith alhir zuverhafft gebracht, auch auf beschechens berichten Sub dato den 7. January diß Jars sollicher der bevelch ervolgt das ich Ime Aigner ainen Strengen Malefizrechtstag (=Hinrichtung) ansezen und ergehen lassen solle. Waß Strengen Malefiz rechtens Recht ist. Welchen ich gehorsamblichen gelebt zugestaldten er dann Pfinztag den 28. diss mit dem Schwerdt vom leben zum Todt gericht worden

Ich denke, dass an den angekündigten Hinrichtungstagen nicht  nur die Erwachsenen Kötzting auf den Beinen waren, sondern - zumindest bei der bewachten Hinausführung des Verbrechers auf den Galgenberg/Ludwigsberg - auch die Kinder Kötztings neugierig den schauerlichen Zug begleiteten, ebenso, wie wir in unserer Kindheit öffentliche "Ereignisse" neugierig aber begeistert begleitet hatte. Als Beispiel können hier ein paar Aufnahmen von Pfingstumzügen aus von 1959 dienen. Diese Auswahl, die nichts mit den üblichen "Standartpfingstmotiven" zu tun hat, verdanke ich Frau Kretschmer, die sich in Ihrem eigenen Archiv erfolgreich auf die Suche nach "mitlaufenden Kindern" gemacht hat.
Bei den Bildern geht es mir weniger um die (bekannten) Pfingstakteure sondern um die mitlaufenden, neugierigen Kinder am Rande





so könnten die Kinder Kötztings vor 400 Jahren auch vor dem Amtshaus gestanden haben, wenn der Verurteilte seinen letzten Gang anzutreten hatte. Die Rechte an diesen Bildern liegen beim Archiv Kretschmer





So, das war jetzt harte Kost,  Als nächstes aber gibt es wieder mal Bilder - Luftaufnahmen und/oder Aquarelle

Sonntag, 26. Februar 2017

Ab gehts in die Luft ....

Wie in der Vergangenheit schon öfter zu sehen....von oben schaut die bekannte Welt ganz anders aus.
Was mir bei den Bildern, die vom Flugzeug aus in der näheren Umgebung Kötztings geschossen worden sind, sofort aufgefallen ist: in den sechziger Jahren haben alle Dörfer dasselbe Schulhaus hingestellt bekommen.
Lang - Erdgeschoss und erster Stock - lange Reihe von Fenstern - auf der grünen Wiese.
da hat ein Architekt ganz schon mit demselben Muster arbeiten können.
Langer Rede kurzer Sinn:
Hier die Dörfer - ausnahmsweise sind diesmal alle Dörfer bekannt, ich glaube auch, dass es nicht schwer ist:


Bild 1

Bild 2

Bild 3

Bild 4

Bild 5

Bild 6

Bild 7
Bild 8
Vielleicht können die Ortschaften ja doch anhand de4r Schulhäuser und ihrer Lage herausgefunden werden.
Also viel Spaß beim Raten...... im nächsten Monat kommt an dieser Stelle wieder schwere Kost.

Arbeitstitel: Kötzting vor 400 Jahren

Donnerstag, 26. Januar 2017

Der Kötztinger Spielmannszug Teil 2

von der Trommlergruppe hin zum großen Spielmannszug

Auch wenn wir uns hier in einem Zeitrahmen bewegen, an den sich einige Beteiligte noch gut erinnern können sollten, so gibt es offensichtlich doch unterschiedliche Erinnerungen und vor allem decken sich diese nicht mit den Unterlagen, die sich im Archiv und aus den Zeitungsberichten ergeben.

Sicherheitshalber hier noch der Link zum ersten Teil:


Eine kleine Notiz aus der Chronik der Feuerwehr Kötzting gibt zumindest einen Startpunkt bekannt, den sie selber damals festgelegt hatten, auch wenn der Sachverhalt damals ein anderer war, aber dazu später.
Zuerst einmal die Kurznotiz, so wie es die Kötztinger Feuerwehr bekannt gab und dann anschließend die ersten Einsätze der Fanfarenbläser:



