Beinahe 100 Jahre ist es nun bereits her, dass der Kötztinger Pfingstl das Licht der Welt erblickte. Conrad Krämer, genannt der Ostmarkonkel und seine Mannen vom - im März 1927 gegründeten -Kötztinger Trachtenverein waren Ende der 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Schöpfer dieser Figur, die sich allerdings auf Vorbilder stützen konnte.
Der Ostmarkonkel Conrad Krämer d. Alte mit seinem Geschöpf, dem Kötztinger Pfingst. Ölgemälde von dem Berliner Maler Weber aus dem Jahre 1935. Das Bild hängt im Rathaus Der Stadt.
Dass der Pfingstl - dem Wasservogelbrauch nachempfunden - hier bei uns keinen Vorläufer hatte, wird auch in den überlieferten Beschreibungen gar nicht abgestritten, wie sich aus den Zeitungsartikeln der 50er Jahre entnehmen lässt, die den ersten Auftritt unseres Pfingstls im Jahre 1929 in Straubing festhielten.
Zumindest in den mir zugänglichen Akten - auch in anderen Archiven - ließ sich kein Beleg finden, dass dieser Brauch bei uns - also Kötzting- vorher schon auf irgend eine Tradition hätte stützen können. Allerdings gibt es doch einige Bilder und Berichte über solche Pfingstl/Wasservogelfiguren aus unserer näheren Umgebung, die jedoch alle aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts stammten. Anders sieht es jedoch bereits im Unteren Bayerischen Wald aus, wo es Belege für diesen Brauch bereits im 19. Jahrhundert gibt.
Die folgenden Bilder stammen von unserem Volkskundler Oskar von Zaborsky, der bis zu seinem viel zu frühen Tode in Hinterleckern zusammen mit seiner Frau Grete ein Künstleratelier betrieb, und diese zeigen die beiden Pfingstlfiguren von Wiesing und Wettzell.
Krämerarchiv K 175
Wie auch immer, der Heimatler - ein früherer Name für an der Heimatforsching interessierte Menschen - Conrad Krämer entwickelte zeitgleich mit dem Erstarken der Volkstrachtenbewegung in Kötzting den Kötztinger Pfingstl, der dem überlieferten Brauch des "Wasservogelsingens" nachempfunden wurde.
Aus dem Zeitraum rund um das Jahr 1930 haben wir von Adi Sauerer aus Reitenstein eine Bilderfolge in unsere Sammlung aufnehmen können, die - auf gestellten Aufnahmen - das Ritual mit dem Wasservogel darstellte. Die handelnden Akteure sind eindeutig Kötztnger Trachtler; den Ort dieser Auf- oder Vorführung herauszufinden war mir aber bisher noch nicht möglich.
DIA Repro 674 vorne rechts der Mann mit dem wallenden Bart ist Christian Bauer, der "Christianschneider" von der Schattenau. Links steht Conrad Krämer. Der Pfingstl wird hier noch in ein Blätterkleid gesteckt.
DIA-Repro 675, der Mann mit dem Rücken zum Fotografen und dem langen Trachtenmantel sollte Conrad Krämer selber gewesen sein. Der Pfingstl jedoch wurde hier sogar auf ein Pferd gesetzt.
DIA-Repro 676: Und dann gings ab und hinein ins kalte Wasser. Der Mann rechts im Bild - der mit dem Wassereimer - könnte/Sollte der "Waldbua", Franz Schwarz gewesen sein, mit Intervallen der erste Vorsitzende des Trachtenvereins und vor allem ein Allround-Musik-Talent, Dichter und Sänger.
1936, im Jahr der Olympiade in Berlin, gingen die Kötztinger Trachtler mit ihrem Pfingstl und offensichtlich sogar mit Pferden regelrecht auf eine kleine Deutschlandtournee, die sie am Ende sogar bei der Eröffnungsfeier ins Olympiastadion brachte. Eugen Hubrich schrieb im September/Oktober Heft "Der Bayerwald" von 1936 in einem Jubelartikel - ich denke er war zu diesem Zeitpunkt auch bereits der Schriftleiter des Bayerischen Waldvereins - über die bejubelten Auftritte der Kötztinger.
Hier der Ausschnitt über die Teilnahme an einem Festzug in Hamburg.
Hier der Abschnitt über den Einzug ins Berliner Olympiastadion
Als des darum ging, in den späten Fünfziger Jahren für Kötzting einen moderneren Fremdenverkehrsprospekt zu entwerfen, gingen Entwürfe von den Kötztinger Kunstschaffenden Henneberger, Voithenleitner und Graßl ein, aus welchen der Entwurf Hennebergers ausgewählt wurde und dann für viele Jahre den Prospekt schmückte.
