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Donnerstag, 22. Juni 2017

die Gebrüder Prälisauer



Ludwig Baumann

historische Hausnummer 97

Die Brüder Prälisauer: Mesnersöhne, Mönche, Musiker

Um 1690 stellten die Benediktiner des Priorats zu Kötzting einen neuen Mesner ein, den aus Sach­seln in der Schweiz zugewanderten Johann Joseph Anton Prälisauer. Der heiratete am 7. Juni 1691 Anna Maria Strigl, die Tochter des Schullehrers und Organisten. Elf Kindern schenkten sie das Leben. Von den acht, die nicht im Kleinkindalter starben, ergriffen fünf Söhne einen geistlichen Beruf, und sie förderten an ihren Wirkungsorten die Musikkultur in hohem Maße. Das musikalische Erbe hatte ihnen nicht nur die Mutter mitgebracht. Auch der Vater war aktiver Musiker, nur solchen wurde damals in Kötzting das Mesneramt anvertraut. Laut Kirchenrechnung von 1692 bekam der Mesner eine Jahreszulage, „daß er dem Schulmeister mit Abrichtung der Kinder uf die Music möglichst anhand gehen soll“. Aber auch die Benediktiner, deren Prioratsgebäude in der Herrenstraße direkt gegenüber dem Mesnerhaus stand, werden in den Buben mancherlei Interessen geweckt und Anlagen gefördert haben. 


