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Montag, 13. Oktober 2025

Der Pfingstritt aus gelehrter Feder

Aus der Pfingstbeilage der Kötztinger Umschau des Jahres 1986 

Der Pfingstritt aus gelehrter Feder  

Diese Quellensammlung bietet einen Überblick über die literarische und kulturelle Bedeutung des Kötztinger Pfingstritts, einer berittenen Wallfahrt in Bayern. Der Hauptteil konzentriert sich auf das Werk des Gelehrten Dr. Karl von Reinhardstöttner, der das Brauchtum in seiner Erzählung "Eber auf Eberstein" (1874) literarisch würdigte, nachdem er durch ein Erbe in der Region verwurzelt wurde. Die Texte beschreiben detailliert den Ablauf des Pfingstritts, von der Prozession zur Nikolauskirche Steinbühl bis zur Verleihung des "Sittenpreises" (Tugendkranzes) an den würdigsten Jüngling. Ergänzend betonen verschiedene Autoren wie Karl B. Krämer und Dr. Sigfrid Färber die historische Tiefe und die kulturelle Wichtigkeit dieses Festes als Ausdruck bayerischer Volksfrömmigkeit und Heimatliebe. Eine abschließende Notiz erwähnt die anhaltende Verbindung der Familie Reinhardstöttner zu diesem Brauch bis in die Neuzeit.


von Ludwig Baumann

Dass der große Sohn des Bayerischen Waldes, der Volksschriftsteller Maximilian Schmidt genannt Waldschmidt, im Jahre 1855 dem Kötztinger Pfingstritt mit seiner Novelle .Die Pfingstlbraut" ein literarisches Denkmal setzte, ist den Kötztingern wohlbekannt. Dagegen werden nur wenige wissen, dass unser Pfingstbrauchtum in der Literatur um eben diese Zeit eine weitere Würdigung fand: in einer Erzählung mit dem etwas pompösen Titel .Eber auf Eberstein" (1874).

Geschrieben hat sie Dr. Karl von Reinhardstöttner (1847 - 1907), der als Wissenschaftler sehr ver­dienstvoll an der Technischen Hochschule in München wirkte, als Dozent für romanische Sprachen in Würzburg und München tätig war und schon in jungen Jahren eine angesehene Anstellung als Erzieher · zweier Wittelsbacher Prinzen (Alfons und Ludwig Ferdinand von Bayern) gefunden hatte.
Wie kommt dieser weltgewandte Gelehrte - er hat Übersetzungen aus dem Italienischen, Spanischen und Portugiesischen geschrieben und sogar eine ita­lienische und portugiesische Grammatik verfasst - dazu, eine Schilderung des Kötztinger Pfingstritts in Druck zu geben!  Dr. Karl von Reinhardstöttner hatte von einem Onkel das Schlossgut Lixenried mit 150 Tagwerk Grundbesitz geerbt. Seitdem verband ihn ein herzliches Verhältnis mit der dortigen Bevölke­rung.
Er half überall mit Rat und Tat, saß oft und gerne mit den Lixenrieder Bauern, Kleinhäuslern, Holzknechten und Glasbläsern im Bräuwirtshaus und nahm am Leben des Dorfes regen Anteil.•
Sein Interesse an Land und Leuten, seine Verbundenheit mit dem hiesigen Menschenschlag veranlassten ihn zur Gründung und Herausgabe der .Bayerischen Bibliothek", einer Bücherreihe, in der von namhaften Schriftstellern bayerische Art, Landschaft, Leben und Kultur geschildert wurden. Der 17. Band (1890) .Land und Leute im Bayerischen Wald" mit 39 feinen, historisch und volkskundlich aussagestarken Zeichnungen (von Cham bis Passau) wurde vom Herausgeber selbst verfasst mit dem einen .Endziel, Vorurteile gegen den schönen Wald zu zerstreuen, ihm Freunde zu werben und den einen oder anderen zu veranlassen, seine Schritte hierher zu lenken.
Neben dieser Buchreihe veröffentlichte von Rein­hardstöttner unter dem Titel "Vom Bayerwald" noch eine - meines Wissens - vierbändige Folge mit je­weils vier oder fünf kulturgeschichtlichen Erzählun­gen aus dem Bayerischen Wald. Darin wollte er die wichtigsten Abschnitte der Geschichte eines kleinen aber reizenden Landstriches des deutschen Vater­landes darstellen, in Erzählungen, deren Vorgänge sich wirklich dort ereigneten, wofür archivalische Be­lege, geschichtliche Forschung, einheimische Überlieferung und jahrzehntelanger Verkehr mit Land und Leuten bürgen.

