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Mittwoch, 27. November 2013

Die letzte Hinrichtung in Kötzting


vor gut 200 Jahren wurde auf dem Ludwigsberg zum letzten Mal eine Hinrichtung durchgeführt

 
Im Herbst, in der eher dunklen Jahreszeit, kommt immer wieder mal das Thema unseres Galgenbergs auf und die dort durchgeführten Hinrichtungen waren und sind immer wieder einmal Thema dieses Geschichtsblogs.
Nun also ein Bericht über die letzte Hinrichtung, die die Kötztinger "live" erlebt hatten.
 Meiner Erinnerung nach war es ein Harrlinger..... aber wo hatte ich davon gelesen und woher nun die Details nehmen....   (Der Blogbeitrag erschien bereits im Jahre 2013)
Die erste Reaktion in solch einem Fall ist immer: Herrn Baumann anrufen  ....meist ergibt sich in dem Gespräch dann der erste Hinweis auf Dokumente oder Urkunden. Hier kam dann tatsächlich schon die später sich als richtig erweisende Vermutung; in der "von Paur Chronik" könnte was stehen. Trotzdem war es noch nichts Genaues und so erinnerte ich mich an einen früheren Teilnehmer unseres Lesestammtisches, der uns vor vielen Jahren bereits von dieser "letzten" Hinrichtung erzählt hatte, Hans Thanner vom Kagerhof. (Hans Thanner, der Spezialist des Lesestammtisches für historische Währungen und deren Umrechnung ist leider mittlerweile verstorben)
Ein Telefonat genügte und Hans schickte wenige Minuten später einen Scan einer Festschrift  des Schützenfestes mit Fahnenweihe vom  22. - 25. Juni 1979  von den  D'Schatzberg - Schützen Harrling e.V." und dort ist unter Verweis auf die oben angesprochene "von Paur Chronik" diese Hinrichtung eines Harrlingers beschrieben.


Landrichter Carl von Paur + 1873 beerdigt in Kötzting


In Kötzting existieren zwei große Geschichtschroniken, die "Schuegraf" und die "von Paur"sche Chronik. Schuegraf beschrieb dabei die Anfänge Kötztings und endete mit seinen Ausführungen zu Anfang des 19. Jahrhunderts. Carl von Paur, der Kötztinger Landrichter von 1845 und - nach der Justizreform - der späterere Bezirksamtmann von Kötzting bis 1869, versuchte den Anschluss an die Schuegrafssche Chronik herzustellen und ist vor allem durch seine jahrgangsweise beschriebenen Vorkommnisse und durch seine qualifizierten Bemerkungen und Überlegungen über die Kötztinger Bewohner und deren Lebensumstände mehr als nur ein punktgenauer Chronist gewesen. Vor allem seine Beschreibungen der Kötztinger Umgebung zeigen eine Liebe zu unserer Gegend und eine Lebendigkeit, so dass viele seiner Sätze selbst heutzutage     "1 zu 1" in Werbebroschüren genutzt werden könnten. Die lange Zeit verschollene Chronik befindet sich nun im Panzerschrank unseres Bürgermeisters und berichtet, ohne genaue Datumsangabe, über die Hinrichtung.
Im März 1813  schreibt von Paur noch von der Konzessionsvergabe an den neuen und ersten Kötztinger Apotheker Franz Xaver Preiss aus Eichstätt und  über den Zeitraum vom 16.-.18. Oktober schreibt er von der Völkerschlacht zu Leipzig.
Dazwischen also verortet er die letzte Hinrichtung, weiter nun in seinen eigenen Worten:

An diesem Tage ging es schon früh morgens rührig zu im Markte, auch von auswärts kamen viele Leute herbey, etwa um einer Kirchen- oder sonstigen Festfeyer - nein - um einer Hinrichtung beyzuwohnen. Der verheurathete Söldner Joseph Obermayer von Harling, 25 Jahr alt, hatte sich eines vorsätzlichen Mordes dadurch schuldig gemacht, daß er seinen Gebkäufer und Austrägler Michael Wildfeuer, um sich der Austräglerreichnis zu entledigen, vermittels einer in die Flinten, statt einer Kugel eingeladenen abgebrochenen Spitze eines Eggen=Zahnes am 10. November 1812 Abends 6 Uhr durch das Fenster der Austräglerwohnstube meuchlings erschossen hat.
Der Tat geständig wurde er des Mordes schuldig erkannt, und zur Todesstrafe durch Enthauptung verurteilt.