Pater Anton Prälisauer, Domkapellmeister zu Augsburg

Anton Simon Prälisauer wurde am 13. August 1692 vom Hofmarksverwalter zu Zandt zur Taufe getragen und vom Kooperator, Pater Otto Mellenberger, getauft. Über seine schulische Ausbildung ist nichts bekannt. Sichere Daten sind uns erst ab 1718 überliefert. Damals war der 26-Jährige, der in den Jesuitenorden eingetreten war, Organist in St. Michael zu München – dort in der Neuhauser Straße hat die Kirchenmusik heute noch einen hohen Stellenwert. Zugleich war Prälisauer Vizepräfekt am Seminar St. Gregor. Schon in dieser Zeit tat er sich als Komponist von Schultheatern hervor. Im Münchener Jesuitengymnasium hatte das Theater eine alte und große Tradition. Orlando di Lasso vertonte für die Tragödie „Samson“ die Chöre, und Jakob Bidermann verfasste den „Cenodoxus“ für die Jesuitenschüler. „Das Münchener Jesuitentheater ist ein Höhepunkt europäischer Bühnengeschichte“ (Benno Hubensteiner).
In diese Tradition reiht sich Anton Prälisauer ein. In den sechs Jahren seiner Münchener Tätigkeit schrieb er die Musik zu einem halben Dutzend Jesuitendramen, die in lateinischer Sprache gespielt und den Zuschauern mit gedruckten Theaterzetteln inhaltlich erläutert wurden: „Ichnographia Palatii Mariani“ (Grundriss des Marianischen Palasts, 1718), „Ingeniosa hominis nequilia“ (Angeborene Bosheit des Menschen, 1722), „Talandus“ (1724), „Jacob Patriarcha“ (1724), „David“ (1724) – alle in München aufgeführt. Dazu vertonte er für die Jesuiten in Regensburg St. Paul 1722 das Drama des „Manfredus, der über den zeitlichen Geschäften das Geschäft seines Seelenheils vergißt“.
Das Ansehen, das sich Anton Prälisauer als Organist und Komponist erworben hatte, verhalf ihm 1725 zum beruflichen Aufstieg. Er bewarb sich am Dom zu Augsburg um die vakante „Lektorats­stel­­le“ und bekam sie – und dazu ein Benefizium mit der Begründung, dass er im Orgelschlagen und im Komponieren über gute Erfahrungen verfüge. Im Klartext: Er war ab dieser Zeit Augsburger Domorganist und die rechte Hand des Domkapellmeisters Weiß mit den besonderen Aufgaben, bei der Anschaffung von Instrumenten und bei der Auswahl des Musikernachwuchses behilflich zu sein. Als im Oktober 1736 der Domkapellmeister starb, übernahm Prälisauer fünf Tage danach die Leitung der Dom­musik. Beim Neubau der Evangelien-Orgel im Chor des Doms 1740 entwarf er die Disposition. In der Fachliteratur wird er als guter Orgelsachverständiger gewürdigt.
Aber auch auf seine Kompositionskünste wollte man in Augsburg nicht verzichten. 1726 und 1729 schrieb er für seine ehemaligen Münchener Kollegen die Musik zu zwei Jesuitenspielen („Noe“ und „Eclipsis illuminans“ – Glanzvoller Untergang). Und 1728 hatte er für die angesehene Marianische Kongregation der Augsburger Studentenschaft das Drama „Thriumphus Mariannae Charitatis“ (Triumpf der Marienliebe) komponiert. Danach vertonte er noch mindestens zwei Dramen für die Kongregation, „Absalon“ und „Leo Parthenii“ (beide 1743). Das letztere war für den „äußerst musikverständigen und musisch wohl am besten vorgebildeten Fürstbischof Joseph I.“ verfasst worden. Es wurde am 12. Januar uraufgeführt und fand bei dem sehr zahlreichen und vornehmen Publikum „beider Religionsparteien“ großen Gefallen. Am Tag darauf folgte eine Wiederholung, bei der der Fürstbischof wieder mit seinem ganzen Hofe anwesend war (Martina Schmidmüller). Außer Theatermusik komponierte Prälisauer auch Kirchenmusik. 1743 beauftragte ihn das Domkapitel, Choral-Antiphonen, Hymnen und Responsorien für die Feste St. Johann Nepomuk und St. Elisabeth zu schreiben.
Am 5. Januar 1746 starb Anton Simon Prälisauer. Im Kreuzgang des Augsburger Doms liegt er begraben. Seine Grabstelle ist bezeichnet mit den knappen Worten: „Ant. Sigm. Prelisauer aus Kötzting, Chorvikar und Kapellmeister, geb. 1692, + 5. Jan. 1746“.
Elf Jahre von Prälisauers Augsburger Zeit laufen parallel mit der Kinder- und Jugendzeit des in Augsburg geborenen und aufgewachsenen Leopold Mozart. Es gibt keinen Nachweis über ein Lehrer-Schüler-Verhältnis. Auch die Mitwirkung Mozarts in einem von Prälisauer geleiteten Chor kann nicht belegt werden. Trotzdem sind musikalische Begegnungen mehr als wahrscheinlich. Leopold Mozart war Schüler im Gymnasium und Lyzeum der Jesuiten. Während dieser Zeit wirkte er an sieben Schulspielen mit. Es darf vermutet werden, dass das eine oder andere von Prälisauer komponiert war.

