Ludwig Baumann
historische Hausnummer 93
Bayerischer Superminister und griechischer Staatskanzler
Joseph Ludwig Graf von Armansperg – in Kötzting geboren
In Bayern erinnert man sich in diesen Tagen an den
Wittelsbacher Otto I., der 1832 mit Zustimmung der europäischen Großmächte zum
König von Griechenland gewählt wurde und vor 150 Jahren in Bamberg starb. Bad
Kötzting darf sich rühmen, dass in seinen Mauern ein Mann zur Welt kam, der versuchte,
für eben diesen König als Staatskanzler die damaligen chaotischen griechischen
Verhältnisse in Ordnung zu bringen.
Tauflegende
Wenn die mündliche Überlieferung recht hat, geriet der
Pfleggerichtskommissar zu Kötzting Joseph Felix Freiherr von Armansperg schier
aus dem Häuschen, als ihm am 27. Februar 1787 um neun Uhr abends die Hebamme seinen
Erstgeborenen präsentierte. In seinem Überschwang soll er gerufen haben: „Wer
morgen früh als erster zum Tor hereinkommt, wird der Pate sein!“ Es war der Hirt
von Gehstorf, der die Frühmesse in der Pfarrkirche hinter den
Pflegschlossmauern besuchen wollte. Der Freiherr soll sein Wort gehalten haben.
Der Dorfhirt, ein wenig Geachteter, Unterprivilegierter, soll das adelige Kind
zur Taufe getragen haben, einer, dem die vielen Namen, auf die man das Kind
taufte, den Kopf verwirrten: Joseph, Ludwig, Franz Xaver. Aber – in diesem Fall
lässt sich der Wahrheitsgehalt der rührenden Volkserzählung mit der
Taufmatrikel der Pfarrei nachprüfen. Und die gibt einen anderen Taufpaten an,
den Freiherrn Franz Joseph von Armansperg, Herrn auf Egg. Illusion zerstört?
Nicht ganz! Nach dreieinhalb Jahren durfte sich der Pflegrichter – inzwischen
war er zum Grafen aufgestiegen – über einen zweiten Sohn freuen. Diesmal verrät
der Matrikeleintrag, dass stellvertretend für den oben genannten Herrn auf Egg
das Kind zur Taufe trug: „Adam Kollmer, sehr armer Inwohner zu Beckendorf“.
Also hat die mündliche Tradition doch einen wahren Kern! Freilich bog sie die
Wahrheit ein wenig zu Gunsten des Erstgeborenen.
Innen-, Finanz- und Außenminister
Denn der erklomm, von den Kötztingern mit Neugierde,
Anteilnahme und nicht ohne Stolz begleitet, eine steile Karriere. Joseph Ludwig
studierte an der kurz vorher von Ingolstadt nach Landshut verlegten Universität
die Rechtswissenschaften. Gegen die Übergriffe der „Franken“ gründete er 1806
die Corpsbruderschaft „Bavaria“. Nach einem Duell wurde er 1807 von der
Hochschule verwiesen. Des Rektors Urteil: „Ein sonst gebildeter mit guten
Talenten versehener junger Mann. Er machte sich bekannt durch Renommisterei
sowohl in dem vorigen Semester als in dem laufendem, wo er als Chef der
Bayerischen Landsmannschaft mit aller Zudringlichkeit sich als Werber darstellte,
zu Duellen aufreizte und selbst duellierte“ (Zitat bei Jester). Der
Gemaßregelte konnte aber bald auf die Universität zurückkehren und ein
glänzendes Examen ablegen. Mit 21 Jahren trat er 1808 in den bayerischen
Staatsdienst ein. 1815 begleitete er den Feldmarschall Fürst Wrede auf den
Wiener Kongress und war dann ein Jahrzehnt beim Aufbau der an Bayern gefallenen
linksrheinischen Gebiete (Rheinpfalz) tätig, wo er sich auf dem Gebiet der
Staatsfinanzen gründliche Sachkenntnisse erwarb. Von 1820 bis 1823 war
Armansperg Direktor des Obersten Rechnungshofes und dann Vizepräsident der
Regierung des Regenkreises in Regensburg.
