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Dienstag, 26. November 2019

Die Kirschners - eine Kötztinger Bürgersfamilie und ihr trauriges Schicksal


Julius Kirschner, seine Abstammung und seine Familie


Schon seit vielen Jahren beschäftige ich mich mit dem Leben unserer früheren jüdischen Kötztinger Mitbürger - im Wesentlichen die beiden Großfamilienverbände Kirschner und Hahn - und drücke mich wie die Katze um den heißen Brei um eine Veröffentlichung herum. Nicht, weil ich das Thema der Erniedrigung, der Enteignung, der Vertreibung und der - bei einigen Familienmitgliedern -  späteren Ermordung nicht aufgreifen möchte, sondern weil ich immer noch das Gefühl hatte, ich hätte noch nicht alles Wichtige an Material und Dokumenten beisammen.
Nun ist es eine GOLDENE REGEL der Familienforscher - und aus der Ecke komme ich ja ursprünglich - mit Veröffentlichungen nicht zu lange zu warten, weil man
erstens: eh nie mit der Forschung fertig wird und
zweitens:  man unter Umständen zu lange gewartet hat und die Erben den ganzen, mühselig gesammelten, Plunder (in deren Augen) einfach wegwerfen.
Als ich nun im letzten - 2018.- Sommer das Bild beim Passantrag von Susanne, Susi, Kirschner in München im Staatsarchiv gefunden habe, hatte ich mich entschlossen, nicht mehr länger zu warten, und habe einfach mit diesem kleinen, tapferen Mädchen einen Anfang gemacht, der nun seine Fortsetzung finden soll mit dem nächsten Blog über unsere jüdischen Mitbürger, nämlich ihrer Familie.

links in dem Postkartenausschnitt das Anwesen des
Moritz Kirschner in der Marktstraße
Die bayerische Sprache ist manchmal sehr direkt und gleichzeitig drückt sich in ihren "Regeln" auch unausgesprochen eine gewisse Zugehörigkeit bzw. ein Ausschluss aus. Wenn also die Kötztinger, und das tun auch heutzutage noch alle älteren Kötztinger, vom "Kirschner Juler" ( in dieser Reihenfolge also Familienname, Rufname) sprechen, dann drückt sich damit eine Anerkennung als geachteter Bürger, der in der Mitte seiner Gemeinschaft stand, aus. Ähnlich wie bei den benachbarten "Achtler Walter", "Schwarzanderl Gang" war der "Kirschner Juler" in Kötzting der 20er und beginnenden dreißiger Jahre eine feste, hochangesehene Größe und ein Begriff, der vor Allem untrennbar mit dem Fußballspiel in Kötzting verbunden war.
Nur der Vollständigkeit halber, bei der, fast benachbarten, zweiten jüdischen Familie Hahn sprach man - ich kenne den Ausdruck sogar heute noch von älteren Mitbürgern und zwar ausdrücklich ohne jeden despektierlichen Hintergrund "mir gengan zum Hahn Jud".
Dies ist, offensichtlich der Regel der bayerischen Hausnamen folgend, wohl ebenfalls ein Ausdruck, bei dem der Benutzer sich beim Aussprechen keine Gedanken über den möglicherweise fatalen Beigeschmack macht(e). Wenn ich ältere Mitbürger, was mittlerweile selten genug vorkommt, bei Gesprächen diese beiden Ausdrücke benutzen höre, höre ich daraus weniger eine Herabsetzung der Personen, sondern es ist für mich vor allem der Ausdruck, dass die - positive - Erinnerung an die beiden Familien gerade noch am Leben ist. Dies wird leider eh nicht mehr lange der Fall sein.

Also fangen wir mal an, wann geht es los mit den ersten jüdischen Familien in Kötzting?

Zwar war es seit dem Judenedikt von 1813 rechtlich möglich, dass auch jüdische Mitbürger in Bayern Grundbesitz erwerben durften, aber erst mit der Annahme der Verfassung des neu gegründeten Deutschen Reiches von 1871 kam es zur tatsächlichen vollkommenen Gleichstellung unserer jüdischen Mitbürger. In Österreich, speziell im Königreich Böhmen, war die Situation für jüdische Mitbürger schon vorher wesentlich besser und so bildete sich, vermutlich auch ausgehend von einem Zentrum jüdischer Kultur und Lebens in Prag, eine wachsende jüdische Bevölkerungsschicht. Wikipedia schreibt von ein Volkszählungen für Böhmen aus den Jahren 1846 bis 1880 und berichtet von einen jüdischen Bevölkerungsanteil von 1,6 – 1,8 Prozent in Böhmen.
Vor allem im böhmisch-bayerischen Grenzgebiet gab es einen großen Anteil an jüdischen Mitbürgern und mit der rechtlichen Gleichstellung in Bayern begann dann auch langsam eine Besiedlung zuerst der größeren Städte in Bayern und dann bald auch im Markt Kötzting.
In unserem Bereich war es vor allem die Stadt Cham, welche für die jüdische Bevölkerung des Umkreises ein religiöses und kulturelles Zentrum darstellte. Sichtbares Zeichen dieser Verbundenheit mit Cham ist heute noch der jüdische Friedhof auf der Bergeskuppe in Windischbergerdorf, ein beeindruckendes Zeugnis jüdischen Lebens in unserer Gegend.

Repro 3193 Arbeitskreis Heimatforschung Hnr 127 von 1894. 1890 bezog Moritz Kirschner dieses Haus, 1896 hat er das Anwesen dann erworben.


So wie und wann und vor allem woher kamen nun die Kirschners?
Stadtarchiv Kötzting
Familienstammbogen Moritz Kirschner
In bayerischen Städten und Gemeinden galt damals noch die Rechtsform des Heimat- bzw. Bürgerrechts. Dieses Recht beinhaltete auch eine Art von sozialer Absicherung (auf sehr niedrigem Niveau) für seine Träger (und dessen Familie). Daher erhielt nicht jede Person, welche in einem Ort zugezogen war, automatisch sofort dieses Heimatrecht, sondern es wurde ganz genau hingesehen, ob der Neuankömmling nicht vielleicht nur eine Bürde fürs Gemeinwesen war. In dem Fall wäre sein Geburtsort zuerst einmal zuständig
Am 22. Oktober 1898 jedenfalls wurde dem Kaufmann Moritz Kirschner, geboren am 14.1.1851 in Neznaschau in Böhmen in Kötzting ein Familienstandsbogen ausgefüllt, der ihn in die Liste der Personen aufnahm, die in Kötzting ausdrücklich ohne Heimat- und Bürgerrecht wohnten, obwohl er zu diesem Zeitpunkt, lt eigener Aussage, bereits seit 1896 Eigentümer des Hauses mit der Nummer 127 war, heutzutage ein Feng Shui Laden.

Stadtarchiv Kötzting Familienstammbögen

Er selbst beschrieb seinen Werdegang in seinem Antragsschreiben zur Erlangung des vollen Kötztinger Bürgerrechts am 6.7.1900:

Ich bin seit 21.5.1890 in Kötzting wohnhaft, wo ich seit dieser Zeit ein Kaufmannsgeschäft betreibe und die mich betreffenden Steuern und Umlagen stets bezahlt habe.

Seit 19.August 1896 bin ich im Besitz des Anwesens Hs No 127 dahier.
Bisher war ich in Neznaschau k.k. Bezirkshauptmannschaft Klattau beheimatet.
Ich stelle die Bitte, mir, nachdem die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen, das Heimat- und Bürgerrecht in der Gemeinde Kötzting gegen Bezahlung zu verleihen.
Ich bin am 14. Januar 1851 in Neznaschau geboren, später habe ich mich am 12.Juni 1884 in Modlin bei Neugedein in Böhmen mit Therese Hahn verehelicht und besitze 8 Kinder

Kirschner Helene  geb. 14.9.84 in Modlin
                 Albert   geb 24.12.86 in Modlin
                 Max      geb 28.6.88 in Modlin
                 Amalia geb 10.4.90 in Modlin
                 Julius   geb 12.4.92 in Kötzting
                 Josephine geb 6.7.93 in Kötzting
                 Ida       geb 24.6.98 in Kötzting
                 Fany    geb 8.6.00 in Kötzting

               
Seine Frau Therese Hahn selber war am 26.8.1858 in Neuern geboren worden.

Das heißt, dass Moritz Kirschner bereits seit 10 Jahren in Kötzting gewohnt und gearbeitet hatte, seit bereits 4 Jahren Besitzer eines Marktlehens gewesen war und erst nach Ablauf dieser Frist den Antrag stellen konnte, als Kötztinger Bürger sein Bürgerrecht sich zu kaufen.
Unsere tschechischen Nachbarn sind, was den digitalen Zugang zu ihren Archiven angeht, viel, viel weiter als wir hier in Bayern.
Unter der Hausnummer 9 findet sich bei der Volkszählung in Neznaschau des Jahres 1880 noch die ganze Familie Kirschner aufgeführt:
http://portafontium.eu/iipimage/34432376?x=-119&y=37&w=1050&h=383
hier findet sich die ganze Familie Kirschner aufgelistet.
http://portafontium.eu/iipimage/34432376?x=27&y=202&w=422&h=154



http://portafontium.eu: Karten hier, am Rande von Neznaschau, im Hause Nummer 9 wohnte die Familie Kirschner
 

 Kirschner Josef, Haushaltsvorstand, geboren 1815 in Neznaschau, Okres Klattau, seine Frau Josepha geb 1816 in Loucim Ocres Susice und dann schon der Sohn Moritz, geboren in Neznaschau. Seine weiteren Geschwister waren Jakob, Anna und Sofie.
Weiter sagt uns die Volkszählung, dass die Familie Kirschner 2 Pferde, eine Stute und einen Wallach, und vier Rinder besaß, wovon zwei Kühe, die zwei anderen aber noch den Jungrindern zugeordnet waren.

Die Richtigkeit all dieser Angaben bestätigte Josef Kirschner mit seiner Unterschrift:
Schaut man sich die einschlägige topographische Literatur dieser Gegend an, so deckt sich der Befund von 1880 auch mit noch früheren Angaben.
In der topographischen Beschreibung Böhmens von 1839 ist in Neznaschau bei 264 Einwohnern von 4 israelitischen
Familien die Rede

Auch der spätere Aufenthalt in Modlin findet sich in der Literatur: In einer Einwohnerbeschreibung welche den Zeitraum von 1840-1870 umfasst, findet sich der Hinweis: In Modlin waren Adam Hahn und Moritz Kirschner. Also genau die beiden Familiennamen, welche später dann auch als Ehepartner in Kötzting einwanderten
Wo liegt denn nun dieses Neznaschau?
Das moderne Internetkartenmaterial hilft auch hier weiter:

Sogar die Hausstelle kann man heutzutage per Satellit ausmachen:
Google Maps:
Vergleicht man diese "Luftaufnahme" mit dem Plan aus
dem 19. Jahrhundert weiter oben, so hat sich gar nicht
so viel geändert.

Doch zurück nach Kötzting,

Kinderfestzug 1905 Bild aus der Sammlung Voithenleitner
Die Familie Häfner - Voithenleitnerhaus -  war um die Jahrhundertwende bereits sehr fortschrittlich besaß einen Photoapparat daher besitzen wir viele Bilder aus dieser Zeit, vor Allem natürlich von den großen Umzügen in Kötzting. Da der Photograph der Familie sehr häufig aus dem eigenen Haus - bzw. hier aus dem alten Rathaus - heraus photographiert hatte ist, ist automatisch das gegenüberliegende Haus sehr häufig der Hintergrund ihrer Bilder. 
 Hier eine Aufnahme des Kinderfestzuges von 1905, neben dem Festzug fällt der Blick dann  auch auf die Menschengruppe auf der Treppe vor dem Kirschneranwesen, die direkt dazu reizt, eine kurze Bildanalyse vorzunehmen:




Bildausschnitt aus dem obigen Bild: Bildrechte Sammlung Voithenleitner







Das Bild wurde, wie gesagt,  1905 aufgenommen, die Kirschners, die den Laden betreiben, sind 15 Jahre zuvor - die ersten Kinder sind noch in Böhmen geboren -  aus Modlin in Böhmen zugewandert. Das bayerische Heimatrecht haben sie dann mit dem Kauf des Gebäudes 1894 erhalten. Zu sehen ist also das Geschäft des Moritz Kirschner, einer der Buben ist wohl Julius, ein anderer Max Kirschner, der noch im Herbst 1914 am Anfang des Krieges für das Deutsche Reich gefallen ist. Eines der Mädchen ist Ida Kirschner, die Frau des späteren Kötztinger Kreisbaumeisters Hermann Seiler, also Ida Seiler. Zwei der anderen Mädchen sind in die USA ausgewandert. Eines der Mädchen hatte später als verheiratete Freiwirth 2 Buben, die den Naziterror überlebt haben und danach in England und den USA lebten.