Pater Cölestin Prälisauer, Komponist in Tegernsee

Der wortgewandte Abraham a Sancta Clara sagte von den Benediktinerklöstern: „Da jubiliert es, da geigt und pfeift es, und der Himmel hängt voller Baßgeigen.“ Die Benediktiner in Tegernsee ließen sich die Pflege der Musik, vornehmlich der Kirchenmusik, besonders angelegen sein. Wahrscheinlich auf Vermittlung der Kötztinger Benediktiner kam Franz Ildephons Prälisauer, der Zweitgeborene der Mesnersleute (getauft am 7. April 1694), mit neun Jahren ins Kloster Tegernsee, wo er mehrere Jahre als Sängerknabe eingesetzt war. Und er enttäuschte die Erwartungen seiner Gönner nicht. Im Kloster erhielt er die übliche humanistische Schulbildung und einen gediegenen Musikunterricht. Nach dem Philosophiestudium am Münchener Gregoriusseminar und dem Noviziat in Tegernsee legte er am 22. November 1716 die Ordensgelübde ab. Diesen Tag hatte man bewusst gewählt. Es war der Festtag der hl. Cäcilia, der Patronin der Kirchenmusik. Anschließend besuchte er die theologischen Lehranstalten der Benediktiner und feierte unter dem Ordensnamen Cölestin am 3. Oktober 1723, mit 29 Jahren, seine Primiz.
Danach durfte er sich ganz der Musik widmen. Begabung und Können waren Voraussetzung. Er war ein ausgezeichneter Sänger, ein gewandter Geiger und ein ebensolcher Organist. Als Leiter des Musikchores brachte er den Kirchengesang in Tegernsee zu hoher Blüte. Sein Ansehen als Musikpädagoge wuchs so sehr, dass viele Eltern ihre Söhne gegen eine Unterrichtsgebühr zu ihm ins Kloster schickten. Pater Cölestin brachte ihnen die Grundbegriffe in Latein bei und gab ihnen einen gründlichen Musikunterricht.
Auf seinen Rat richtete die Abtei vier Freistellen für musikalisch besonders Begabte ein. Kost, Kleidung und Wohnung waren frei, aber sonst wurde ihnen nichts geschenkt. Die Tagesordnung der Singknaben war hart: ¾5 Uhr Wecken, Ankleiden, Waschen, anschließend Beten und Studieren, 7 Uhr Messe, ½8 Uhr Suppe, 8–10 Uhr Schule, 10–11 Uhr Musikstunde, 11–12 Uhr Mittagstisch, 12–½1 Uhr Erholung, ½1–½2 Uhr Musik- oder Studierstunde, ¾2–2 Uhr Vorbereitung auf die Schule, 2–4 Uhr Schule, 4–5 Uhr Musikstunde, 5–6 Uhr Abendtisch, 6–½7 Uhr Erholung, ½7 Uhr bis zum Angelusläuten Studieren. Die Nachtruhe begann nach dem Abendgebet gegen 9 Uhr.
Für Pater Cölestin war Orlando di Lasso das große Vorbild. Seinen eigenen Namen machte er rühmlich bekannt durch die Vertonung mehrerer geistlicher Schauspiele, mit denen die Ölbergandachten in der Stiftskirche gestaltet wurden. Besonderes Aufsehen erregte sein Musikspiel „Ecce Agnus Dei“ (Siehe das Lamm Gottes), das in der Fastenzeit 1728 aufgeführt wurde. „Die Aufführung war so mustergültig und die Musik so einschmeichelnd, daß eine unglaubliche Menschenmenge nach Tegernsee wallte, um der frommen Darbietung beizuwohnen. Der Tondichter und seine Sänger und Schauspieler ernteten alle Anerkennung und allgemeinen Beifall“ (Ludwig Gernhardt). Abt Gregor Plaichshirn schaffte die Voraussetzungen, um diesen Ölbergvorstellungen einen würdigen und glänzenden Rahmen zu geben. Er ließ nach den Weisungen des Komponisten und Spielleiters Prälisauer Kostüme fertigen und nach den Plänen des kurfürstlichen Baumeisters Gunezrainer eine Bühne in die Kirche stellen.
Wie sein Bruder Anton in Augsburg schuf auch Pater Cölestin neben Theaterkompositionen liturgische Werke. Genannt werden ein feierliches Te Deum, Festgesänge auf verschiedene Tagesheilige, ein mehrstimmiges Requiem. Als sein bestes Werk rühmt Felix Joseph Lipowsky im 1811 erschienenen Bayerischen Musiklexikon die Responsorien zur Totenvigil – ein Werk „voll Ernstes und hoher Empfindung“. Nach Lipowsky „gab er nichts im Drucke oder Stiche heraus, ihm genügte, im Stillen genützt und etwas Gutes getan zu haben, am Lobe der Welt lag ihm nichts“.
Die große Jahrtausendfeier, die seine Abtei 1746 beging, erlebte Pater Cölestin nicht mehr. Als er sich am 4. Februar 1745 zur Frühmesse ankleiden wollte, wurde er vom Schlag getroffen. Da er an Wassersucht litt, brach er innerhalb 24 Stunden völlig zusammen und verschied am 5. Februar im Alter von knapp 51 Jahren. Die Festmusik zum Klosterjubiläum schrieb an seiner Stelle der jüngere Bruder, der seinem Beispiel folgend bei den Benediktinern in Rott am Inn eingetreten war