Der zweite Band dieser Reihe "Vom Bayerwalde" (1899) enthält die eingangs erwähnte Schilderung des Kötztinger Pfingstritts, eingebettet in die Erzählung "Eber auf Eberstein". Der Titelheld, Herr von Walther, der Sohn eines ehemaligen adeligen Gutsbesitzers im Bayerischen Wald, durch die
"Bauern­befreiung" (Aufhebung der Grundherrschaft und der Patrimonialgerichtsbarkeit) von 1848 um sein Erbe gekommen, jetzt in München lebend, besucht inkog­nito den verlorenen Familienbesitz . Von dort aus fährt er in Begleitung des wackeren Dorfwirts nach Kötzting, um "dem berühmten Pfingstlritt , der berittenen Wallfahrt nach der Nikolauskirche Steinbühel, beizuwohnen" .
 

Der kritische Leser mag unserem "kulturgeschichtlichen Erzähler" Karl von Reinhardstöttner ankreiden,  dass er den Namen eines Pfingstbräutigams nennt, den es nie gab, er mag bemängeln, dass sich die Erzählsprache stellenweise gestelzt liest. Doch er wird ihm zugute halten, dass er gründlich recherchiert und lebendig und anschaulich geschildert hat.
Von Reinhardstöttner beschrieb die geographischen Gegebenheiten und landschaftlichen Reize der Pfingstrittstadt getreu, beobachtete mit einem wa­chen Auge und mit gespitzten Ohren im Verein mit einem sicheren Gedächtnis Details der Reiterprozession, erkundete Interna, die gemeinhin nur den Ein­ heimischen bekannt sind (Ausstattung der Reiter­spitze durch den Posthalter), wusste um die Neuerung, die damals (1869) auf Druck des Ordinariats Regensburg die Monstranz mit dem Allerheiligsten durch ein schlichtes Brustkreuz ablöste, kommen­tierte kritisch Bestrebungen, „diese einfachen, ural­ten Festlichkeiten zu erweitern" und warnte vor „Spekulation(en) der Gewerbetreibenden . . ., die bald den einfachen Grundzug zur Nebensache um­ gestalten".
In der Person des Gastwirts aber drückt Karl von Reinhardstöttner seine ganz persönliche Anteilnahme und seine Begeisterung für den „Kötztinger Pfingstlritt" aus.

Quellen:
- Karl von Reinhardstöttner, Vom Bayerwalde , Vier kulturgeschichtiiche Erzählungen, Band 2, Berlin 1899.
- Karl von Reinhardstöttner, Land und Leute im Bayeri­schen Walde, Bayerische Bibliothek, Band 17, Bamberg 1890.
- August Sieghardt, Bayerischer Wald ; Landschaft, Ge­schichte, Kultur, Kunst ; Nürnberg 1959.-




