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Sonntag, 1. Januar 2017

Kötzting im Jahre 1907



Kötzting vor 110 Jahren 

in mittlerer weile guter Tradition möchte ich zu Jahresanfang einen Überblick geben, wie und was es in unserer Heimatstadt vor 110 Jahren so Alles gegeben hat. Warum 110 Jahre?  Ganz einfach, in der Pfingstbeilage der Kötztinger Zeitung schreibe ich seit 16 Jahren eine Rubrik "Kötzting vor 100 Jahren" und mit diesem Zeitungsdatengerüst und der Möglichkeit dieses Blogs, fast unbegrenzt Bilder und Dokumente hinzuzuladen, betreibe ich im besten Sinne ein Datenrecykling.

Gleichzeitig sehe ich hier natürlich ein klitzekleines Problem......ich bearbeite zZ. im Archiv sehr intensiv die Nachkriegszeit bis in die Mitte der Sechziger Jahre und wenn ich jetzt den kleinen mathematischen Dreisatz anwende dann müsste ich noch mindestens 50 Jahre warten, bis ich diese erarbeitete und dichte Information in dieser Rubrik auswerten kann. Nun kurz gerechnet....... 120 Jahre alt zu werden ist vlt. eine etwas unsichere Basis für einen Heimatforscher, wer weiß denn mit Sicherheit ob es das Internet bis dahin überhaupt noch gibt und was mache ich dann....
Also werde ich wohl vlt. zur Jahresmitte eine neuen Jahresrückblick einführen, der so ca. um 1947 einsetzt. Die direkten beiden Nachkriegsjahre werde ich wohl unter dem Aspekt des Kriegsendes und der Militärregierung dauerhaft separat in thematischen Einzelbeiträgen immer wieder aufgreifen. Doch nun geht's erst mal in altbekannter Weise weiter mit



dem Jahresreigen in Kötzting im Jahr 1907



  Die Auswanderung nach den vereinigten Staaten von Amerika war seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ein stetes Thema und es gab seriöse und unseriöse Agenturen und Agenten. Zeitgleich gab es in den Kötztinger Zeitungen Anzeigen für lokale Vermittlungsbüro und die Warnung vor einer solchen Auswanderung.

Auch die billige Masche - heutzutage zu Zeiten des Internets die Nigeriamethode genannt -  leichtgläubige Menschen mit Geldsummen zu ködern gab es schon vor 110 Jahren und auch damals war es schon eine in der Bevölkerung bekannte Methode: die spanischen Schatzschwindler

 








Fasching des Lichtenegger Bundes 



Kurzer Fasching im Jahre 1907. Einem ersten Mummenschanz des Lichtenegger-Ritterbundes erlebte der Gasthof „Zur Post“. Die Motive zu diesem Feste sollten zur Eröffnung der Lokalbahn „Kötzting – Viechtach – Bodenmais“ passen. In dem als „Wartsaal III. Klasse hergerichteten Ballsaal entwickelte sich bald eine fröhliches und reges Treiben und „so walzten und rheinländerten nun Bahnpersonal, Bürgersleute, Bauern und reiselustige Fremde, Brotweiber, Wascherlmadeln und alte Schachteln, alle kreuzschnackerlfidel von Station zu Station[1]“. Der Abend verlief so erfolgreich, dass noch im Laufe des Abends der Wunsch aufkam noch im selben kurzen Karneval einen zweiten Abend folgen zu lassen und so konnte bereits in der Woche drauf eine Folgeveranstaltung in den „Gumbierlschen Sälen“ angekündigt werden.
Bis weit in die 70er Jahre hinein gab es in Kötzting eine andauernde Tradition der verschiedensten Bälle. Viele der Leser werden sich aus eigener Erfahrung an diese Abende erinnern können und können sich in der folgenden originalen Schilderungen wiederfinden.
Urkunde für den Ritter des Lichtenegger Bundes Franz Grassl
mit dem Aliasnamen: Ignaz von Damersberg
s.o. hier für Josef Amberger
Beim „Gumbierl“ also in den „Etablissements Wagner“ fand am Faschingsdienstag eine „Unterhaltung der Lichtenegger statt, die der ersten Veranstaltung in diesem Jahr nichts nachgab. Bei feenhafter Beleuchtung flutete eine Menge Menschen – Männlein und Weiblein – durch die Räume, ununterbrochen verlockten die einschmeichelnden Melodien eines starken und noch verstärkten Streichorchesters zum Tanz und im Hintergrund des Saales erhob sich ein mächtiges Zaubertheater a la Schichtl, dessen Besitzer, ein gewisser Rothmayr, dem Publikum die unglaublichsten Sachen vormachte. Sehr viele hübsche weibliche Masken, darunter sehr viele nette Dominos, hatten sich eingefunden und waren bestrebt, aus den Herren Lichtenegger=Rittern die alte Schneid hervorzulocken und diese attaquierten  ( zum Entsetzen ihrer vielleicht anwesenden Gattinnen) auch fest drauf los. Als um 12 Uhr Prinz Karneval schied, war der Tanz, - die Unterhaltung aber noch nicht zu Ende, es soll so lange gedauert haben, wie das letzte Mal. Am andern Tag aber war keine Katzenjammer=Aschermittwochsstimmung, sondern mit viel Humor wurde allenthalben manches nette Ereignis des vergangenen gelungenen Abends besprochen“.
Laut der Satzung des Ritterbundes Lichtenegg, die auf der Ruine Lichtenegg im Jahre 1879 beraten und auf dem Rittertage zu Kötzting am 27.10.1880 verbessert und beschlossen worden war verpflichteten sich die Mitglieder der Förderung des vaterländischen Sinnes durch Pflege von Denkmälern, Kunst, Musik und Dichtung. Sie wollten die landschaftliche und geschichtliche Eigenart des Gaues hervorheben und nicht zuletzt zur ritterlichen Geselligkeit beitragen. Dieses letzte Ziel sollte durch Veranstaltungen auf der Ruine Lichtenegg und durch Abhaltung von Rittertagen in Kötzting erreicht werden.
s.o. für Wolfgang Kolbeck
Die Aufnahme in den Ritterbund geschah durch eine geheime Wahl, nach Prüfung der Eignung eines Bewerbers durch den Großmeister. Bei einem Ergebnis von 2/3 der Stimmen war der Kandidat als Trossbube aufgenommen. Beim nächsten Rittertag konnte dann der Aufstieg zum Knappen erreicht werden um nach einem weiteren verstrichenen Vierteljahr dann am folgenden Rittertag zum Ritter geschlagen. Der Kandidat entschied sich für einen Ritternamen und erhielt diesen dann auch durch eine Urkunde bestätigt. Viele Kötztinger Bürger finden sich in den Urkunden als Ritter wieder.
Der Gasthofbesitzer Josef Amberger zum Beispiel war der Ritter Leoprecht von Viehhausen, Julius Krämer nannte sich Ritter Urach von Münsterburg und der Gastwirt Franz Graßl lies sich als Ritter Ignaz von Hamersberg ansprechen. 