 



















Zum Karfreitag Leidensgeschichte unseres Herrn Jesus Christus für vier Stimmen und Orgel von
Pater Cölestin Prälisauer (1694–1745), geboren in Kötzting, Benediktiner der Abtei Tegernsee, barocke Handschrift, Titelblatt und Sopranstimme (Stiftsbibliothek der Erzabtei St. Peter, Salzburg)

Kanonikus Andreas Prälisauer, Musikerzieher und Komponist in Polling

Der dritte Prälisauersohn (am 7. April 1699 in Kötzting getauft) führt uns ins oberbayerische Augustiner-Chorherrenstift Polling bei Weilheim. Dort wurde Andreas Prälisauer 1720 eingekleidet. Bei seiner Ankunft wird ihn der mächtige, harmonisch gegliederte Turm der Stiftskirche mit den drei Meter starken Mauern aus Tuffquadern beeindruckt haben. Dort wird er auch den Reichtum des Pollinger Reliquienschatzes bewundert haben, eine Sammlung von Heiltümern um das alte Tassilokreuz, das seit dem 16. Jahrhundert Mittelpunkt einer Wallfahrt war. Dort stand ihm auch eine Bibliothek zur Verfügung, die dann nach seiner Zeit bis zur Säkularisation von seinem Mitbruder, dem späteren Probst Franz Töpsl, mit 80 000 Bänden zur größten und bedeutendsten bayerischen Klosterbücherei ausgebaut werden sollte. Wie die Benediktinerklöster waren auch die Stifte der Augustiner-Chorherren Zentren der Musikerziehung und der geistlichen Musik. Sie sollte das Lob Gottes verkünden und die Gläubigen zur Andacht und zum Gebet bewegen.
Unter Probst Albert Oswald (1701–1744) wurde an Stelle der bis dahin üblichen täglichen Choralämter die Figuralmusik auf dem Musikchor der Klosterkirche eingeführt. Den „figurierten Gesang“, benannt nach seinen Notenzeichen (Figurae) und oft begleitet von Orgel, Blas- und Streichinstrumenten, besorgten im Stift hauptsächlich die Seminaristen unter der Leitung eines Chorregenten. Diese Stelle wurde jeweils einem besonders musikalischen Chorherrn übertragen. Der erste Pollinger Chorregent nach Einführung der Figuralämter war Kanonikus Andreas Prälisauer. Wie er in seiner Amtszeit als Chorleiter wirkte und was er erreichte, erfahren wir erst in seinem Nachruf, als er am 5. November 1743, mit nur 44 Jahren, verstorben ist: „Er versah durch viele Jahre das Amt eines ersten Musikpräfekten und hat in der Klosterkirche zur Ehre Gottes viel geleistet. Nicht wenige unserer Seminaristen hat er in der Kunst des Gesangs und des Orgelspiels so unterwiesen, daß sie Virtuosen darin wurden, wie man sagt. Sicherlich verdient er auch den Dank der Nachwelt für die musikalischen Schätze, die er uns hinterließ. Er hat sie zum Teil selbst komponiert, zum Teil von Verwandten, die sehr kunstverständig waren, abgeschrieben“ (Georg Rückert).
Wir dürfen annehmen, dass mit der letzten Textpassage auf seine Brüder angespielt wird. Offen­sichtlich hat er neben eigenen Kompositionen mehrere ihrer Werke kopiert. Von diesen Notenhandschriften blieb nichts erhalten. Sie gingen mit hoher Wahrscheinlichkeit während der Säkularisation (1803) verloren. Von Dr. Robert Münster, dem ehemaligen Leiter der Musiksammlung der Bayerischen Staatsbibliothek und exzellenten Kenner bayerisch-barocker Klostermusik, war zu erfahren, dass nur wenige ältere Musikalien und liturgische Chorbücher, die in den Klosterbibliotheken aufbewahrt waren, nach 1803 in die Münchener Hofbibliothek gelangten.

