Ludwig Baumann
historische Hausnummer 97
Die Brüder Prälisauer: Mesnersöhne, Mönche, Musiker
Um 1690 stellten die Benediktiner des
Priorats zu Kötzting einen neuen Mesner ein, den aus Sachseln in der Schweiz
zugewanderten Johann Joseph Anton Prälisauer. Der heiratete am 7. Juni 1691
Anna Maria Strigl, die Tochter des Schullehrers und Organisten. Elf Kindern
schenkten sie das Leben. Von den acht, die nicht im Kleinkindalter starben, ergriffen
fünf Söhne einen geistlichen Beruf, und sie förderten an ihren Wirkungsorten
die Musikkultur in hohem Maße. Das musikalische Erbe hatte ihnen nicht nur die
Mutter mitgebracht. Auch der Vater war aktiver Musiker, nur solchen wurde
damals in Kötzting das Mesneramt anvertraut. Laut Kirchenrechnung von 1692
bekam der Mesner eine Jahreszulage, „daß er dem Schulmeister mit Abrichtung der
Kinder uf die Music möglichst anhand gehen soll“. Aber auch die Benediktiner,
deren Prioratsgebäude in der Herrenstraße direkt gegenüber dem Mesnerhaus
stand, werden in den Buben mancherlei Interessen geweckt und Anlagen gefördert
haben.
Pater Anton Prälisauer, Domkapellmeister zu Augsburg
Anton Simon Prälisauer wurde am 13.
August 1692 vom Hofmarksverwalter zu Zandt zur Taufe getragen und vom
Kooperator, Pater Otto Mellenberger, getauft. Über seine schulische Ausbildung
ist nichts bekannt. Sichere Daten sind uns erst ab 1718 überliefert. Damals war
der 26-Jährige, der in den Jesuitenorden eingetreten war, Organist in St.
Michael zu München – dort in der Neuhauser Straße hat die Kirchenmusik heute
noch einen hohen Stellenwert. Zugleich war Prälisauer Vizepräfekt am Seminar
St. Gregor. Schon in dieser Zeit tat er sich als Komponist von Schultheatern
hervor. Im Münchener Jesuitengymnasium hatte das Theater eine alte und große
Tradition. Orlando di Lasso vertonte für die Tragödie „Samson“ die Chöre, und
Jakob Bidermann verfasste den „Cenodoxus“ für die Jesuitenschüler. „Das
Münchener Jesuitentheater ist ein Höhepunkt europäischer Bühnengeschichte“
(Benno Hubensteiner).
In diese Tradition reiht sich Anton
Prälisauer ein. In den sechs Jahren seiner Münchener Tätigkeit schrieb er die
Musik zu einem halben Dutzend Jesuitendramen, die in lateinischer Sprache
gespielt und den Zuschauern mit gedruckten Theaterzetteln inhaltlich erläutert
wurden: „Ichnographia Palatii Mariani“ (Grundriss des Marianischen Palasts, 1718),
„Ingeniosa hominis nequilia“ (Angeborene Bosheit des Menschen, 1722), „Talandus“
(1724), „Jacob Patriarcha“ (1724), „David“ (1724) – alle in München aufgeführt.
Dazu vertonte er für die Jesuiten in Regensburg St. Paul 1722 das Drama des
„Manfredus, der über den zeitlichen Geschäften das Geschäft seines Seelenheils
vergißt“.
Das Ansehen, das sich Anton Prälisauer
als Organist und Komponist erworben hatte, verhalf ihm 1725 zum beruflichen Aufstieg.
Er bewarb sich am Dom zu Augsburg um die vakante „Lektoratsstelle“ und bekam
sie – und dazu ein Benefizium mit der Begründung, dass er im Orgelschlagen und
im Komponieren über gute Erfahrungen verfüge. Im Klartext: Er war ab dieser
Zeit Augsburger Domorganist und die rechte Hand des Domkapellmeisters Weiß mit
den besonderen Aufgaben, bei der Anschaffung von Instrumenten und bei der
Auswahl des Musikernachwuchses behilflich zu sein. Als im Oktober 1736 der
Domkapellmeister starb, übernahm Prälisauer fünf Tage danach die Leitung der
Dommusik. Beim Neubau der Evangelien-Orgel im Chor des Doms 1740 entwarf er
die Disposition. In der Fachliteratur wird er als guter Orgelsachverständiger gewürdigt.
