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Donnerstag, 26. März 2015

die 2. US Kavallerie und Kötzting...

Das Colonel Reed Museum in Vilseck und die Verbindung nach Kötzting


Der Zufallsfund von Dokumenten der 11. deutschen Panzerdivision in einem feuchten Kellerraum unter dem Kötztinger Rathaus brachte über einige verschlungene Wege - über die USA - auch einen Kontakt mit der Zweiten US Kavallerie zustande, die ab Mitte Mai 1945 die in Raum Kötzting versammelte ehemalige 11.Panzerdivision zu bewachen und deren Abwicklung zu organisieren hatte.
Über die Umstände dieser Kapitulation und der früheren und späteren Beziehungen der 2nd Cav. und der 11.PD ist schon viel geschrieben worden und die wesentlichen Abläufe sind auch bekannt, da wird es nicht mehr viel Neues geben.
die Rettung der Lipizzanerpferde
Allerdings ruht noch sehr viel Material der deutschen Armeen ungesichtet in den Washingtoner Archiven, aber auch hier wird es sein, wie bei vielen übrigen Ereignissen: gerade in den letzten Tagen des 2. Weltkrieges hatten die beteiligten und bedrängten deutschen Einheiten alles andere im Sinn, als ihre täglichen Flucht- und Rückzugsbewegungen genauestens zu dokumentieren, nur damit wir jetzt, nach 70 Jahren, uns ein besseres Bild von ihren Absetzbewegungen machen könnten.
Der Teilaspekt der Lipizzanerrettung ist erst vor wenigen Monaten durch Frau Anna Rosmus detailliert erklärt worden und es wird deutlich - übrigens auch bekräftigt durch die Autobiographie eines der beteiligten Offiziere (Hostau Reminiscences von Thomas M. Stewart Captain 2nd Cavalry March 1990 Kopie im Stadtarchiv Kötzting), dass diese Rettung nur ein Nebenprodukt einer viel wichtigeren Aktion gewesen war, nämlich die Geheimdienstdokumente Reinhard Gehlens, des Chefs der Abteilung "Fremde Heere Ost" für die Alliierten zu retten. Zwei weitere Bücher von den sehr vielzähligen Veröffentlichungen Anna Rosmus beschäftigen sich unter anderem auch mit unserem Kötztinger Raum und der Kapitulation der 11. Panzerdivision. Sie enthalten auch einige sehr schöne Photoaufnahmen wie zum Beispiel die Lagerung des militärischen Materials an den Hängen zum Ludwigsberg. (nun die Wiese unterhalb der Capiokliniken).


























Die Vorgänge im Mai 1945 hier nun in aller Kürze:
Es war zuerst die 90. Infanterie Division der Amerikaner, in Person von General Earnest, natürlich mit der Unterstützung durch seinen kommandierenden Vorgesetzten General Patton, welcher trotz der eindeutigen Vertragslage die Forderungen der russischen Seite zurückwies, die 11.PD ihnen zu überantworten, und mit den Deutschen verhandelte. Der eigentlich bereits abgesetzte, respektive weggelobte,  deutsche Befehlshaber Generalleutnant Wend von Wietersheim ignorierte ebenfalls seine Befehle von Berlin - er meldete sich wohl krank - und auch die US Streitkräfte vor Ort überwanden ihren inneren Widerstand, vor allem als ein US-Platoon in demselben Frontabschnitt auf tschechischen Boden nahe Eisenstein von den Mitgliedern der Kadettenschule angegriffen worden waren und mit den Soldaten Buttron und Ashley die letzten Toten der 2nd Cavallerie zu beklagen hatten. Dieser Überfall auf eine US-Einheit am 1. Mai 1945 hätte auch das Ende der Kapitulationsverhandlungen bedeuten können.