Pater Kolumban Prälisauer, Musikhistoriker in Rott am Inn

Der vierte Sohn der Familie Prälisauer wurde am 9. Januar 1703 geboren und zwei Tage später auf die Namen Joseph Bernhard getauft. Als Pate fungierte der angesehene Kötztinger Bürger und Ratsherr Andreas Passauer.
Zur gymnasialen Ausbildung kam Joseph an das Gregorianum der Münchener Jesuiten. Sein Bruder Franz ist dort schon zur Schule gegangen und der älteste Bruder Anton war Vizepräfekt im Seminar und Organist an der Michaelskirche. Joseph wirkte wohl bei einem Schulspiel mit, das sein Bruder 1718 vertont hatte. Jedenfalls konnte er mit seinem Aufnahmegesuch ins Kloster, zwei Jahre später, auch Theaterprämien vorweisen. In seinem Schulzeugnis vom Jahre 1719 werden ihm große Begabung bescheinigt, lobenswertes Betragen, beste Leistungen, es wird aber auch angemerkt, dass sein Eifer für die Schulfächer manches Mal hinter seiner Liebe zur Musik zurückstehen musste.
Im Herbst 1720 trat der 17-Jährige als Frater Kolumban in die Mutterabtei der Kötztinger Benediktiner Rott am Inn ein, vielleicht auf Anregung der benachbarten Patres in der Heimat. Nach der Profess (Ablegung der Gelübde) 1721 studierte er im Kloster Ensdorf Philosophie und seit 1725 Theologie in Rott selbst, wo damals die bayerische Benediktinerkongregation ein Studium commune (ordenseigene Hochschule für mehrere Abteien) eingerichtet hatte. 1728 hatte er als Repetitor, als eine Art Assistent, eine besondere Vertrauensstellung. Am 14. August 1729 wurde er zum Priester geweiht.
Kurz nach seiner Primiz ernannte der Abt den jungen Pater zum Leiter der beiden Chöre und zum Bibliothekar. Er betätigte sich als Historiker und schrieb eine verschollene Chronik seines Klosters. Bedeutend war seine Beschäftigung mit der Musikgeschichte. Auffallend und bezeichnend für sein Interesse am Historischen ist die spezielle, eingehende und in die Tiefe forschende Arbeit zur Geschichte des gregorianischen Chorals in einer Zeit, da der liturgische Choralgesang von der Figuralmusik in den Hintergrund gedrängt wurde. Frucht dieser wissenschaftlichen Tätigkeit, besonders auch der Analyse musikalischer Handschriften, war eine (heute verschollene) Musikpaläographie („Merkmale der Zeichen der alten Musik“) und eine ebenfalls nicht erhaltene Chorallehre („Anfänge des Choralgesangs“). Kenntnis von Prälisauers Forschertätigkeit haben wir durch vier Briefe, die er an seinen Freund, den gelehrten und späteren Abt von Ensdorf, Anselm Desing, schrieb. Sie sind in der Universitätsbibliothek München erhalten. Pater Kolumban teilte Desing unter anderem mit, dass er in Tegernsee einen alten Codex fand, der im 11./12. Jahrhundert angefertigt worden war. Er entdeckte und deutete in dieser Handschrift vergessene Zeichen der Notation (Leo Söhner).
Neben seiner Tätigkeit in Musikforschung und -praxis blieb Pater Kolumban noch Zeit zum Komponieren. Von seinen Schöpfungen sind aber weder Titel bekannt noch Notenmaterial erhalten. Der Klosterchronist weiß aber zu berichten, dass Pater Kolumbans Kompositionen auch von auswärts gerne angefordert wurden. Einen sehr ehrenvollen Auftrag erhielt er im Jahre 1746. Das Kloster Tegernsee feierte, wie erwähnt, das tausendste Jahr seiner Gründung. Da im Jahr zuvor der dortige Klosterkomponist, Pater Cölestin Prälisauer, verstorben war, bat man seinen Bruder in Rott, die Festmusik zu komponieren. Pater Kolumban schrieb für das dreiaktige lateinische Spiel, das formal vom Barocktheater der Jesuiten beeinflusst ist, Rezitative und Arien, ein Duett und Chöre. Der in Tegernsee gedruckte Text blieb erhalten. Das Notenmaterial ist verschollen.
Pater Kolumban Prälisauer hatte in seinem letzten Lebensjahr schwer an der Gicht zu leiden. Etwa vier Wochen vor seinem Tod begann sich auch sein Geist zu verwirren. Er starb, noch nicht 50 Jahre alt, am 23. November 1752. Neben seinem Zeitgenossen Plazidus Metsch wird er als der bedeutendste Rotter Musiker des 18. Jahrhunderts gerühmt.