 











Um im Thema des Lichtenegger Bundes zu bleiben, auch über das Jahr verteilt verstanden es deren Mitglieder die Feste zu feiern, wie einige ausgewählte Presseberichte beweisen:


 

 

 

 

 

 

 

 

  

 

 

 

 

 

 

 

 
Bild aus dem Bestand des Arbeitskreises für Heimatforschung, um 1900 Mann in der Mitte hält ein Modell der Ruine Lichtenegg mit der Aufschrift: Zur Restaurierung der Burg Lichtenegg

Ein kurioses Kartenspiel in Miltach


Immer wieder wird in den Kurznachrichten von ausgefallenen Kartenspielen berichtet, eingebettet zwischen den Sitzungsprotokollen des Zuchtstierverbandes und Schilderungen von besonderen Schicksalsschlägen, die einzelne Personen zu erleiden hatten. Gleich anschließend an die Schilderung der Not, die eine Familie Wensauer aus Lederdorn zu ertragen hatte aus deren Mitte im Laufe der letzten Jahre alle erwachsenen Kinder an Tuberkulose verstorben waren, wird vom Postexpeditor Helfer aus Miltach berichtet der am Ende eines Schafkopfabend beim vorletzten Spiel alle „8 Ober bekam“ und dass dann „beim letzten Spiele wiederum 8 Ober bezahlt wurden“.  Ein Schelm, wer dem Mann, der dieses Spiel gemischt hatte, Böses unterstellt, aber wenigstens war die Partie dann finanziell ausgeglichen.


Schlussprüfung der königlich landwirtschaftlichen Winterschule.

Bild aus dem Bestand des Arbeitskreises für Heimatforschung, rechts die Holzschnitzschule in der Bahnhofstraße 

In den Räumen der ehemaligen Schnitzschule in der Bahnhofstraße  fand die Schlussprüfung der königlichen  landwirtschaftlichen Winterschule statt. Für insgesamt 25 Schüler fand sich eine Prüfungskommission ein, die die Schülerzahl an Köpfen überragte. Angefangen vom Regierungsrat, der die Prüfung leitete, übernahmen auch der Herr Kreissekretär, der Kötztinger Pfarrherr und Distriktsschulinspektor HH Pfarrer Elser, der Bezirksamtmann v. Fuchs, der Landrat Geiger, Vertreter des landwirtschaftlichen Kreisausschusses und alle Mitglieder des Lehrerkollegiums ihr Aufgaben bei der Prüfungsabnahme. Auch Mitglieder des Kötztinger Magistrats du viele Eltern fanden sich ein und konnten eine erfolgreiche Prüfung erleben. Unter den Lehrern der Winterschule fanden sich auch bekannte Kötztinger Persönlichkeiten wie unter anderem der königliche Oberleutnant der Reserve Lindner, der königlich Forstmeister Hubrich, der Volksschullehrer Drunkenpolz. Sie alle wurden, wie das gesamte Kollegium, vom Regierungsrat Bader hoch gelobt für ihr aufopferungsvolles Wirken und mit einem dreifachen Hoch auf den Regenten in München endete die Versammlung.

Aus dem Bestand des Arbeitskreises für Heimatforschung stammt eine Ansichtskarte aus der Druckerei Oexler, die wohl um die Jahrhundertwende gefertigt worden ist (die Eisenbahnlinie nach Lam ist bereits angedeutet. Die idealisierte Darstellung zeigt aber einige Details, die den Betrachter direkt ins Bild hineinzieht, aus diesem Grund habe ich das Bild auch in der großen Auflösung gelassen, es wirkt schöner so.
Bild aus dem Bestand des Arbeitskreises für Heimatforschung, künstlerische Ansicht von Kötzting mit vielen liebevoll eingezeichneten Details, vor Allem sieht man dass der obere Teil der Gehringstraße, also ab der Ecke Metzstraße Gehringstraße damals noch weitgehend eine Gartenlandschaft war.




Pfingsten 1907

Stadtarchiv Bad Kötzting Pfingstakten von 1907 Pfingstplakat
Seit dem Pfingstritt 1906 gelten für die Aufstellung neue, genauere Regeln, das Protokoll der Sitzung des Pfingstkommitees vom Mai 1906 liegt - vermutlich um Doppelarbeit zu vermeiden - im Akt des 1907er Rittes und dieses legt fest dass der Aufstellungsort der Reiter vor der Veithskirche in der Torstraße beginnt und der Priester dann von zwei Reitern am Pfarrhof abgeholt wird. Mit dem Eintreffen dieser Rittspitze beginnt dann der Pfingstritt. Die Zugordner, durch Achselschleifen kenntlich gemacht, mögen bitte dafür Soge tragen, dass die sich aufstellenden Pfingstreiter nicht bis vor die St. Veithskirche vordringen sollten. Feuerwehrmänner an den Eingangsstraßen des Marktes postiert sollten den eintreffenden Pfingstreitern den Weg zum Aufstellungsort zeigen. Interessant ist hier eine Platzanweisung für einen der Feuerwehrmänner: "1 M(ann) auf die Straße beim sogenannten Auwasser".
Bild aus dem Bestand des Arbeitskreises für Heimatforschung, Michael Staudinger und Anna Schötz

Ich vermute, dass es sich dabei um die Furth handelt, an der jetzt die Brücke vom Hallenbad hinüber zum Jahnplatz führt, kann es aber nicht beweisen nur beurteilen, dass man unterhalb des Marktmüllerfalles eher noch nicht vom Auwasser sprach, auch wenn noch weiter regenabwärts die Auwiesen kommen. Es gibt aber in Kötzting den Begriff der "Auwasserer" und damit sind meines Erachtens alle Regenanlieger ab Fessmannsdorf/Grafenwiesen bis hinauf nach Arrach bezeichnet.