Kurz nach seiner Thronbesteigung ernannte König Ludwig I. an
Neujahr 1826 Armansperg zum Innen- und Finanzminister. Seine große Leistung war
die Sanierung der zerrütteten bayerischen Staatsfinanzen. Trotz einer
Staatsschuld von 116 Millionen Gulden gelang es ihm durch einschneidende
Sparmaßnahmen, den Staatshaushalt auszugleichen – was ihm den Spottnamen „Sparmannsberg“
einbrachte. Die Historiker charakterisieren ihn als „eine selbstbewusste,
liberale, freigeistige Persönlichkeit, willenskräftig ohne Einschränkung,
belangvoll in Ideen und Sprache, in Gegensätzen und Schwierigkeiten überlegen,
ein Eckstein, in Abneigungen scharf, von klarer Linie, ein Mann der Geschäfte,
wie ihn der König sich wünschte“ (Dirrigl).
Unvereinbar und trennend waren allerdings die Ansichten von
König und Minister in der Reform des Kirchen- und Schulwesens. Ludwig I. war
entschlossen, die 1802/3 säkularisierten Orden wieder in ihre alten Rechte
einzusetzen – bedacht auf Seelsorge, Erziehung, Wirtschaft und Pflege der
Tradition. Er war auch bereit, Geld dafür auszugeben. Armansperg dagegen,
kämpferisch liberal gesinnt, suchte das königliche Vorhaben zu hintertreiben.
Ein Beispiel: Die Franziskaner und Kapuziner bezichtigte er in einer
schriftlichen Stellungnahme an den König mit ätzendem Hohn als die gemeinsten
unter allen Orden, die „einer Art geistlichen Müßiggangs frönten und mehr den
Aberglauben als den echt religiösen Sinn und das wahre Christentum
beförderten“. Der König vermerkte dazu knapp: „Hiermit gar nicht einverstanden,
ich will auch Kapuziner und Franziskaner“ (Dirrigl).
Am 1. September 1828 musste Armansperg das Innenministerium
abgeben, bekam aber zum Finanzministerium das des Auswärtigen dazu. Diese neue
Ämterverbindung ermöglichte ihm große Erfolge in der deutschen Zollpolitik.
Durch seine Initiative wurde ein Zollverein zwischen Bayern und Württemberg
geschlossen und schließlich ein Handelsvertrag zwischen den beiden Südländern
und Preußen. Außenpolitisch verfolgte der Minister einen Kurs, der sich die
Einmischung Österreichs in bayerische Belange verbat. Dagegen pflegte er ein
freundschaftliches Verhältnis zu Frankreich. Dies, seine liberale Haltung, die
offene Kritik am königlichen Regierungsstil und sein selbstherrliches Auftreten
brachten ihm 1831 die Entlassung aus seinen Ämtern ein.
Griechischer Staatskanzler
Doch im Jahr darauf sollte dem 45-Jährigen eine Aufgabe von
europäischen Dimensionen zufallen. Am 7. Mai 1832 schlossen in London die
griechischen Schutzmächte England, Frankreich und Russland mit dem Königreich
Bayern einen Staatsvertrag. Der legte fest, dass die Regierungsgewalt,
verbunden mit der Königswürde, über das aus türkischer Herrschaft befreite
Griechenland dem bayerischen Prinzen Otto, dem zweitgeborenen Sohn König Ludwig
I., übertragen wird. Da der Prinz mit seinen 17 Jahren noch nicht volljährig
war, wurden die Souveränitätsrechte durch eine aus drei Räten bestehende
Regentschaft ausgeübt. Als Regentschaftsräte berief König Ludwig den Münchner
Professor Georg Ludwig von Maurer, den Generalmajor Karl Wilhelm von Heideck,
den Staatsminister a. D. Joseph Ludwig Graf von Armansperg. Der wurde
gleichzeitig zum Präsidenten der Regentschaft bestimmt.
Die bayerische Regentschaft in Griechenland versuchte,
zunächst mit Erfolg, Ordnung in die chaotischen Verhältnisse zu bringen, die
eine vierhundertjährige Türkenherrschaft hinterlassen hatte, für Recht und
Gesetz zu sorgen, eine funktionierende Verwaltung aufzubauen. Graf Armansperg
leitete die Sitzungen des Regentschaftsrates, verwahrte das Staatssiegel, war
Repräsentant gegenüber den akkreditierten Gesandten. Seine Einbindung in eine
kollegiale Führung mit Abstimmungsniederlagen empfand er als persönliche
Demütigung. Aber, und dafür sorgte seine Frau, eine geborene Weichs, sein
aufwändig gestaltetes Palais in Nauplia, dem vorläufigen Regierungssitz, war
von Anfang an Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens der Stadt. Im
Armanspergschen Salon traf sich zur wöchentlichen Soiree, was in Griechenland
Rang und Namen hatte. Als nach eineinhalb Jahren die Gegensätze unter den
Regentschaftsräten unüberbrückbar wurden, verfügte König Ludwig von Bayern die
Abberufung zweier Mitglieder. Und Graf Armansperg gewann als „Staatskanzler“
eine unabhängige Stellung. Aber schon 1837 erzwang griechischer Nationalismus
die Entmachtung Armanspergs, des „bayerischen Xenokraten“ (Fremdherrscher). Er
lebte fortan auf seinem niederbayerischen Schloss Egg. 1853 starb er und wurde
auf dem Alten Südlichen Friedhof in München begraben. Seine „geschichtliche
Leistung beruht auf seinem Anteil an den Reformen der bayerischen
Staatsverwaltung und am Aufbau des griechischen Königreiches, so bedeutsam wie
unverringerbar“ (Dirrigl).