Ochsenhauser Orgelbuch mit Fugen, Tänzen und gezeichneten Anleitungen zur Wahl der Register; Komponist vermutlich P. Robert Prälisauer

Pater Robert Prälisauer, Chorregent in Ochsenhausen

Ochsenhausen bei Biberach in Baden-Württemberg war ein uraltes und bedeutendes Benediktiner­kloster: 1093 Gründung eines Priorats, 1392 Erhebung zur Abtei, 1495 Reichsabtei. Die weitläufig-imposante Anlage mit der dreischiffigen, ungewöhnlich langen (zehn Joche) Abteikirche im Zentrum ist nach einer umfassenden Sanierung bestens erhalten. Das 1803 der Säkularisation zum Opfer gefallene Kloster ist heute Sitz der Landesakademie für Musik.
In dieser schwäbischen Benediktinerabtei legte 1729 Martin Ämilian Prälisauer die Gelübde ab. Man gab ihm den Mönchsnamen Robert. Nach seinem Tod wird in der Rotula (Nachruf) von Ochsenhausen zu lesen sein, das schöne Beispiel seiner sieben leiblichen Schwestern und Brüder, die vor ihm Nonnen, Mönche und Kanoniker wurden, habe ihn ermutigt, bei den Benediktinern ins Kloster einzutreten. Geboren wurde er zu Kötzting am 4. November 1708 als zehntes und vorletztes Kind der Mesnersleute. 1734 wurde Robert Prälisauer zum Priester geweiht. Für ihn muss es eine doppelte Freude gewesen sein, dass ausgerechnet in diesem Jahr der Ochsenhausener Orgel­baumeister Joseph Gabler die große Orgel in der Abteikirche fertiggestellt hatte (Gabler baute weitere berühmte Orgeln in Weingarten, Maria Steinbach und Zwiefalten).
Pater Robert war wie seine Brüder musikalisch hochbegabt und bestens ausgebildet. Man übertrug ihm das Amt des Chorregenten. Daneben leistete er Aushilfe in verschiedenen Seelsorgestatio­nen. In Steinhausen errichtete er die Sieben-Schmerzen-Bruderschaft. Drei Jahre wirkte er als „Missionar“ zu Schwarzach im Pongau. Danach war er „Statthalter“ eines nicht näher bestimmten Ochsenhausischen Klosteramtes, schließlich wurde er zum Prior ernannt. Zuletzt war er Pfarrer in Reinstetten, wo er nach der Predigt vom Schlag getroffen wurde und bald darauf, am 18. Oktober 1771, starb. Er war knapp 63 Jahre alt, seine Brüder hatten nur ein Alter um die 50 erreicht.
Die Totenrodel berichtet, er habe handschriftliche „Compositiones piarum Cantionum“ (Kompositionen geistlicher Gesänge) hinterlassen. Daraus geht nicht klar hervor, ob es eigene Kompositionen waren oder Abschriften von Werken etwa seiner Brüder. Die Hoffnung, dass der Nachlass Pater Roberts, der sich im Schwäbischen Landesarchiv der Universität Tübingen befindet, Kompositi­onen der Prälisauer-Brüder enthält, erwies sich als trügerisch. Ein Umschlag mit der Signatur B 370 und der Aufschrift „Prälisauer“ ist leer. 1735 schrieb ein unbekannter Komponist das Ochsenhauser Orgelbuch „Harmonia Organica“ mit Fugen, Tänzen und gezeichneten Anleitungen zur Wahl der Register. Das Original ist an der Yale University in New Haven (USA) aufbewahrt und wurde 2004 in Stuttgart als Faksimile herausgegeben. Möglicherweise ist P. Robert Prälisauer der Verfasser (Berthold Büchele).
Eine von den zahlreichen, aber verschollenen Kompositionen der Prälisauerbrüder konnte im September 1992 aufgefunden werden: eine handschriftliche Johannespassion aus der Feder des Tegernseer Paters Cölestin. Die Stiftsbibliothek der Erzabtei St. Peter zu Salzburg verwahrt sie unter der Signatur 1147.62. Es handelt sich um die sogenannten Turba-Chöre, also um die Stellen der Passion, in denen ein vierstimmiger Chor das Volk vertritt. Außerdem ist dazu die Orgelbegleitung erhalten, wie in der Barockmusik üblich, in einer Notenzeile mit beziffertem Bass. Der Kötztinger Kirchenchor studierte die Leidensgeschichte zusammen mit dem Kammerorchester ein und holte in Passionskonzer­ten die musikbegabten Mesnersöhne nach Jahrhunderten wieder in die Erinnerung zurück.