Auftritt des Spielmannszuges bestehend aus der Trommler und der Fanfarengruppe
anlässlich der Heirat des damaligen Landrates Nemmer  in Altrandsberg
So einfach und schrittweise aufbauend stellt sich die Geschichte des Spielmannszuges dar, wenn man nur die eigene Vereinschronik der FFW Kötzting berücksichtigt....
es gibt da aber noch eine andere Geschichte.
Doch zuerst einmal zurück zu der ursprünglichen Trommlergruppe. Schon kurz nach dem Krieg wurde eine solche wieder gegründet - immer wieder fällt in diesem Zusammenhang der Name Michael Irlbeck, ein musikbegeisterter Kötztinger, der obwohl er nach Viechtach umgezogen war, trotzdem hier vor Ort diese Trommlergruppe aufgebaut und geleitet hatte und auch an der Weiterentwicklung beteiligt war.

Zuerst aber gab es nun mal nur die Trommlergruppe, die für die richtige "Marschmusik" bei den unterschiedlichsten Aufzügen sorgen musste.
Ausschnitt aus der Chronik der Kötztinger Freiwilligen Feuerwehr aus dem Stadtarchiv
Spielmannszug noch als reine Trommlergruppe, wohl beim Bierzelteinzug, also nach/ab 1949 entstanden, der Trommler - vom Betrachter aus gesehen - vorne rechts ist Irlbeck Michael

Es wurde Sommer 1956 und die Pfadfinder in Kötzting feierten ihr 10 jähriges Stammesjubiläum. Wie bei allen "Vereinen" üblich, so schickten auch befreundete Verbände ihre Abordnungen und die Amberger Pfadis kamen mit ihrem Spielmannszug und mit dabei waren, unüberhörbar und unübersehbar: ein Fanfarenzug.
Hier nur ein paar Bilder von deren Auftreten in den Kötztinger Straßen, eine genauerer Bericht kann in dem Blog aus dem Jahre 2014 nachgelesen werden.

Amberger Fanfarenzug auf Besuch bei den Kötztinger Pfadfindern im Sommer 1956




















 
Nicht zu überhören und nicht zu übersehen
 Nun war das Interesse geweckt, vor Allem bei Barth Georg und seinen Mannen bei der Feuerwehr.
Die Lösung war aber eigentlich sehr einfach, auch wenn in dieser Lösung dann schon kurze Zeit später dann doch einiges an Konfliktstoff steckte.
Es kam zu einem "Gemeinschaftsspielmannszug",  bestehend aus den Trommlern der Feuerwehr und aus Fanfarenbläsern gebildet sowohl aus Mitgliedern der Feuerwehr und von Pfadfindern und Mitgliedern des Burschen- und Wanderervereins.
Bitte um Zuschuss für die Felle der Trommlergruppe

Noch an Pfingsten 1956 bemühten sich die Verantwortlichen der Trommlergruppe darum, die stark abgenutzten Trommelfelle mithilfe der Stadt Kötzting auswechseln zu lassen, der Magistrat genehmigte einen Zuschuss und verband dies mit der Bitte den Trommlerzug der Feuerwehr Kötzting auch weiterhin bei den Pfingstfeierlichkeiten einsetzen zu können..


Das war die Situation im April 1956 und auch dann anlässlich der Pfingstfeierlichkeiten und dann kam der Sommer, die Fanfarenbläser von auswärts und dann ging es ganz schnell.
Fast zeitgleich gingen Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Kötzting und der Kötztinger Pfadfinder daran sich Musikinstrumente zuzulegen und zu üben, dies aber offensichtlich nicht einzeln sondern durchaus in dem Sinne eine "Kötztinger Spielmannszuges" zuerst einmal gemeinsam, ja es wurden sogar Regeln vorgestellt, bei welchen Auftritten die Tücher auf den Fanfaren
das "Logo" der Feuerwehr und wann das der Pfadfinder zu sein hatte.



 In diesem kleinen Zeitungsausschnitt vom Sommer 1956 spricht der Kreisbrandinspektor Barth Josef selber von dem Wunsche der Feuerwehrler nach Fanfaren, nachdem Sie die Amberger Pfadfinder mehrmals in den Kötztinger Straßen gehört und gesehen hatten.

Kuglmeier Hans, Kötztinger "Altpfadfinder" mit seiner
Fanfare inkl. dem Tuch der Kötztinger Pfadfinder.