Aus dem Jahre 1962 stammt der folgende Textentwurf von Eugen Hubrich für ein erstes Pfingstlspiel.
Krämerarchiv K 175
Krämerarchiv K 175
In den 50er und 60er Jahren war der Kötztinger Pfingstl nicht nur ein gerne gesehener Begleiter der Kötztinger Trachtengruppen sondern bei manchen überregionalen Gauveranstaltungen sogar ein Themenschwerpunkt, wie beim Gaufest in Miltach im Jahre 1962.
Krämerarchiv K 175
Foto KB Krämer
Foto KB Krämer
Im Zusammenhang mit dem Jahrtag des Trachtenvereins im Jahre 1972 kam es dann zu einer großen Tanzvorführung der Trachtengruppe und dann sogar zu einem vielbeachteten Auftritt des Pfingstls auf dem Tanzpodest mitten auf dem Kötztinger Marktplatz.
Serwuschok SW 232-241
Serwuschok SW 232-241
Wenn mir jemand die tanzenden Trachtenvereinsmitglieder benennen könnte, würde ich die Namen gerne hinzufügen und damit für "alle Zeiten" festhalten.
Sperl Poidl
1972 war "der Wanninger" noch nicht geboren und "der Decker" war noch ein zentrales Gebäude am Marktplatz. Ebenfalls noch zu erkennen im Hintergrund "der Gruber", später eine Apotheke.
Der Pfingstl tritt auf - das sollte der Hauseingang vom Miethaner sein.
Hier noch ein paar Aufnahmen aus dem Fotoarchiv KB Krämers mit den beiden unterschiedlichen Kötztinger Pfingstln, dem einen mit und dem anderen ohne den Strohrück.
Krämerarchiv
Krämerarchiv
Heutzutage hat die Figur des Pfingstls ihre Heimat bei der Kötztinger Festspielgemeinschaft und wird dort im Rahmen des neu geschaffenen Pfingstlspiels - so ie es sich für einen Wasservogelbrauch gehört - auch richtig nass gemacht.
Volksfeste hatten in Kötzting durchaus bereits Tradition. Allerdings wurden diese zumeist im Hochsommer im Zusammenhang mit Landwirtschaftlichen Bezirksausstellungen durchgeführt, die wiederum nur in mehrjährigen Abständen durchgeführt wurden. Im Jahre 1949, also vor 75 Jahren, schritt der damalige Magistrat, der Marktrat - die Stadterhebung war noch Jahre entfernt -, zur Tat und änderte ganz massiv den Ablauf des Einritts beim Pfingstritt und manche andere althergebrachte Gewohnheiten (Zusammenlegung des Burschen- und Brautzuges z.B.). Die Kranzlübergabe und die Ansprache des Kooperators wurden vom Bleichanger auf den Marktplatz verlegt und somit wurde die große Wiese vor der Turnhalle frei und ein erster Versuchsballon mit einem Volksfest mit Bierzeltbetrieb wurde gestartet. Die Ansichten über diese Neuerung waren durchaus unterschiedlich und nur wenige - allen voran der Bürgermeister Hans Kroher - sahen das Potential für diese Veranstaltung ganz besonders an diesem frühen Termin im Jahr. Die Diskussionen um das für und wieder, ja sogar um das "ob", tauchten noch viele Jahre lang immer wieder im Vorfeld des Pfingstfestes auf. Nachdem beim ersten Volksfest nur das Wochenende genutzt wurde, war es bereits bei der ersten Nachschau klar, dass diese Veranstaltung auf die ganze Woche aufgedehnt werden müsse, um überhaupt rentabel zu sein, und um den ganzen Aufwand des Aufbaus zu rechtfertigen. 23 lange Jahre hatte Kötzting nun warten müssen, bis es zum ersten Male wieder an ein "Volksfest" denken konnte. Das letzte Kötztinger Volksfest war im August 1926. Nun also können wir auf stolze 75 Jahre zurückblicken und selbst in den beiden traurigen Corona-Jahren war die Kötztinger Stadtverwaltung bemüht, ein klein wenig an Unterhaltung für die Kunden und Umsatz für - zumindest einige - Fieranten zu ermöglichen
Das Volksfest wird 75 Jahre alt
Hier noch das Plakat des letzten Volksfestes, das von 1926.
Festplakat des letzten Volksfestes in Kötzting
Die früheren Volksfeste - vor 1926 - waren zwar auf dem Bleichanger, also dem heutigen Jahnplatz, aber traditionell in Verbindung mit der landwirtschaftliche Bezirksausstellung, die in einem mehrjährigen, unregelmäßigen Rhythmus in Kötzting durchgeführt worden war (vergleiche die Jahreschronik von 1905), oder aber es waren sogenannte Waldfeste auf dem Ludwigsberg. Wir haben einige Fotos, dass Fahrgeschäfte, wie die Schiffschaukel und das Kettenkarussell auch auf dem Spitalplatz aufgestellt worden waren.