Nachdem das Kötztinger Amtsgefängnis, in dessen nun renoviertem Dachstuhl im letzten Monat die vergessenen Akten gefunden wurden, erst in den Jahren 1817 bis 1820 erbaut worden war, war Joseph Obermayer wohl im damaligen Amtshaus am Ende der Schirnstraße (=Schergenstraße) während seiner Verhandlung und bis zum Hinrichtungstermin eingesperrt. Die Verhandlungen und Verhöre wurden in der Regel im Pflegerschloss durchgeführt. Zu diesem Zweck wurde der Delinquent dann ausgeschlossen und dem Landrichter vorgeführt. Für alle diese Verrichtungen inkl. der Verpflegung erhielt der Kötztinger Amtmann seine, genau in einer Tabelle festgelegten, Bezüge.
Der endgültige Schiedsspruch, das Todesurteil, wurde, obwohl die Verhandlungsführung in Kötzting lag, in Straubing ausgesprochen und auch der Tag der Hinrichtung von dort festgesetzt. Die Kötztinger Amtsmänner und Schergen hatten für den Aufbau des Hochgerichts bzw. des Schafotts zu sorgen und idR. wurden auch Schranken errichtet um das Publikum auf Abstand zu halten.  Die Hinrichtung wurde immer vom Straubinger Scharfrichter durchgeführt: Das "Brechen des Stabes" über den Delinquenten blieb dem Kötztinger Landrichter vorbehalten, dann handelte der Scharfrichter, doch zuerst weiter im Text von Paurs:




Am nordöstlichen Abhange des Galgenberges war das Schaffot aufgeschlagen und bereits gruppenweise von den vielen Neugierigen umstanden, als der Exekutionszug ankam. Voran der Landrichter zu Pferd, dann der Wagen mit dem Delinquenten unter Beistand des Ortsgeistlichen. 
Er zeigte keine Furcht.
Rasch stieg er vom Wagen und ging schnell die Treppe hinan, doch als er den Richtstuhl erblickte, sträubte er sich, sich niederzusetzen, so daß er mit Gewalt von dem Scharfrichtergehilfen, Wasenmeister Zankl von Steinach mit Gewalt dahin gezerrt und auf dem Stuhl niedergedrückt werden mußte, während dass der Scharfrichter Zankl von Straubing dem verhängnißvollen Hieb führte, der das Haupt vom Rumpfe trennte.
...während daß der Scharfrichter Zankl von Straubing dem verhängnißvollen Hieb führte, der das Haupt vom Rumpfe trennte. (Kopie aus der von Paurschen Chronik, Stadtarchiv Bad Kötzting)

Nachdem der Geistliche eine Mahnrede mit Gebet gesprochen hatte verlief sich die Volksmenge schweigend, und gedachte des Ermordeten in Wehmuth, da er ein braver Mann und besonderer Gutthäter der Kirche Harling war.

Die Amtmänner, Amtsknechte, Schergen, Scharfrichter und Wasenmeister, also Abdecker, bildeten als Mitglieder von unehrenhaften Berufen einen ganz eng geschlossenen Personenkreis. Ihre Mitglieder galten als so unehrenhaft, dass die "normale" Bevölkerung sich weder als Taufpaten noch als Trauzeugen hergeben wollte. Auch Ehepartner konnte diese Personengruppe nur unter sich finden, so dass es einen länder- und grenzüberschreitenden Familien- und Heiratsmarkt dieser Berufsgruppe gab. Die Familien der Scharfrichter waren tatsächlich europaweit untereinander verschwägert und auch die Kötztinger Wasenmeister und Amtmänner mussten sich für ihre Taufpaten, Trauzeugen oder für die Hochzeit Partner von weit her suchen. So ist es also auch kein Zufall, dass der Scharfrichtergehilfe, Wasenmeister Zankl aus Steinach und der Scharfrichter Zankl aus Straubing denselben Familiennamen führten und höchstwahrscheinlich eng verwandt waren. Über die Scharfrichter und Abdeckerfamilien Deutschlands und Mitteleuropas gibt es übrigens viele Abhandlungen, die genau diese Verbindungen herausarbeiten.