Zu der Begegnung mit dem Pfingstritt, von der in der Erzählung „Eber auf Eberstein" im zweiten Band der Buchreihe „Vom Bayerwald" zu lesen ist, kommt es, als der Titelheld, Herr von Walther , in Begleitung eines wackeren Dorfwirts nach vierstündiger Kut­schenfahrt den Markt Kötzting erreicht , „als die Glocke des stattlichen Turmes neun Uhr schlug."
Der Autor Dr. Karl von Reinhardstöttner schildert , was beide erlebten bis in alle Einzelheiten:
„Der Wirt verließ, nachdem er das Fuhrwerk einge­stellt hatte, den Gast nicht, und es war dies für die Stimmung desselben ganz gut. Er zog ihn mit sich von Schenke zu Schenke, wie es hier so Sitte ist, ob auch der Fremde sich nicht mit gleicher Begeiste­rung wie sein Begleiter für das damals .noch übliche Rauchdörrbier erwärmen und an sich keineswegs erproben konnte, was der Wirt versicherte, dass es nur darauf ankomme, sich an den Trunk zu gewöhnen, denn das Bier an sich sei sehr gut. Unter solchen Walther nicht stets angenehmen Umständen nahte die Stunde heran, wo der feierliche Pfingstritt wieder nach dem Markte in festlichem Zuge zurückkehrte. Die Eigenschaften, die Bayerns alter Geschichts­schreiber, der treffliche Aventin, an den Bayern rühmt, leuchten an den Waldlern, diesen echten
Bajuwaren, ganz besonders hervor. Sie gehen nicht gern außer Landes, - man gedenkt der darum sprichwörtlich gewordenen Bodenmaiser - , sie haben viele Kinder, sie hegen aber auch einen ausge­sprochenen Sinn für Schaustellungen und theatrali­sche Aufführungen . Allenthalben haben sich Reste solchen Schaugepräges erhalten, und mancher ähnliche Gebrauch lebt nur noch in alten Sagen und Erzählungen fort.

Ein reizendes Fest

Ein derartiges Schaustück entfaltet der alljährlich am Pfingstmontage, wie einige wollen, schon seit dem Jahre 1412 eingeführte Pfingstlritt. Wo dieser Gebrauch, wie viele andere, bisweilen ihm sehr ähnli­che, anknüpft, ob er ein Rest der alten heidnischen Tage ist, ob Gelübde in schweren Prüfungen die Christenheit hierzu veranlassten, ob ein Vorgang zu­ Grunde liegt, der an die Ballade vom Grafen von Habsburg erinnert, mag uns hier nicht beschäftigen. 

 Es ist ein reizendes Fest, diese berittene Wallfahrt, und über dem eigenartigen Getümmel vergaß selbst Walther, den sein Wirt mitten in die lebendigen Handlungen hineingezogen hatte, auf Augenblicke das ungestüme Wogen seines eigenen Herzens.
Die Mittagssonne lag über dem breiten Thale des Weißen Regens, das die dichtbewachsenen Höhen des Kaitersberges, des Hohenbogens und des Haid­steins umschließen, von deren waldigen Wänden das auf einen in den Regen hinabfallenden Hügel er­baute, altehrwürdige Kötzting geschützt scheint. Aus der Ferne zeigte sich eine berittene Schar, die, von einer zahlreichen Volksmenge auf einem großen, freien Platze vor dem Markte erwartet, unter welcher sich Walther und sein Wirt befanden, in gemessenem Schritte herantrabte. Je näher sie kamen, desto lebendiger wurde es in der Menge, die ihrer harrte.

Heimwärts Wogt die Schar

Weit über hundert Mann, aus Kötzting selbst und der Umgegend stammend, hatten gegen acht Uhr morgens ihre stattlich gekämmten und geputzten Rosse bestiegen. Im priesterlichen Gewande, doch
mit hohen Reitstiefeln angetan, ritt ihnen der Pfarrer voran, von einem gleichfalls berittenen, vom Posthal­ter ausgestatteten Kreuzträger begleitet. Der Prie­ster hält die Monstanz, bisweilen auch nur ein
Kreuz, welches ein hübsches Kränzlein, aus Gold­ und Silberdraht gefertigt, ziert - der sogenannte "Tugendkranz". Scharen von frommen Wallfahrern folgen ihnen nach der vor mehr als fünf
Jahrhunder­ten geweihten Nikolauskirche in Steinbühel, die etwa sieben Kilometer weit von hier gelegen ist.
Die Ablesung der vier Evangelien gestattet dem Trosse eine viermalige Ruhe; bis sie das Ziel ihrer Wallfahrt erreicht haben. Dort entwickelt sich dann ein buntes Bild. Der Geistliche liest drinnen das
feierliche Hochamt, draußen aber um die Kirche herum stampfen und wiehern die ungeduldigen Rosse, an Pfähle und Bäume, Zäune und Mauern angebunden, indessen ihre Lenker im Heiligtum der Andacht oblie­gen. Ist mit dem feierlichen Segen das Messopfer be­endet, so strömt die gläubige Menge aus der dicht­ gefüllten Kirche heraus, die Berittenen schwingen sich wieder gewandt auf ihre Rosse, und heimwärts wogt die Schar und ihr Gefolge in unabsehbarem Zuge, wie sie gekommen war. Wohl macht manchem sein etwas schwerfälliges Pferd zu schaffen, das er unter dem Drucke der glühenden Mittagssonne doppelt mühsam lenkt, aber die Dinge erwartend, die sich da weiter entfalten sollen, scheut er die Mühe nicht, und an Hitze ist das Landvolk ja mehr als an Kälte gewöhnt.