Aber auch auf seine Kompositionskünste
wollte man in Augsburg nicht verzichten. 1726 und 1729 schrieb er für seine
ehemaligen Münchener Kollegen die Musik zu zwei Jesuitenspielen („Noe“ und
„Eclipsis illuminans“ – Glanzvoller Untergang). Und 1728 hatte er für die
angesehene Marianische Kongregation der Augsburger Studentenschaft das Drama „Thriumphus
Mariannae Charitatis“ (Triumpf der Marienliebe) komponiert. Danach vertonte er
noch mindestens zwei Dramen für die Kongregation, „Absalon“ und „Leo Parthenii“
(beide 1743). Das letztere war für den „äußerst musikverständigen und musisch
wohl am besten vorgebildeten Fürstbischof Joseph I.“ verfasst worden. Es wurde
am 12. Januar uraufgeführt und fand bei dem sehr zahlreichen und vornehmen Publikum
„beider Religionsparteien“ großen Gefallen. Am Tag darauf folgte eine
Wiederholung, bei der der Fürstbischof wieder mit seinem ganzen Hofe anwesend
war (Martina Schmidmüller). Außer Theatermusik komponierte Prälisauer auch
Kirchenmusik. 1743 beauftragte ihn das Domkapitel, Choral-Antiphonen, Hymnen
und Responsorien für die Feste St. Johann Nepomuk und St. Elisabeth zu
schreiben.
Am 5. Januar 1746 starb Anton Simon
Prälisauer. Im Kreuzgang des Augsburger Doms liegt er begraben. Seine
Grabstelle ist bezeichnet mit den knappen Worten: „Ant. Sigm. Prelisauer aus
Kötzting, Chorvikar und Kapellmeister, geb. 1692, + 5. Jan. 1746“.
Elf Jahre von Prälisauers Augsburger
Zeit laufen parallel mit der Kinder- und Jugendzeit des in Augsburg geborenen
und aufgewachsenen Leopold Mozart. Es gibt keinen Nachweis über ein Lehrer-Schüler-Verhältnis.
Auch die Mitwirkung Mozarts in einem von Prälisauer geleiteten Chor kann nicht
belegt werden. Trotzdem sind musikalische Begegnungen mehr als wahrscheinlich.
Leopold Mozart war Schüler im Gymnasium und Lyzeum der Jesuiten. Während dieser
Zeit wirkte er an sieben Schulspielen mit. Es darf vermutet werden, dass das
eine oder andere von Prälisauer komponiert war.
Pater Cölestin Prälisauer, Komponist in Tegernsee
Der wortgewandte Abraham a Sancta
Clara sagte von den Benediktinerklöstern: „Da jubiliert es, da geigt und pfeift
es, und der Himmel hängt voller Baßgeigen.“ Die Benediktiner in Tegernsee
ließen sich die Pflege der Musik, vornehmlich der Kirchenmusik, besonders
angelegen sein. Wahrscheinlich auf Vermittlung der Kötztinger Benediktiner kam
Franz Ildephons Prälisauer, der Zweitgeborene der Mesnersleute (getauft am 7.
April 1694), mit neun Jahren ins Kloster Tegernsee, wo er mehrere Jahre als
Sängerknabe eingesetzt war. Und er enttäuschte die Erwartungen seiner Gönner
nicht. Im Kloster erhielt er die übliche humanistische Schulbildung und einen
gediegenen Musikunterricht. Nach dem Philosophiestudium am Münchener
Gregoriusseminar und dem Noviziat in Tegernsee legte er am 22. November 1716
die Ordensgelübde ab. Diesen Tag hatte man bewusst gewählt. Es war der Festtag
der hl. Cäcilia, der Patronin der Kirchenmusik. Anschließend besuchte er die
theologischen Lehranstalten der Benediktiner und feierte unter dem Ordensnamen
Cölestin am 3. Oktober 1723, mit 29 Jahren, seine Primiz.