Ausschnitt aus einer riesengroßen Karte des europäischen Kampfgebietes im Col. Reed Museum in Vilseck, , der die letzte Kampfhandlung der 2nd Kavallerie beschreibt.
Es kam zu einem persönlichen Treffen zwischen den Generalen Earnest und von Wietersheim nahe Eschlkam und dann ging alles ganz schnell, beide Seiten stellten die Kampfhandlungen ein, die amerikanische Luftwaffe wurde über diesen verhandlungsstand informiert und am 4. Mai 1945 gab das Hauptquartier der 90. Infanterie Division der US Armee den Befehl heraus, dass die deutschen Einheiten sich in zwei Bereichen sammeln sollten, jeder Bereich sollte eine Wasserstelle besitzen, welche das 204. Engineer Battalion bewerkstelligen musste, 4 Tage lang sollte sich die 11.PD selbst verwalten und auf 2 Wegen aus der Tschechoslowakei herausgeführt werden. 
Der eine Weg führte über Rittsteig und der andere durch Vseruby, wo auch die Verhandlungen durchgeführt worden waren. Diese Abmarschwege führten zu zwei Bereichen Area A und B genannt, jedes auf einer Seite von Kötzting (Reitenstein und Ludwigsberg) Das 2. Battalion der 359er waren für das Areal A zuständig und das 3. Battalion für das andere und genauso wie geplant, wurde diese Kapitulation einer kompletten, durchaus noch kampffähigen Panzerdivision friedlich und ohne Menschenverluste abgeschlossen, später auch als das Pfingstwunder von 1945 beschrieben.
Quelle http://warfarehistorynetwork.com. 
Die 11. PD, die "Gespensterdivision"  ergab sich also in erster Linie der 90. Infaterie Division, die den Kampfnamen "Tough hombres" führte auch wenn die 2nd Cav mit einigen Truppenteilen bereits beteiligt war. Die 2nd Cavalry, mit dem Wahlspruch "toujours pret", also allzeit bereit, drang in dieser Zeit über Zwiesel nach Bayerisch Eisenstein bis Pilsen vor um anschließend, vereinbarungsgemäß, zum 18. Mai auf die deutsch/tschechische Grenzlinie zurückzuweichen und im Bereich des Altlandkreises Kötzting die Truppen der 90. Inf Div vor allem auch in Hinblick auf die Abwicklung der 11.PD, die zu dem Zeitpunkt bereits lange im Raum Kötzting gefangen war, zu übernehmen und die Grenzsicherungen gegen die Russen, die sehr schnell vom Allierten zum Gegner geworden waren zu übernehmen.

Kurzer Einschub an dieser Stelle: 
Ich möchte hier keine schnellen und billigen geschichtlichen Parallelen herstellen, aber es ist schon bemerkenswert und spricht für die Kontinuität und Zuverlässigkeit dieser Einheit, dass in der Gegenwart es erneut die 2nd Cav ist,  stationiert in Vilseck,  welche hier bei uns angesichts der entstehenden Spannungen Flagge zeigt. 
 Einheiten der 2nd Cav fahren demonstrativ nach dem Ende der Manöver in den baltischen Staaten durch die Länder der osteuropäischen  Verbündeten nach Hause um ihre Präsenz zu demonstrieren.

In erster Linie, auch wenn die 2nd Cav in Person des Col. Reed bei der Anberaumung der Kapitulation beteiligt war, so ergab sich die die 11. Panzerdivision also der 90. amerikanischen Infanteriedivision und es gibt auch Hinweise auf ein Zusammentreffen der beiden Divisionskommandeure Ernest und Wietersheim, bei der diese beiden wohl ihre Seitengewehre austauschten.
(William W. Molla die Kapitulation der 11. Panzerdivision) der eigentliche Kommandeur Generalmayor von Buttlar ergab sich dann mit seinem Teil der 11. PD am 7. Mai, also 3 Tage nach von Wietersheim, auch er rückte mit seinen Truppen ebenfalls in den Raum Kötzting ein, zuvor von den USA mit erheblichen Mengen an Treibstoff beliefert, um dies zu ermöglichen. Auch auf der amerikanischen Seite wollen sich seit vielen Jahren mehrere Truppenteile diesen Erfolg ans Revers heften und so klärte der oben angesprochene Molla vor 20 Jahren diesen etwas verwirrenden Zusammenhang:


 

Die oben angesprochene 90. Infanterie Division veröffentlichte im Internet auch ihre AARs, After Action Reports und darin kann man die entscheidenden drei Tage für den Kötztinger Raum recht gut nachverfolgen:
Vom 26. April 1945 weg begann die Eroberung des Altlandkreises Kötzting und das liest sich im Militärjargon folgendermaßen:
26.4.1945
CP = command point so etwas wie ein Divisionsstützpunkt

 27.4.1945
 
am 27.4.1945 schätzten die Amerikaner die Stärke der 11.PD  noch auf 1500 Mann, viel zu wenig, wie sich später herausstellte, es waren am Ende ca 15000 Personen, die kapitulierten und die zu versorgen waren.