 Wie oben angeführt ging es recht schnell und schon Ende des Jahres spielte die Kötztinger Feuerwehr mit Trommlern und Fanfarenbläsern anlässlich der Hochzeit des Kötztinger Landrates Nemmer in Altrandsberg auf.
Hochzeitsspalier für Landrat Nemmer in Altrandsberg
Kötztinger Umschau April 1957

Noch im Sommer 1957 scheinen die beiden Gruppierungen an einem Strang zu ziehen, wie ein Brief der Pfadis Kötzting an den Stadtrat zeigt, in dem von den verschiedensten Aktivitäten der gemeinsamen Gruppierungen die Rede ist und auch von dem Wunsche, in Zukunft bei den Pfingstfeierlichkeiten eingesetzt zu werden.
Ausschnitt eines Briefes vom Stammesvorstand Brandl Wick an den Stadtrat in dem er die Mitwirkung des Kötztinger Spielmannszuges, vor allem des gemeinsamen Fanfarenzuges an der Spitze des Pfingstrittes vorschlägt.

das obige Angebot an den Stadtrat unterschrieben der damalige Kötztinger Kooperator Haltrich und der STAVO Ludwig Brandl. Zwischen den Zeilen kann man noch ein gutes Einvernehmen der beiden Gruppierungen herauslesen, aber schon im Jahr drauf scheint es gewaltig zu knirschen und auch hier haben wir nur die Argumentation der Pfadfinder, die sich in den Unterlagen finden. Diese wenden sich an den Bürgermeister Kroher, um ihm sowohl den Brief der Pfadfinder an die Feuerwehr in Kopie vorzulegen als auch um seine Vermittlung bei einigen Konfliktpunkten baten. Der damalige Stammesvorstand war Maimer Ferdinand.
Nun kann man zwischen den Zeilen sehr gut - und vor allem in den äußerst undiplomatischen Forderungen - herauslesen, dass es zwischen den beiden Trägern des bisherigen Spielmannszuges doch ziemlich knirschte. Nicht desto trotz kann man erkennen, dass noch 1958 Alles im Flusse war.
Hier ein paar Beispiele aus dem Schreiben der Pfadis an die Freiwillige Feuerwehr.


Ich denke aus heutiger Sicht kann man den Brief durchaus als ETWAS undiplomatisch nennen und nachdem in dem Begleitschreiben an den Bürgermeister Kroher von "nun aufgetretenen Schwierigkeiten" von Seiten der Feuerwehr die Rede ist, kann ich nur vermuten, dass die Feuerwehr Kötzting auf die Forderungen d er Pfadis nicht eingegangen ist, die Zusammenarbeit beendete und ab nun als Spielmannszug der Freiwilligen Feuerwehr Kötzting ihre eigenen Wege ging.
Schaut man auf die Fanfarenbläser in der zweiten Reihe, so glaube ich Hans Kuglmeier und Maimer Ferdi zu erkennen, dies KÖNNTE damit ein Auftritt der noch vereinigten Fanfarengruppe sein. Bild stammt von Hans Traurig
Tambour: Theo Heigl
v.l. Franz „Stutz“ Traurig – Xaver Wellisch – Wack Traurig
hinten: Hans Kuglmeier – Ferdinand Maimer
ganz hinten rechts: SZ-Leiter Georg Barth


Bild von Haymo Richter: hier haben wir dann kurze Zeit später die reinrassige Fanfarengruppe des Spielmannszuges der Freiwilligen Feuerwehr Kötzting beim Einsatz in Miltach
Kötztinger Umschau November 1958 , Zuschuss nur noch für den Spielmannszug der FFW, die Pfadis sind draußen.

 Mit Sicherheit gingen die beiden Gruppen bereits 1959 ihre eigenen Wege, sicherlich aber wissen wir es von 1960, als die FFW Kötzting um einen größeren Zuschuss beim Stadtrat vorstellig wurde. Damit ist uns auch der erste Leiter des Spielmannszuges bekannt: Georg Barth
Antrag auf einen größeren Zuschuss, Stadtarchiv Kötzting Pfingsten 1960

Kötztinger Umschau 1959 im April


Nun war die Grundlage gelegt, zum Trommlerzug kamen die Fanfaren, die Lyra wurde angeschafft, eigentlich sollte der Zukunft nichts mehr im Wege stehen, aber die Zeiten änderten sich und es war irgendwann nicht mehr "cool" (auch wenn man damals dieses Wort natürlich nicht benutzt hatte) beim Spielmannszug mitzumarschieren (und zu Üben und Üben). 
1968