Anerkennung und Ermahnung


Näher und näher rücken sie dem heimatlichen Orte, wo hoch am Turme der Pfarrkirche die bayerische Fahne flattert, wo Böllerschüsse krachen und eine tosende Menge von allen Himmelsgegenden her sich eingefunden hat, deren viele nun schon seit Stunden auf dem Bleichanger stehen.
Unter dem Jubel des Volkes hat der Festzug die weite Ebene erreicht. Der Priester reitet in die Mitte des von den Wallfahrern und dem Volke gebildeten Kreises, hält eine längere oder kürzere Ansprache und fordert dann den Jüngling, der für dieses Jahr bestimmt ist, den "Sittenpreis" in Empfang zu nehmen, auf, hervorzutreten.
Mitten aus der Menge heraus macht der Gerufene sich und seinem Pferde Bahn, soweit sie ihm nicht freiwillig von den erfreuten Bekannten geräumt wird, reitet nicht ohne berechtigten Stolz vor den Geistlichen hin und erhält aus seinen Händen unter Worten der Anerkennung und Ermahnung für die Zukunft den "Sittenpreis". Die Klänge eines kräftigen Tusches, mehr oder minder reine Akkörde, verherrli­chen ihm diesen unvergesslichen Augenblick, worauf der Zug wieder.in die Pfarrkirche zurückkehrt.
Zu verschiedenen Zeiten, besonders in den letzten Jahrzehnten, hat man allenthalben Versuche 
gemacht, diese einfachen, uralten Festlichkeiten zu er­ weitern - unzweifelhaft zielt schon ein Verbot der kurfürstlichen Landesdirektion vom 29. März 1803 auf den Kötztinger Pfingstritt ab - man hat sich
bemüht, andere Feierlichkeiten daran zu knüpfen, alte Texte, wo solche. vorlagen, zu modernisieren und
ähnliche ins Gebiet der Spekulation der Gewerbe­ treibenden fallenden Beigaben zu erfinden, die bald den einfachen Grundzug zur Nebensache umgestal­ten. Der Freund des Volkes und seiner Geschichte muss solches, wo es geschieht, aufrichtig bedauern. Auch der einfache, doch so schmucke Pfingstlritt zu Kötzting ist seit lange mit der kirchlichen Feier nicht beendet. Der tugendsame Jüngling erscheint alsbald in anderem Gewande als .Pfingstlbräutigam", und unter reichem Gepräge zieht er in die Stadt, dankt dem Pfarrer für seine Wahl, dem Stadtoberhaupte für sein Kränzlein, des Landesfürsten wird mit einem Hoch gedacht, und der Bräutigam sieht sich nun um eine ,Pfingstlbraut" um, die er zum Gastmahle und zu dem darauffolgenden .Hochzeitsballe" führt. Der Tanz setzt sich auch des andern Tages fort, sodass das Volk des Marktes und der Umgebung sich lange schon auf das Pfingstfest mit vollem Rechte freuen darf.

Das ist nichts Kleines


Soweit die kirchliche Feier dauerte, war unser Gast, des schönen Bildes, dessen Zeuge er wurde, aufrichtig froh, an der Seite des Wirtes gestanden. Als der Priester die Worte laut ausrief: .Ich fordere den Bürgerssohn Xaver Meindl auf, hiermit den Tu­gendkranz zu empfangen", und dieser wie ein Ritter in die Schranken des Turniers hervorsprengte, da konnte sich der Wirt kaum mehr mäßigen.  "Das ist der, Veri", sprach er zu seinem Begleiter, "ein Sohn von einer Schwester meiner verstorbenen Frau. 0 Marie, was wär das heute für eine Freude für Dich! Wissen Sie, Herr von Walther, das ist nichts Kleines. Drei junge Leute nennt der Bürgermeister, und nur den bravsten von den dreien sucht sich dann der Herr Pfarrer aus. Und wie er droben sitzt auf dem Gaul, wie wenn er seiner Lebtag geritten wäre. Ja, der Bub' hat einen Geist. Mein Weib hats allweil ge­sagt, aus dem wird noch was" . . .