Sammlung Voithenleitner
Interessant ist die Personengruppe am oberen Ende der Eingangstreppe. Vor allem der bärtige Mann ganz oben scheint einen typisch jüdischen Hut zu tragen. Da ich mit Frau Anna Rosmus in den USA mehr oder weniger regelmäßig Kontakt habe, habe ich ihr gleich den Bildausschnitt zugesandt und um Ihre Meinung gebeten, ob ich mit meiner Vermutung richtig läge. Frau Rosmus hat sich an ein paar Spezialisten für jüdische Kleidung in den USA gewandt und wenige Wochen später kam die Bestätigung:
"The dark hat may be a Shtreimel.  Basically, this is a hat worn by Hasidic men on special occasions.  It is traditionally made of fur.  That is my guess.  The other man may also have some type of Hasidic dress on.  I am sending you some pictures to look at comparisons.  Of course this is only my educated speculation."  
 
Da wir den Familienverband der Kirschners um die Jahrhundertwende genau kennen, war es wohl so, dass sich Besuch aus Böhmen angekündigt hatte, um das Kötztinger Spektakel zu bewundern. Die Mädchen und Buben, festtäglich gekleidet, waren sicherlich nicht in der Kötztinger - katholischen - Volksschule eingeschult und daher auch nicht Teilnehmer des Kötztinger Kinderfestzuges.
Dieser Bildausschnitt ist ein unbezahlbarer Beleg über unsere damaligen jüdischen Mitbürger, die sich hier sichtlich gefreut haben und den Festzug und die festlichen Tage in Kötzting sicherlich auch genossen haben.
Kriegsarchiv Ingolstadt Kriegsstammrollen der
bayerischen Armee für den Unteroffizier Alfred Kirschner
Nun also weiter mit der großen Familie, die Kinder wuchsen heran und die drei Buben wurden als junge Männer zur bayerischen Armee eingezogen.
Alfred Kirschner, der älteste, 1886 in Modlin geboren und mittlerweile als Zollinspektor in Ludwigshafen in Lohn und Brot, diente bereits 1908 als Einjährig Freiwilliger beim 11. Infanterieregiment und wurde 1 Jahr nach Dienstantritt wegen Dienstunbrauchbarkeit entlassen, hatte allerdings lange Zeit am Offiziersunterricht teilgenommen. Im ersten Weltkrieg diente er 1915 zuerst bei der 2. E(isenbahn) Trainabteilung, später dann beim Grenzschutzbataillon. Im Herbst 1918 wechselte er dann zur bayerischen Fuhrparkkolonne. Seine Teilnahme am Stellungskrieg in Flandern wird ausdrücklich erwähnt.


Viel schlimmer erwischte es seinen jüngeren Bruder Max Kirschner, zwei Jahre nach Alfred, aber auch noch in Modlin geboren.
Kriegsarchiv Ingolstadt Kriegsstammrollen der
bayerischen Armee für Max Kirschner

Am 15.8.1914 eingezogen
                             am 16.8. vereidigt
                                                       am 20.9. nach Fürth versetzt
                                                                           am 21.10. weiter an die Front.
                                                                                                  am 16.11.1914 in Frankreich gefallen



In seiner Kriegsstammrolle ist nur noch erwähnt, dass er vom 30.10.-16.11. an der Schlacht bei Ypern teilgenommen hatte und dass er wegen seines Einsatzes in dieser Schlacht sogar beim Bataillon zur Beförderung vorgeschlagen wurde.
Der nächste Eintrag sagt ganz nüchtern: am 16.11.1914 im Reservelazarett 68,25 Res.Div. in Comines infolge Verwundung (Bauchschuß) gestorben.
In roter Tinte ist am Rande noch vermerkt: Personalangaben an Reichsbund jüd. Frontsoldaten Berlin 3.3.1932. 

Auszug aus der Kriegsstammrolle für Max Kirschner Quelle: Ancestry.com, die amerikanische Genealogieseite, welche die Dokumente vom Hauptstaatsarchiv München digitalisieren konnte und nun weltweit gegen Bezahlung nun anbietet.




In den Kötztinger Zivilstandsregistern ist sein Tod erst am 24.3.1915 eingetragen, als die schriftliche Benachrichtigung aus dem Reservelazarett seinen Tod schriftlich gemeldet hatte.


Max war schon Jahre vor dem Krieg beim Militär gewesen, als sogenannter "Einjährig Freiwilliger". Im Stadtarchiv befinden sich zwei Telegramme, in denen der Vater Moritz Kirschner um Auskunft bittet, in Welchem Krankenhaus sich im Jahre 1909 sein Sohn befindet.
Stadtarchiv Kötzting Familienstammbogen Moritz Kirschner
Regensburg 13.1.1909 Überführung des Einjährig Freiwilligen Kirschner in die Privatanstalt Hratzen gemäß dem Antrage des Vaters desselben genehmigt. 
dem Kirschner Kenntnis gegeben : Unterschrift M Kirschner
In einem zweiten Telegramm erkundigt sich Moritz Kirschner nach dem Namen des leitenden Arztes und wo sich die Heilanstalt Hratzen überhaupt befinden würde. Die Antwort des kgl 11. Infanterieregimentes mit der 7. Compagnie in Regensburg wird über den Magistrat Kötzting weitergeleitet und erläutert, dass sich die Heilanstalt bei Staab in Böhmen befinden würde..

Album Frau Ida Sailer
Gedenktafel auf dem Friedhof in Windischbergerdorf Aufnahme Heinrich Frank, Wiesing



 Moritz Kirschner hatte, wie oben angeführt, drei Buben und fünf Töchter und auch der dritte Sohn, Julius Kirschner,  musste zur Armee:
Schon im Jahre 1913 bis Juli 1914 hatte er im Infanterieregiment 10 seinen "Wehrdienst" abgeleistet. Danach dauerte es bis zum Frühjahr 1915, Anfang März zum Landsturm eingezogen wurde er bereits 1 Woche später als dienstunfähig entlassen.  1917 aber gings dann wieder zur Infanterie und gegen Ende des Jahres sind bei ihm die Stellungskämpfe zwischen Maas und Mosel und die Schlacht in Flandern protokolliert.
Bis zum Frühjahr 1918 musste er in der Gegend von Cambrai auch die neue Angriffswaffe der Alliierten - die Tanks, die Panzer - erleben. zwei Tage lang dauerte die Tankschlacht, weitere 2 Wochen die weiteren Angriffe der Alliierten.
 In der Folge kam es dann zuerst zu Stellungskämpfen in der "Siegfriedstellung" und dann spricht sein Eintrag von Vorbereitungszeiten für die "große Schlacht in Frankreich".
Ende Februar durfte er für 2 Wochen in die Etappe, aber dann ging es gleich wieder zurück an die Front, wo am 21.3 23.3. ein erster Durchbruch gelang, aber schon bald danach gings wiederum nur um Stellungskämpfe an der Somne, Arne und bei Metz, nun schon im Sommer 1918.

Aus dem Jahre 1910 kennen wir dieses Bild aus dem Privatalbum von Frau Ida Seiler
es zeigt Moritz Kirschner mit seiner Frau und zwei ihrer Mädchen

Wie wenig sich die Kötztinger damals aus den Religionsunterschieden machten sieht man schon daraus, dass im Hause Kirschner auch Mietwohnungen belegt waren. Einige Familienstandsbögen im Stadtarchiv zeigen dies. So wohnte z.B. die Familie des Bezirksoffizianten ( mittlerer Beamter beim Bezirksamt, heutzutage wäre dies das Landratsamt) mit Frau, zwei Töchtern und einem in Kötzting geborenen Sohn im Hnr 127,  beim Kirschner, ebenso, wie die Hilfslehreren Mittelmaier Maria aus Wallerdorf, beide ausdrücklich als "katholisch" in den Familienstammbögen aufgeführt.
Geschäftsanzeige im Kötztinger Anzeiger von 1914

Die zweite Generation


Nach dem (ersten Welt-) Kriege findet im Hause Kirschner dann der Generationswechsel statt.
Stadt Bad Kötzting Standesamt
Hochzeit Josefine Kirschner
In Kürze vorab: Alfred macht Karriere im Staatsdienst, Julius übernimmt den Betrieb des Vaters, Amalia nun eine verheiratete Freiwirth eröffnet in Kötzting, ein paar Häuser weiter die Marktstraße hinunter, ein Textilgeschäft, Ida heiratet den Kötztinger Beamten beim Bezirksamt Hermann Sailer, Josephine heiratet am 11.10.1922 in Kötzting den Postschaffner Sally Landau aus Frankfurth am Main, das Paar zieht offensichtlich dann nach München, wie es bei  Josephine in der alten Einwohnermeldekartei Kötztings eingetragen ist. Vermutlich blieb sie aber nicht lange bei ihrem Mann, denn im Standesamt Kötzting liegt direkt bei der Seite des Heiratsprotokolls eine Anfrage des Ehemanns vom 12.1.1925, also gerade mal 2 Jahre nach der Hochzeit, dass er erfahren möchte wohin sich seine Frau abgemeldet hat. Helene, Fanny und Josefine wandern aber peu´ a peu´ in den nächsten Jahren nach Amerika aus. Helene machte dabei wohl den Anfang und die anderen beiden folgten.
Ihr jeweiliges väterlichen resp. auch mütterliches Erbe, nach dem Tode der Mutter 1934, ließen sie offensichtlich, in Teilen oder ganz, als Hypothek auf dem Hause stehen, wie sich bei der Enteignung im November 1938 zeigen sollte.