1972 die Verantwortlichen haben Motivationsprobleme bei den Mitgliedern ausgemacht



1973 die Verantwortlichen sind dennoch zuversichtlich
Barth Schorsch
Wellisch Xaver
Hier nun auch die einzelnen Leiter des Spielmannszuges:






















Wack Traurig

Hans Traurig, derzeitig Chef des Spielmannszuges

Und weiter in der Geschichte, ein - für die Teilnehmer - wohl unvergesslicher Besuch bei den Kameraden des Spielmannszuges der Hamburg-Bergedorfer, leider sind viele meiner DIAs von damals unauffindbar.

Es muss 1977 gewesen sein, der Kötztinger "Fremdenverkehrsverein" unter der Leitung vom Vorstand Dieter Reithner organisierte eine Fahrt nach Hamburg-Bergedorf mit Bussen und PKW, zusammen  mit der Kapelle Wack Traurig, dem Spielmannszug und vielen Kötztingern. Bereits 1974 traten die "Hamburg-Bergedorfer" übrigens zum ersten Mal bei unserem Pfingstfest in Erscheinung. Diese nun schon so lange Jahre währende Verbindung wurde entscheidend von Fritz Löding (Bergedorf) und Georg Barth (unserem Pfingstbräutigam von 1956) begründet.
Infostand auf dem Hamburger Ratshausplatz
 Die Kurverwaltung - damals wohl noch unter dem Namen Fremdenverkehrsamt - hatte die Gelegenheit genutzt auf dem Hamburger Rathausplatz einen Infostand mit Bärwurzausgabe aufzustellen und dazu spielte dann auch der Spielmannszug damals noch mit dem "Heijterl" Karl als Tambourmajor. Was wir Alle nicht wussten war, dass an diesem Tag auf dem Rathausplatz eine Demonstration von ungefähr 2000 Motorradfahrern angemeldet war und so gingen wir ein wenig unter unter all den Bikern.

Natürlich durfte auch eine Hafenrundfahrt nicht fehlen - über den Rest schweigt der Berichterstatter, es war eine denkwürdige Reise zu den Hamburg Bergedorfer Freunden mit deren Spielmannszug


Rennfahrt zweier Barkassen im Hamburger Hafen





















Es ist ganz natürlich, dass die Entwicklung eines jeden Vereins Höhen und Tiefen durchmacht. Nach den Schwierigkeiten in den frühen 70er Jahren, die Mitglieder motivieren zu können, ging es dann aber mit der Entwicklung stetig aufwärts und so präsentiert sich der Spielmannszug mittlerer weile in einer imposanten Größe und Zuverlässigkeit und es erhöht alljährlich die Vorfreude auf Pfingsten, wenn man, manchmal schon Wochen vorher und nur leise im Hintergrund, im Markt die probenden Musikanten hören kann.

der Spielmannszug der Kötztinger Feuerwehr mit dem neuen Tambourmajor: Thomas Kybelksties




















 

Zum Ende nun noch ein paar Ausschnitte aus den Tageszeitungen zu diesem Thema:
Kötztinger Umschau Januar 1961
 Nimmt man diesen Blogeintrag als Ganzes, so sind es viele Köpfe und Hände, die zum Erfolg dieser Truppe beigetragen haben, trotzdem ist es vor Allem der Familienverband TRAURIG, der hier heraus sticht. 
Hier dazu noch ein Zeitungsbericht zu diesem Thema:

Und dann möchte ich nicht versäumen auch noch auf einen zweiten Spielmannszug der Feuerwehr im Bereich Kötzting hinzuweisen: der Spielmannszug der Freiwilligen Feuerwehr Ansdorf: Auch die gab und, so weit ich weiß, gibt es noch.



 Am Ende noch ein Dank bzw. ein Hinweis auf die Herkunft der Bilder: von Ludwig Brandl stammen die Bilder der Pfadfinder. Von Hans Traurig habe ich die meisten der Spielmannszugbilder erhalten. Die Artikel stammen aus den Lokalausgaben der Kötztinger Umschau und der Kötztinger Zeitungen. Die Dokumente stammen alle aus dem Stadtarchiv Bad Kötzting.