 
graphische Darstellung der AAR After Action Reports der 90.Inf. Div entnommen den Beiträgen zur Geschichte im Landkreis Cham von 2005 Britt Taylor-Collins und Inge Pongratz


 
ganz oben, ganz kurz ist die "Schlacht bei Grub" erwähnt, die 2005 Eingang in die gelben Bände gefunden hat. Frau Inge Pongratz, meine Mutter und meine Vorgängerin im Stadtarchiv Kötzting, hatte diese Geschichte zusammen mit dem amerikanischen Schlachtenmaler Britt Tailor Collins herausgearbeitet. Auch der Kötztinger Heimatforscher Krämer berichtet von diesem Scharmützel, weil er - zuvor in das tiefere Zellertal geflüchtet, bei der Heimreise dazugestossen war.

 
Die Schlacht bei Grub, als die die Amerikaner mit Direktschuss durch Mörser gegen die angreifenden deutschen Soldaten zu wehren versuchten, wobei nicht klar wird, ob diese nicht nur versuchten durch die amerikanischen Linien durchzubrechen und zu entkommen, was jedenfalls nicht gelang, ca. 200 deutsche Soldaten wurden gefangen genommen bei diesem Gefecht

Damit sind wir Ende April 1945 angekommen und der Krieg hat in Kötzting sein vorläufiges Ende gefunden. Auch die Kapitulation der 11.PD erfolgte mit dem Versprechen, daß spätestens 4 Wochen nach dem richtigen Kriegsende - die bedingungslose Kapitulation, im allgemeinen deutschen Sprachgebrauch immer als "Zusammenbruch" kaschiert, des Deutschen Reiches erfolgte dann am 7.Mai 1945 -und so wurden die ersten Soldaten der 11. PD Anfang Juni aus der Gefangenschaft entlassen. Große Ausnahme, der damalige Pfingstbräutigam Franz Oexler, der mit dem Entlassungsschein Nummer 1 bereits im Mai seine Freiheit erlangte und mit einem Lipizzaner seinen Pfingstritt absolvierte.

Soweit die Einleitung bzw. der Hintergrund:

Im Sommer hatte ich aufgrund der Berichte über die überraschenden Funde im Keller des Rathauses dann Besuch von Ryan Myers vom Col. Reed Museum in Vilseck, der mit seinem Mitarbeiter Lance  Dyckmann sich unser Material in Kötzting ansehen wollte, weil er von Besuchern seines Museums immer öfter nach der 11. Panzerdivision gefragt worden war und nichts vorzuweisen hatte. Nun hatten wir in Kötzting am Ende für ihn sogar ein viel besseres Bild seines Museumsnamensgebers Colonels Reed als er in seinem selber hatte.
Erstes Diarama mit persönlichen Gegenständen Col. Reeds

Gleich am Eingang der Museumsräume ist ein erster Schaukasten quer in den Raum gestellt, in dem sich persönliche Ausrüstungsgegenstände Col. Reed sich befinden, die nach seinem Tode seine Witwe dem Museum zur Verfügung gestellt hatte. Es existierte bis dahin kein Bild, auf dem Col. Reed seine, hier links im Schaukasten zu sehen, Uniformjacke mit all seinen Orden getragen hatte......wir haben es:



Colonel Charles Hancock (Hank) Reed auf einer Aufnahme
im Besitz des Stadtarchives Kötzting
Sehr schnell hatte sich bei dem Besuch herausgestellt, dass das Material, das der Traditionsverein 11. Panzerdivision von seinen Mitgliedern im Laufe der Jahre erhalten und gesammelt hatte, auch für das amerikanische Museum von Interesse war.
Also kamen wir schnell überein, besonders weil das Material auf unserer Seite erst grob vorsortiert war und sich wegen der sehr schlechten Klimabedingungen im Kellerraum teilweise in feuchter Auflösung befand, dass Teile davon, vor allem die Bilder, manche Dokumente und die Karten für ein paar Monate an die Amerikaner ausgeliehen würden, die mit viel besserer Scan-Technik ausgestattet, die Materialien digitalisieren - und damit sichern -  würden und anschließend würden die Originale mit den Digitalisaten wieder nach Kötzting zurück kommen.
Genau so wurde es gehandhabt und Ende Februar holte ich unsere Archivschachteln wieder in Vilseck ab, erhielt die Digitalisate auf CD und Stick und, was noch viel wichtiger war, konnte mich in der sehr umfangreichen Handbibliothek des Museums umschauen und da waren ein paar sehr interessante Bücher dabei, die wir in Kürze ebenfalls als PDF Datei zugesandt bekommen. Einziger Wehrmutstropfen, Ryan meinte es wohl etwas zu gut mit dem Scannen, die im Original manchmal nur postkartengroßen Bilder haben nun eine Größe von über 100MB pro Bild, man kanns auch übertreiben....
Doch nun zum eigentlichen Thema: das Museum und die 2. US Kavallerie.
gegründet wurde diese Einheit bereits 1836 und existiert seitdem ununterbrochen. Lt Ryan war diese Cavalery in allen US Aktionen und Kriegen seither beteiligt, nur nicht in Korea und Vietnam.
Es begann alles mit den ersten Indianerkriegen in Florida gegen die Semiolen und Mexikaner. 