Weiter wünschte das Komitee, dass die in den Vorjahren ausgezeichneten Pfingstreiter ihre Ehrenfahnen mit brächten und vor allem solle der Zug bis zum Eintreffen bei der Pfarrkirche beisammen bleiben.  Die Veitskirche und der umliegende Platz solle besonders effektvoll dekoriert werden und im Markte hauptsächlich auch bei der Veitskirche und am Bleichanger Triumpfbögen aufgestellt werden. Wenn nötig kann auf dem Platze bei der St. Veitskirche am Vorabend während des Zapfenstreiches bengalisches Feuerwerk angezündet werden. Das Abbrennen von bengalischen Hölzern durch Kinder ist gegen Strafe verboten. Weitere Regeln betreffen die Aufstellung der Hengste und Anweisungen für den Bräutigam und die Gendarmen. Diese 1906 aufgestellten Regeln werden für 1907 übernommen, aber natürlich traf sich das Pfingstkomitee auch im Jahre 1907, welches, geleitet vom Bürgermeister Liebl und dem Pfarrer Elser auch aus den Magistratsräten Stauber und Stoiber, den Herren Drunkenpolz, Carl Lindner, Georg Dreger, dem Commandanten Karl Vogl, Franz Schmidt und abschließend noch aus Karl Obermeier bestand



Pfarrer Elser wählte aus der Vorschlagsliste des Magistrats den Elektrizitärsbesitzerssohn Michael Staudinger aus, der sich die Bürgerstochter Anna Schötz als Pfingstbraut auserkor.
Im Stadtarchiv befindet sich die Einverständniserklärung, unterschrieben vom neuen Pfingstbräutigam, darin erklärte er sich bereit: die Pfingsthochzeit am Pfingstdienstag pünktlich um Mitternacht beenden zu lassen und den (früher immer üblichen) Ausflug aller am Pfingstgeschehen Beteiligten am Dreifaltigkeitssonntag nach Grafenwiesen zu unterlassen. Darüber hinaus hat er Sorge zu tragen, dass sich die "Brautführer und sonstige junge Leute in der Behausung der Pfingstbraut" nicht "zu größeren Unterhaltungen zusammen gesellen" und dass keine auswärtigen Personen zur Hochzeit eingeladen würden.
Unterschrift: Staudinger

Die Wahl fiel auf Michael Staudinger, schrieb Pfarrer Elser in seiner Stellungnahme, weil er erstens einer der beiden vorgeschlagenen Kandidaten des Magistrates gewesen war und weil zweitens der Andere schon längere Jahre ortsabwesend sei. Es müsse in Aller Interesse sein, dass nur ein Jüngling ausgewählt werde, "welcher sichere Garantie für ein einwandfreies Vorleben gewährleiste. Das kann aber nur geschehen, wenn die Genannten auch hier unter den Augen der Bevölkerung leben, so daß die Wahl eines nicht Würdigen möglichst ausgeschlossen erscheint."

Es folgte noch eine Bekanntmachung von Seiten des Magistrats nach Aufforderung durch das Pfarramt. Hintergrund ist wohl das Ärgernis für den Pfarrer, dass die Gäste der verschiedenen Wirtshäuser am Marktplatz den Feldgottesdienst bei der Veitskirche wohl gerne aus den Fenstern heraus betrachteten, womöglich auch nicht mit einem Glas oder einer Flasche Bier in der Hand.
Jedenfalls mussten alle Wirte am oberen Markt
Stoiber
Irlbeck  (Apotheke Adamek)
Korherr
Kermer (Bäckerei Pongratz)
Greisinger
Mühlbauer (Osl)
Decker (Kaufhaus Wanninger)
Miethaner
Amberger (Amberger Hof)

diese Bekanntmachung unterschreiben und es stand die Drohung im Raum, dass bei erneuter Zuwiderhandlung es niemals mehr eine Feldmesse auf dem Marktplatz geben würde.





Nun konnte es endlich Pfingsten werden und die Zeitungen waren voll von Ankündigungen und Werbeanzeigen der Kötztinger Wirte:

 

 

 

 

 Bericht über den Pfingstritt 1907 im Kötztinger Anzeiger:

Bild aus dem Bestand des Arbeitskreises für Heimatforschung, Ausritt 1907

Erneut war in diesem Jahr Kooperator Späth der amtierende Geistliche, der hinter der Spitze des Zuges, gebildet von Kreuzträger, 2 Signalisten und 2 Laternenträgern, die Wallfahrt der mehr als 200 Pfingstreitern um ½ 8 Uhr anführte.
„Die Feldmesse musste heuer wegen der vorherrschenden regnerischen Witterung unterbleiben, jedoch wurde eine hl. Messe in der Pfarrkirche gehalten. Gegen ½ 1 Uhr kam die Prozession wieder aus Steinbühl nach Kötzting zurück, wo eine Menge Menschen anwesend war. Die Glocken läuten, die Böller knallen während die Pfingstreiter unter lautem Gebete einziehen – ein seltener erhebender Anblick. Auf dem sogenannten Bleichanger nahm die Prozession Aufstellung, allwo der amtierende Geistliche Herr Kooperator Späth, eine Ansprache hielt und am Schluße seiner Rede die Überreichung des Tugendkranzes (Filigranarbeit aus Gold) an den Bürgerssohn Michael Staudinger von hier, vornahm Außerdem wurde eine Ehrung durch den Magistrat zuteil Herrn Franz Kirschbauer von hier für 40 jährige und Herrn Josef Bergbauer von Gmünd für 25jährige Beteiligung am Pfingstritte. Der Zug nahm seinen Weg bis zur Pfarrkirche wo er sich auflöste. An diese Feierlichkeit reihte sich die Pfingsthochzeit. 