Danach durfte er sich ganz der Musik
widmen. Begabung und Können waren Voraussetzung. Er war ein ausgezeichneter
Sänger, ein gewandter Geiger und ein ebensolcher Organist. Als Leiter des
Musikchores brachte er den Kirchengesang in Tegernsee zu hoher Blüte. Sein Ansehen
als Musikpädagoge wuchs so sehr, dass viele Eltern ihre Söhne gegen eine
Unterrichtsgebühr zu ihm ins Kloster schickten. Pater Cölestin brachte ihnen
die Grundbegriffe in Latein bei und gab ihnen einen gründlichen
Musikunterricht.
Auf seinen Rat richtete die Abtei vier
Freistellen für musikalisch besonders Begabte ein. Kost, Kleidung und Wohnung
waren frei, aber sonst wurde ihnen nichts geschenkt. Die Tagesordnung der
Singknaben war hart: ¾5 Uhr Wecken, Ankleiden, Waschen, anschließend Beten und
Studieren, 7 Uhr Messe, ½8 Uhr Suppe, 8–10 Uhr Schule, 10–11 Uhr Musikstunde,
11–12 Uhr Mittagstisch, 12–½1 Uhr Erholung, ½1–½2 Uhr Musik- oder
Studierstunde, ¾2–2 Uhr Vorbereitung auf die Schule, 2–4 Uhr Schule, 4–5 Uhr
Musikstunde, 5–6 Uhr Abendtisch, 6–½7 Uhr Erholung, ½7 Uhr bis zum
Angelusläuten Studieren. Die Nachtruhe begann nach dem Abendgebet gegen 9 Uhr.
Für Pater Cölestin war Orlando di
Lasso das große Vorbild. Seinen eigenen Namen machte er rühmlich bekannt durch
die Vertonung mehrerer geistlicher Schauspiele, mit denen die Ölbergandachten
in der Stiftskirche gestaltet wurden. Besonderes Aufsehen erregte sein
Musikspiel „Ecce Agnus Dei“ (Siehe das Lamm Gottes), das in der Fastenzeit 1728
aufgeführt wurde. „Die Aufführung war so mustergültig und die Musik so
einschmeichelnd, daß eine unglaubliche Menschenmenge nach Tegernsee wallte, um
der frommen Darbietung beizuwohnen. Der Tondichter und seine Sänger und
Schauspieler ernteten alle Anerkennung und allgemeinen Beifall“ (Ludwig Gernhardt).
Abt Gregor Plaichshirn schaffte die Voraussetzungen, um diesen
Ölbergvorstellungen einen würdigen und glänzenden Rahmen zu geben. Er ließ nach
den Weisungen des Komponisten und Spielleiters Prälisauer Kostüme fertigen und
nach den Plänen des kurfürstlichen Baumeisters Gunezrainer eine Bühne in die
Kirche stellen.
Wie sein Bruder Anton in Augsburg
schuf auch Pater Cölestin neben Theaterkompositionen liturgische Werke. Genannt
werden ein feierliches Te Deum, Festgesänge auf verschiedene Tagesheilige, ein
mehrstimmiges Requiem. Als sein bestes Werk rühmt Felix Joseph Lipowsky im 1811
erschienenen Bayerischen Musiklexikon die Responsorien zur Totenvigil – ein
Werk „voll Ernstes und hoher Empfindung“. Nach Lipowsky „gab er nichts im
Drucke oder Stiche heraus, ihm genügte, im Stillen genützt und etwas Gutes
getan zu haben, am Lobe der Welt lag ihm nichts“.