Quellen:
Pfarrarchiv Bad Kötzting, 307 (Kirchenrechnung 1692, fol. 19). – Pfarrmatrikel auf Mikrofiche.
Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Band 10, München 1989, Sp. 1589 f.
Eitner, Robert: Quellen-Lexikon der Musiker und Musikgelehrten, Band 8, Graz 1959, S. 40.
Hubensteiner, Benno: Bayerische Geschichte, München 1977, S. 230.
Schmidmüller, Martina: Die Augsburger Domkapellmeister seit dem Tridentinum bis zur Säkulari-
       sation. In: Jahrbuch des Vereins für Augsburger Bistumsgeschichte, 1989.
Schenk, Erich: Wolfgang Amadeus Mozart, Stuttgart 1955.
Gernhardt, Ludwig: Der Musiker Zölestin Prälisauer aus Kötzting. In: Der Bayerwald, 1925, S. 275 f.
Ruf, Martin: Profeßbuch des Benediktinerstifts Rott am Inn, St. Ottilien 1991, S. 267–269.
Krinner, Roman: Florilegium sacrum (Mönchsbiographien 1636–1736), Handschrift clm 27148 der
       Bayerischen Staatsbibliothek München (geschrieben in Tegernsee 1736/37), S. 483 f.
Lindner, Pirmin: Familia S. Quirini. In: Oberbayerisches Archiv, Band 50, S. 138–140.
Lipowsky, Felix Joseph: Bayerisches Musiklexikon, München 1811, S. 252 f.
Rückert, Georg: Musik im Kloster Polling. In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte, 1933, S.
      114 f.
Söhner, Leo: Ein Choralforscher aus dem 18. Jahrhundert. In: Kirchenmusikalisches Jahrbuch, 1927,
      S. 120 ff.
Münster, Robert: Streiflichter aus der Musikpraxis in Rott am Inn vom 17. bis zum 19. Jahrhundert.
      In: Birkmaier, Willi: Rott am Inn, Weißenhorn 1983, S. 230 f.
Fink, Wilhelm: Beiträge zur Geschichte der bayer. Benediktinerkongregation, München 1934, S. 92,
      172 f, 177, 192.
Geisenhof, Georg: Kurze Geschichte des vormaligen Reichsstifts Ochsenhausen in Schwaben,
     Ottobeuren 1829.
Weigele, Klaus Konrad und Kaufmann, Michael Gerhard (Hrsg.): Harmonia Organica – Ochsenhau-
     ser Orgelbuch, Stuttgart 2004.
Büchele, Berthold: Orgelmusik aus Oberschwaben. In: Ars Organi, 58. Jg. (2010), Heft 2, S. 78–83.

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