Das Schicksal der Familie Alfred Kirschners

Im Zusammenhang mit der Aktion der Stolpersteine des Künstlers Gunther Demnig landete bei mir im Stadtarchiv Kötzting 2013 eine Anfrage des Stadtarchives Würzburg wegen Informationsmaterial über die Familie Alfred Kirschners. Ich konnte helfen und konnte folgends daher auch die bereits im Stadtarchiv Kötzting vorhandenen Bilder aus dem privaten Fotoalbum von Frau Ida Seiler besser zuordnen. Was mir damals auf den Bildern gleich auffiel, waren die kleinen silbernen Kreuzchen, welche die beiden Mädchen als Halsschmuck trugen. Erst in der Kurzbiographie der Familie bei der Dokumentation der ihnen gewidmeten Stolpersteine wurde mir die Lösung präsentiert, Alfred war mit seiner Familie aus der jüdischen Gemeinde ausgetreten und seine beiden Töchter wurden danach  evangelisch getauft. Die Bilder ähneln denen, welche ich aus meiner Familie von den Schulbildern kenne.
Da die "Würzburger", speziell Frau Dr. Ries, den Lebenslauf und das Schicksal der Familie bereits gründlich erforscht haben, hier der Wortlaut der Würdigung Alfred Kirschners und seiner Familie, wie es auf der Homepage der "Würzburger Stoplersteine" zu finden ist.
Anfang des Zitats, entnommen aus: Rotraud Ries, Biographie Albert Kirschner, Stolpersteine Würzburg, 2014, https://www.stolpersteine-wuerzburg.de/wer_opfer_lang.php?quelle=wer_opfer.php&opferid=572&filter=K (16.10.2019)


Albert Kirschner
"© Stadtmuseum/-archiv Baden-Baden"
Am 24.12.1886 wurde Albert Kirschner in Modlin im Westen Böhmens als 2. Kind von Moriz Kirschner und seiner Frau Theres, geb. Hahn geboren. Von seinen sieben Geschwistern kamen drei ebenfalls in Modlin und die anderen vier ab 1890 nach dem Umzug ins benachbarte Kötzting (heute LK Cham, Bayern) zur Welt. Der Vater war Kaufmann und besaß in Kötzting seit 1896 ein Haus.
 Mit 22 Jahren trat Albert Kirschner 1909 in die Bayerische Zollverwaltung ein, wo er bis zum Zollfinanzrat aufstieg, bevor er 1935 aus dem Amt ausscheiden musste. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Soldat und wohnte anschließend in Ludwigshafen am Rhein. Im Mai 1921 zog er nach Kitzingen und heiratete nur zwei Monate später, am 5. Juli 1921, Renate Goldschmidt (geb. 23.4.1894 in Meiningen). Die Hochzeit fand in Nürnberg statt. Der Zollamtmann Albert Kirschner und seine Ehefrau wohnten im Zollgebäude am Kitzinger Flugplatz. Wie viele andere jüdische Frauen dieser Zeit brachte Renate Goldschmidt jedoch ihre beiden Töchter Ingeborg und Margot 1922 und 1923 in Würzburg – höchstwahrscheinlich im Jüdischen Krankenhaus - zur Welt, bevor die Familie dann im Januar 1925 auch dorthin zog. 
Kirschner Manfred
"© Stadtmuseum/-archiv Baden-Baden"

Als Zollamtmann bekam Albert Kirschner für sich und seine Familie eine Dienstwohnung im linken Flügel des Hauptzollamts an der Veitshöchheimer Straße 1a in Würzburg. 1928 wurde der Sohn Manfred geboren.
Karriere im Staatsdienst zu machen, war für einen Juden zu dieser Zeit jedoch immer noch mit vielen Hindernissen verbunden. Vielleicht lässt sich so erklären, dass Albert Kirschner im Mai 1930 mit seinen drei Kindern, aber ohne seine Frau aus der Jüdischen Gemeinde austrat. Dass die Familie nicht aus der Würzburger Gemeinde stammte, dürfte diesen Schritt erleichtert haben. Vermutlich wenig später wurden die drei Kinder evangelisch getauft – und der Vater 1931 zum Zollfinanzrat in der Abt. III des Landesfinanzamts für Zölle und Verbrauchssteuern befördert.
Wie andere jüdische Beamte, die im 1. Weltkrieg als Soldaten gedient hatten, wurde Albert Kirschner infolge der NS-Gesetzgebung nicht gleich 1933, sondern 1935 aus dem Dienst entlassen. Offensichtlich verfügte er jedoch über so hohe Kompetenzen in seinem Tätigkeitsbereich, dass man ihn noch einmal für eine begrenzte Zeit zurückholte, um seinen Nachfolger einzuweisen. Infolge der Entlassung musste die Familie auch aus der Dienstwohnung ausziehen und fand in dem Haus von Paul von Hirsch auf Gereuth in der Ludwigstraße 6 eine neue Bleibe.
Doch nicht für lange. Denn Albert Kirschner entschied sich, mit seiner Familie in Baden-Baden einen Neuanfang zu wagen. Wie einige andere Zuwanderer, meist allerdings Rentner, hoffte er, in dem international renommierten, bis 1938 politisch relativ ruhigen Kurort unter besseren Bedingungen als in Würzburg leben zu können. Er kaufte dort im April 1937 sogar ein Haus (Kronprinzenstr. 4), in das die Familie im Juni einzog.
Spätestens im November 1938 zeigte sich jedoch auch in Baden-Baden das wahre Gesicht der Nationalsozialisten. Wie andere Männer wurde Albert Kirschner am 10. November verhaftet, gedemütigt und in einem erniedrigenden Zug durch die Stadt getrieben. In der Synagoge zwang man die Männer, den Ort und ihre Religion zu schänden, bevor man sie im Bus ins Konzentrationslager Dachau verschleppte.
Nach der Entlassung etwa einen Monat später konzentrierte Albert Kirschner seine Bemühungen darauf, die Auswanderung der Familie in die USA vorzubereiten, wohin mindestens zwei seiner Schwestern emigriert waren. Zur Finanzierung verkaufte er das Haus, während seine Töchter im Sommer 1940 für eine Ausbildung oder einen Vorbereitungskurs nach Berlin zogen. Im Oktober kehrten sie von dort zurück – möglicherweise, weil die Auswanderung unmittelbar bevorzustehen schien. Doch die Familie verlor den Kampf gegen die Zeit.
Denn am 22. und 23. Oktober 1940, ein Jahr vor dem allgemeinen Beginn der Massendeportationen, wurden in einer minutiös geplanten Aktion mehr als 6.500 Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland abgeholt und in mehreren Zügen in das südfranzösische Lager Gurs und in weitere Lager abgeschoben. Sie bekamen nicht mehr als 1-2 Stunden Zeit, das Nötigste zu packen. Nur weil Albert Kirschner bereits KZ-Erfahrung hatte, wusste er, was ins Gepäck gehörte.
Die Lebensbedingungen in dem Internierungslager Gurs am Fuß der Pyrenäen, wohin die Familie Kirschner gelangte, waren unsäglich, weil es an allem fehlte. Die Menschen vegetierten in primitiven Holzhütten, die durch den häufigen Regen in der Region im Schlamm versanken. Einige starben an Krankheiten und Unterernährung, es gab kaum etwas zu tun. Die Grenzen des Lagers waren jedoch, wenn man Hilfe von außen organisieren konnte, durchlässiger als die in den Lagern in Osteuropa. Hilfsorganisationen oder die regionalen jüdischen Gemeinden konnten in gewissem Umfang Unterstützung gewähren. Einigen Menschen gelang die Flucht, andere, die dafür bezahlen konnten, durften in von den Behörden bewachten Hotels wohnen.
Die Familie Kirschner wurde nach einem halben Jahr, wie andere Familien mit Kindern, in das Lager Rivesaltes am südöstlichen Rand der Pyrenäen verlegt. Die Lebensbedingungen waren hier nicht viel besser als in Gurs: Statt unter dem Schlamm litten die Menschen unter dem Wüstenklima. Immerhin wurde hier der Kontakt zwischen den Familienmitgliedern ermöglicht. Spätestens hier nahm Albert Kirschner seine Bemühungen um die Ausreise seiner Familie in die USA wieder auf. Als Zwischenerfolg ist zu verbuchen, dass er im Dezember 1941 die Erlaubnis erhielt, in das Lager Les Milles bei Aix-en-Provence überzusiedeln, während seine Familie in einem überwachten Hotel in Marseille unterkam. Er musste nur noch persönlich zum Generalkonsulat. Doch wieder verlor er den Wettlauf gegen die Zeit, denn ab Februar/März 1942 verbot die Französische Regierung die Ausreise von Flüchtlingen und die Deportationen über Drancy nach Auschwitz begannen.
So wurden alle Kirschners im Juli 1942 wieder interniert, nun im Lager Les Milles. Etwa eine Woche vor dem Transport nach Drancy gelang es hier einem Mitarbeiter der französisch-jüdischen Kinderhilfsorganisation OSE, die Familie davon zu überzeugen, ihm den 14-jährigen Manfred anzuvertrauen. Er versprach, ihn innerhalb weniger Monate in die USA zu retten. Manfred konnte das Lager verlassen, erhielt eine neue Identität und wurde in Waisenhäusern untergebracht. Bis 1948 blieb er noch in Frankreich und reiste dann zusammen mit seiner späteren Frau Ruth, die ebenfalls ihre Familie in Auschwitz verloren hatte, in die USA aus, wo er noch heute lebt.

Margot Vera geb. 1923 Ingeborg geb. 1922
"© Stadtmuseum/-archiv Baden-Baden"

Albert Kirschner, seine Frau Renate sowie die Töchter Ingeborg und Margot wurden nach Drancy und von dort am 17. August 1942 nach Auschwitz deportiert und vermutlich sofort ermordet. 

Ende des Zitats


Renate Kirschner geborene Goldschmidt
"© Stadtmuseum/-archiv Baden-Baden"


Wie im November 2018 im Blog über Susanne Kirschner bereits beschrieben, habe ich bei der Recherche im Internet sehr schnell Hilfe in/aus Israel erhalten und anlässlich unseres Urlaubs im Februar/März in Jordanien und Israel war es mir ein Bedürfnis und Vergnügen mich mit meinen Unterstützern zu treffen. Für Elan Oren waren unsere Übernachtungsorte zu weit entfernt - das Land Israel ist dann doch nicht ganz soo klein - aber Shelly und Elli Feder holten uns spätnachmittags in unserem Übernachtungskibbuz ab und wir verbrachten amüsante, interessante und fröhliche Stunden in einem israelitisch-italienischen Café´.
In schöner Regelmäßigkeit erhalte ich von Shelly Briefe aus dem Besitz ihres Großvaters - zur Erinnerung: Shellys Großvater war gleichzeitig Susanne Kirschners Onkel und Familienersatz nach ihrer Flucht - und einer dieser Briefe stammt von Albert Kirschner und seiner Familie während sie in Frankreich in den Pyrenäen inhaftiert waren.

Unser Zusammentreffen in Israel, rechts Shelly und Elli Feder, ein tolles Paar, wir hatten unterhaltsame Stunden miteinander verbracht


Inhalt des Schreibens von Albrecht an seine Schwägerin Alice, (ihr Mann, Julius Kirschners war zu diesem Zeitpunkt schon lange auf der Flucht aus Deutschland nach Palästina in Bulgarien auf einem Donaudampfer nach einem Herzanfall verstorben) ist eine Bitte um Unterstützung durch eine regelmäßige Überweisung von Geld aus dem Vermögen Albert Kirschners, über dessen Konten er Alice eine Vollmacht erstellt.
Vollmacht für Alice Kirschner
Privatbesitz von Frau Shelly Feder, Israel
Albert Kirschner Centre d´Lebergement de Riversaltes, France, P.O. Flot B, Baraque 78

Meine Lieben
Durch l(iebe) Helen
(Anmerkung: wohl Helene, die älteste Schwester von Albert) erfahren wir, daß ihr über uns auf dem laufenden seid. Aus einer offiziellen Mitteilung der französischen Regierung geht hervor, daß es jetzt zulässig ist, an uns Geld aus Deutschland zu senden und zwar durch Verwandte über die Deutsche Verrechnungskasse für das Verrechnungsabkommen zwischen Deutschland und Frankreich. Da wir Geld benötigen, bitten wir dich, l(iebe) Alice für baldige Überweisung von Geld an unsere Adresse Sorge zu tragen.
Anschließend folgt eine Vollmacht für die Reichsvereinigung, die ich Dich bitte, derselben zu übergeben. Wir sind gesund und hoffen Euch alle wohlauf und munter. Laßt von Euch hören. 

Mit herzlichen Grüßen Euer Albert
Viele Grüße von Inge Margot, Manfred
Adresse für Manfred ist die gleiche wie oben. Adresse für Renate: Renate Kirschner Centre d´Lebergement de Riversaltes, France, P.O. Flot B, Baraque 64.
Für Inge: Centre d´Lebergement de Riversaltes, France, P.O. Flot B, Baraque 64.

Und für Margot: Centre d´Lebergement de Riversaltes, France, P.O. Flot B, Baraque 64.

 Vollmacht
Hiermit ermächtige ich die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland ab 1.Mai 1941 monatlich einen Betrag von 100 RM (Einhundert Reichsmark) von meinem Sperrkonto des Vermögens bei der Deutschen Bank Filiale Baden-Baden und von meinem Sperrkonto bei der gleichen Bank, auf das mein Ruhegehalt von der Oberfinanzkasse in Karlsruhe überwiesen wird, abzuheben und meiner Schwägerin Frau Alice Sara Kirschner in Berlin W15 Xantenerstraße 16 zu überweisen. Mein bruder Julius Kirschner ist auf der Auswanderungsreise nach Palestina im August vorigen Jahres einem Herzschlag erlegen, seine Frau mit einem 11 jährigen Jungen ist in Berlin, das um 2 Jahre ältere Töchterchen ist in Tel Aviv.