Ryan Myers vor dem Schaukasten in dem der Beginn der 2nd Cav im Krieg gegen die Semiolen in Florida dargestellt ist, mit Uniformstücken, Waffen und typischen Gegenständen der damaligen Ausrüstung.


Es folgten die Diaramen für den amerikanischen Bürgerkrieg, die Indianerkriege in der Prärie ( das sind die bei unsre bekannten Schlachten, (entsprechend einer lebhaften Gesprächsrunde im Hochsommer im Biergarten des Haus des Gastes in Kötzting habe ich die Information mitgenommen, dass die 2nd Cav ausdrücklich von Gen. Custer nicht auf seinen Feldzug gegen die Indianer mitgenommen worden war, er glaubte er schaffe es alleine ......)
Danach kam der Krieg gegen Spanien: Stichworte Kuba und Mexiko und wir sind im ersten Weltkrieg, wo diese US Einheit aber mehr die Versorgung der französischen Armee zu gewährleisten hatte und es folgte dann ein Schaubild über die kurze Zeit der Besetzung, damals eher im westlichen Deutschen Reich.


noch 1941 waren im Manöver in den USA Pferde und
motorisierte Einheiten kombiniert.

Es begann - zuerst ja noch ohne Beteiligung der Amerikaner - in Europa der zweite Weltkrieg und die USA sahen wie erfolgreich die Deutsche Wehrmacht die unterschiedlichsten motorisierten Truppenteile einsetzte, in der amerikanischen Militärführung hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Richtung durchgesetzt und es waren tatsächlich noch 1941 bei Manövern Pferde mit im Einsatz. Nun aber setzte sich die Erkenntnis durch, dass es nur mit der motorisierten "Kavallerie" möglich sei auf dem europäischen Kriegsschauplatz zu bestehen und die Army baute um.




Nach dem Krieg folgte fast nahtlos die Zeit des "kalten " Krieges und die 2nd Cav war für die Grenzsicherung in Europa zuständig, sowohl anfänglich gegen die Sowjettruppen, am Ende dann eben gegen die Armee der Tschechoslowakei. Als diese Kapitel beendet waren, wurde die Einheit 1990 aus Europa abgezogen und gleich gings ab  in den ersten Wüstenkrieg gegen Irak zur Befreiung des von Hussein überfallenen Kuwaits.

GPS gerät der ersten Stunde und Aufmarschplan
der US Army in Saudi Arabien vor der
Rückeroberung Kuwaits


 Dieser Kampf war der erste, der vollständig mit GPS Geräten geführt wurde und daher lückenlos nachvollzogen werden kann.
Es folgten die Einsätze in Afghanistan und der zweite Krieg gegen den Irak und dann gehts weiter in Europa und der Karibik, 
die grünen Areale sind Mienenfelder mitten in der Großstadt und im
Bereich des Flughafens Khandahar
 Haiti und Bosnien
Auch in Afghanistan war die 2nd Cav. stationiert.
Ryan zeigte mir eine Karte von Khandahar, auf der noch 2012 die Minenfelder der Russischen Invasion von 1980 eingezeichnet sind, und damit die Areale, die auch heutzutage, 35 Jahre danach,  noch nicht sicher sind.



