Die große Jahrtausendfeier, die seine Abtei
1746 beging, erlebte Pater Cölestin nicht mehr. Als er sich am 4. Februar 1745
zur Frühmesse ankleiden wollte, wurde er vom Schlag getroffen. Da er an
Wassersucht litt, brach er innerhalb 24 Stunden völlig zusammen und verschied
am 5. Februar im Alter von knapp 51 Jahren. Die Festmusik zum Klosterjubiläum
schrieb an seiner Stelle der jüngere Bruder, der seinem Beispiel folgend bei
den Benediktinern in Rott am Inn eingetreten war
Zum Karfreitag Leidensgeschichte unseres Herrn
Jesus Christus für vier Stimmen und Orgel von
Pater Cölestin Prälisauer (1694–1745), geboren in Kötzting, Benediktiner der Abtei Tegernsee, barocke Handschrift, Titelblatt und Sopranstimme (Stiftsbibliothek der Erzabtei St. Peter, Salzburg)
Pater Cölestin Prälisauer (1694–1745), geboren in Kötzting, Benediktiner der Abtei Tegernsee, barocke Handschrift, Titelblatt und Sopranstimme (Stiftsbibliothek der Erzabtei St. Peter, Salzburg)
Kanonikus Andreas Prälisauer, Musikerzieher und Komponist in Polling
Der dritte Prälisauersohn (am 7. April
1699 in Kötzting getauft) führt uns ins oberbayerische Augustiner-Chorherrenstift
Polling bei Weilheim. Dort wurde Andreas Prälisauer 1720 eingekleidet. Bei
seiner Ankunft wird ihn der mächtige, harmonisch gegliederte Turm der
Stiftskirche mit den drei Meter starken Mauern aus Tuffquadern beeindruckt
haben. Dort wird er auch den Reichtum des Pollinger Reliquienschatzes bewundert
haben, eine Sammlung von Heiltümern um das alte Tassilokreuz, das seit dem 16.
Jahrhundert Mittelpunkt einer Wallfahrt war. Dort stand ihm auch eine
Bibliothek zur Verfügung, die dann nach seiner Zeit bis zur Säkularisation von
seinem Mitbruder, dem späteren Probst Franz Töpsl, mit 80 000 Bänden zur
größten und bedeutendsten bayerischen Klosterbücherei ausgebaut werden sollte.
Wie die Benediktinerklöster waren auch die Stifte der Augustiner-Chorherren
Zentren der Musikerziehung und der geistlichen Musik. Sie sollte das Lob Gottes
verkünden und die Gläubigen zur Andacht und zum Gebet bewegen.
Unter Probst Albert Oswald (1701–1744)
wurde an Stelle der bis dahin üblichen täglichen Choralämter die Figuralmusik auf
dem Musikchor der Klosterkirche eingeführt. Den „figurierten Gesang“, benannt
nach seinen Notenzeichen (Figurae) und oft begleitet von Orgel, Blas- und
Streichinstrumenten, besorgten im Stift hauptsächlich die Seminaristen unter
der Leitung eines Chorregenten. Diese Stelle wurde jeweils einem besonders
musikalischen Chorherrn übertragen. Der erste Pollinger Chorregent nach
Einführung der Figuralämter war Kanonikus Andreas Prälisauer. Wie er in seiner
Amtszeit als Chorleiter wirkte und was er erreichte, erfahren wir erst in
seinem Nachruf, als er am 5. November 1743, mit nur 44 Jahren, verstorben ist:
„Er versah durch viele Jahre das Amt eines ersten Musikpräfekten und hat in der
Klosterkirche zur Ehre Gottes viel geleistet. Nicht wenige unserer Seminaristen
hat er in der Kunst des Gesangs und des Orgelspiels so unterwiesen, daß sie
Virtuosen darin wurden, wie man sagt. Sicherlich verdient er auch den Dank der
Nachwelt für die musikalischen Schätze, die er uns hinterließ. Er hat sie zum
Teil selbst komponiert, zum Teil von Verwandten, die sehr kunstverständig
waren, abgeschrieben“ (Georg Rückert).
Wir dürfen annehmen, dass mit der
letzten Textpassage auf seine Brüder angespielt wird. Offensichtlich hat er neben
eigenen Kompositionen mehrere ihrer Werke kopiert. Von diesen Notenhandschriften
blieb nichts erhalten. Sie gingen mit hoher Wahrscheinlichkeit während der
Säkularisation (1803) verloren. Von Dr. Robert Münster, dem ehemaligen Leiter
der Musiksammlung der Bayerischen Staatsbibliothek und exzellenten Kenner
bayerisch-barocker Klostermusik, war zu erfahren, dass nur wenige ältere
Musikalien und liturgische Chorbücher, die in den Klosterbibliotheken
aufbewahrt waren, nach 1803 in die Münchener Hofbibliothek gelangten.