Der dekorierte Jüngling erwählte sich die Bürgerstochter Fräulein Anna Schötz als Braut. Gegen 5 Uhr nachmittags folgte der übliche Burschen- und Brautzug und abends der Ehrentanz. Wenn auch die regnerische Witterung viele vom Besuche des Pfingstrittes abhielt, so war die Beteiligung doch eine gute“.

 
Bild aus dem Bestand des Arbeitskreises für Heimatforschung, Burschenzug in der Jahnstraße

Bild aus dem Bestand des Arbeitskreises für Heimatforschung, Burschenverein beim Pfingstbräutigam 1907
 

 

Tragische Unglücksfälle


Im Mai wird aus Miltach berichtet, dass ein 13jähriger Junge aus Anzenberg, der in Pulling bedienstet war, sich in Kötzting eine Flobertpistole gekauft hatte. Beim stolzen Herumzeigen seiner Erwerbung löste sich ein Schuss und drang dem jungen Besitzer in den Unterbauch. Am Abend desselben Tages verstarb der Bub und die Zeitung ermahnt die Eltern und Kaufleute solches Spielzeug nicht zu dulden.
In Kötzting ereignete sich ein Unfall im Zusammenhang mit dem Böllerschießen am Fronleichnamstag. Der Hausbesitzer Josef Wensauer besorgte dieses wie immer und machte sich daran die letzten vier Böller zu laden. Leider ging ein Schuss zu früh los und verletzte den Unglücklichen derart am linken Auge, dass dessen Sehkraft verloren ging.
„Außerdem wurde er an einer Schulter verwundet und sein Schurz fing zu brennen an; wäre seine Ehefrau nicht des Weges gekommen, welche die Flammen erstickte, so hätte Wensauer auch noch Brandwunden wenn nicht den Tod erlitten. Der Verunglückte machte den Feldzug 1870/71 mit und wird allgemein bedauert“.

Waldschmidtdenkmal


„Am Sonntag den 13. Mai wurde in Kötzting der Ausschuss für Errichtung eines Denkmales für Herrn Hofrat Maximilian Schmidt, genannt Waldschmidt, königlicher Hauptmann a.D. gewählt und zugleich beschlossen, dass das Denkmal für unseren berühmten Waldler am 11. August auf dem Riedlstein enthüllt werden soll. Leider sind bis jetzt freiwillige Beiträge noch wenig eingegangen und die Kosten noch nicht zum 10. Teil gedeckt. Es ergeht also ein Aufruf fleißig zu spenden und diese Beiträge in der Buchdruckerein zu hinterlegen

Nach wenigen Wochen war dann der Entwurf eingetroffen und so konnte festgestellt werden, dass aus dem vorher beabsichtigten Obelisken ein Turm geworden war, mit einer quadratischen Grundfläche von 2,60 m Kantenlänge und einer Höhe von 6 Metern. An einer Wand wird ein Bronzemedaillon im Wert von 1500 Mark befestigt. Die Namen aller Guttäter (=Spender) sollen in einer Dose im Grundstein hinterlegt werden. Da allein der Antransport des Materials einen ansehnlichen Betrag verschlingen wird, ergeht erneut ein Aufruf fleißig zu spenden.
[2]Der Plan für die Denkmalserrichtung geht zunächst aus von dem Konservenfabrikanten Biller in Arnbruck und dessen Buchhalter, verdankt also seine Entstehung mehr geschäftlichem Reklamebedürfnis als ideellen Gesichtspunkten" schreibt der Viechtacher Bezirksamtmann Wißling am 19. Juni 1907 an das Regierungspräsidium in Landshut.
Es gab freilich noch andere Beweggründe. 1906 war Hofrat Schmidt auf Einladung von Alois Biller für einen Tag, 1907 für mehrere Tage in Arnbruck. Beim zweiten Besuch überraschte ihn abends ein Kreis von Verehrern mit der Mitteilung, "dass geplant sei, ihm ein würdiges Denkmal für seine hohen Verdienste zu errichten". Der Ausdruck hohe Verdienste meint wohl die Tatsache, dass der Schriftsteller auch den Bayerischen Wald zum Schauplatz seiner Romane und Erzählungen gewählt, die Waldheimat dadurch gleichsam auf eine höhere Ebene gehoben und   einem großen Publikum bekannt gemacht habe. Noch höher dürften seine Verdienste um die Regionalförderung geschätzt worden sein.
Maximilian Schmidt jedenfalls war von den Arnbrucker Plänen gerührt und sehr angetan. Er ist "den Arrangeuren auch mit Ratschlägen über die Durchführung zur Hand gegangen; es soll ein Bronzemedaillon von Überlebensgröße in den Felsen eingelassen werden. Die Fertigung des Entwurfs hat Professor Hauberrisser in München zugesichert und zwar als Freund des zu Ehrenden unentgeltlich". Der Guss des Bronzemedaillons erfolgte in der Gießerei Rupp, München.




Primiz in Kötzting


Im Juli diesen Jahres hatte die Pfarrei Kötzting wieder einmal Grund einen Primizianten aus ihrer Mitte zu feiern. Herr Primiziant Josef Aschenbrenner aus Ried wurde von Reitern und der freiwilligen Feuerwehr seiner Heimatgemeinde Liebenstein in Kötzting begrüßt und in die Pfarrkirche begleitet wo er den zahlreichen Gläubigen als Neupriester seinen Segen spendete.

Eröffnung des neuen Januel=Saales


Das Januelgasthaus ist nun bis auf den äußeren Verputz vollendet; die Lokalitäten und auch die Gänge sind äußerst geräumig und zweckmäßig gebaut und besonders hat der Saal dadurch, dass die Theaterbühne in einem eigenen den Saal beherrschenden Raum verlegt worden ist; eine bedeutende wohltuende Vergrößerung erfahren; er ist den Flächeninhalt nach der größte Saal des Marktes.“
Bild aus dem Bestand des Arbeitskreises für Heimatforschung, Theatergruppe: "die Chinakrieger" an der Treppe beim Gasthof Januel: aus dem Treppenpodest 1.v.re Oexler max, 2.v.re. Krämer Julius, untere Reihe Mitte m-. weißem Kniestrümpfen Krämer Konrad, 2. Reihe v.li. Huber Drechsler neben den 3 Frauen, untere Reihe 3.v.re Traurig

Wenn nun, wie bis vor wenigen Jahren üblich,  bei der Pfingstkneipe der Kötztinger Burschen und Wandererverein die Pfingstfeierlichkeiten beim Januel eröffnete, so konnte er im Januelsaal noch genau die Strukturen erkennen, die vor 100 Jahren dem katholischen Gesellenverein (=Vorgänger des Kolpingsvereines) als Theaterbühne dienten. Am Mittwoch den 24. Juli 1907 wurde der neue Januelsaal  durch eine Namensfestvorfeier seines Vizepräses Jakob Elser eingeweiht.