Der Pfingstritt - Krone des Brauchtums

  


Wenn am Pfingstmontag an die dreihundert Reiter, Bürger und Bauern, das uralte Gelöbnis der beritte­nen Wallfahrt nach Steinbühl erneuern , erleben wir: ein kerniger, der Tradition seines Brauchtums be­wusster Menschenschlag legt ein mächtiges und überzeugendes Bekenntnis zu seinem Herrgott und zu seiner Heimat ab. Ungetrübter Bürgersinn, bäuer­liche Lebenskraft und tiefverwurzelte Heimatliebe sind seit Jahrhunderten der Hintergrund dieser religiösen Handlung, in der sich die Seele des Waldlervolkes in ihrem schlichten Wesen und ihrer inneren Frommheit offenbart . . .

(Karl B. Krämer)

Am ersten Feldaltar auf dem Wiesenhügel hält die Spitze an, die Reiter rücken langsam auf, nehmen die Hüte in die gefalteten Hände, und der Priester liest vom Sattel aus das Evangelium. Die geschliffenen farbigen Gläser, die in dem Goldfiligran des Tugendkränzels eingefasst sind, das dem geistlichen Herrn vor der Brust hängt, und das er nach dem Heimritt auf dem Anger dem würdi9sten Burschen verliehen wird, blitzen wie wirkliche Edelsteine in der Sonne. Ringsum blühen die Talarblumen und
Sommerglokken, Wiesenschaumkraut und Steinbrech, aus den Kornhalmen steigen die Ähren auf, und die Schmetterlinge schweben um die bunten Blüten. Da ist wohl mancher andächtiger als in der Kirchenbank, wenn er auch kaum ein Wort verstehen kann . . .

(Johann Linke)

Der Sinn des Kötztinger Pfingstritts als germanisch-christliche Bitt- und Weiheprozession zu Pferd, um den Segen Gottes auf Mensch, Tier und Land herabzuflehen, stellt sich einfach und rein dar. Dabei ist es ganz natürlich, dass die Geschichte des Festes, dass Entstehen, Weiterbildung und Umbil­dung im Lauf der Zeiten nicht eindeutig und lücken­los herauszufinden sind, dass auch legendäre Hi­storien - wie jene vom Versehritt in der Hussitenzeit - oder zufällige Überlieferungen - wie die Jah­reszahl 1412 auf den Marktfahnen - mit hineinkamen. Urkräftige Volkstraditionen sind chronologisch­ wissenschaftlich eigentlich nie festzulegen, wie man sie ja auch immer mehr mit dem Gefühl als mit dem Verstand begreifen muss. Das ist nur erfreulich - und Kötzting kann sich freuen, dass sein Fest zu alt ist, um je eine gültige Jubiläumszahl festzulegen . . .

(Dr. Sigfrid Färber)




Die Krone des Pfingstbrauchtums im Bayerischen Wald ist aber unstreitig der Kötztinger Pfingstritt. 
Nicht als ob es hier nur eine Prozession zu Pferde gäbe. Solche sind bis in die katholischen Gegenden Norddeutschlands verbreitet. Aber die große Zahl der Reiter, der Reichtum des Schmucks von Ross und Mann, Bürger und Bauern in alter Tracht, das herrli­che, im Maiengrün prangende Zellertal, durch das 
der Ritt geht, und der nicht geringe Reichtum des mit dem Ritt verbundenen Brauchtums machen ihn für jeden Heimatfreund und für jeden Fremden zu ei­nem unvergesslichen Erlebnis . . .

                                                                                     (Dr. Oskar Ritter von Zaborsky-Wahlstätten)




Ja. an dem Tag kommt es mir jedesmal vor, als fiele aufs neue in alle Herzen das Pfingstfeuer der Liebe und Gnade. Möge es an jedem Pfingstmontag aus unserem Wald hinausleuchten in die weite Welt . . .