Pater Kolumban Prälisauer, Musikhistoriker in Rott am Inn
Der vierte Sohn der Familie Prälisauer
wurde am 9. Januar 1703 geboren und zwei Tage später auf die Namen Joseph
Bernhard getauft. Als Pate fungierte der angesehene Kötztinger Bürger und
Ratsherr Andreas Passauer.
Zur gymnasialen Ausbildung kam Joseph
an das Gregorianum der Münchener Jesuiten. Sein Bruder Franz ist dort schon zur
Schule gegangen und der älteste Bruder Anton war Vizepräfekt im Seminar und
Organist an der Michaelskirche. Joseph wirkte wohl bei einem Schulspiel mit,
das sein Bruder 1718 vertont hatte. Jedenfalls konnte er mit seinem
Aufnahmegesuch ins Kloster, zwei Jahre später, auch Theaterprämien vorweisen.
In seinem Schulzeugnis vom Jahre 1719 werden ihm große Begabung bescheinigt,
lobenswertes Betragen, beste Leistungen, es wird aber auch angemerkt, dass sein
Eifer für die Schulfächer manches Mal hinter seiner Liebe zur Musik
zurückstehen musste.
Im Herbst 1720 trat der 17-Jährige als
Frater Kolumban in die Mutterabtei der Kötztinger Benediktiner Rott am Inn ein,
vielleicht auf Anregung der benachbarten Patres in der Heimat. Nach der Profess
(Ablegung der Gelübde) 1721 studierte er im Kloster Ensdorf Philosophie und
seit 1725 Theologie in Rott selbst, wo damals die bayerische
Benediktinerkongregation ein Studium commune (ordenseigene Hochschule für
mehrere Abteien) eingerichtet hatte. 1728 hatte er als Repetitor, als eine Art
Assistent, eine besondere Vertrauensstellung. Am 14. August 1729 wurde er zum Priester
geweiht.
Kurz nach seiner Primiz ernannte der
Abt den jungen Pater zum Leiter der beiden Chöre und zum Bibliothekar. Er
betätigte sich als Historiker und schrieb eine verschollene Chronik seines
Klosters. Bedeutend war seine Beschäftigung mit der Musikgeschichte. Auffallend
und bezeichnend für sein Interesse am Historischen ist die spezielle,
eingehende und in die Tiefe forschende Arbeit zur Geschichte des
gregorianischen Chorals in einer Zeit, da der liturgische Choralgesang von der
Figuralmusik in den Hintergrund gedrängt wurde. Frucht dieser
wissenschaftlichen Tätigkeit, besonders auch der Analyse musikalischer
Handschriften, war eine (heute verschollene) Musikpaläographie („Merkmale der
Zeichen der alten Musik“) und eine ebenfalls nicht erhaltene Chorallehre
(„Anfänge des Choralgesangs“). Kenntnis von Prälisauers Forschertätigkeit haben
wir durch vier Briefe, die er an seinen Freund, den gelehrten und späteren Abt
von Ensdorf, Anselm Desing, schrieb. Sie sind in der Universitätsbibliothek
München erhalten. Pater Kolumban teilte Desing unter anderem mit, dass er in
Tegernsee einen alten Codex fand, der im 11./12. Jahrhundert angefertigt worden
war. Er entdeckte und deutete in dieser Handschrift vergessene Zeichen der Notation
(Leo Söhner).
Neben seiner Tätigkeit in
Musikforschung und -praxis blieb Pater Kolumban noch Zeit zum Komponieren. Von
seinen Schöpfungen sind aber weder Titel bekannt noch Notenmaterial erhalten.
Der Klosterchronist weiß aber zu berichten, dass Pater Kolumbans Kompositionen
auch von auswärts gerne angefordert wurden. Einen sehr ehrenvollen Auftrag
erhielt er im Jahre 1746. Das Kloster Tegernsee feierte, wie erwähnt, das
tausendste Jahr seiner Gründung. Da im Jahr zuvor der dortige Klosterkomponist,
Pater Cölestin Prälisauer, verstorben war, bat man seinen Bruder in Rott, die
Festmusik zu komponieren. Pater Kolumban schrieb für das dreiaktige lateinische
Spiel, das formal vom Barocktheater der Jesuiten beeinflusst ist, Rezitative
und Arien, ein Duett und Chöre. Der in Tegernsee gedruckte Text blieb erhalten.