Volksfest 1905: ein tolles Zeitdokument aus der Sammlung Voithenleitner: der Festplatz auf dem Bleichanger beim Landwirtschaftlichen Vereinsfest im August 1905, deutlich zu erkennen sind die verschiedenen Bier- und Weinzelte, die Schiffschaukel
Nun war es wieder soweit, auch aus Gründen des Fremdenverkehrs, und, um die darbende Wirtschaft Kötzting anzukurbeln, wollte der Magistrat der Marktgemeinde Kötzting nun nach langer Zeit wieder ein Volksfest veranstalten, allerdings - anders als heute -, beschränkt auf das Pfingstwochenende.
Leider haben wir von diesen frühen Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nur sehr weniges an Dokumenten in unserem Stadtarchiv. Beide Zeitungen hatten damals noch keine Lokalausgaben, weshalb der Markt Kötzting in den jeweiligen Ausgaben für Regensburg und Straubing nur eine Nebenrolle spielten.
Foto Ehemann Siegfried: Screenshot aus einem kleinen Film vom Volksfest 1950
Foto Ehemann Siegfried: Screenshot aus einem kleinen Film vom Volksfest 1950
Auch Kötztings zweite Brauerei, der "Schmidtbräu" bewarb sich um den Ausschank auf der festwiese
Bewerbungsschreiben des "Schmidtbräus" Brauerei Hotel zur Post
Der Autoscooter - ein unverzichtbarer Bestandteil der Fahrgeschäfte seither - ist ununterbrochen seit 1949 dabei und kündigte sein Kommen bei der Marktverwaltung sogar durch eine Telegramm an, das sich noch erhalten hat.
Hier das Telegramm für den Kötztinger Autoscooter, - damals die Familie Poppek aus Schwandorf- schon seit 1949 ein fester Bestandteil des Kötztinger Volksfestes
Bewerbung um eine Verkaufsstelle für : "Liköre, Brot, Herringe, Ansichtskarten, Süßigkeiten und Rauchwaren", eine mehr als schräge Mischung......von Hans und Rosa Hamsa
Frau Maria Hartl von der Torstraße 157a (damals hatte Kötzting noch die alten Hausnummer, allerdings bereits in Kombination mit den Straßennamen) beantragte einen Limonadenstand
Michael Röhrl bewarb sich für eine Wein und Kaffeebude am Festplatz
Selbst die Baupläne für die damaligen behelfsmäßigen Toilettenanlagen haben sich erhalten:
An was man nicht alles denken musste:
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Der Videoschnipsel stammt aus einem Pfingstfilm von Siegfried Ehemann. In diesem Film werden eigene Aufnahmen aus den Jahren 1947 bis 1950 und solche des Kötztinger Hauptlehrers Josef Bock aus den 30er Jahren verwendet. Die Sequenz des Volksfestes könnte also auch aus dem Jahre 1950 stammen.
In der Vorbereitung des 1950er Pfingstfestes gibt der damalige Bürgermeister Hans Kroher einen Rückblick auf die Hindernisse des 49er Festes und beschreibt die notwendigen Änderungen, die sich aus dem Verlauf des ersten Volksfestes ergeben hatten:
Er schreibt in der Rückschau: zum ersten Mal haben wir unserem heimischen Brauchtum eine besondere Note gegeben durch die Aufführung eines Festspieles, das ein einzigartiges Zeugnis gibt von der Treue zum Herrgott und unserer schönen Waldheimat. Dazu kam die viel umstrittene Veranstaltung auf dem Bleichanger (=Volksfest) und die Verleihung des Pfingstkränzchens bei der Veitskirche. So konnten wir im Vorjahre ein Fest feiern, das als wirklich gelungen bezeichnet werden kann, und um das uns viele unserer Nachbarorte beneiden.....
....Ich weiß, es ist noch vieles zu verbessern, aber Ideen Anregungen und Veranstaltungen bringen immer nur das hervor, was die Menschen, die sie durchführen, aus ihnen machen. Und dazu möchte ich sagen, in diesem Punkte müssen wir uns einig sein, wir müssen soweit kommen, dass aus unserem Pfingstmontag, als Mittelpunkt unserer ganzen Veranstaltung, Festtage werden, die am Samstag beginnen und erst am darauffolgenden Sonntag enden. Wir hatten bald 25 Jahre lang kein Volksfest, wenn wir aber dieses Fest mit unserem Pfingstritt verbinden, dann wird auch das Volksfest zur Tradition werden, jedes Jahr kommen Verbesserungen und de reine oder andere Geschäftsmann wird sich auf dem Bleichanger seinen Platz sichern.