 Rivesaltes, Centre d´Lebergement  Flot B, Baraque 78. France P.O.
Albert Israel Kirschner

Der vorstehenden Vollmacht schließe ich mich vollinhaltlich an
Rivesaltes, Centre d´Lebergement Flot B, Baraque 64.
 Renate Sara Kirschner
geb Goldschmidt
Ehefrau

Stempel: übermittelt durch: Komitee zur Hilfeleistung für die kriegsbetroffene jüdische Bevölkerung
Genf,52, rue des Paquis No 247
am 20.Mai 1941


Es ist mir nicht/noch nicht klar, wie dieser Brief und die Vollmacht, welche ja an bei der unter prekären Bedingungen alleine ums Überleben für sich und ihren kleinen Sohn kämpfende Frau Alice Kirschner geschickt worden war, ihren Weg nach Israel gefunden hatte. Vermutlich musste sie diese Vollmacht nur einmal bei der Reichsvereinigung vorweisen und konnte das Schreiben dann als kleines Lebenszeichen der Familie an die Angehörigen in Palästina weiterreichen.
Ingeborg Kirschner Photo von Frau Seiler
Margot Kirschner Bild Photoalbum Ida Seiler



























Wie im oben zitierten Begleittext zu den Stolpersteinen in Würzburg bereits beschrieben, wurden die beiden Mädchen später evangelisch getauft, nachdem die Eltern aus der jüdischen Gemeinde ausgetreten waren. Auf den beiden (möglicherweise Schul-) Bildern sieht man deutlich ein kleines silbernes Kreuz als Halsschmuck.

Renate und Albert Kirschner aus dem privaten Photoalbum, das Frau Ida Seiler geb. Kirschner der Mittelbayerischen Zeitung bereits in den 70er Jahren zur Verfügung gestellt hatte.


 Zum Abschluss des Berichtes über Albert Kirschner und seine Familie, noch ein Bild mit dem Kirschnerhaus im Hintergund:
Wieder dieselbe Situation, Kötzting Pfingsten, vermutlich Pfingstmontag nach der Kranzlübergabe, man erkennt  die Ehrenformation vor den Pferden die durch die Herren des Magistrats und den Vertretern der Vereine hinunter zur Pfarrkirche geleitet wird. Ich denke, es ist der Zeitraum 1934/35. Die Personen an der Spitze des Magistrates dürften/könnten von links: der Pfarrer Dietl, der Bgm Hoiss und der spätere Bürgermeister Kroher sein. Das Bild stammt aus der Sammlung Voithenleitner
aber gehen wir näher ran, ran an die Treppe beim Textilgeschäft Julius Kirschner:
Das Bild stammt aus der Sammlung Voithenleitner

Manfred Kirschner
Bild aus dem privaten Album von Ida Seiler
ich würde sagen: links der kleine Albert auf dem Arm seiner Mutter Alice, hinter ihr steht halb verdeckt Julius Kirschner. Rechts daneben könnte es die Familie Albert Kirschners mit den beiden Mädels sein. Auch die Buben sind in dem Alter, dass es passen würde, Manfred, Oskar und Fritz, vermutlich mit Schulkameraden. Auf jeden Fall hängt im Schaufenster ein Plakat, dass auf ein Fußballspiel des FC Kötztings verweist. Bis zum März 1933 war Julius Kirschner der erste Vorsitzende des Fußballvereines FC Kötzting, aber dazu später viel mehr.


Vier der fünf Familienmitglieder der Familie Albert Kirschner wurden ermordet, nur Manfred Kirschner überlebte die Shoa und lebt - 2018- hochbetagt in den USA.




 

Das Schicksal der Familie Rudoph Freiwirth

Stadt Bad Kötzting, alte Einwohnermeldekartei
Rudolph und Amalie Freiwirth (+1944) geborene Kirschner
Bild aus dem privaten Photoalbum von Frau Ida Seiler
Der in Wien geborene Rudolph Freiwirth heiratete Amalia, die Schwester Julius Kirschners, welche selber noch in Modlin in Böhmen geboren worden war.
In Kötzting bekam das Paar zwei Buben, am 1.2.1920 Oskar Alexander Max und am 28.2.1924 kam Moritz Fritz Kirschner auf die Welt. Sie betrieben in Kötzting ein Textilgeschäft in der - heutzutage - unteren Marktstraße Nr. 7, in der später auch die Central-Drogerie untergebracht war.



Kötztinger Anzeiger 1924
 Wie wohl und wie eingebunden sich die Familie Freiwirth in Kötzting fühlte, zeigt die originelle Geburtsanzeige für den Sohn Oskar:
Kötztinger Anzeiger Februar 1920











 
1932 dann mit der Familie nach München umgezogen, wich er der Naziherrschaft zuerst dadurch aus, dass er wieder in seine Geburtsstadt nach Wien umzog. Aber auch dort war er nicht mehr sicher, Hitler vollzog den Anschluss Österreichs und so ging es weiter nach Prag.


Bild Frau Ida Seiler

 Hier begann dann erneut eine unsichere und gefährliche Zukunft, welche für Amalie Kirschner 1944 die Vernichtung in Ausschwitz brachte. Rudolph Freiwirth und sein Sohn Oskar wurden nach Mauthausen verschleppt, wo sie gesundheitlich sehr angeschlagen, erst von den US-amerikanischen Truppen 1945 befreit wurden. Fred (Fritz) Freiwirth schaffte den Ausbruch aus der tödlichen Umklammerung in Prag und erreichte mit Freunden Korsika und damit die Freiheit in Israel. Dort fand er seine Frau Edith und mit Hilfe seiner drei Tanten, welche bereits vor der Naziherrschaft Deutschland Richtung USA verlassen hatten, konnte er nicht nur seine Einreise in die USA ermöglichen sondern diese waren ihm auch beim Aufbau einer neuen Existenz behilflich.
Fritz M(oritz) Freiwirths berufliche Laufbahn führt ihn später sogar zur NASA und dort war am Appollo Mondlandeprogramm beteiligt.
(Diese Daten der Flucht der Familie Freiwirth habe ich einem Zeitungsartikel vom 31.1.1971 der Kötztinger Umschau entnommen)


Auch Fritz ist bei seiner Ankunft in Israel zuerst bei seinem Onkel, dem Großvater Shelly Feders, untergekommen, weswegen ich seine abenteuerliche Flucht und seine Einwanderung nach Palästina beim Blog über Susanne Kirschner mit protokolliert habe.


Frau Ida Seiler geborene Kirschner auf Besuch bei ihren drei Schwestern in den USA
Das Bild stammt aus dem privaten Fotoalbum von Frau Seiler: hintere Reihe von links:
Finni, Ida, Fanny und vorne sitzend Helen.

Helene Kirschner und ihre drei Schwestern

Seit dem 27.6.1932 ist Helene nach ihrer Auswanderung amerikanische Staatsbürgerin geworden. Josefine ist in den Dreißigern  - offensichtlich nur kurze zeit im Ehestand -
zuerst nach München verzogen und Fanny blieb zunächst noch im Haus bei der Mutter und dem Bruder. Am 29. November 1934 ist die Witwe Therese Kirschner, geborene Hahn aus Neuern, dann in ihrem Haus in der Marktstraße 127, nun Hindenburgstraße 127, verstorben.



Nun also die dritte Kernfamilie der Kirschners:

Julius Kirschner und seine Frau Alice 

Im Jahre 1920 stellte Moritz Kirschner noch Anzeigen in den "Kötztinger Anzeiger" in dem er für den Ankauf von Fellen und Pelzen warb, ein Gewerbe, das später sein Sohn Julius auch fortsetzen würde.
Im Sommer 1921 aber verstarb Moritz Kirschner und wurde von einer großen Verwandtschaft betrauert, wie man in der folgenden Sterbeanzeige, ebenfalls im Kötztinger Anzeiger, ersehen kann.
Nun trat dann sein Sohn die Nachfolge an und avancierte zu einem geschäftstüchtigen und äußerst beliebten Kötztinger Bürger..




Am 15.Januar 1927 heiratete er in Tirschenreuth seine Frau Juliana Aloisia, welche aber nur noch Alice genannt wurde. Alices Bruder Ludwig, ein später promovierter Betriebswirtschaftler, wanderte in den zwanziger Jahren mit seiner Frau nach Palästina aus und war in späteren Jahren die Anlaufstelle und der lebenswichtige Anker für die wenigen Familienmitglieder aus seiner Verwandtschaft, die es  lebend nach Palästina geschafft hatten.
Aloisia, Alice, Kirschner stammte aus einer begüterten Tirschenreuther Kaufmannsfamilie. Frau Ingild Janda-Busl hat in ihrem Buch über die "Juden in der Kreisstadt Tirschenreuth" der Familie Klein viele Seiten gewidmet und bei den Nachkommen von Dr. Ludwig Klein, dem Bruder von Alice Kirschner, haben sich auch persönliche Briefe an Alice erhalten, die aus ihrer Jugendzeit vor und nach dem ersten Weltkrieg stammen.
Aus der Kötztinger Zeit vor der Machtergreifung durch die NSDAP wissen wir - mit Ausnahme des besonderen Engagements von Julius Kirschner für den Fußballsport im allgemeinen und den FC Kötzting im speziellen - nur sehr wenig, was aber eher darauf hinweist, dass die Familien heranwuchs, die Geschäfte gut gingen und alle einer guten Zukunft entgegen sahen.

Die junge Familie in Kötzting wurde größer, am 20.11.1927 kam Susanna Theresia auf die Welt und drei Jahre später am 2.9.1930 ihr Bruder Alfred Joachim. Das Glück war perfekt.









Alice Kirschner geb. Klein
Album Frau Ida Seiler
Julius  und Alice Kirschner mit Alfred
Album Frau Ida Seiler
























Liegend Kirschner Alfred   Mitte: Mädchen aus Hudlach, wahrscheinlich Moltrecht (Ammon), Weigold Marerl (Laggatz), Musiklehrerin Kirschner Frau vom Tierarzt, Fleischmann Mariele (Vater Gerichtsvollzieher) Hintere Reihe: Zimmerer Franz (Glaser Zimmererer), Krämer Erna Tochter vom Ostmarkonkel Conrad Krämer, Hoiss Hanse, Vater später Bürgermeister, Feichtner Bubi (Ludwig)   DIA-Repro 0043 Arbeitskreis Heimatforschung

Susanne Kirschner 12 Jahre alt auf dem Bild
im Begriff auf eine lange und gefährliche
Reise zu gehen nach Palästina im Dezember 1939
Bild: Staatsarchiv München: Pol.Dir.Muenchen_14457
War es im vorigen -2018- Herbst der Fund des Passbildes von Susanne Kirschner, der mich veranlasst hatte, mit ihrer Lebensgeschichte den ersten Beitrag über das Leben der Kötztinger Juden zu veröffentlichen, so ist es in diesem Jahr der kleine Alfred mit dem Miniklavier, der einen sprachlos lässt. Diese kindliche Freude, dieses friedliche Miteinander der Kinder - mit zumindest zwei Kindern, deren Eltern später in unterschiedlichem Maße daran beteiligt waren, dass die Kirschners in Kötzting ab Frühjahr 1933 verleumdet und bedrängt, folgend im November 1938 um ihr Vermögen betrogen und im Frühjahr 1939 dann auch aus Kötzting vertrieben wurden -  war die erneute Triebfeder, nun endlich die komplexe Familiengeschichte und das Schicksal der Kirschners anzupacken.

Recht viel jünger als 7-8 Jahre ist Alfred auf diesem Bild sicherlich nicht, das heißt, dass sich die Kinder nicht all zusehr von der antijüdischen Hetze in der Bevölkerung haben stören lassen.