Das Notenmaterial ist verschollen.
Pater Kolumban Prälisauer hatte in
seinem letzten Lebensjahr schwer an der Gicht zu leiden. Etwa vier Wochen vor
seinem Tod begann sich auch sein Geist zu verwirren. Er starb, noch nicht 50 Jahre
alt, am 23. November 1752. Neben seinem Zeitgenossen Plazidus Metsch wird er
als der bedeutendste Rotter Musiker des 18. Jahrhunderts gerühmt.
Ochsenhauser Orgelbuch mit Fugen, Tänzen und
gezeichneten Anleitungen zur Wahl der Register; Komponist vermutlich P. Robert
Prälisauer
Pater Robert Prälisauer, Chorregent in Ochsenhausen
Ochsenhausen bei Biberach in
Baden-Württemberg war ein uraltes und bedeutendes Benediktinerkloster: 1093
Gründung eines Priorats, 1392 Erhebung zur Abtei, 1495 Reichsabtei. Die weitläufig-imposante
Anlage mit der dreischiffigen, ungewöhnlich langen (zehn Joche) Abteikirche im
Zentrum ist nach einer umfassenden Sanierung bestens erhalten. Das 1803 der
Säkularisation zum Opfer gefallene Kloster ist heute Sitz der Landesakademie
für Musik.
In dieser schwäbischen
Benediktinerabtei legte 1729 Martin Ämilian Prälisauer die Gelübde ab. Man gab
ihm den Mönchsnamen Robert. Nach seinem Tod wird in der Rotula (Nachruf) von Ochsenhausen
zu lesen sein, das schöne Beispiel seiner sieben leiblichen Schwestern und
Brüder, die vor ihm Nonnen, Mönche und Kanoniker wurden, habe ihn ermutigt, bei
den Benediktinern ins Kloster einzutreten. Geboren wurde er zu Kötzting am 4.
November 1708 als zehntes und vorletztes Kind der Mesnersleute. 1734 wurde
Robert Prälisauer zum Priester geweiht. Für ihn muss es eine doppelte Freude
gewesen sein, dass ausgerechnet in diesem Jahr der Ochsenhausener Orgelbaumeister
Joseph Gabler die große Orgel in der Abteikirche fertiggestellt hatte (Gabler
baute weitere berühmte Orgeln in Weingarten, Maria Steinbach und Zwiefalten).
Pater Robert war wie seine Brüder
musikalisch hochbegabt und bestens ausgebildet. Man übertrug ihm das Amt des
Chorregenten. Daneben leistete er Aushilfe in verschiedenen Seelsorgestationen.
In Steinhausen errichtete er die Sieben-Schmerzen-Bruderschaft. Drei Jahre
wirkte er als „Missionar“ zu Schwarzach im Pongau. Danach war er „Statthalter“
eines nicht näher bestimmten Ochsenhausischen Klosteramtes, schließlich wurde
er zum Prior ernannt. Zuletzt war er Pfarrer in Reinstetten, wo er nach der
Predigt vom Schlag getroffen wurde und bald darauf, am 18. Oktober 1771, starb.
Er war knapp 63 Jahre alt, seine Brüder hatten nur ein Alter um die 50
erreicht.
Die Totenrodel berichtet, er habe
handschriftliche „Compositiones piarum Cantionum“ (Kompositionen geistlicher
Gesänge) hinterlassen. Daraus geht nicht klar hervor, ob es eigene Kompositionen
waren oder Abschriften von Werken etwa seiner Brüder. Die Hoffnung, dass der
Nachlass Pater Roberts, der sich im Schwäbischen Landesarchiv der Universität
Tübingen befindet, Kompositionen der Prälisauer-Brüder enthält, erwies sich
als trügerisch. Ein Umschlag mit der Signatur B 370 und der Aufschrift
„Prälisauer“ ist leer. 1735 schrieb ein unbekannter Komponist das Ochsenhauser
Orgelbuch „Harmonia Organica“ mit Fugen, Tänzen und gezeichneten Anleitungen
zur Wahl der Register. Das Original ist an der Yale University in New Haven
(USA) aufbewahrt und wurde 2004 in Stuttgart als Faksimile herausgegeben.