(Eugen Hubrich)




Zu diesem neu veröffentlichten  Beitrag in der Pfingstbeilage des Jahres 1986 habe ich von unserem Leitenden Zugordner, Herrn Josef Barth, noch folgende Informationen erhalten.
Ein späterer Nachkomme des Autors und Wissenschaftlers  Dr. Karl von Reinhardstöttner, lebte nicht nur auf dem im Text erwähnten Lixenried sondern hatte auch besonders enge Beziehungen zum Kötztinger Pfingstritt.  Im Jahre 2016 erhielt er sogar die Auszeichnung für 25jährige Rittteilnahme.
Foto Rabl-Dachs: Dr. Claus von Reinhardstoettner am Pfingstmontag 2016 am Kötztinger Marktplatz bei der Entgegennahme seiner Ehrenfahne.

Kötztinger Zeitung 5.7.2017

Hier in seinem Nachruf erfahren wir auch näheres über die Familie vor allem im Zusammenhang mit Lixenried.


Freitag, 10. Oktober 2025

Lesestammtisch

Einladung zum
 monatlichen Lesestammtisch
des Arbeitskreises Heimatforschung






Was wollen wir dieses Mal lesen?

Im Jahr 1829 verschickte die Bayerische Regierung einen Befehl an all ihre Landgerichte. Diese sollten bei ihren jeweiligen Landgemeinden, Städten und Märkten nachfragen, welche Überlieferungen, Geschichten und „denk- und merkwürdigen” Begebenheiten und Orte es vor Ort noch gäbe.
Die Antwortschreiben der einzelnen Kommunen geben uns einen schönen Überblick über die überlieferten Ortsgeschichten und enthalten auch einiges an Sagenmaterial.
An der Befragung beteiligten sich die Pfarrämter und die Gemeindeverwaltungen, sodass ein buntes Bild der Überlieferungen der Ortschaften des alten Landgerichts Kötzting entsteht.
Im Oktober erfahren wir, welche Antworten die Gemeindeverwaltungen von Lederdorn, Niederndorf, Schwarzenberg, Rimbach und die Hofmarksherrschaft Runding der Regierung gegeben haben. Manchmal waren die Antworten ausführlich, manchmal gab es nur die schlichte Meldung, es gäbe nichts zu berichten.
Beim letzten Lesestammtisch erfuhren wir übrigens, dass der Name des Dorfes Warzenried von einem alten Mann mit einer großen Warze an der Hand abstammt, der die Wildnis gerodet hat (= riedern). Er verband somit seine persönliche Eigenschaft mit seiner Leistung. So einfach war das damals, wenn man eine Erklärung brauchte. Ob die Herren in der Regierung über diese „Theorie” gelacht haben, ist nicht bekannt. Bei „Jägershof” war es ebenso. Ein alter Jäger und ein einzelner Hof – voilà, der Jägershof.
Hier ein Lesebeispiel für den Text vom Oktober, gemeldet von der Hofmarksherrschaft Runding:



StA Landshut LGäO 602

Haidstein
Aus den wenigen Überresten dieser Buurg, welche auf uns gekommen sind, kann man wohl schließen, daß diese Burg eine früher bedeutenden Umfang gehabt haben müsse. Man erkennt noch den Eingang und sieht Spuren des vorhanden gewesenen Thores, an der südlichen Seite. Der vermutliche Vorhof ist viereckig und rings bis zur Westseite.....






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Man muss diese Schrift nicht unbedingt bereits lesen können, wenn man an unserem Lesestammtisch teilnehmen möchte, denn :
  • die meisten Teilnehmer lesen zumeist auch nur still mit
  • werden an diesem Abend in den 2 1/2 Stunden auch viele andere geschichtliche (und zeitgeschichtliche) Themen am Rande besprochen.
  • ist es eine kurzweilige Veranstaltung und schlussendlich
  • kann man diese Schrift bei dieser Gelegenheit dann ja leicht lesen lernen.


Also, vielleicht sieht man sich im Kneippstüberl im Hotel zur Post zum neuen Termin am  14.10.2025 um 18.30, ich würde mich freuen.