Teil des Museums, der für feierliche Zeremonien genutzt wird

hier wird einmal auch die 11. PD zu finden sein

Ryan und Lance im Museumsbüro mit ihrer umfangreichen Handbibliothek.
Herzlichen Dank an Ryan Myers für die Führung und die überaus freundliche Aufnahme in dem riesigen Kasernengelände in Vilseck in den Rose Baracks und ebenfalls Dank an seinen momentanen Mitarbeiter Lance Dyckman, der zZ an seiner Masterarbeit schreibt und sich mit dem Übel der Beutekunst beschäftigt, die an den verschiedensten Kampfstätten mitgenommen wurden und der sich abmühte in einem immer knapper werdenden Zeitfenster die PDFs der Riesen Bücher aus der Bibliothek für mich auf CD zu brennen........das kommt davon, wenn man die Auflösung so klein wählt..... die kommt halt dann mit der Post, ich bin gespannt, weil ich ein paar interessante Artikel gesehen habe, die sicherlich einmal hier veröffentlicht werden können. Möglicherweise sehen wir uns ja anlässlich des Pfingstrittes in Bad Kötzting wieder, das Henneberger Bild vom Pfingstritt 1945 mit den zuschauenden amerikanischen Soldaten und den Panzern vor der Apotheke ist in diesem Zusammenhang ein tolles Zeit"dokument"




Donnerstag, 26. Februar 2015

Wintersport auf Kötztings Straßen

"Ski Heil" und "Rodel gut" in der Holzapfel- und Marktstraße


Winter in Kötzting  (Bild um 1940)



in der Holzapfelstraße, etwas unterhalb beim Schlachthaus
der Metzgerei Barth, Traudl und Hansi Kroher, Franz Amberger(Spitzi)



























Früher war wohl tatsächlich vieles noch  besser, zumindest in Kinderaugen. In meiner eigenen Kindheit, aufgewachsen mitten herinnen im Markt, war der Fortschritt beim Kötztinger Bauhof zu unserem Leidwesen zumindest schon so weit angekommen, dass von Zeit zu Zeit bei Neuschnee ein Lastwagen durch die Marktstraßen fuhr um, mit zwei Mann stehend auf der Ladebrücke, die Neuschneedecke mit Splitt etwas griffiger zu machen, was aber naturgemäß fürs Schlittenfahren äußerst unpassend war. Wir konnten uns damit trösten, dass uns ja sowohl die Wurmhöhe als auch die Spitziwiese in der direkten Nachbarschaft immer zur Verfügung stand - speziell die Wurmhöhe in schattiger Lage war ja fast eine Bobbahn....
Wenn aber es halt mal passte, viel Neuschnee am späten Nachmittag gefallen war, der Bauhof noch nicht oder halt zuerst woanders unterwegs war und die Pkws mit ihren notorisch winteruntauglichen Reifen die Marktstraße sauber herpräpariert hatten, dann konnten sogar wir - allerdings eben nur ganz selten auch mal auf der Marktstraße Schlitten fahren.
Aber früher war halt alles besser....
Angeblich bis hinunter zur Marktmühle seien unsere Väter auf dem Bockerlschlitten gerauscht und hatten nur vor einer Sache Angst und die hieß:
Sebastian Feichtner, der Marktgendarm, der genau in der Mitte der Schlittenbahn im heutigen Alten Rathaus wohnte und penibel darauf zu achten hatte, dass die Anordnungen von Seiten des Magistrats beachtet wurden, die da unter anderem hießen:
Das Schlittenfahren auf den Marktstraßen in Kötzting ist verboten.

Sebastian Feichtner, der Hüter von Gesetz und Ordnung in Kötzting in der ersten Hälfte des
20. Jahrhunderts, Vater des Pfingstbräutigams von 1947 Ludwig Feichtner, dessen Pfingstbraut
damals war Ehemann Hilde





 Erwischte dieser die Übeltäter, dann setzte es eine Anzeige:
Kötzting den 1. Februar 1915 
An den Magistrat Kötzting 
Betreff: Schwarz Xaver (Heiglschlosser) und 3 Consorten wegen Übertretung der Strassenpolizei: Dem Magistrate zeige ich dienstlich an, daß die Schlosserlehrlinge Xaver Schwarz, Leonhard Lanz und Alfons Zankl, dann der Ortskrankenkassengehilfe Josef Dietrich am 29.1.15 abends 7 Uhr mehrmals mit dem Rodelschlitten, vom oberen Markt der Marktstraße entlang zum unteren Markt fuhren. 
Dieselben dürften sich sohin nach der oberpolizeilichen Vorschrift vom 16.9.09 verfehlt haben und hierfür strafbar sein.
Unterschrift: Sebastian Feichtner Schutzmann