Möglicherweise ist P. Robert Prälisauer der Verfasser (Berthold Büchele).
Eine von den zahlreichen, aber
verschollenen Kompositionen der Prälisauerbrüder konnte im September 1992
aufgefunden werden: eine handschriftliche Johannespassion aus der Feder des Tegernseer
Paters Cölestin. Die Stiftsbibliothek der Erzabtei St. Peter zu Salzburg
verwahrt sie unter der Signatur 1147.62. Es handelt sich um die sogenannten
Turba-Chöre, also um die Stellen der Passion, in denen ein vierstimmiger Chor
das Volk vertritt. Außerdem ist dazu die Orgelbegleitung erhalten, wie in der
Barockmusik üblich, in einer Notenzeile mit beziffertem Bass. Der Kötztinger
Kirchenchor studierte die Leidensgeschichte zusammen mit dem Kammerorchester
ein und holte in Passionskonzerten die musikbegabten Mesnersöhne nach
Jahrhunderten wieder in die Erinnerung zurück.
Quellen:
Pfarrarchiv Bad Kötzting, 307 (Kirchenrechnung
1692, fol. 19). – Pfarrmatrikel auf Mikrofiche.
Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Band
10, München 1989, Sp. 1589 f.
Eitner, Robert: Quellen-Lexikon der Musiker
und Musikgelehrten, Band 8, Graz 1959, S. 40.
Hubensteiner, Benno: Bayerische Geschichte,
München 1977, S. 230.
Schmidmüller, Martina: Die Augsburger
Domkapellmeister seit dem Tridentinum bis zur Säkulari-
sation. In: Jahrbuch des Vereins für Augsburger Bistumsgeschichte, 1989.
sation. In: Jahrbuch des Vereins für Augsburger Bistumsgeschichte, 1989.
Schenk, Erich: Wolfgang Amadeus Mozart,
Stuttgart 1955.
Gernhardt, Ludwig: Der Musiker Zölestin
Prälisauer aus Kötzting. In: Der Bayerwald, 1925, S. 275 f.
Ruf, Martin: Profeßbuch des Benediktinerstifts
Rott am Inn, St. Ottilien 1991, S. 267–269.
Krinner, Roman: Florilegium sacrum
(Mönchsbiographien 1636–1736), Handschrift clm 27148 der
Bayerischen Staatsbibliothek München (geschrieben in Tegernsee 1736/37), S. 483 f.
Bayerischen Staatsbibliothek München (geschrieben in Tegernsee 1736/37), S. 483 f.
Lindner,
Pirmin: Familia S. Quirini. In: Oberbayerisches Archiv, Band 50,
S. 138–140.
Lipowsky, Felix Joseph: Bayerisches
Musiklexikon, München 1811, S. 252 f.
Rückert, Georg: Musik im Kloster Polling. In:
Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte, 1933, S.
114 f.
114 f.
Söhner, Leo: Ein Choralforscher aus dem 18.
Jahrhundert. In: Kirchenmusikalisches Jahrbuch, 1927,
S. 120 ff.
S. 120 ff.
Münster, Robert: Streiflichter aus der Musikpraxis
in Rott am Inn vom 17. bis zum 19. Jahrhundert.
In: Birkmaier, Willi: Rott am Inn, Weißenhorn 1983, S. 230 f.
In: Birkmaier, Willi: Rott am Inn, Weißenhorn 1983, S. 230 f.
Fink, Wilhelm: Beiträge zur Geschichte der
bayer. Benediktinerkongregation, München 1934, S. 92,
172 f, 177, 192.
172 f, 177, 192.
Geisenhof, Georg: Kurze Geschichte des
vormaligen Reichsstifts Ochsenhausen in Schwaben,
Ottobeuren 1829.
Ottobeuren 1829.
Weigele, Klaus Konrad und Kaufmann, Michael
Gerhard (Hrsg.): Harmonia Organica – Ochsenhau-
ser Orgelbuch, Stuttgart 2004.
ser Orgelbuch, Stuttgart 2004.
Büchele, Berthold: Orgelmusik aus
Oberschwaben. In: Ars
Organi, 58. Jg. (2010), Heft 2, S. 78–83.
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