Als sich im Dezember 1832 der junge König Otto in München
verabschiedete, um nach Griechenland aufzubrechen, hatte dieses Ereignis, wie
der Kötztinger Chronist des 19. Jahrhunderts Carl von Paur feststellt, für die
Bürger des Marktes ein besonderes „Nebeninteresse“, da er „von einem
erleuchteten Staatsamann, dessen Wiege in Kötzting stand“, begleitet wurde.
Deshalb sandte der Magistrat an König Ludwig eine „Huldigungs- und
Beglückwunsch-Adresse“. Hierauf kam dem Bürgermeister Magg folgendes
„allergnädigstes Handschreiben Sr. Majestät zu: „Aus den Glückwünschen, welche
Mir die Bürger von Kötzting zur Thronbesteigung meines vielgeliebten Sohnes des
Königs Otto von Griechenland dargebracht haben, spricht mich auf eine rührende
Weise sein unerschütterlicher Geist der Treue und Anhänglichkeit an, der von
jeher die Bewohner des bayerischen Waldes für Fürsten und Vaterland beseelte.
Ich theile die Hoffnung der Bürger Kötztings, daß die schönen vaterländischen
Gesinnungen Bayerns sich in Griechenland wiederholen werden, und versichere
dieselben meines herzlichen Dankes und meiner königlichen Gnade. Ihr wohlgewogener
König Ludwig. München den 28. Decemb. 1832.“
Die Hoffnungen König Ludwigs I. und der Kötztinger erfüllten
sich nicht. Die Herrschaft König Ottos wurde trotz vieler Reformen abgelehnt.
1862 zwang ihn eine Militärrevolution zum Verlassen des Landes.
Quellen:
Carl von Paur: Gedenkblätter zur
Ortsgeschichte des Marktes Kötzting 1800–1871, Manuskript im
Stadtarchiv Bad Kötzting.
Stadtarchiv Bad Kötzting.
Pfarrarchiv Bad Kötzting:
Pfarrmatrikel, Mikrofiche 161 und 166.
Ludwig Jester: Joseph Ludwig Graf
von Armansperg, in: Das Bayerland 1899 Nr. 15, S. 177.
Karl Bosl: Bosls Bayerische
Biographie, Regensburg 1983, S. 26.
Karl Dickopf: Die bayerische
Regentschaft in Griechenland (1833–1835), in: Die erträumte Nation.
Griechenlands Wiederkehr im 19. Jahrhundert, München 1993, S. 83–95.
Griechenlands Wiederkehr im 19. Jahrhundert, München 1993, S. 83–95.
Michael Dirrigl: Ludwig I. König
von Bayern 1825–1848, München 1980.
Joseph Ludwig Graf von Armansperg, ein Sohn
der Stadt Bad Kötzting (Bildnachweis: Bower/Bolitho, Otto König von Griechenland,
Autenried 1997, S. 61).
Ehemaliges Pflegschloss Kötzting, heute
Pfarrhof und Pfarrheim. Hinter den markierten Fenstern wurde Joseph Ludwig Graf
von Armansperg am 27. Februar 1787 geboren (Aufnahme 1922: Die Kunstdenkmäler
von Bayern. Bezirksamt Kötzting).
Als der Sprößling war geboren,
Rief der Vater in Freud verloren:
„Wer zuerst geht durchs Thor herein,
Soll meines Kindes Pathe seyn.“
Da kam der Hirt von Gehstorf gegangen,
Um in die Frühmeß zu gelangen.
Der trug dann auf breiten Händen
Das Kind, um ihm die Tauf zu spenden,
Daß es war ein Christ und rechter Mann,
An dem Vater und Vaterland Freude ha’n.
Legende von der Taufe Joseph Ludwig Graf von
Armanspergs, in Reime gebracht von Carl von Paur.
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