 Moritz Kirschner, als die Gründergeneration,  hatte in seiner Anfangsphase noch mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen und konnte einen, bereits eingeleiteten, Konkurs unter anderem nur durch eine Bürgschaft von Simon Hahn einem benachbarten Kaufmann aus Kötzting abwenden.
Geschäftsanzeige der Konservenfabrik Kötzting. Offensichtlich
konnte man bei Julius Kirschner auch Fischkonserven beziehen
Kötztinger Anzeiger von 1924
Julius war da wirtschaftlich erfolgreicher, was sich indirekt auch dadurch zeigte, dass er bereit - und es ihm offensichtlich auch finanziell möglich - war mit größeren Beträgen den sich entwickelnden Fußballsport in Kötzting auf Vereinsebene massiv zu unterstützen, doch dies ist später ein eigenes Kapitel.
Er betrieb ein Textilgeschäft - auch für Brautmoden - hatte Angestellte und Lehrlinge - und war im Leder und Häutehandel tätig.
1928 kam dann eine Erweiterung seines Geschäftsbereichs, er stellte zusammen mit der Amerikanischen Petroleum Gesellschaft den Bauantrag, vor seinem Hause eine Zapfsäule für Benzin, also eine kleine Tankstelle, errichten zu dürfen. Solche einzelnen Zapfstellen gab es in Kötzting bereits mehrere (Schötz, Vogl Max, Ellmann, um nur einige zu nennen).
Der Antrag wurde genehmigt und nun konnte man beim Kirschner Juler auch tanken.


Staatsarchiv Landshut Rep 164/8 Nr. 2929
Lageplan
























1933 beim Pfingstritt sieht man noch deutlich die Zapfanlage. In späteren Jahren ist diese dann verschwunden. Kötzting beflaggt noch weiß/blau, man sieht noch keine Hakenkreuzfahnen im Marktstraßenverlauf - respektive Hindenburgstraße, natürlich.           Album Frau Ida Seiler

1925 ist Julius als Mitglied des Kötztinger Orchestervereins nachgewiesen. Bei einer Aufführung

Der Kötztinger Männergesangs und Orchesterverein MGOV für die Aufführung der Operette "Winterliesl" im Januelsaal.
Julius Kirschner ist in der zweiten Reihe - die Stehenden - der Dritte von rechts mit dem markanten Oberlippenbart. Der 2. Mann in der ersten Reihe von links könnte dasselbe kleine "Klavier" - oder wie immer man das nennen möchte - in der Hand haben, wie das, welches Alfred Kirschner ein paar Seiten weiter oben spielt. Repro Arbeitskreis Heimatforschung
Kötztinger Anzeiger von März 1924
der Operette "Winzerliesl" im Januelsaal ist er sowohl Teil des Ensembles als auch, als 1. Vorsitzender, der maßgeblich Verantwortliche des Fußballclubs Kötzting für die Aufführung. Wenn ich mir das Bild ansehe und mir dabei einen vollgestopften Januelsaal vorstelle UND das komplette Ensemble auf der Bühne .....eigentlich unvorstellbar.

Kötztinger Anzeiger von März 1924
Die Aufführung war eingebettet in eine große Aktion zugunsten der Pfalzhilfe. Das linksrheinische Rheinland - es war ja bis wenige Jahre vorher noch bayerisch gewesen - wurde von Frankreich als Faustpfand besetzt, um Deutschland zur Einhaltung der Bestimmungen aus dem Versailler Vertrag zu zwingen und um zivilen Ungehorsam der Bevölkerung zu unterdrücken.
Kötztinger Anzeiger von März 1924












Ich habe den Eindruck, dass es in Kötzting eine Herzensangelegenheit der Bürger und der Vereine war, sich in der Pfalzwoche zu engagieren, und, wie es in einem abschließenden Presseartikel im Kötztinger Anzeiger hieß, den größten - finanziellen - Ertrag erbrachte der Fußballclub mit seinen Veranstaltungen. Julius Kirschner also engagierte sich ein einem weit überdurchschnittlichen Maße für die Belange seines deutschen Vaterlandes, seiner Heimatstadt  Kötzting und seines Lieblingsprojektes, dem 1. Fußballclub Kötzting. Der spätere Kötztinger Bürgermeister Benno Hoiss, sehr frühes Mitglied der NSDAP mit einer Mitgliedsnummer unter 100,000, war zum Beispiel einer der Personen, welche von den Franzosen aus der Pfalz vertrieben worden waren.
 Um zu zeigen, in welchem Maße Julius Kirschner - und mit ihm die ganze Familie - , Schritt für Schritt, gesellschaftlich geächtet und geschäftlich unterdrückt worden ist, ist es wichtig, seinen Auf- und Abstieg in der Kötztinger Gesellschaft zu betrachten.





Der 1. FC Kötzting


Es ist sicherlich nicht übertrieben, wenn ich behaupte, dass es ohne die Energie, die Finanzspritzen und das Organisationstalent von Julius Kirschner den 1. FC Kötzting in der Form und vor allem auf diesem Fußballplatz nicht geben würde.
Doch der Reihe nach.
Es ist sehr, sehr schade, aber die älteste Chronik des Kötztinger Fußballklubs ist irgendwann im Zeitraum zwischen 1985 und 2013 unauffindbar verschwunden.

ABER: in einer bemerkenswerten Facharbeit des damaligen Kötztinger Gymnasiasten Anton Rabl, nun Chirurg in Niederbayern, befinden sich eine Reihe von Photokopien einiger Sitzungsprotokolle vor allem aus der Gründungszeit des Fußballklubs.
Auch in den Zeitungsberichten kann man viel nachlesen über die verschiedenen Anläufe, das Kötztinger Fußballleben zu etablieren, zu verteidigen und immer wieder neu zu beleben 

Die (Anfangs-) Mitgliederliste wohl bei der Vereinsgründung, noch
ohne Julius Kirschner aber mit Hahn Josef, vulgo Hahn Bepp, einem Mitglied
der zweiten jüdischen Großfamilie in Kötzting.
Kopie aus der verschwundenen ersten Chronik des FC Kötztings aus der Facharbeit
von Herrn Anton Rabl
Lt des eigenen Eintrags des 1. FC Kötzting bei Wikipedia fand die vereinsmäßige Gründung im Mai 1921. 

Julius Kirschner war nicht unter den ersten 50 Mitgliedern, unter denen sich viele Personen aus damals - und manchmal auch noch heute - bekannten Kötztinger Familien befanden.
Doch noch im selben Jahr, am 20.10.1921 trat auch Julius dem Fußballclub beim Turnverein Kötzting bei, zusammen mit weiteren Neumitgliedern.










Versammlungprotokoll mit der Aufnahme von Julius Kirschner zum Fußballclub
Kopie aus der verschwundenen ersten Chronik des FC Kötztings aus der Facharbeit
von Herrn Anton Rabl




Kopie aus der verschwundenen ersten Chronik des FC Kötztings aus der Facharbeit
von Herrn Anton Rabl



Zur Generalversammlung im April 1922 erklärte die alte Vorstandschaft, nicht mehr antreten zu wollen und so schritt man zur Neuwahl.
Wenige Monate nach seinem Vereinsbeitritt wurde Julius Kirschner zum 1. Vorsitzenden gewählt. Sein Stellvertreter wurde sein Nachbar und der Vater meines Schwiegervaters, Max Schrödel













Kopie aus der verschwundenen
ersten Chronik des FC Kötztings aus der Facharbeit
von Herrn Anton Rabl


Im Januar 1925 folgte die nächste Vollversammlung, und Julius wurde in seinem Amt bestätigt.

Hinweis auf das erste nachgewiesene Fußballspiel
in Kötzting auf dem Bleichanger (=Jahnplatz) noch
vor der offiziellen Vereinsgründung im Mai 1921













Kötztinger Anzeiger Januar 1924







Kötztinger Anzeiger
























Der Anzeigenteil im Kötztinger Anzeiger ist voll von Hinweisen auf Freundschafts- und Verbandspiele, Abschiedsfeiern, Einladungen zu Versammlungen, Tanzveranstaltungen und andere Festivitäten.


Der Fußballclub organisierte eine sogenannte Christbaumversteigerung, veranstaltete einen "Bunten Abend" mit Musik und Theatersketchen und der Höhepunkt der gesellschaftlichen Aktivitäten war sicherlich ein Vereinsball mit Tanz und Musik.
Juni 1924 im K.A.


Auch den redaktionellen Teil der Berichterstattung für den FC Kötzting übernahm von Zeit zu Zeit der 1. Vorsitzende selber. Hier nebenan in seinen eigenen Worten die Zusammenfassung eines Spiels auswärts in Teisnach.
In Kötzting war der Spielplatz die Wiese, genannt der  Bleichanger, vor der Turnhalle, bei dem sogar der Jahn Regensburg spielen musste und von dort mit 4:2 wieder nach Hause geschickt wurde.

Mai 1924 im K.A. Der große Jahn Regensburg wird in Kötzting
auf dem Bleichanger sportlich fair 4:2 geschlagen































 politische Entwicklung:


Im Oktober 1923 war es in einem Nebenzimmer des Brauereigasthofes Decker zur Gründung der NSDAP in Kötzting gekommen. Die treibende Kraft war Herr Benno Hoiss, der im April desselben Jahres wegen nationalsozialistischer Propaganda von den Franzosen aus der Pfalz ausgewiesen worden war.  Mit der Herrlichkeit war es bereits im November wieder vorbei, als nach dem niedergeschlagenen Hilterputsch auch die Partei verboten wurde.
Kötztinger Anzeiger



Wir befinden uns nun im Jahre 1924, in München ging im Frühjahr der sogenannte "Hitlerprozess" mit den, auch in der Kötztinger Presse, vielbeachteten Aussagen Generals Ludendorffs zu Ende und trotz des Urteilsspruches von gut 5 Jahren Festungshaft für die Hauptangeklagten kommt es bereits 5 Tage später zu einer Wahlkampfveranstaltung für die anstehende Reichstagswahl, diesmal im Dimpflsaal, und bereits am nächsten Tag konnte dieser "Völkische Block" in Kötzting 159 Stimmen einheimsen. 


Kötztinger Anzeiger
Kötztinger Anzeiger








Nun aber zuerst weiter mit dem Fußball in Kötzting:


1925 wurde Julius Kirschner erneut zum Vorsitzenden gewählt, 1926 wollte er sich von der Vorstandsarbeit zurückziehen (zum Jahreswechsel im Januar 1927 stand ja seine Hochzeit an), der neu gewählte Vorstand nahm die Wahl an und ernannte Julius Kirschner aufgrund seiner umfangreichen Verdienste um den FC Kötzting zum Ehrenmitglied.
Am 7. März 1927 wurde zu einer außerordentlichen Vollversammlung geladen, weil sich der alte Vorstand außerstande sah, den Fußballclub zu leiten.
"Nachdem der erste Vorsitzende, Herr Rauscher, sich nicht befähigt fand, den 1. F.C. Kötzting richtig zu leiten, wurde zur Wahl eines neuen Vorsitzenden geschritten, welches als freudiges Ergebnis die Wiederwahl des langjährigen und verdienten I. Vorstandes Herrn Kirschner zeigte. Nach langen Überreden erklärte sich Herr Kirschner bereit, den Vorsitz wieder zu übernehmen, und es sei an dieser Stelle nochmals der Dank .......ausgesprochen für sein großes Interesse und seine finanziellen Opfer für unseren nun wieder aufstrebenden Club. "

Kopie aus der verschwundenen
ersten Chronik des FC Kötztings aus der Facharbeit
von Herrn Anton Rabl




Dieses Bereitschaft war aber zunächst vergeblich, es gab Streitigkeiten (Zitat: "durch verschiedene Vorkommnisse ist Stillstand eingetreten") und die Spielbetrieb wurde eingestellt. Das letzte Fußballspiel war am 20.3.1927 und dann kam das Ende. Es verblieben Schulden in Höhe von     1600 M, die Herr Julius Kirschner privat abdeckte, wofür ihm das noch vorhandene Vereinsvermögen und die Pokale ausgehändigt wurden.
Sollte dies das unrühmliche Ende des 1. F.C. Kötzting sein?
Nein, am 23.1.1930 wurde erneut vom Turnverein eine Generalversammlung einberufen, und in Anwesenheit der Turnvereinsvorstände wurde erneut ein Versuch gestartet, den Fußballclub wiederzubeleben, und zum ersten Vorsitzenden wählten die Mitglieder den langjährigen Vorstand, der immer noch zu Hause die Siegespokale aufbewahrt hatte: Herr Julius Kirschner. Auch der damalige Bezirksamtmann Thomas, heutzutage wäre es der Landrat, hatte für den Neustart geworben.
Damit dieser auch unter guten Voraussetzungen ablaufen konnte, spendierte Alfons Liebl die Dressen für die Mannschaft, Karl Waldmann die Hosen, Julius Kirschner 6 und Paul Gerstl jeweils 4 Bälle. Die Tornetze wurden von Josef Liebl gestiftet. 
Nachdem auf der Versammlung auch von Seiten der Kommunalpolitik die "Platzfrage" angesprochen worden, gings nun überraschend schnell:
In der Chronik steht die Sensation:

"14.3.1930
Unter dem obigen  Datum hat es der Verein gewagt, den schneidigen Arbeiten der beiden Vorstandsmitglieder Julius Kirschner und Alfons Liebl entspringend, sich einen eigenen Platz zu kaufen, der von Michl Mühlbauer (Osl) um den Preis von 6000 M erstanden wurde. Der Platz wurde unter Hinzunahme von 6-10 Arbeitern in circa 5 wöchentlicher Dauer einem richtigen Sport entsprechend hergerichtet. Auch die viele freiwillige Arbeit verdient vollste Anerkennung.

