Oben am Kötztinger Torplatz, beim Kuglmeierschmied, wurden, als die Familie Wanninger mit dem Bau ihres Fachmarktzentrums das Bild des oberen Marktes umkrempelte, am Rande der Baugrube, hart an der Kuglmeierschen Garagenwand, die Fundamente eines historischen Bauwerkes gefunden.
Es gelang einigen Heimatforschern noch schnell die Funde zu sichten - und einige wenige Bilder zu machen - dann waren die Reste aus Kötztings Vergangenheit selber schon Geschichte.
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Bild von Haymo Richter Kötzting |
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Bild von Haymo Richter Kötzting |
Wie konnte nun das Fundament des "oberen Tores" soweit abseits der Straße regelrecht unter einem Gebäude zu liegen kommen?
Nun, der Grund liegt im Marktbrand von 1867 und den Folgen, welche der Magistrat aus dieser verheerenden Katastrophe gezogen hat, um ein ähnliches Unglück zu verhindern.
Die Lösung fanden sie in Brandschneisen und Neuanlage von Straßen.
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Hier ein Ausschnitt aus dem Uraufnahmeblatt des Marktes Kötzting von 1831, das mit "X" gekennzeichnete Objekt war das
Chamauer Tor, welches bereits vor dem Marktbrand abgerissen worden war. |
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Hier auf der Basis des obigen Ausschnittes die projektierte Linienführung der neuen "Marktstraße"
Das Gebäude mit der Nummer 1 war die Kötztinger Schmiede "Beim" obern Tor, welches nach dem Brand an dieser Stelle nicht mehr aufgerichtet wurde, sondern eben dann an der neuen Straßenkreuzung - siehe den folgenden Artikel - auf unsicherem Gelände dann neu errichtet worden war. Auf diese Weise kamen die Fundamente des Chamauer Tors unter die spätere Bebauung. |
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Von Georg Prandl selber habe ich die folgenden Bilder erhalten, die in der kurzen Zeit der Tiefbauarbeiten die Situation festhalten sollten:
Im Jahre 1997 schrieben die Autoren Ludwig Baumann und Georg Prandl in einem Beitrag in den Beiträgen zur Geschichte im Landkreis Cham über die Kötztinger Marktbefestigung und das Chamauer Tor. Mit der Erlaubnis der beiden Autoren führe ich hier deren Beitrag ein:
Das Chamer Tor [1]
Eine verwischte Spur des alten Kötztinger Markttores, das
jahrhundertelang die Straße nach Cham und zu den westlichen Metropolen
Regensburg und Nürnberg öffnete, findet sich im Namen "Torstraße". Aber
so, wie die Straße heute verläuft, würde sie das Tor nicht passieren. Beim
großen Marktbrand von 1867 wurde sie rechts hinauf um eine Hausbreite verlegt[2].
Die einzige bildliche Darstellung des Chamer Tores verdanken wir dem Prior und
Pfarrer P. Thomas Stifler. Er
malte 1659 den Markt, wie er sich vom 30jährigen Krieg gerade erholt hatte. Das
Markttor ist nicht zu übersehen. Eine breite Straße läuft darauf zu. Das
Torhaus überragt die Bürgerhäuser, über der gewölbten Durchfahrt schauen die
zwei Fenster der Torwärterwohnung
marktauswärts[3]
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Ansicht Kötztings mit dem Chamer Tor. Ölgemälde von P. Thomas Stifler, 1659 (Repro L. Baumann)
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"Ein nutzloses und sehr lästiges Tor"
In den Akten finden wir dieses Markttor unter verschiedenen Bezeichnungen:
Oberes Tor, Obertor\ Chamer Tor, Chamauer Tor. Die ersten schriftlichen
Nachrichten bringen die Briefprotokolle des Marktes. 1651: Wolf Vischer, Bürger
des inneren Rats und Kammerer verkauft seine Brandstatt "vor dem obern
Thor"7. 1654: Der Müller Georg Lärnpecher verpachtet "sein Schmidten
[seine Schmiede] beim Obern Thor" an Hans Müller, Hufschmied zu
Grafenwiesen. Schmiedewerkstätten hatten am Ortseingang einen günstigen
Standort. Hier konnten ankommende Fuhrwerke repariert, Pferde
beschlagen werden. Der Hausname "Torschmied" blieb in Viechtach und
Neukirchen b. Hl.
Blut bis in die jüngste Zeit erhalten.
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Kötztings oberer Markt mit dem Chamer Tor. Ausschnitt aus einem Ölgemälde von P. Thomas Stifler, 1659 (Repro L. Baumann).
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Eine
verhältnismäßig ausführliche Beschreibung (die einzige, die bislang zu finden
ist) brachte Marktschreiber Schwarz zu Papier, als unserem Tor das Todesurteil
gesprochen wurde[4]. Anlass war Im Mai 1836
die routinemäßige Feuerbeschau. Die Mängelliste für das "obere Tor"
war so lang, dass sich daraus ein recht anschauliches Bild rekonstruieren lässt:
Über
dem Torbogen, der "ausgewichen", also gerissen und in seiner Statik
instabil war, befand sich die sogenannte obere Torwohnung mit zwei Fenstern
gegen Westen und je einem auf beiden Giebelseiten. Die einflügeligen Fenster
waren ziemlich klein (ca. 60 mal 145 Zentimeter), verglast
und aus Fichte gearbeitet. Das Dach war mit Schneidschindeln
gedeckt, nur der
gut drei Meter hohe Schornstein hatte ein Ziegeldächlein. Links, marktauswärts
gesehen, war der "Pfendstall" angebaut, der nur eine knapp einen
Meter hohe "Fußmauer" aus Rauhsteinen hatte, ansonsten wie eine
Schupfe aus Holz gezimmert und mit Brettern verschlagen war. Im Pfend oder Pfandstall
sperrte der Flurwächter (auch Pfandter oder Pfandknecht genannt[5])
kurzzeitig Gänse, Ziegen und Rinder ein, die er beim illegalen Weiden ertappt
und gepfändet hatte. Torwohnung, Stall und das anschließende Gärtchen hatte
damals der vom Markt angestellte Nachtwächter Schreiner zur Nutznießung
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Kötztings oberer Markt mit dem Chamer Tor. Vergößerung des Ausschnitt aus einem Ölgemälde von P. Thomas Stifler, 1659 (Repro L. Baumann).