Die Firmreise des Regensburger  Bischofs von Henle:

 

 

 

 

 

 

 

Lichteneggfeier


Lange angekündigt veranstaltete der Kötztinger Lichtenegger Bund am letzten Juli Wochenende sein Burgfest. „Bei schönem Wetter kann ein jeder auf den Hohenbogen  aber im größten regen darartige Spaziergänge zu machen bringen nur die Todesmutigen vom Lichtenegger Bund zustande. Sogar die Musikkapelle spielte trotz des größten Ungemachs  zum Tanze auf.“ Im von Forstmeister Hubrich geschmücktem Forsthaus und mit dem guten Kötztinger Deckerstoff entwickelte sich eine rührende Gemütlichkeit und als die Sonne einige Minuten lächelte waren sogar ein paar Tänze auf dem grünen Rasen möglich. Dann aber prasselte der Regen wieder und nur „tanz und puff=feste“ Wesen drehten sich dann weiter im Saale. Viele wackere Ritter versammelten sich um die Humpen und nach den Festreden der Herren Hubrich und Bergmann folgte ein flotter Marsch und „bergab gings durch dick und dünn, durch Naß und Trocken dem harrenden Extrazug entgegen. Ein schriller Pfiff, ein letztes feuriges Halloh und in wenigen Minuten waren alle Teilnehmer des Ausfluges in Kötzting!“ „ So ein Extrazug ist eine Wohltat, kein Heidelbeer=Verladen, kein Rangieren

Das neue Schulhaus

Bild aus dem Bestand des Arbeitskreises für Heimatforschung, das 1907 neu erbaute Schulhaus

Im September wurde das neu erbaute Schulhaus, „die Perle des aufstrebenden Marktes“ mit einem Gottesdienst, einem Festzug der Schulkinder mit dem gesamten Lehrpersonal und einem Festakt. Der königliche Bezirksamtmann v. Fuchs, der Bürgermeister Liebl und der Kötztinger Pfarrherr und gleichzeitig Schulinspektor HH Pfarrer Elser sprachen auf dieser Feier. Mit einem Toast auf den Prinz=Regenten Luitpold endete die Veranstaltung.
Das neue Schulhaus ist eine Zierde unseres lieben Marktes und macht auf den Beschauer einen großartigen Eindruck. Ein solemner Festfrühschoppen im Weinrestaurant Rothmayr reihte sich an die schön verlaufene, denkwürdige Feier.“


[1]  Bayerische Staatsbibliothek München, 4Eph.pol.3cel 1907 ff
[2] http://www.waldverein-arnbruck.de/waldschmidtdenkmal.htm

Mittwoch, 14. Dezember 2016

Weihnachtsgeschenke für einen Kötztinger Heimatforscher

erste Forschungsreise in diesem Winter

Nächste Woche geht's ab nach München, 3 Tage Archivarbeit im Hauptstaatsarchiv, Staatsarchiv München und in der Bayrischen  Staatsbibliothek. Da die Kollegen da oben nicht auf jeden Kundenwunsch sofort ins Magazin eilen sollte man diese Besuche vorbereiten und dann kommt irgendwann ein Brief , dass die gewünschten Archivalien zur Einsicht vorliegen oder nicht.

Manchmal gibt's da ein paar Überraschungen, positive wie negative.

Ahnentafel des sogenannten "Pongratzprozesses" Staatsarchiv Landshut Pfleggericht Cham A 405


Was bekomme ich nächste Woche im Hauptstaatsarchiv München (hoffentlich) zu sehen:



hier geht's um die Bestallung von zwei Kötztinger Botenstellen im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts, dem sogenannten Straubinger und dem Regensburger Boten. Interessant wird sein, was die Arbeitsbedingungen und die jeweiligen Auflagen sind, die die Bewerber erfüllen mussten.

Dann geht's weiter mit einer Münchner Entscheidung über eine Kötztinger Wasserleitung, die der Kötztinger Bürger Windorfer beantragt hatte. Hier möchte ich genauer wissen, was an dieser Entscheidung so schwierig war, dass sogar München darüber urteilen musste.

Der letzte Akt aus diesem Stapel betrifft unter anderem  die Hofmark Reitenstein, die, zu diesem Zeitpunkt,  noch nicht im Besitz des Marktes Kötzting war sondern noch eine eigenständige Hofmark bildete.

Interessant wird bei der nächsten Bestellung:
Bei dem ersten Akt erwarte ich eine Art: " die seltsamen Methoden des Inspektors Wanninger", das war eine Fernsehkrimiserie in den Sechzigern. Hier geht es um die besonderen Tricks, die der Chef der Kötztinger Gendarmerie, Suffa,  1853 angewandt hatte um den Räuber Michael Heigl endlich dingfest zu machen.
Beim zweiten Bündel sollte es - hoffentlich - um die Bande eines gewissen Vogl aus Traidersdorf gehen, der in den 80er Jahren ebenfalls in den Presse genannt wird wobei die Kötzting er sich in Gegendarstellungen heftig darüber beschwert hatten, dass der Räuber Vogl in der überregionalen Presse  als Kötztinger bezeichnet worden war. "Traidersdorf wäre eine eigenständige Gemeinde und im Übrigen mindestens 1 1/2 Stunden von Kötzting entfernt."
Ich vermute mal, dass Bob Vogel, der Sheriff  aus Florida, dessen Urgroßmutter ja aus Traidersdorf stammt, sicherlich sich sehr freut, wenn er einen leibhaftigen Räuberhauptmann in der Verwandtschaft hat.
Und dann gibt's noch ein Schmankerl oben drauf, der nette Mitarbeiter in München hat noch einen Akt über Michael Heigl ausfindig gemacht, nämlich über dessen Verurteilung zum Tode und die nachfolgende Begnadigung. Mal schauen, was da so alles drinsteht