11. Mai

Das erste Wettspiel gegen Cham I. Mannschaft (Kreisliga) endete 7 - 0 Halbzeit 4 - 0 für Cham

25. Mai

Im Gasthof Post fand eine Mitgliederversammlung statt, in der die Lokalfrage behandelt wurde. Als Lokal wurde Lindner vorgeschlagen jedoch aber der Wunsch geäußert, nochmals Amberger die Angelegenheit zu unterbreiten und um umgehende Antwort zu ersuchen. Nachdem von diesen keine Antwort eintraf, war die Lokalfrage mit Lindner gelöst."

Kötztinger Anzeiger
Mit dem neuen Platz des 1. F.C. , der, so wurde es auf der Mitgliederversammlung erklärt, kurz vor dem Grundstückskauf auch ins Vereinsregister eingetragen worden war, gab es wohl einen Interessenkonflikt mit dem früheren Hauptverein, dem Turnverein. Man versprach zwar von Seiten des F.C. gute Rücksichtnahme auf diesen und wollte dies auch durch die rege Teilnahme an den Turnstunden dokumentieren, aber schlussendlich bildeten sich zuerst einmal zwei Fußball"vereine" heraus, die "Rot-Weiß Kötzting" und der "1. F.C. Kötzting" mit Julius Kirschner an der Spitze. Liest man in dem nebenstehenden Artikel ein wenig zwischen den Zeilen, so hatte der FC zwar einen Platz, aber die Rot-Weißen eher die angeseheneren Spieler, mussten aber andererseits auf dem ungeliebten, weil eigentlich von den Maßen her ungeeigneten Bleichanger spielen. Der Reporter jedenfalls schien ein Fan der Rot-Weißen zu sein, denn der Schlachtruf des FCs war Hipp-Hipp- Hurrah und nicht DJK-Heil.
Kötztinger Anzeiger
Die Situation war sicherlich unglücklich und es ist dem Geschick unter anderem von Julius Kirschner zu verdanken, dass sich die Verantwortlichen nun an einen Tisch setzen wollten, um eine Vereinigung der beiden rivalisierenden und streitenden Vereine zu erreichen. Am Mittwoch, den 25.10.1931, war es soweit, nach längerer, aber fruchtbarer Diskussion wurden sämtliche Rot-Weiß Mitglieder beim FC Kötzting aufgenommen und der Zusammenschluss vollzogen.
Mit überwältigender Mehrheit 76 von 80 Stimmen wurde Julius Kirschner nun der Vorsitzende des Gesamtvereins. Alfons Liebl, der spätere 2. Bürgermeister der NSDAP wurde Kassier (er war ja Bankier im Hauptberuf).


Nachdem die Platzfrage geklärt war und die ungute Konkurrenzsituation zweier parallel spielender und um die Aufmerksamkeit der Kötztinger heischender Fußballmannschaften durch den Zusammenschluss auch geklärt war, konnte zu höheren Zielen gegriffen werden:

Das Stadion am Roten Steg entsteht:

Staatsarchiv Landshut Kötzting Baupläne

















 

 

 Nun hätte ja alles gut werden können, wirtschaftlich, familiär und gesellschaftlich verlief alles in guten Bahnen für Julius Kirschner und seine Familie.

Die Nazis kommen an die Macht:

 
Noch bei der Reichstagswahl im Spätherbst 1932 war die Stimmenverteilung im Markt noch nicht so, dass die NSDAP alleine die Mehrheit hätte für sich reklamieren können. Vor allem die Bayerische Volkspartei konnte dagegen halten.
NSDAP 374   SPD 29     KPD 152   BVP 324   Deutschnationale 42     Bauernbund 21
Aber die Zeiten änderten sich sehr schnell und sehr extrem. Die Kötztinger NSDAP feierte, wie im auch im übrigen Deutschen Reich am 30.Januar 1933 die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler durch den greisen Reichspräsidenten von Hindenburg.



In der Nacht des 30.Januar kam es bei den Siegesfeiern der NSDAP vor einem Kötztinger Wirtshaus zu Schlägereien zwischen der SA und Arbeitslosen, welche der KPD angehörten.
Am 21.2.33 war eine Großkundgebung der NSDAP zu Ehren des Führers geplant inklusive Fackelzug der SA und mit einer Redeübertragung in der Turnhalle. Die Festrede sollte der Gauleiter der Bayerischen OstmarkSchemm, halten. (Kötztinger Zeitung vom 21.2.1933)
Dann kam es zur Wahl im März 1933 - die Zeitungen und Parteiorgane der SPD und der KPD waren bereits verboten bzw. unterdrückt worden - wobei vor allem der - mutmaßlich von den Nazis initiierte aber einem holländischen Anarchisten in die Schuhe geschobene - Reichstagsbrand in Berlin der NSDAP in die Hände spielte, welche "Gelegenheit" Hitler eiskalt nutzte um das Reichsermächtigungsgesetz durchzusetzen.

26. Februar 1933, es war letztes Faschingswochenende, kam es in Kötzting im neuen Fußballstadium zu einem Kötztinger Faschingspokalturnier. Bäcker gegen Schuster gegen Metzger gegen Friseure.
Hier: die Mannschaft der Bäcker  Bild aus einem Photoalbum von Barth Josef senior

Hier die Metzger, Barth Josef sen, aus dessen Besitz dieses Photoalbum stammt, steht hier ganz links in Metzgermontur
Bild aus einem Photoalbum von Barth Josef senior
Mit Sicherheit hat Julius Kirschner auch dieses Turnier maßgeblich mit vorbereitet, der Verein war für ihn eine Herzensangelegenheit, das Stadion war neu, im Hintergrund der Bilder sieht man den Bretterzaun, wie er auch auf dem Bauplan von 1932 zu sehen ist...... - wenige Wochen später trat Julius Kirschner vom Amt als 1. Vorsitzender zurück.

Wie ist es dazu gekommen?


Wahlergebnis für die Reichstagswahl im Markt Kötzting März 33:
NSDAP 620  SPD 36 KPD 79 BVP 325 DNL 30 Bbd 20

Die Kötztinger NSDAP triumphierte und die Kreisleitung in Kötzting veranstaltete für den Tag der Reichstagseröffnung einen Fackelzug zu dem "alle auf dem nationalen Boden stehenden Vereine" eingeladen waren. Dazu waren die Schulen geschlossen, alle kommunalen und viele privaten Gebäude wurden beflaggt. Der Fackelzug mit zwei Musikkapellen endete im Graßlsaal, der bis auf den letzten Platz gefüllt war. (Kötztinger Zeitung vom 21.3.1933)
Nun ging es Schlag auf Schlag in Kötzting und in der Umgebung.

In Berlin wurde mit dem Reichsermächtigungsgesetz die Verfassung buchstäblich außer Kraft gesetzt und hatte dadurch Durchgriffsmöglichkeiten auf die Landesregierungen. Die BVP-Regierung in Bayern mit Dr. Held als Ministerpräsident wurde putschähnlich zum Rücktritt gezwungen, durch von Epp ersetzt, der sich nun nicht mehr bayerischer Ministerpräsident nannte, sondern Reichsstatthalter, wir hatten ja keine föderale Struktur mehr, sondern alles war auf eine einzige Person ausgerichtet, auf den Führer in Berlin. 

Nun aber weiter vor Ort in Kötzting:


Kötztinger Anzeiger 1.4.1933
Bereits am 29.3. wurde das Kötztinger Ehrenbürgerrecht an den Reichspräsidenten v. Hindenburg und den Kanzler Adolf Hitler verliehen und die Marktstraße gleich mit in Paul-von- Hindenburg Straße umbenannt, die Herrenstraße wurde die Adolf-Hitler-Straße. Mit Datum 1. April 1933 rief die Ortsgruppe der NSDAP in Kötzting - allerdings nach detaillierten Vorgaben aus der Parteizentrale -  zum Boykott der jüdischen Geschäfte in Kötzting auf und 3 Tage später wurden die Mitglieder des F.C. Kötzting anlässlich einer Siegesfeier beim Januel vom schriftlichen Rücktritt ihres langjährigen Vorsitzenden Julius Kirschner informiert. (K.A. vom 4.3.1934)  Nach 13 Jahren als Vorstand des 1. F.C. Kötzting, der diesen Verein durch alle Höhen und Tiefen getragen hatte, blieb ihm angesichts der öffentlichen Angriffe von Seiten der NSDAP wohl nichts anderes übrig, als aus Selbstschutz und Selbstachtung zurückzutreten.

Kötztinger Anzeiger 1.4.1933



















Es ging turbulent weiter im Mark Kötzting 


20.4. 1933 Der Geburtstag Adolf Hitlers. Ihm zu Ehren kam es zu einem Festgottesdienst mit der NSDAP, der HJ und Deputationen hiesiger Vereine. Nach dem Gottesdienst folgte dann ein Umzug der SA und der HJ durch den Markt.
21.04. 1933 Neuordnung des Gemeinderates in Kötzting. Der Bürgermeister der BVP Hans Schödlbauer (Schuhhaus Schödlbauer) musste zurücktreten, und es kam zur Neuwahl:
Neuwahl Bürgermeister:
  1. Bürgermeister Benno Hoiss, der bisherige Kreisleiter der NSDAP
  2. Bürgermeister Liebl Alfons

Die Kötztinger Zeitung vom 21.+23.4.1933 berichtet von Verhaftungsaktionen - fälschlich Schutzhaft genannt -  für Angehörige der SPD aus Blaibach  vorgenommen, aber durch die SA von Kötzting.
Im Juni kam es dann zur nächsten Verhaftungswelle, diesmal waren die Funktionäre der BVP, der bayerischen Volkspartei, dran, eine Aktion, bei der auch mein Großvater betroffen war.  Die nach der letzten Marktgemeinderatswahl gewählten Vertreter der BVP, Wilhelm Oexler, Leopold Januel und Clemens Pongratz "durften" dann ihr Rücktrittschreiben unterzeichnen, und somit war der Weg frei für einen reinen NSDAP Marktgemeinderat, straff organisiert nach Führerstruktur

Von nun an kennen wir nur noch einzelne Lebenszeichen - zumeist indirekter Art - von Julius Kirschner, der es mit Sicherheit auch wirtschaftlich sehr schwer hatte von diesem Moment an.
Von der Erniedrigung und der Beleidigung, die in dem Boykottaufruf ganz direkt und nicht einmal zwischen den Zeilen zu lesen war, ganz zu schweigen.
Aber, und das ist im Rückblick ein positiver Aspekt, der Rückhalt in der Bevölkerung für die Familie Kirschner war besser, als es der Partei gefiel.
Kopie aus den persönlichen Unterlagen von Frau Ida Seiler

Anton Rabl, ein Kötztinger Gymnasiast, nun ein angesehener Mediziner, hat 1982 im Rahmen einer sehr ausführlichen Facharbeit über die Kötztinger jüdischen Familien geschrieben. Im Rahmen seiner Recherche hat er auch mehrere Interviews geführt, und diese - sicherlich subjektiv gefärbten - Erinnerungen zeigen durchaus, dass die Familie Kirschner als Geschäftspartner und als Menschen gesucht und angesehen waren.
Therese Fink sagte über ihn : Facharbeit Rabl Seite 18)
Julius Kirschner errichtete im Hinterhof seines An­wesens einen Spielplatz, auf dem sich nicht nur seine eigenen Kinder amüsieren durften, sondern der auch nicht-jüdischen Kindern zugänglich war. Zu diesem Zweck baute er eine Rutschbahn und stellte den Kindern ein altes Auto zum Spielen zur Verfügung. Das Ergebnis war klar : Regelmäßig nach dem Unter­richt, in der Mittagspause und der Freizeit wurde diese Spielgelegenheit von vielen Kindern wahrge­nommen.