Dankenswerterweise schickte mir Hans Thanner auch noch ein paar Ergänzungen, teils aus den Matrikelbüchern und teils aus der mündlichen Überlieferung der Harrlinger Gegend:

Joseph Obermaier, der aus Aign bei Konzell abstammte, war mit einer Hollmer aus Landdorf verheiratet und hatte seinen Vorderlader mit einer derartig starken Pulverladung versehen hatte, daß das Geschoß - der Eggenzahn - durch das Fenster den Körper des am Tisch vor der Suppenschüssel sitzenden Wildfeuer durchschlug, durch die Stube flog, die Zimmertür gegenüber dem Fenster nochmals durchschlug und dann im Hausflur in der "Bodenstiege" steckenblieb. Der Ort des Geschehens war im sogenannten äusseren Dorf. Obermayer hatte das Anwesen des heutigen Ferdinand Vogl gekauft , wozu das Haus des heutigen Ludwig Breu als Ausnahmshaus gehörte.
Entdeckt wurde der Mord von dem damaligen Lehrer von Harrling, der an diesem Abend unterwegs war von Zandt nach Harrling und den Schuss gehört hatte. Er fand jedoch Michael Wildfeuer nur noch sterbend vor.
Ausschnitt aus der Uraufnahme entnommen einem Plan des Chamer Vermessungsamtes der Nummer  NO_050_41_1831
Auf dem Plan ist schön zu sehen, dass der jetzige Ludwigsberg, der damals noch der unbewaldete, frei sichtbare, Galgenberg gewesen ist. Die Stelle, an der jetzt der Ludwigsturm steht, ist mit einem ganz schwach erkennbaren Kreuz gekennzeichnet. Unterhalb, dem Markt zugewandt, - ungefähr bei den Buchstaben "g e" aus dem Wort Galgenberg - war die Kötztinger Richtstätte. Der Hauptzweck des Galgenberges in Kötztings war allerdings ein anderer: es war die Gemeindeweide, auf dieser Fläche hütete der Gemeindehirte, der sein vom Markt Kötzting gestelltes Häuschen in der jetzigen Hauserstraße hatte, die Viehherde der Kötztinger Marktlehner.

Da vor allem die "Malefikanten", die verurteilten Bösewichter also, die aufgehängt worden waren, nachweislich lange hängen gelassen wurden (in einem Fall ist eine Zeitspanne von einem ganzen Jahr bekannt), war es aus heutiger Sicht sicherlich ein gewöhnungsbedürftiges Bild mit dem toten Körper am Galgen und den weidenden Kühen drumherum und das Ganze auch unbewaldet und daher frei sichtbar.

Und wie schauts heutzutage dort oben aus?


Blick vom der Richtstätte in Richtung Wallfahrtskirche Weissenregen nach Sonnenuntergang
 Nun, stilecht im Finstern in der Kälte und  im November habe ich mich auf den Weg gemacht und bin vom Stauner rüber zum Richtplatz gegangen.
Die frühere Richtstätte verbirgt sich nun in von dichtem Unterholz bestandenen Hochwald. Nur ein Schild am Anfang des Weges gibt einen Hinweis:
Beim Zugang steht ein Taferl...

 Dann geht man am Taferl vorbei vielleicht 20 m leicht bergauf und kommt in eine laubbedeckte Lichtung. Mehrere aufrechtstehende Grenzsteine kennzeichnen den Platz, an dem in Kötzting früher die Hinrichtungen stattgefunden haben.



Hinweistafel direkt am Richtplatz

Richtplatz bei Nacht und im November.........


















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