Im Staatsarchiv München findet sich ein Aktenbündel, das sich mit dem sogenannten "Pongratzprozess" beschäftigt.
Meines Wissens nach hat es wegen eines - möglicherweise fiktiven möglicherweise echten - Erbfalles über sage und schreibe 220 MILLIONEN holländische Gulden zum Ende des 18. Jahrhunderte knapp unter 80 Prozesse gegeben. So weit ich weiß hatte die letzte Prozessgemeinschaft in den 1950er Jahren zuletzt versucht über eine Petition im bayerischen Landtag eine Neuaufnahme des Prozesses genehmigt zu bekommen.
Die "Räuberpistole", die zu dieser Prozessserie geführt hat ist im Neukirchener Heimatbuch von Mathilde Baumann unter dem Titel: "Der Goldbrief von Atzlern" schon detailliert
beschrieben worden. Ich habe in Landshut sogar schon die dazugehörigen Folterprotokolle des angeblichen Bösewichts gelesen. Auch wenn ich auf die Abstammungslinie des Erblassers - möglicherweise - erst mit dessen Großvater treffe, da der Bösewicht "Semmelbauern Hansl" hieß und meine Frau väterlicherseits von den Semmelbauern  abstammt ist diese Geschichte sowohl heimat- als auch familiengeschichtlich sehr interessant. 
hier noch einmal die Ahnentafel, die schon eingangs als Illustration verwendet worden war: auf dieses Erbe wollten natürlich vor mehr als 200 Jahren Viele aufspringen, die diesen Familiennamen führten. Diese wunderschön gemalte Ahnentafel - im Original sicherlich 50 cm in der Diagonale  man beachte die Trachten des ausgehenden 18. Jahrhundert - half aber nichts, Geld gab´s trotzdem keines, wie auch später nichts.

Nachdem diese holländische Erbschaft, wenn es sie überhaupt gegeben hat, vom Hause Wittelsbach - Teile von Holland waren mit dem Hause Wittelsbach in Straubing verbunden -, eingestrichen worden war, kann man mit Fug und Recht behaupten, dass König Ludwig seine Schlösser mit UNSEREM Geld gebaut hatte. ;-))

Nun zur negativen Überraschung: in den online lesbaren Repertorien des HStAs findet sich ein Hinweis auf die Auswanderung eines Kötztinger jüdischen Mädchens nach Palästina.


Kirschner, Susanne, Jude, geb. 22.11.1927 in Kötzting; 1939 nach Palästina ausgewandert.



Susanne Kirschner, geboren im November 1927 bekam die Erlaubnis 1939 nach Palästina auszuwandern. Diesen Akt habe ich aber wegen des noch bestehenden Datenschutzes nicht bekommen. Ich finde es aber äußerst bemerkenswert, dass ein junges Kötztinger Mädchen im Alter von 12  Jahren es während oder kurz vor dem zweiten Weltkrieges geschafft hat aus Deutschland zu entkommen und sich bis nach Palästina durchzuschlagen. Eine Unternehmung übrigens, die ihr Vater Julius Kirschner 1940 schaffte. Dieser starb - angeblich mit Herzversagen - auf dem Donauschiff URANUS in Bulgarien auf der Fahrt ins Donaudelta, wo er bereits auf der Passagierliste für einen Überseedampfer, der PACIFIC stand, welcher dann ebenfalls nach Palästina fahren sollte. Die jüdisch askenasische Kulturgemeinde in Rustschuk in Bulgarien bestätigte die Beerdigung auf deren jüdischem Friedhof am 9.9.1940.

DDSG-Raddampfer Uranus, gechartert von der jüdischen »Mossad
Das Bild und die genaueren Umstände der Fahrt der URANUS an das Donaudelta kann hier nachgelesen werden, aus diesem Blog stammt auch das Bild

Vielleicht war dies bei er ganzen Tragödie sogar der einfachere Tod, denn das Schiff sollte nie in Palästina ankommen: siehe den folgenden Bericht aus:
Jürgen Rohwer

JÜDISCHE FLÜCHTLINGSSCHIFFE IM SCHWARZEN MEER (1934-1944) In: Ursula Büttner (Hrsg.): Das Unrechtsregime. Band 2: Verfolgung / Exil / Belasteter Neubeginn.
Hamburg: Christians Verlag 1986. S.197-248.