Da es im Winter vielen auswärtigen Kindern unmöglich war, bei der ohnehin nur eine Stunde dauernden Mittagspause nach Hause zum Essen zu gehen, erklärten sich ", so sagte Max Kiefl, der damals selbst eines der Schul­kinder war, " verschiedene Familien wie z.B. Ehemann, Decker, Staudinger und eben die jüdische Familie Kirschner bereit, täglich Kinder zu speisen, ohne ein Entgelt dafür zu verlangen ".


Xaver Bachl aus Rimbach schrieb zum Beispiel in seiner kleinen Biographie über die Kötztinger jüdischen Geschäfte

In Rimbach selbst gab es keine Juden, in Kötzting gab es zwei jüdische Geschäfte, der Hahn, und der Kirschner. Von diesen beiden Juden wurde nur positiv gesprochen, Man hatte dort gerne eingekauft. In Rimbach gab es besonders viele arme Leute, die oft keinen Pfennig Geld

hatten; diese haben dann ihr Nötigstes bei den Juden gekauft. Dort bekam man auch ohne Geld was (auf Kredit). Natürlich wurde und musste das dann auch wieder zurückbezahlt werden, aber in der größten Not war einem da doch geholfen, Und so hatten eben diese beiden Juden Ansehen.

Der, im Prinzip, allgemeine Kinderspielplatz im Hinterhof, die Bereitschaft Kinder umliegender Gemeinden des Schulsprengels zum Mittagstisch zu laden, und auch die Bereitschaft "Anschreiben zu lassen" waren geschätzt und anerkannt.

Während es für Julius Kirschner geschäftlich und gesellschaftlich zunehmend enger wurde, starb noch seine Mutter Theresa hochbetagt im Witwenstand am 30.11.1934 im Alter von gut 76 Jahren. Wegen dieses Ereignisses wissen wir, dass bereits damals noch/oder schon Beziehungen nach Palästina bestanden. In einem Brief Dr. Ludwig Kleins an seine Angehörigen ist von dem Tode die Rede. Ein Brief, der aber später wieder den Weg nach Palästina gefunden hat. Vermutlich hat in späteren Jahren Frau Alice Kirschner Briefe und Dokumente an ihren Bruder zurückgeschickt, bei dem ja Ihre Tochter Susanne Zuflucht gefunden hatte.


Brief von Dr. Ludwig Klein im März 1935
"Besonders Leid tut es mir , daß wir dem lieben Julius anlässlich dem Ableben seiner Mutter nicht ein paar Trostworte geschrieben haben. Er möge es mit den außerordentlichen Verhältnissen entschuldigen, in denen wir seit 18 Monaten leben.
Wir senden euch einige Photos von unserem Spaziergang am vergangenen Schabbath. Für heute euch allen herzlichste Grüße und Küsse Euer Ludwig."


Aber nicht nur Ludwig in Tel Aviv hatte Probleme, in Kötzting fielen die Kirschners vermutlich von einem Entsetzen ins andere.

Sonntag Morgen, Kirtasonntag, geschäftsoffener Sonntag, vor dem Haus in der Marktstraße werden die Verkaufsschragen aufgestellt, die der Markt damals den Fieranten zur Verfügung stellte. Es wird viel "Landvolk" in den Markt kommen, Kötzting ist bereit:
Bild aus der Kötztinger Umschau vom 9.11.1988

Aber nun zieht die Kötztinger SA mit einem Plakat auf und verhindert, dass die Marktbesucher auch zum Kirschner in der Geschäft kommen. Vermutlich ist einer der beiden SA Männer auf dem Bild der Sonderbeauftragte der SA beim Bezirksamt Kötzting Anton Kirschenbauer, der sich bis 1936 bei allen Verhaftungen in und um Kötzting hervorgetan hatte, 1936 wurde er dann wegen "ehrenrühriger Handlungen" aus der Partei ausgestoßen.
1935 im Dezember informierte das BZamt in Kötzting den Magistrat, dieser habe sicherzustellen, dass keine "arischen" Haushaltsangestellten unter 45 Jahren in jüdischen Haushalten arbeiten würden, Stichtag war der 1.1.1936. So verlor die 22 jährige Köchin Klara Aschenbrenner bei den Kirschners binnen 3 Wochen ihre Anstellung.
Es sind auch Schikanen sowohl gegen Kunden als auch gegen die Familie Kirschner bekannt, wie sich einzelne Personen in Interviews mit Anton Rabl 1982 noch gut erinnern konnten.
Ich füge hier einige Aussagen Kötztinger Zeitzeugen an, die Anton Rabl, als Auszug aus seinen Interviews, in seiner Facharbeit aufgeführt hat.
Grete Bauer (Facharbeit Seite 20)
Ein Mann kaufte bei Julius Kirschner ein und wurde beim Verlassen des Geschäftes von einem Nazi-Posten beobachtet. Als er mit einem Paket in der Hand Richtung Oberer Markt ging, bemerkte er, daß er von diesem Posten verfolgt wurde. Geistesgegenwärtig eilte er in ein nahegelegenes Geschäftshaus und warf das Paket hinter den Ladentisch. Da die Laden­inhaberin sofort die brenzliche Situation erkannt hatte, versteckte sie das Paket schleunigst unter dem Ladentisch. Als nun der Verfolger hereinstürmte, die beiden zur Rede stellte und die beim Juden ge­kaufte Ware forderte, bezeugte die Ladeninhaberin, trotz Androhung einer Anzeige für den Fall, dass die Ware gefunden würde, dass er beim Eintritt in den Laden nichts dergleichen bei sich gehabt hätte. Eine Anzeige unterblieb, da das Paket nicht ent­deckt wurde.

Franz Aschenbrenner schilderte die Situation so : "Als ich einmal mit meiner Mutter zum Einkäufen gehen durfte, betraten wir auch das Geschäft der Kirschners. Ich bemerkte, dass im Laden ein ziemliches Durcheinander herrschte: Stoffballen, Kurzwaren, Wolle, Garne verschiedener Art und Farben, sowie Kleider lagen ungeordnet auf Tischen und auf dem Boden. Frau Kirschner wagte aus Angst vor den Braun­hemden nicht, irgendwelche Informationen über solcherlei Kontrollen preiszugeben. Der verängstigte Gesichtsausdruck war Erklärung genug."

In einer Zusammenfassung aus den Gesprächen mit seinen Interviewpartnern beurteilt Rabl die bedrückende geschäftliche Situation für die Familie Kirschner:
Da die Nazi - Patrouillen vor den Haupteingängen der jüdischen Geschäfte plaziert waren und die Kunden genau kontrollierten, wagten viele Leute nicht mehr, offiziell bei Juden zu kaufen. Statt durch den bewachten Haupteingang traten sie durch den unbewachten Hintereingang ( im Falle Kirschner ) in die Läden ein und kauften Waren. Viele, die berufstätig und daher nicht in der Lage waren, tagsüber einzukaufen, erschienen nicht mehr wie früher abends, sondern wegen der Nazi-Patroillen in den Nachtstunden. Manche solcher Kunden benützten ihre [Machtbesuche auch, um jüdische Familien mit Lebensmitteln zu versorgen. Der Einkauf wurde deshalb heimlich durchgeführt, da alle Gefaßten, die selbst ein Geschäft besaßen, mit Strafmaßnahmen von Seiten der SA hätten rechnen müssen und somit ihre eigene Existenz ge­fährdet sahen. Ein gefasster Arbeiter oder Angestellter hätte auf Drängen der NSDAP mit dem Verlust seines Arbeitsplatzes rechnen müssen. Da aber die Juden vor allem bei der länd­lichen Bevölkerung sehr beliebte Geschäftsleute waren, ließ diese sich anfangs auch nicht von den SA - Patroillen abschrecken und stellte erst nach Androhung von Gewaltanwendung den Einkauf ein*
noch heute sichtbares, aber mittlerer weile halb
abgemauertes, Fenster zwischen den Häusern
Schrödel und Kirschner, welches eine
Kommunikation
der beiden Familien ermöglichte.

Diesen "unbewachten Zugang" und die unbeobachtete Kontaktaufnahme mit der Familie Kirschner von Seiten der Nicht-Nationalsozialisten kann auch ich bestätigen, weil das Haus der Kirschners an das Anwesen meines Schwiegervaters - bzw. dessen Eltern - grenzte und die beiden Hinterhöfe, zwar durch eine Mauer abgeteilt, unsichtbar für Außenstehende einige Kontaktmöglichkeiten bot.
An der hinteren Zufahrtstraße verdeckte erstens ein großes Rückgebäude jegliche Einsicht in die Höfe, dann gab es ein kleines Türchen in der Mauer und, noch viel wichtiger, es gab genau im Winkel zwischen den beiden Häusern ein Fenster vom Kirschnerhaus hinein in den Hof der Schrödels. So konnten nicht nur die Mädels (die Schwestern meines Schwiegervaters) mit ihrer Schulkameradin Susanne kommunizieren und die mit dem Lehrer in der Schule vereinbarten Botschaften austauschen, sondern auch der Post- und Lebensmittelverkehr konnte so durchgeführt werden. Der Familie Kirschner war glücklicherweise beim Zwangsverkauf genau die Wohnung zugeteilt worden, welche dieses Fenster beinhaltete.









1938, ein Scheideweg, unglaublich was die Familie damals auszuhalten hatte und nur mit der vagen Hoffnung im Hintergrund, möglicherweise auswandern zu können. Den Kindern war bereits der Schulbesuch verboten worden. Die Judenkennkarte wurde eingeführt. Und dann im November, in diesem Falle schon vor der Reichspogromnacht, von den Berlinern als Reichskristallnacht (wegen der vielen Glasscherben) verniedlicht, wurden die Familienoberhäupter Kirschner und Hahn (Herr Grünhut, ua in Harras, war rechtzeitig gewarnt worden) nach Dachau abtransportiert. Erneut hieß das verlogene Zauberwort: Schutzhaft. Nicht die Deutschen sollten vor den Juden geschützt werden, sondern diese sollten vor Ausschreitungen zu ihrer eigenen Sicherheit inhaftiert  werden.....

Am Folgetag der Reichspogromnacht, am 10.11.1938 dann, wurden die beiden Männer (Simon Hahn und Julius Kirschner) mit einem Auto von Dachau nach Kötzting gebracht und mussten beim Notar Gehe die vorbereiteten Kaufverträge unter Zwang unterschreiben. Laut Kaufvertrag durfte "der Verkäufer (Kirschner) die beiden im ersten Stock rechts von der Treppe an der Straßenfront gelegenen, an das Haus Schiedermeier angrenzenden beiden Zimmer mit der dahinter befindlichen Kammer und der Kammer im Rückgebäude, in welcher sich das Bad des Verkäufers befindet .....bis zum 1.Januar 1940 mit seiner Familie unentgeltlich benutzen. Der Käufer verpflichtet sich den Verkäufer über den Zeitpunkt hinaus dort wohnen zu lassen: solange sich die Wohnungsberechtigten im Ortsgruppenbereich Kötzting gut führen und mit dem Käufer vertragen.