"Posing" in der unteren Marktstraße Hans Dattler, Wolfgang Ludwig und Klingseisen Kurt

Diese Sitte bzw. Unsitte, je nach Standpunkt, beschäftigte den Kötztinger Magistrat, das Bezirksamt (heutzutage Landratsamt) und den jeweiligen Marktgendarm schon in der Vergangenheit und so kam es regelmäßig zu Anordnungen wie dieser:

 


Betreff: Verkehr auf öffentlichen Straßen
Bekanntmachung
Es besteht Veranlassung wiederholt darauf aufmerksam zu machen, dass das Rodeln, Schleifen und Schlittschuhfahren in den Marktstraßen streng verboten ist

Die Eltern und die zur Beaufsichtigung der Kinder oder Lehrlinge verpflichte Personen werden hiermit dringend aufgefordert, den Kindern oder Lehrlingen diesen Unfug zu verbieten, wobei bemerkt wird Übertretungen dieser Art unnachsichtig zur Anzeige gebracht werden.
Kötzting den 13.4.1909
Magistrat Stauber

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass auch das Schleifen, also das reine Rutschen mit den glatten Schuhsohlen verboten worden war, das dürfte sehr schwierig gewesen sein zu kontrollieren.....

Trotz der genauesten Anordnungen und ausgesprochenen Verbote, sah sich das Bezirksamt, bzw. der Bezirksamtmann sich oft und früher veranlasst sich über die Kötztinger und dessen Polizeidiener ( damals hieß er Müller) zu beschweren:
Vom königlichen Bezirksamt Kötzting den 30. Januar 1872 den Verkehr im Markte Kötzting betreffend:
Es wird zwar bei jeder Gelegenheit angezeigt, daß Polizeidiener Müller seinen Dienst zu versehen im Stande ist, allein in Wirklichkeit ist dies nicht der Fall. Entweder mag oder kann Müller seinen Dienst nicht erfüllen oder kennt ihn nicht und ist in einem wie anderen Falle unbrauchbar.
Die Knaben fahren mit Schlitten den Marktplatz und die Schulgasse entlang, so daß Gefahr für Fußgeher und selbst Fuhrwerke besteht. Polizeidiener Müller sitzt wie es scheint hinterm Ofen oder im Drinkhause, macht wenigstens keine Anzeige. Zwischen den Brücken und bei den Städeln der Wettzeller Straße werden Bäume und Blöcher abgeladen und oft nur in die Mitte der Straße  geworfen, daß man nicht mehr durchzukommen weiß.
Hier ist der Postverkehr nach Viechtach für seine Nachtfahrt in Gefahr.
Der königliche Bezirksamtmann Dandl
Dieses Schreiben musste der Polizeidiener Müller entgegennehmen und unterschreiben davon Kenntnis genommen zu haben, was auch geschah.


vorstehende Eröffnung bestätigt Kötzting den 3/2 1872  Müller Polizeidiener
Allerdings ist auf der ersten Seite am Ende mit anderer Hand hinzugefügt:


erledigt der Müller gestorben.

unterer Markt auf Höhe Oexler
Liesi Oexler(Ludwig)
Beschwerden kamen aber nicht nur vom Bezirksamt selbst sondern mussten nach Anzeigen von Geschäftsleuten und auch Privatpersonen  reagieren.
 Zwei solcher Anzeigen sind noch erhalten, die eine betrifft den steilen Abhang beim Wieser Girgl bzw. Heigl Schlosser am Ende der Schirnstraße hinunter in die Ziegelgasse und im anderen Fall geht es um die Holzapfelstraße.
Am 6. Februar 1906 geht Beschwerde an das königliche Bezirksamt, dass der steile Weg vom Ende der Schirngasse an der so genannten Ziegelweiherhöhe täglich von großen Mengen von Kindern zum Schlittenfahren benutzt würden. Infolgedessen der Weg nicht mehr benutzt werden könne, ja bei Nacht es sogar gefährlich sei diesen Weg zu benutzen. Trotz der Verbote, ausgedruckt auch im Amtsblatt würden Kinder und sogar ältere Burschen bis zu 18 Jahren regelmäßig. Da seine Hausmitbewohner bereits gestürzt seien bitte ere um dringende Abstellung bevor noch schlimmeres passieren würde.
Unterschreiben: Josef Hastreiter, Braumeister