Inzwischen war es dem Mittelsmann Eichmanns, Storfer, gelungen, einen neuen großen Transport von überwiegend Mossad-Anhängern auf vier DDSG-Schiffen auf den Weg zu bringen. Am 3.9.1940 liefen die SCHÖNBRUNN und die HELIOS mit zusammen 1771 Menschen von Wien aus, darunter 600 freigelassene Häftlinge aus Dachau, 300 alte Menschen und 150 Kinder unter 12 Jahren. Ihnen folgten noch am gleichen Tage die URANUS und MELK mit zusammen 1880 Menschen, darunter etwa 3/4 "Halutzim" aus Österreich, dem Protektorat und Danzig. Dieses Mal hatten die Mossad-Agenten Bar-Pal und Ruth Klüger in den rumänischen Donau-Häfen drei Schiffe bereitgestellt. Am 7.10. lief die ATLANTIC mit den 1771 Flüchtlingen der SCHÖNBRUNN und HELIOS von Tulcea über Sulina aus. Am 11.10 folgte die PACIFIC mit 1000 Passagieren der URANUS von Sulina, und am 19.10. die MILOS (1895, 598 BRT) mit 880 Passagieren der MELK ebenfalls von Tulcea. Auf diesen alten und verrotteten, für weniger als 100 Passagiere eingerichteten Schiffen herrschten unbeschreibliche Zustände. Auf der PACIFIC gab es nur einen Parafinofen und kaum Trinkwasser. Die Flüchtlinge mussten in Schichten schlafen und konnten nur abwechselnd in festen Turns an Deck kommen, um frische Luft zu schöpfen. Auf der ATLANTIC gab es unter Deck keine Ventilation und kein Licht, die sanitären Einrichtungen waren äußerst rudimentär, und teilweise konnten die Flüchtlinge auch nur abwechselnd sitzen. Schließlich brach auf der ATLANTIC eine Typhusepidemie aus, und ehe das Schiff Zypern zur Ergänzung der Vorräte erreichte, starben 15 Menschen. Die weitergefahrenen Schiffe PACIFIC und MILOS wurden am 14.11. vor Haifa von britischen Kriegsschiffen aufgebracht und in den Hafen geleitet. Unter dem Eindruck dieses neuen Ansturms veröffentlichte die Mandatsregierung am 20.11. eine Ankündigung, dass von nun an alle Personen, die versuchten, illegal nach Palästina einzuwandern, in eine britische Kolonie deportiert würden, wo sie bis zum Kriegsende verbleiben müssten. Am 24.11. traf auch die ATLANTIC in Haifa ein. Alle Bemühungen der Jewish Agency, die Entscheidung der Mandatsregierung rückgängig zu machen, hatten keinen Erfolg. Am gleichen Tage begann man, zunächst die Passagiere der PACIFIC an Bord des im Hafen liegenden internierten französischen Passagierschiffes PATRIA (1913, 11.885 BRT) zu bringen, mit dem die Flüchtlinge nach Mauritius im Indischen Ozean deportiert werden sollten. Um die Deportation zu verhindern, hatte ein Kommando der "Haganah" am Rumpf des Schiffes Sprengladungen angebracht, welche das Schiff auf Grund sinken lassen und damit die Fahrt unmöglich machen sollten. Die am 25.11., kurz nachdem auch die ersten 80 Passagiere der ATLANTIC an Bord gebracht waren, detonierende Sprengladung erwies sich jedoch als viel zu stark, so dass die PATRIA innerhalb von 15 Minuten sank und teilweise kenterte. Trotz aller Rettungsmaßnahmen der britischen Marine kamen 254 Personen bei dieser Katastrophe um. Die restlichen Passagiere der ATLANTIC und MILOS wurden zunächst in das Internierungslager Athlit geschickt, wobei die Polizei teilweise Gewalt anwenden musste. Nur 45 besondere Fälle wurden ausgenommen. Am 8.12. brachte man die 1584 restlichen Personen an Bord eines Passagierschiffes, mit dem sie nach Mauritius transportiert wurden, wo sie bis zum August 1945 in Lagern untergebracht waren. Die ursprünglich geplante Deportation der geretteten Flüchtlinge der PATRIA musste jedoch auf Grund von Protesten aus den U.S.A. und nach einer Intervention des Zionistenführers Dr. Weizmann bei Churchill unterlassen werden.51)




Den Hinweis auf die Dampfer habe ich von Frau Dr. Erika Schwarz und ihrem Mann Gerhard erhalten, die an einem Forschungsprojekt in Brandenburg arbeiten und dort auch auf Julius Kirschner gestoßen sind, der dort bis zu seiner Ausreise auf einem landwirtschaftliche Gut arbeiten musste. Beide bereiten eine Veröffentlichung vor, auf die ich schon sehr gespannt bin.

 
Nachdem ich den Akt noch nicht erhalten habe, Datenschutz im bayrischen Archivgesetz, muss ich eben noch warten, eine größere Arbeit zu diesem Thema ist eh erst für 2018 geplant.

Als dritte Anlaufstelle kommt dann noch die Staatsbibliothek dazu, praktischer Weise im Gebäude daneben - hier geht's um ein paar Zeitungskopien, für die 1910er/1920er und 1930er Jahre.
Durch eine Nachfrage nach einem Besuch des Kronprinzen Rupprecht in Kötzting 1926 habe ich einen Hinweis auf eine Chamer Zeitungsnotiz bekommen, wo sich der Autor über die Kötztinger Bürger lustig machte, welche offensichtlich vor dem hohen Besuch sich sehr devot verhielten.


Es werden also drei spannende Tage in München nächste Woche, aber nur für den den´s interessiert.....

Sonntag, 27. November 2016

Der Kötztinger Spielmannszug Teil 1


Der Kötztinger Spielmannszug ----- eine Erfolgsgeschichte 

erster Teil:  Was war vorher?

Spielmannszug der Freiwilligen Feuerwehr Bad Kötzting 2013  Bild von Hans Traurig

Manche Themen für diesen Blog ergeben sich buchstäblich durch Gespräche zwischen Tür und Angel. So auch diesmal....
Die Feuerwehrinspektion Kötzting erstellt derzeit eine Chronik und aus diesem Grunde kam auch die Anfrage an mich - gerne auch auf dem Flur im Rathaus, da immer Mittwochs im zweiwöchigen Turnus im Rathaus die schriftlichen Führerscheinprüfungen stattfinden und sich dabei in der Wartezeit vor meinem Zimmer häufig Gespräche ergeben - ob sich im Stadtarchiv Unterlagen über den Kötztinger Spielmannszug befinden würden. Gleich zwei Kötztinger "Feuerwehrler" hatten von der Inspektion den Auftrag erhalten dieser Geschichte nach zu forschen.
Manche Entwicklungen konnte ich aus dem Gedächtnis beantworten - vor Allem die Anfänge des Fanfarenzuges -  da ich bereits wusste, dass dies von den Kötztinger Pfadfindern in den 50ern initiiert worden war, ansonsten eher Fehlanzeige, auch wenn die sehr ausführliche Chronik der Freiwilligen Feuerwehr Kötzting, die im Stadtarchiv deponiert ist, auch viele Einträge über Einsätze des Spielmannszuges enthält, aber eben keinerlei Hinweise auf deren Gründung.

Im Zusammenspiel über Bande mit Hans und Wack Traurig war schnell klar, dass es eine Reihenfolge im Aus-/Auffbau gab über einen Trommlerzug, der Erweiterung um die Fanfarengruppe bis hin zum jetzigen großen Spielmannszug, aber wann und wie, das musste noch gefunden werden.