Donnerstag, 9. Oktober 2025

H.H. Dekan Dietl verlässt Kötzting

 

Eine Ehrenautokolonne für Stadtpfarrer Dietl 


Die folgende Bilderserie von einer großen Auto-Begleitkolonne von Kötzting bis nach Thierlstein  stammt aus dem Kötztinger „Kretschmerarchiv”.  Im Juli 1956 wurde der langjährige Kötztinger Stadtpfarrer Josef Dietl ins Kloster Ettmannsdorf bei Schwandorf abberufen. Dekan Josef Dietl war nicht nur der standhafte Kötztinger Pfarrherr in den schweren Jahren des Dritten Reiches, sondern auch maßgeblich an der Jugendarbeit in den Nachkriegsjahren beteiligt. Ihm zu Ehren wurde der Stadtpfarrer >Dietl in einem offenen VW-Cabrio zuerst noch einmal durch die Stadt Kötzting "kutschiert", bevor es dann auf die Landstraße Richtung Schwandorf ging. Bei einer Pause in Thierlstein wurde er dann noch zum Ehrenmitglied der Kötztinger Feuerwehr ernannt, bevor sich die Wege der Kötztinger und seines ehemaligen Pfarrherrn dann trennten. Viel Spaß mit dem Blick zurück in ein ganz anderes Kötzting.



Die Abfahrt aus der Kirchenburg im Juli 1956

Die Autos alle noch mit den alten KFZ-Kennzeichen für Niederbayern

Das damalige Landratsamt noch mit der großen Umfassungsmauer



Und dann gings schon hinaus aus Kötzting, hier die große Kurve auf der Straße nach Blaibach mit dem
großen Firmengebäude der Fa. Aschenbrenner. Voraus die Motorräder.....

.... und alle Autos hinterdrein
Das ist vermutlich die Straße zwischen Kreuzbach und Miltach, nach dem Einbiegen von der Straße nach Blaibach. Die heutige Staatsstraße Kötzting-Miltach war damals ja noch nicht einmal angedacht.


Hier ist die große Autokolonne noch unterwegs.

Und dann kam endgültig der Moment der Trennung. Bis nach Thierlstein begleiteten die Kötztinger ihren scheidenden Pfarrherrn:
Die Ankunft der Wagenkolonne unter den schattigen Bäumen des Schlosses Thierlstein.



Viele Kötztinger begleiteten ihren Pfarrherrn auf dem Weg zu seiner neuen Wirkungsstätte.


Der Kötztinger Feuerwehrvorstand Michl Traurig ernannte Josef Dietl zum Ehrenmitglied der Kötztinger Feuerwehr. Links beim Baumstamm: Oexler Karl

Von Thierlstein nach Ettmannsdorf gings dann ohne Begleitung weiter.

KU vom Juli 1956

Trotz dieses groß gefeierten  Abschieds, kam Dekan Dietl noch im selben Monat zu einem Kuraufenthalt nach Kötzting zurück, wo sich in Schönbuchen dann auch die von ihm so sehr geförderten Mädchengruppen verabschieden konnten, deren Abschiedsgeschenk nicht mehr rechtzeitig fertig geworden war.
KU vom Juli 1956

Viele der Kötztinger Vereine und Jugendgruppen erinnerten sich gerne an ihren großen Förderer und so blieben die Kontakte zu ihrem Stadtpfarrer noch lange bestehen, wie die Beispiel der Kötztinger Pfadfinder und der Kolpingfamilie belegen.

Die Kötztinger Pfadfinder auf Fahrt bei ihrem ehemaligen  GR Herrn Pfarrer Dietl
 
von links: Kuglmeier Hans, Barenkopf Horst, Kindl X, Sauerer Luck, Heiduk Klaus(spitzt von hinten durch) vorne dran Winter Michael, Brandl Wick, x Hans, Maimer Ferdl fast nicht zu sehen im Hintergrund, Pfarrer Dietl, Fischer Franz fast nicht zu sehen, Stammberger, Kroher Hans mit schwarzer Hose, Fischer Franz, Vogl Erhard, Zisler Heinz, Hofmann Karl Heinz, Gerlach Detlev