Eine weitere Zeugenaussage gibt es über diesen Tag noch in der Facharbeit von Anton Rabl, einer Arbeit, deren Wert gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, da er rechtzeitig daran gegangen war, noch lebende Zeitzeugen zu interviewen:
Josef Gräber erzählte 1982 über die SS-Posten vor dem Geschäft Kirschners:
"Wie bei den anderen Juden war auch bei Julius Kirschners Geschäft SS - Posten aufgestellt. Interessant daran war, daß unter diesen auch Männer waren, denen er in jenen Tagen der Weimarer Republik, als große Arbeitslosigkeit herrschte, eine bezahlte Beschäftigung in seinem Geschäft gab. " 
Die Situation in Kötzting - Deutschland - war hoffnungslos geworden.


Zum 5.1.1939 dann kam das Gesetz über die Änderung der Familiennamen. Die Familienangehörigen mussten ins Rathaus und dort in den Zivilstandsregistern die Änderung ihrer Vornamen, respektive den jeweiligen Namenszusatz protokollieren lassen und mit Unterschrift bestätigen.

Stadtarchiv Bad Kötzting: der Magistrat meldete Vollzug an das Bezirksamt. Die Namenszusätze wurden protokolliert, wie man noch heute in den Geburtsurkunden im Standesamt Kötzting sehen kann. Nach dem Kriege wurden formell diese Namenszusätze wieder offiziell zurückgenommen.



 Der Versuch einer Flucht ins sichere Palästina


Nun wird es kompliziert, Julius Kirschner überlegt, auszuwandern, die Behörden wissen, dass er Beziehungen nach Palästina unterhält, und so schaltet sich die Geheime Staatspolizei nach Hinweis vom Finanzamt ein..


Um den Überblick zu erleichtern hilft vielleicht eine Tabelle:

10.11.1938  Zwangsverkauf des Hauses, die Familie muss in den ersten Stock umziehen. Der Kontakt mit der Umwelt in Kötzting kann über ein rückwärtiges Fenster über die Nachbarsfamilie Schiedermeier/Schrödel aufrechterhalten werden. (Schule-Post)
15.3.1939 Die Auswanderungspläne werden vom Finanzamt an die GESTAPO in Regensburg gemeldet. Gleichzeitig wünscht der Oberfinanzdirektion die Wohnräume der Kirschners für ein zukünftiges Büro der Kreisbauernschaft requirieren zu dürfen, und möchte eine beschleunigte  Erlaubnis erwirken, um das Auswandererumzugsgut versenden zu dürfen.
31.3.1939 Julius erhält die Bestätigung, dass er keine Schulden gegenüber dem Staat hat.
8.7.1939 die Kinder werden nach München abgemeldet. Mittlerweile wissen wir, dass diese dort in einem Waisenheim für jüdische Kinder untergebracht worden waren.

Stadt Bad Kötzting, die alte Einwohnermeldekartei

20.7.1939 Julius und seine Frau melden sich in Kötzting ab und leben die nächsten Monate in Regensburg in der Furthmayrstraße 4a/I wohin ihm am 30.8.1939 die vom Magistrat Kötzting angeforderte Unbedenklichkeitsbescheinigung nachgeschickt worden war.
Es scheint so zu sein, dass der kleine Alfred nicht in München bleiben konnte/durfte/wollte.
Dezember 1939 Susannes weiterer Weg von München über die Schweiz und Genua bis nach Palästina wird hier nicht weiter erörtert, diese Flucht und das Leben der Susanne Kirschner war ja bereits Thema eines Blogs und kann dort nachgelesen werden.
Dieser Fluchtweg durch eine jüdische Jugendorganisation, die es möglich machte, dass junge jüdische Menschen in Gruppentransporten nach Palästina geschleust wurden, war zwar für die knapp 12-jährige Susanne gangbar, aber nicht für den kleinen Bruder, er war schlichtweg zu jung. So kam es also wieder zur Vereinigung von Alfred mit seinen Eltern.
Ab hier kann ich nur mutmaßen:
Wir wissen, dass Alice Kirschner und der kleine Alfred in den Kriegsjahren bereits in Berlin "lebten".  In einer anderen Stellungnahme wird berichtet, dass beide in Berlin, Anfang der 40er Jahre, in einer Schrebergartenkolonie froren.  Auch der Brief Alfred Kirschners aus dem Lager in den Pyrenäen an sie ist ja an eine Berliner Anschrift geschrieben worden.
Warum das Paar sich getrennt hatte, ist unbekannt, es gibt aber einen Hinweis, dass im Bereich der jüdischen Gemeinden das Gerücht vorherrschte, dass Frauen und Kinder vor dem Naziterror sicher wären und es nur die Männer wären, die in Gefahr seien.

 Hier der Vollständigkeit halber in Tabellenform

Herbst 1939 Julius, Alice und Alfred sind in Berlin Wilmersdorf
Frühjahr 1940  Trennung von Julius und Alice, Alice und Alfred bleiben in Berlin
September 1940 Julius Kirschner beginnt seine Ausreise auf der Donau
8.9.1940 Tod auf dem Donaudampfer
9.9.1940 Beerdigung auf dem Friedhof der askenasisch jüdischen Gemeinde in Ruschtuk
20.5.1941 Nachweis der Wohnung in Berlin in der Anschrift der Vollmacht für Frau Alice Sara Kirschner in Berlin W15 Xantenerstraße 16 
13.6.1942 Alice Kirschner und ihr Sohn Alfred werden in das Vernichtungslager Sobibor verbracht
in der entsprechenden Karte der Kötztinger Einwohnermeldekartei ist für beide als Sterbedatum der 7.5.1945, also der Tag der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches eingetragen.
 
Daher nun zurück zu Julius. Das Historikerpaar Erika und Gerhard Schwarz übergaben 2018  ein Belegexemplar ihres neuesten Buches: "Das Rittergut Garzau und jüdische Zwangsarbeit" an das Stadtarchiv Bad Kötzting. Im Sommer zuvor hatten wir Kontakt und konnten so unser Wissen gegenseitig austauschen und ergänzen. Seine Angaben, dass Julius Kirschner vom 23.11.-13.12.1938 in Dachau gewesen sei, kann ich nicht bestätigen, nach meiner Erfahrung und den nach dem Krieg bei diversen Spruchkammerverfahren eingereichten Gedächtnisprotokollen war er eher vor dem 9.11.1938 im Lager eingesperrt. Es machte auch keinen Sinn mehr, ihn nach dem 10.11.1938 noch einmal nach Dachau zu verfrachten, weil er ja an und zu diesem Datum extra per PKW von dort geholt worden war, sein Anwesen hat beim Notar verkaufen müssen.
Aber Rest des Berichtes über ihn, als einen von 52 Zwangsarbeitern auf dem Landgut Garzau, gibt Aufschluss:
Zitatanfang Nachdem er 1939 aus Kötzting ausgewiesen worden war, wurde er in der ersten Hälfte des Jahres 1940 offensichtlich von Berlin aus in das Arbeitslager Garzau vermittelt. Dort gelangte er in den Besitz eines zeitweiligen Passes zur Ausreise aus Deutschland.
 Er emigrierte im September 1940 - meine Anmerkung: zu diesem Zeitpunkt hat er sicherlich bereits von der geglückten Ankunft seiner Tochter bei seinem Schwager in Tel Aviv gewusst - unterstützt von zionistichen Organisationen gemeinsam mit weiteren etwa 1000 jüdischen Flüchtlingen auf dem Donaudampfer Uranus in Richtung Britisches Mandatsgebiet Palästina. Geplant war, dass er am 11.Oktober in Sulina auf die Pacific umsteigen und weiter zum Hafen Haifa reisen sollte. Während der Fahrt erlag er am 8. September einem Herzanfall. Am folgenden Tag wurde er auf dem jüdischen Friedhof von Ruschtuk beigesetzt. Ende Zitat

Stadt Bad Kötzting: Augenzeuge, der beim Ableben Julius Kirschners auf dem Dampfer anwesend war. Ich vermute, dass der Familienname Klein kein Zufall war, sondern Heinrich Klein, der Mitpassagier ein Verwandter aus der Tirschenreuther Klein Familie war,
der es aber anders als Julius, bis nach Palästina geschafft hatte und nun nach dem Kriege sein Zeugnis abgeben konnte.

Stadt Bad Kötzting: Bestätigung der Beerdigung des Kötztinger Bürgers Julius Kirschner

Frau Shelly Feder hatte mir bei unserem Treffen in Israel erzählt, dass sie sich erinnere, dass Susanne Kirschner das Grab ihres Vaters in Bulgarien besucht habe, von ihrer Mutter und dem kleinen Bruder fehlt solch ein Ort der Erinnerung.

Es wurde wieder ein langer, sehr langer Text, aber ich denke wir sind es unseren ehemaligen Kötztinger Mitbürgern schuldig, ihre Lebensspuren in dieser ausführlichen Weise darzustellen und für die Zukunft festzuhalten.
 Im Rahmen dieser Recherche hatte ich Kontakt mit Mitgliedern dieses Familienverbandes und würde mich freuen, diese Personen bei einem zukünftigen Deutschlandbesuch treffen zu können.

Kirschnergrab in Windischbergerdorf


Grabstelle Moritz und Therese Kirschner im jüdischen Friedhof In Windischbergerdorf
Aufnahmen von Heinrich Frank Wiesing






















































Wie schon so oft, bei diesen geschichtlichen Themen, die eine - für meine Verhältnisse - weite Verbreitung finden, bekomme ich NACH der Veröffentlichung zusätzliches Material, neue Hinweise oder aber ich finde - bei der Recherche für den nächsten Blog neues, zusätzliches Material.
So auch hier: die Bilder vom Friedhof in Windischbergerdorf sind so ein Beispiel und bei der Materialsichtung für die Jahreschronik von 1920 (für die 2020er Pfingstbeilage) bin ich über zwei drei Kleinigkeiten gestoßen.
Die pfiffige Geburtsanzeige für Oskar Freiwirth habe ich oben eingebaut, die anderen hänge ich hier einfach unten dran:

KA vom Dezember 1920
Die erste Kötztinger Zimmerstutzengesellschaft, eine urbayerisch, ländlicher Verein, mit langer Tradition hielt  in der Klosterschmiede, beim Röhrl, - später das Hauptparteilokal der Kötztinger NSDAP - sein Preisschießen ab. In der Ergebnisliste finden wir u.a. auch Kirschner Julius. Ein weiterer Beleg, wie sehr J.K. in der Kötztinger bürgerlichen Gesellschaft integriert war.
In dieser Siegerliste finden sich Personen, die später komplett zu unterschiedlichen Fraktionen gehörten: der spätere Ortsgruppenleiter, zukünftige Mitglieder der lokalen NSDAP, spätere Mitglieder der BVP und erklärte Gegner der NSDAP, welche später auch unter Beobachtung der NSDAP standen u.s.w.

Und noch etwas habe ich 1920 gefunden, was ich so vorher noch nie in unserer Lokalzeitung gesehen hatte, eine ganz nüchterne Auflistung der jüdischen Feiertage für das folgende Jahr ausdrücklich "für unsere israelitischen Mitbürger".
KA vom September 1920






In der katastrophalen Nachkriegszeit im Winter 1920 bekamen die Gemeinden Kontingente an Lebensmitteln, die dann auf die einzelnen Geschäfte verteilt und von diesen dann verkauft wurden.
In dieser Liste findet sich - ebenfalls bei anderen nachfolgenden Listen - regelmäßig auch Kirschner  Julius (uU ist zu diesem Zeitpunkt noch sein Vater Geschäftsinhaber) als Abgabestelle.