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Der Magistrat mit
Bürgermeiter Ludwig an der Spitze ließ von Maurermeister Hummel einen Kostenanschlag
erstellen (Sanierungskosten 90 Gulden) und empfahl dem Gemeindekollegium:
"Man überlässt es zwar den Repräsentanten der Gemeinde zu bestimmen, ob
das ruinose obere Thor nach dem Kostenanschlage wieder hergestellt, oder
ganz kassiert und
das dabei befindliche Gärtchen veräußert werden soll, bemerkt jedoch aber, dass
der Magistrat schon früher auf die Wegräumung dieses nutzlosen nun sehr lästigen
Thores Antrag gestellt hat, umsomehr als man dann keinen Unterhalt kosten mehr
zu bestreiten hätte."' Das Gremium der Gemeindebevollmächtigten entschied
dann
auch auf Abbruch
Mit den Steinen sollten
die Rathausmauern unterfangen werden. Der Transport des Abbruchmaterials wurde
an den "Wenigstnehmenden", den Bürger Johann Werner (jetzt Schlosserei
Heigl) vergeben. Er und Anton Schreil (jetzt Traurig, Schattenaustraße 1)
hatten den Fuhrlohn gegeneinander von 19 auf 10 Gulden heruntergesteigert.
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Oberes Tor im 15. Jh. (Rekonstruktion G. Prantl)
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Oberes Tor im 15. Jh. (Rekonstruktion G. Prantl)
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Beinahe hätte es
noch Rettung für das Markttor gegeben. Am Tag, als der Abbruch versteigert
wurde, eilte der Drechsler Paul Auzinger "in Begleitung seine Eheweibs
Anna Maria" aufs Rathaus "und brachte an, dass sie gesinnt seyen, um
ihr Unterkommen selbständig zu begründen, die Wohnung auf dem obern Thor nebst
angebauten Pfandstall und Gartenfleckl käuflich an sich zu bringen". Der
Abbruch des Tore, meinten die Auzinger , brächte der Gemeinde Auslagen und mit
dem Abbruchmaterial könne nicht viel bezweckt werden, "ihnen jedoch wäre
zu einem Obdache verholfen, damit sie mit ihren Kindern nicht immer in Herberge
herumzuziehen gezwungen wären". Die Markträte aber blieben bei ihrem
einmal gefassten Beschluss. Das Tor wurde kurz danach "kassiert".
Sein Standort war etwa in der Mitte des heutigen Kuglmeieranwesens, rückwärts gegen das Fachmarkt Center
Wanninger. Als 1994 die Baugrube ausgehoben wurde, kamen die Fundamente zutage .
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Oberes Tor. Lageplan. Die Maße der Fundamente wurden 1994von G. Prantl ermittelt, als die Baugrube für den Neubau des Fachcenters Wanninger ausgehoben wurde.
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Es war das letzte
bis dahin verbliebene Markttor. Früher war Kötzting an den vier Zugängen mit
Toren gesichert. Auf dem schon erwähnten Ölbild von 1659 finden wir in Nähe der
heutigen Schmidtbank ein Holztor mit einem Sturzbalken darüber
(Bodenmaiser-Straubingerstraße). Die Straße von Lam her war mit einem hölzernen
Torhaus auf der Regenbrücke geschützt
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Abbildung von Hans Thonnauer um 1590 im Antiquarium der Münchener Residenz
veröffentlicht in Kötzting 1085-1985, Regensburg 1985 S. 21 |
und auf die Eschlkamerstraße führte in der Nähe des heutigen Gasthofs Januel
das "Schmudertor". Name und Standort sind im ältesten Briefprotokoll
von 1651 vermerkt.[6]
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Kötztings Markttor bei der heutigen Commerzbank. Ausschnitt aus einem Ölgemälde von P. Thomas Stifler, 1659 (Repro L. Baumann).
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Zufahrt durch die Marktbefestigung im Bereich des heutigen Pfeffergraben (meiner Meinung nach) . Ausschnitt aus einem Ölgemälde von P. Thomas Stifler, 1659 (Repro L. Baumann). Baumann Ludwig und Georg Prandtl verorten diese "Ortszufahrt" aber weiter südlich, nämlich im Bereich der heutigen TCM, der Klinik für traditionelle Medizin, siehe folgende Abbildung |
[1] Teilweiser
Auszug aus einem Beitrag von Ludwig Baumann und Georg Prantl in den Beiträgen
zur Geschichte im Landkreis Cham von 1997 Band 14 Seiten 59 ff
[2] Stadtarchiv Kötzting (im folgenden: StA Kötzting, V/84,
Grundtäusche sowie Straßenbegradigungen 1867.
[3] Ludwig Baumann: Ein Bild kommt heim. In: Der Bayerwald
311993, S. 39-41. Eine Farbreproduktion im Heimatbuch: Kötzting 1085-1985,
Regensburg 1985, S. 86 und in: Schöner Bayerischer Wald, 44/34 Grafenau 1985
[4] StA Kötzting Xl/54 (1836).
[6] StA
Landshut Briefprotokolle des Marktes Kötzting P1 fol. 1