Ausschnitt aus dem Redemanuskript Bgm Hans Kroher über den Umfang des zukünftigen Pfingstprogrammes
75 Jahre also, wie sehr nun unser Volksfest im Laufe der letzten Jahre ein wirkliches "Fest" geworden bzw. geblieben ist, kann man vielleicht auch an der Entwicklung der Kleidung der Besucher erkennen. Trachten und Dirndl, wohin man blickt. Aus dieser Entwicklung kann man zumindest eines zusätzlich ablesen. Dieses, unser Pfingstvolksfest lebt und entwickelt sich gleichzeitig immer weiter; wohin, das sollen die Kötztinger der nächsten Generationen entscheiden.
In der Bildersammlung des Stadtarchives befinden sich viele Beispiele von damals tagesaktuellen Veranstaltungen oder Berichten über Handel und Gewerbe, die uns einen kleinen "Blick zurück" erlauben, zurück auf Menschen, die schon lange verstorben sind oder Orte und Plätze, die es ebenfalls schon lange nicht mehr gibt. Mit dieser Reihe an Blogbeiträgen soll diese Erinnerungskultur ermöglicht werden; eine Erinnerung an ein Kötzting mit viel Handel, Handwerk, Vereinsleben und Gasthäusern, mit Jahrtagen, Bällen, und vor allem mit Menschen.
Beginnend im Jahre 1910 begann in Kötzting an der Kreuzung der beiden Straßen nach Lam und hinauf nach Reitenstein ein Stück Kötztinger Industriegeschichte. Der Gebäudekomplex der Firma Dinkelmayer entstand und nahm im Jahre 1912 als metallverarbeitender Betrieb seine Arbeit auf.
Fotografierplatz im Lesesaal des Staatsarchives Landshut
BZA/LRA Kötzting Nr. 4405 Ansicht Dinkelmaier
DIA-Repro 1575 von 1926 Neubau Turnhalle mit Dinkelmeyer im Hintergrund. Rabl Stadel im Vordergrund
Wie toll einige Details sich selbst nach 110 Jahren und vielen Umbaumaßnahmen noch darstellen, kann man gut an den folgenden Bildern erkennen, die unser Stadtbaumeister Christian Kopf bei einer Baubegehung geschossen hat.
Photo Christian Kopf: Glasfenster im Treppenhaus
DIA-Repro 3747 das Ehepaar Hans Dinkelmeyer
Die Ehrung der Lebensleistung des Hans Dinkelmeyer anlässlich seines 80. Geburtstages. KU vom Oktober 1958. Verstorben im Februar 1960
Im Zusammenhang mit seiner Bewerbung zur Stadterhebung, stellte der Markt Kötzting eine Bilderserie zusammen, um diese einzureichen.
Hier das Foto der Firma Dinkelmeyer vom Winter 1953
StA Kötzting 021-4
Aus einem Zeugnis für Herrn Max Meidinger, erfahren wir, dass bereits im Jahre 1949 die Firma Dinkemeyer den Besitzer gewechselt hatte.
Sammlung Christian Meidinger
Nun also die Ultrakust-Gerätebau aus Ruhmannsfelden.
In den frühen 50er Jahren war es dann eine Firma HEIDENIA, die in den angemieteten Räumen der Firma Dinkelmeyer seine "Heizgeräte" sogar für den weltweiten Export produzierte. Hier die Berichte über diese Firma aus der Kötztinger Zeitung der Jahre 1954 und 1955.
KÖZ von 1954
KÖZ von 1955
1958 erwarb der bereits hochbetagte Rudolf Luft die Heidenia und nun war es die, nach ihm benannte Firma E.kuft KG, die in den angepachten Räumen der Fa. Dinkelmeyer die Metallbautradition des Hauses fortsetzte.
Kötztinger Umschau vom Januar 1958
KU Februar 1966
Die nächste "Umdrehung" kam dann im Jahre 1969, als sich der Salzgitterkonzern dazu entschloss, die Firma Luft zu kaufen
Nach diesem letzten Versuch, eine rentable Metallbauproduktion in Kötzting an diesem Standort zu verwirklichen, wird der Gebäudekomplex für viele Jahrzehnte Heimat der Möbelfirma Kurz und so spricht man in Kötzting, je nach der Altersgruppe, sowohl vom Dinkelmeyer, wie auch vom Luft und Kurz ..... und alle meinen dasselbe große Gebäude an der "Schullererkreuzung"