Es passte ganz gut, dass ich zeitgleich mit dieser Fragestellung gerade mittendrin war, eine erste Sichtung der Kötztinger Pfingstmaterialien vorzunehmen, ein Bestand, der aus den unterschiedlichsten Gründen sehr stark verteilt - manchmal lückenhaft - , zerzupft und zerfleddert ist. Vor allem in den "alten" Unterlagen des beginnenden 20. Jahrhunderts bis hinein in die erste Nachkriegszeit sind die Bestände manchmal sachlich, manchmal nach Jahrgängen und manchmal als Mischbestand überhaupt nicht sortiert. Indem ich dies Alles nun zumindest nach einer ersten, vorläufigen, Durchsicht auf die einzelnen Jahre sauber verteilt habe, konnte ich dabei auch immer einen Blick auf die "Musikanten" werfen.
Doch zuerst einmal weiter zurück, noch vor die Gründung des Spielmannszuges der Freiwilligen Feuerwehr  Kötzting.

Schon in den ersten Pfingstakten wird unterschieden zwischen den Musikanten, einer 4 Mann starken Trommlergruppe und den beiden Fanfarenspielern beim Pfingstritt (anfänglich Familie Kauer, später die Gebrüder Sperl und noch später dann Familie Traurig).
Auch wenn die Trommlergruppe in den städtischen Kostenlisten nur für den Pfingstritt aufgeführt ist, so ist doch zu vermuten, dass diese auch bei den Umzügen mitmischten. Eine Zuordnung zu einem wie auch immer gearteten Verein ist mit unseren Unterlagen nicht möglich. Diese Dreiteilung - Musikkapelle, 4 Mann Trommlergruppe und Fanfarenduo - kann bis zum 2. Weltkrieg verfolgt werden.
Aus den Unterlagen aus der Zeit des Dritten Reiches, zumindest ebenfalls in den Jahren bis hin zum 2. Weltkrieg, finden sich einige Hinweise auf einen Kötztinger Spielmannszug, auf solche aus Furth im Wald und Lam, auf eine Fußballmannschaft des Spielmannszuges und auf die Versuche eine SA Kapelle in Kötzting errichten zu wollen.
 
Bericht über den Kötztinger Pfingstritt 1933 in der Kötztinger Zeitung mit dem Hinweis auf die Musikkapelle und Trommlermusik schon beim Weckruf






































Beim Bericht über den Pfingstritt 1933 wird der unterschiedliche Einsatz der "Musikanten" ebenfalls deutlich. Beim Zapfenstreich am Sonntagabend ist nur von einer musikalischen Begleitung die Rede, beim Weckruf arbeiten dann Musikkapelle und Trommlerzug zusammen und beim Pfingstritt selber sind dann auch noch die "Signalisten", also die Fanfarenbläser mit dabei. Während die Musikkapelle dann nach dem Ausritt, wie auch heute, zuerst die Feldmesse und danach ein Konzert am Rathausplatz spielt, stoßen die Trommler erst wieder beim Einritt am frühen Nachmittag wieder hinzu.
Karl B. Krämer schreibt in einem Manuskript über Pfingsten, dass diese Signalisten erst 1930 eingeführt worden seien, das dies nicht richtig ist, ergibt sich aus einer Kostenaufstellung des Kötztinger Magistrates anlässlich des Pfingstrittes 1924, wie sie ähnlich auch in den Vorjahren zu finden ist.
Archiv Stadt Bad Kötzting 320/924 Kostenaufstellung Pfingsten 1924  Zuschuss des Pfingstbräutigams 20 Mark  Ehrengabe der Pfingstbraut 10 Mark  Musik 54 Mark Trommler 15 Mark Kauer(=Signalist meine Anmerkung) 20 Mark Laternenträger 6 Mark Kreuzträger 3 Mark
bayrische Ostmark 1933
Gleich im Jahr der Machtergreifung 1933 war die NSDAP bestrebt eine SA-Kapelle zu installieren und bot für den Fall sogar an, die Musikinstrumente zu stellen.


bayerische Ostmark von 1936

Einen ersten gemischten Spielmannszug musste es dann tatsächlich bereits gegeben haben, denn im Jahre 1936 berichtet die "bayerische Ostmark", das Parteiorgan der NSDAP für den Gau Bayreuth, von einem Fähnleintreffen der Pimpfe des Fähnleins Richthofen aus Kötzting das mir Fanfarenklängen und mit Trommelwirbel begann und in einen "Propagandamarsch"  durch die Straßen Kötztings endete. Die Pimpfe, also die Buben, die dann, wenn sie etwas älter geworden waren, in die HJ eintreten sollten/mussten, hatten auf dem Bleichanger, dem Kötztinger Turnplatz, Exerzierübungen durchzuführen





bayrische Ostmark Pfingsten 1934

Gleich zwei Spielmannszüge traten in Kötzting zu Pfingsten 1934 auf. Sicherlich auch zu Propagandazwecken - die NSDAP wusste um den Publikumsmagnet Kötztinger Pfingstritt und die damit zu erwartenden Zuschauermengen - veranstaltete die Partei von Pfingstsamstag bis einschließlich Pfingstmontag 1934 ein Treffen des Hitlerjugend Unterbannes mit 600 Hitler Jungen, die auf dem Fußballplatz zelten durften und 300 BDM Mädchen, die dann am Pfingstsonntag zum Festabend hinzustießen. Die Spielmannszüge aus Furth im Wald und Lam begleiteten die unterschiedlichsten Umzüge und Festveranstaltungen. 



bayerische Ostmark Frühjahr 1940

In der Ausgabe der bayerischen Ostmark vom Frühjahr 1940 wird von einem Fußballspiel der Spielmannszugmannschaft Kötzting gegen die kombinierte 1. und 2. Jugendmannschaft Cham berichtet.

Es finden sich also die unterschiedlichsten Versuche in Kötzting einen Spielmannszug zu installieren, Gelegenheiten für Aufmärsche und Umzüge gab es ja in dieser Zeit genügend.

Dann kommt aber nach der politischen auch die militärische Katastrophe, der Zusammenbruch bildete eine Zäsur und nach dem Krieg bleibt es zuerst einmal wieder bei dem alten musikalischen Dreiklang an Pfingsten:

Musikkapelle - Trommler - Signalisten



Ende des ersten Teils, diese Geschichte wird im Februar fortgesetzt, weil die Januarausgabe traditionell dem Thema "Kötzting vor 110 Jahren" vorbehalten ist.