Zwei Jahre später wird eine andere Straße zum Problemfall, die Holzapfelstraße: in einem Protokoll hält der damalige Polizeidiener Meidinger die Beschwerde des Posthalters Karl Schmidt fest, welcher anbringt, dass Schlittenfahren in der Holzapfelstraße wird sowohl bei Tag als bei Nacht derartig betrieben, dass der Verkehr nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. Wir müssen an der Straße das Eis fahren (zur Sommerkühlung der Bierkeller) und kann daher sehr leicht ein Unglück passieren. Ich für meine Person lehne jedwede Verantwortung ab. Ich ersuche um Abhilfe und wollen eventuell die Widerspenstigen zur Anzeige gebracht werden.:



Arbeiter beim Schneiden und Verladen der Eisblöcke, dieses Eis wurde in den Sommerbierkellern eingelagert und
diente so als natürliches Kühlmittel den Sommer über


Holzapfelstraße





























Schlittenfahren in der Holzapfelstraße




Da ja nicht nur Kinder ihren Spaß haben wollten sondern der Wintersport auch bei uns seinen Einzug gehalten hatte, kam es nach der Gründung eines Wintersportvereins in Kötzting am 31.12.1909 zur Anfrage an den Magistrat, die Rodelbahn auf dem Ludwigsberg auf eigene Vereinskosten betreiben und unterhalten zu dürfen.
Unterzeichnet für den Verein: F. Mayer


Kötztinger Skifahrer auf dem Reitenberg: von links: Schödlbauer Josef (Schuh Schödlbauer) Pleier Franz, Elisabeth Herre, geb, Schödlbauer, ?, Kelnhofer Siegi, Englmeier Franz, Englmeier Auguste, geb. Pleier
Scheuerlein Leni in der Auwiese, im Hintergrund das Postgebäude und das Herre-Anwesen

In einem ganz anderen Zusammenhang, nämlich wegen der Kötztinger Pfadfinder, hat mich ein ehemaliger Pfadi angeschrieben, Josef Fischer, im Jahre 2015 83 Jahre alt, von ihm habe ich ein tolles Bild von einem Wölflingsausflug mit Pater Augustin auf den Kreuzfelsen bekommen - wird im dritten Teil der Pfadfindergeschichte mit veröffentlicht - und, da er im Ziganhaus aufgewachsen ist, habe ich natürlich auch nach seinen Erfahrungen mit dem Wintersport auf der Marktstraße gefragt:
das war seine Antwort:
Schlittenfahren über die Marktstr. Wir durften nicht weil unsere strenge Mutter, wegen möglichen Unfall, uns das nicht erlaubte. Außerdem war es finster. Aber vom Ziganhaus aus konnte man schön zuschauen. Die Haustüre vom "Dietlbeck musste viel aushallten, die leichte Kurve am Rathaus hatte es bei der vereisten Straße in sich. Besonders die Amerkaner, die auf Benzinkanistern herunterfuhren, trug es raus. Diese sperrten für diese Gaudi auch mal die ganze Straße....

Erneut, wie schon bei manchen vorhergehenden Themenzusammenstellungen, sind im Laufe des Monats neue Hinweise eingetroffen. In der staatlichen Bibliothek in Regensburg liegen einige Jahrgänge der "Bayerischen Ostmark" vor. Diese Zeitung der NSDAP für den Bereich Cham-Waldmünchen
Kötzting und Viechtach, enthält auch einen - allerdings sehr kleinen - Bereich für Kötztinger lokale Nachrichten. Im Winter 1938/1939 erschienen in der Zeitung zwei berichte über den Wintersport auf Kötztinger Straßen und Wiesen. Die Geschichte der Kötztinger Burschen dürfte um die Jahrhundertwende passiert sein. Ich kenne auf dem Haus Nummer 51 (= heutzutage Modehaus Schödlbauer) einen Bauantrag eines Michael Huber von 1899. Name und Lage des Hauses dürften damit zu dem "Unglück" passen. Viel Spaß beim Nachlesen

Zeitungsausschnitt Bayerische Ostmark Januar 1939

Bayerische Ostmark Februar 1939, Bericht aus alten Zeiten
Es steht zu vermuten, dass die oben genannten "Burschen", vor allem wenn man deren Reaktion (Bußgeld Sammlung und Aufdeckung nach vielen Jahren) berücksichtigt, aus den Reihen der Kötztinger Bürgerssöhne und damit wohl aus dem damalig aktiven Burschenverein stammten. Damit würde der Bericht auch zu dem heurigen Jubiläum des BWVs Bad Kötzting passen.....
beinahe hätte ich es vergessen, noch ein Bild wurde nachgeliefert. Sammlung Voithenleitner Herr Robert Voithenleitner und vermutlich Herr Wolf sen., der Stoibermaler, beide  in Startposition vor der Haustüre


Akten aus dem Stadtarchiv Bad Kötzting  Neues Archiv 631/64
Bilder aus dem Bestand des Arbeitskreises Heimatforschung Kötzting

Freitag, 30. Januar 2015

Manchmal hilft der Zufall....Photos aus dem Staatsarchiv Landshut

 Mein Ziel war es - eigentlich ist es das immer noch, denn bis jetzt war ich noch nicht erfolgreich - Material über unseren Bahnhof, speziell über den Lokschuppen, zu finden. Um es kurz zu machen, bis auf ein paar Gleisdarstellungen habe ich noch nichts in der Hand, aber gewissermaßen als Beifang sind ein paar schöne Informationen hinzugekommen. Dieser Lageplanauszug- in Wirklichkeit ist der Plan ein gaaaanz langer Streifen und reicht bis hinunter zum Steinbachtal -  zeigt nicht nur das Kötztinger Bahnhofsareal, wie es bis vor wenigen Jahren noch ausgesehen hatte, sondern bringt auch noch ein paar interessante Details.

Detailplan des Kötztinger Bahnhofes mit Lokschuppen, Laderampe und
den Anfängen des späteren Baywa Geländes.




Die Hausbesitzer in der unteren Bahnhofstraße heißen von links nach rechts: Ausmann - Michael Winter (Winterschneider) protestantisches Vereinshaus (später das  Autohaus Kroher, hier versammelten sich die Kötztinger evangelischen Christen, bevor deren Pfarrkirche auf der Platte gebaut worden war)  Anwesen Karl Kollmaier.
Im April vor 70 Jahren waren die beiden Anwesen Ausmann und Winter die einzigen beiden privaten Anwesen, die im Krieg Zerstörungen erlitten hatten. Dies ist vermutlich bei dem Luftangriff der Amerikaner auf den Kötztinger Bahnhof geschehen. Den anderen, allerdings größeren Schaden, erlitt die Kötztinger Ziegelfabrik.

Soweit die Vorgeschichte, in den Akten des Bezirksamt/Landratsamtes Kötzting fand sich auch ein Vorgang über den Umbau der Bahnübergänge im Bereich Kötzting, mit dem Hinweis, es wären Photos mit dabei. Also gleich bestellt und siehe da, eine Zeitreise um fast 100 Jahren für den Bereich Kötzting und Steinbach.
Deckblatt





Bereits umgebauter Bahnübergang ausgangs des Steinbachtales


Als erstes wird der Bahnübergang zwischen dem heutigen Hotel Steinbach und Harras gezeigt, immer im Bild ein damals moderner LKW und manchmal - manchmal auch sehr verwaschen weil in Bewegung - eine kleine Dampflokomotive und eine dekorativer Cabrio PKW.

in der Wiese im Hintergrund steht heutzutage die Siedlung Steinbachtal, rechts ganz knapp am Bildrand ist eine Ecke des Gebäudes vom Hotel Steinbachtal gerade noch zu sehen.


Eines der bekannte Bildmotive der Kötztinger Eisenbahn, im Hintergrund das heutige Hotel Steinbachtal

eine Überfahrt näher an Kötzting, mit der "Geisterbahn"

Übergang, früher Zufahrt zu den jetzigen Tennisplätzen, im Hintergrund die Platte erkennbar


derselbe Übergang, Blickrichtung Spatiliweg



derselbe Übergang, nur ohne Dampflokomotive

ein tolles Bild, Cabrio gegen Dampflokomotive

links der Hang des Schinderbuckels, in etwas auf Höhe Werkstätte Weber/Mühlbauer

im langgezogenen Bogen Richtung Kötzting
Alle diese Bilder und Dokumente stammen vom dem Staatsarchiv Landshut, aus dem Bestand Landratsamt Kötzting  Rep 164-8 Nr. 3660 aus dem Jahre 1926. Zwar habe ich noch nichts über den Lokschuppen in der Hand, aber es gibt ja noch andere Archive, die darüber Material haben könnten und kommt Zeit kommt Rat oder so ähnlich.